Stadtplanung

Die Gründung einer modernen und nach Plan errichteten Hauptstadt für die Türkei
Ankara 1920–1950

„Ankara ist voll von überraschenden Zusammenfügungen aus seiner langen Geschichte. Nur ganz wenige Spuren der Vergangenheit sind in der Stadt von all den Überfällen, Bränden und Plünderungen durch die Jahrhunderte verschont worden. In einem absonderlichen Durcheinander steht einem diese Geschichte ständig vor Augen. Es gibt nur wenige andere Plätze, an denen die türkische Kultur mit den Resten der ihr vorausgegangenen Zivilisationen sich derart lebendig und zufällig vermischt und ineinander vermengt hat. Der produktive, kreative Schmerz, der Mustafa Kemal und seine Gefährten über die Wege Anatoliens trieb und mit tausend Schwierigkeiten ringen ließ, wird über die Jahrhunderte weiterführen, was mit Mantzikert und der großen Eroberung begonnen hat; und wie wir es Sinan und Nedim, Yunus und Itrî triumphierenden Träumen verdanken, so werden wir die Namen und Werke, die die Würde kommender Zeiten ausmachen werden, den in İnönü, am Sakarya und bei Dumlupınar an Landkarten verbrachten schlaflosen Nächten verdanken sowie den namenlosen Märtyrern und Helden, die die schwere Last dieser Nächte um den Preis ihrer Knochen und ihres Blutes trugen.”

Wie die Impressionen in Tanpınars Essay als Eindrücke reflektierten, ist Ankara, die Hauptstadt der 1923 gegründeten jungen Republik Türkei, bekanntlich ein altes Siedlungsgebiet, dessen Gründung 3000 Jahre zurückliegt. Die historische Etymologie, die in dem Namen dieser Stadt liegt, die zu Zeiten der Phryger, Galater, Byzantiner, Seldschuken und Osmanen unterschiedliches Gewicht hatte, erzählt bloß, dass sie sich von Ancyra über Engürü und Angora zu Ankara entwickelt hat; sie verbirgt, dass diese Siedlung früher schon vier Mal ein Verwaltungszentrum war. Man kann auch sagen, dass die für Anatolien häufig gebrauchte Metapher, es sei „an drei Seiten von Meeren umgeben,“ uns vergessen lässt, dass diese Stadt sich im geometrischen und geographischen Zentrum eines etwa 800.000 Quadratkilometer großen Landes befindet. Dagegen ist bekannt, dass sie – wie ein Blick auf die Tabula Peutingeriana zeigt – im vierten nachchristlichen Jahrhundert als eine „Metropole“ eingestuft wurde, dass sie in seldschukischer und osmanischer Zeit Schauplatz verschiedener Aufstände war und im 14. Jahrhundert lange als Hauptstadt eines unabhängigen Staates der Ahi-Bruderschaft diente. Man muss hinzufügen, dass mit der Eröffnung der Volksversammlung in Ankara am 23. April 1920 die den osmanischen Staat lenkende Staatsgewalt von Istanbul auf Ankara übertragen wurde, und dass diese sich derart in die „Kraftquelle“ des Unabhängigkeitskrieges verwandelnde zentralanatolische Stadt von 20.000 bis 25.000 Einwohnern rapide zu wachsen begann und dass dies nur die letzten Punkte waren, die die heutige Entwicklung der Stadt ermöglichten, die am 13. Oktober 1923, sechzehn Tage vor der Ausrufung der Republik, zur Hauptstadt des neuen Staates erklärt worden war.

Im Grunde hatte schon der durch den Anschluss der Stadt an das Eisenbahnnetz 1892 verursachte Aufstieg des Handels mit Ziegen- und Angorawolle die Einnahmen der Stadt verbessert und ihre Verbindungen zu Istanbul und anderen westanatolischen Städten gestärkt. Auch der Lebensstandard der Bevölkerung erhöhte sich zumindest ein wenig; und wenn dies auch keine Erneuerung der städtischen Raumstruktur mit sich brachte, so sorgte es doch für die Ausbreitung des sommerlichen Lebens in den Weinbergen, die Zunahme von Häusern dort und so für eine Ausweitung der Stadt. Es ist hervorzuheben, dass die Bevölkerung dieser im geographischen Zentrum Anatoliens und an der Seidenstraße liegenden Stadt von den neuesten Entwicklungen unterrichtet und für diese offen war, allerdings zugleich der Besetzung Anatoliens gegenüber empfindlich, wachsam und bereit zum kämpfen war. Sie setzte sich kosmopolitisch aus den Nationen muslimischer Türken, Juden, Armeniern und Griechisch-Orthodoxen zusammen. Erwähnt werden muss, dass dieses Gefüge nach den Deportationen von 1915, dem Burgbrand von 1917 und den Vorgängen des Unabhängigkeitskrieges von 1919 bis 1922 einen Teil der armenischen und griechisch-orthodoxen Bevölkerung und damit seiner Kultur eingebüßt hat.

Erst die Nationalversammlung, dann die hauptstädtischen Funktionen mitsamt ihren Institutionen, Strukturen und Beschäftigten nach rund sechs Jahrhunderten in das Zentrum Anatoliens umziehen zu lassen und in sozialen Revolutionen eine neue Identität anzunehmen, war ein schwerer Schlag für Istanbul, das 460 Jahre lang die „Schwelle der Seligkeit“ des osmanischen Staates gewesen war, für die Institutionen der Osmanen und für das städtische Leben; zugleich bedeutete es, dass auf Jahrzehnte die Konflikte andauern würden, die aus der Spannung geboren wurden, die der dauernde gesellschaftliche Wandel auf den beiden Kanälen der Modernisierung und des Aufbaus einer Nation in den Individuen dieser neuen Gesellschaft auslöste. Die beiden Städte Ankara und Istanbul verfügten über ganz unterschiedliche historische Erfahrungen, aber angesichts seiner Mängel war Ankara quasi neu zu gründen: Man kann behaupten, dass in der Zeit bis nach dem Zweiten Weltkrieg alle Investitionen in Bauten, in die Neuordnung der Umwelt, in wirtschaftliche Potentiale und in Zukunftsprojekte nach Ankara flossen, dass die Überschüsse des ganzen Landes in diese Stadt kanalisiert wurden. Diese zum Teil zutreffende Behauptung bekommt Sinn, wenn man sie mit dem Ideal zusammendenkt, dem sich der neue Staat verpflichtet fühlte: für die ganze Türkei ein universales Modell von Stadt, Gesellschaft und Lebensweise zu schaffen. Ankara übernahm die Aufgabe einer Bühne, die in allen Bereichen ein Vorbild abgab; es wurde für die anderen Städte zum Leitbild, das Modernität, Fortschrittlichkeit und Nationenwerdung an sich selbst verkörperte.

Die Stadt planen

„Ich habe an der Kreativität des menschlichen Willens nie gezweifelt. Deswegen habe ich auch unter den schwierigsten Bedingungen meine Begeisterung und meinen Optimismus nie verloren. Über Monate, ja Jahre habe ich mein ganzes literarisches Schaffen darauf gerichtet, dass Ankara eine moderne Metropole wird. Ich habe mehrere hundert Artikel verfasst, um den Gedanken der Stadtplanung zu verbreiten. Hätte man die Experten aus dem Westen nicht so schnell herausgeschmissen und hätten nicht, wie zuletzt in Istanbul, Spekulanten und Grundstückshändler sich des Bebauungsplanes bemächtigt, dann wäre Ankara heute ein paar mal so fortschrittlich, wie es ist.”

Diese dem Ideal der Stadtplanung verpflichteten und einigermaßen optimistischen Worte Falih Rıfkı Atays, eines berühmten Schriftstellers und Journalisten, dazu eines engen Freundes Atatürks, spielen auf das Ausmaß und die Komplexität der Transformation an. Vier Tage nach der Erhebung Ankaras zur Hauptstadt wird, am 17. Oktober 1923, das Bürgermeisteramt (Şehremaneti) Ankaras als hauptstädtische Stadtverwaltung neu organisiert und Falih Rıfkı als Vorsitzender der Bauverwaltungskommission ausgewählt. Während des Befreiungskrieges war Istanbul geschrumpft; als neues Zentrum hat Ankara dagegen einen massenhaften Zuzug von Soldaten, Militärs und Personen auf der Suche nach Arbeit und Unterhalt erlebt, sogar noch bevor es zur Hauptstadt gemacht wurde. Der rapide Bevölkerungsanstieg erhöht um ein Vielfaches den Bedarf der Stadt an neuen Institutionen und Bauten, besser gesagt an Räumen, in denen die Bevölkerung vorübergehend oder auf Dauer sich erholen, essen, Erziehung genießen, kulturellen Interessen oder Freizeitaktivitäten nachgehen konnte. Allerdings wird in dieser frühen Phase der Bevölkerungsdruck nicht hinreichend erkannt, weil man mitten in dem Prozess lebt. Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, verdoppelt sich die Einwohnerzahl der Stadt fast zwischen 1920 und 1926, und zwischen 1926 und 1928 steigt sie noch einmal auf das Zweieinhalbfache an, so dass sich in den acht Jahren zwischen 1920 und 1928 die Bevölkerung mehr als vervierfacht hat. Dieser Bevölkerungsanstieg wäre nicht nur für ein armes Land, das gerade einen Krieg erlebt hat, sondern auch für ein reiches Land mit einer funktionierenden Wirtschaft von einer Dimension gewesen, die zu Erschütterungen führen muss.

Jahr Einwohner
(Ankara Stadtgebiet)
Einwohner
(Städte der Provinz)
Einwohner
(inklusive Landbevölkerung)
Planphase Gebiet in Hektar
1920 20–30.000     Tarîk Haritası  
1924       Lörcher-Plan, 1924 (300 ha)
1925       Lörcher-Plan, 1925  
1926 47.727   345.837    
1927 74.533   350.023 Bebauungsplan Wettbewerb  
1928 107.641   404.726 Bebauungsplan Wettbewerb, vorläufiges Ergebnis  
1932       Jansen, 1932 (Projektion 2.000 ha / 710 ha)
1939       Jansens Abschied  
1940 90.053   620.965   (1.900 ha)
1944   220.000      
1950 174.964 288.316 819.693 Regierungsantritt der DP  
1954       Bebauungsplan Wettbewerb  
1955 198.633 451.251      
1956   455.000      
1957       Yücel Uybad-Plan  
Tabelle 1: Ankaras Einwohnerzahl, Stadtfläche und ihr Wachstum nach Planungsphasen.

Die Stadtverwaltung und das Ministerium für Bevölkerungsaustausch, öffentliche Bauten und Siedlungswesen (Mübadele, İmar ve İskân Vekâleti) listet die damals dringlichen Bedürfnisse wie folgt auf: 1. Neuorganisation der Stadtverwaltung, 2. Erstellung eines Bebauungsplans, 3. Lösung des Problems der Kanalisation und 4. der Wasserversorgung, 5. Beleuchtung der Stadt, 6. Behebung des Wohnungsmangels, 7. Planung des Straßenbaus, 8. der innerstädtische Verkehr, 9. Aufbau eines Telefonnetzes, 10. Erstellung eines Budgets für die Ausgaben der Stadtverwaltung. Unnötig zu betonen ist, wie sehr diese Punkte Planung und Projektierung voraussetzten.

Es lässt sich nachzeichnen, wie in den folgenden Monaten und Jahren diese prinzipiellen Prioritäten eine nach der anderen abgearbeitet worden sind.

  1. Was die Neuordnung der Stadtverwaltung betrifft, so zieht das Bürgermeisteramt, wie es in dieser Form nur in Istanbul besteht, nach Ankara um; und Haydar Bey, der Bürgermeister, wird auf persönlichen Befehl Atatürks hin nach Ankara versetzt. Der dritte der Bürgermeister Ankaras, Asaf Bey, vertritt die Ansicht, dass die Hauptstadt nicht den Status irgendeiner Stadt haben dürfe, sondern einen besonderen Status erhalten müsse, weil es sich um eine Neugründung handele. Die neugebildete Kommission für Bauverwaltung (İmar İdare Heyeti) soll die Bautätigkeit in der Staat koordinieren und Beschlüsse fassen, die anderen Städten in der Türkei als Vorbild dienen werden. Am 28. Mai 1928 wird mit dem Gesetz Nr. 1351 das Baureferat Ankara (Ankara İmar Müdürlüğü) eingerichtet.
  2. Das moderne Trinkwasser- und Kanalisationsnetz wird zum Jahresbeginn 1925 fertiggestellt; durch die Investitionen in die Wasserversorgung kann sich die Stadt bis 1928 selbst erhalten. 1929 werden im Kusunlar-Tal neue Quellen erschlossen. Der Bedarf der Stadt nach neuen Wasserquellen wird 1936 mit der Fertigstellung des Staudammes am Flüsschen Çubuk, der seit 1931 in der Diskussion stand, weitgehend gedeckt.
  3. Als Grundlage eines Bebauungsplanes bedarf man zweifellos einer Karte Ankaras. Nach der Karte, die Hauptmann Karl Friedrich von Vincke 1838 als Mitglied der Militärkommission des späteren Marschalls Helmuth von Moltke erstellt hat  und deren Aktualisierung von 1892 anlässlich der Eisenbahnverbindung wird im Zuge des oben erwähnten Programms 1924 mit der Karte des Bürgermeisteramtes (Şehremaneti Haritası) die erste Karte des 20. Jahrhunderts erstellt. Es ist bekannt, dass aufgrund dieser Karte „im sich vom Taşhan zum Bahnhof erstreckenden Bereich einige Planungsentscheidungen im Sinne einer Straßenverlaufsplanung getroffen wurden“.
  4. Auf Grundlage der Karte des Bürgermeisteramtes von 1924 beginnt man mit der Verbesserung der vorhandenen Straßen und Gassen, ihrer Reparatur, der Öffnung neuer und Schließung alter Straßenverläufe nach Maßgabe der Bauparzellierung. Man bemüht sich um improvisierte Lösungen der Probleme einer Stadt, die für ihre Staubstürme im Sommer und ihre vereisten Straßen und Wege im Winter bekannt ist.
  5. Die Bemühungen um eine Modernisierung des öffentlichen Verkehrs in der expandierenden Stadt laufen parallel zu den Arbeiten zur Elektrifizierung und Versorgung mit Stadtgas. Noch 1921 wird mit Hilfe eines Sonderkredits von 2.000 Lira, die das Finanzministerium dem Bürgermeisteramt zur Verfügung stellt, begonnen, mit Hilfe von ölbefeuerten Generatoren die Straßen zu beleuchten. 1928 wird ein Elektrizitätswerk (TELGAS) gegründet; und der seit 1924 eingerichtete Busverkehr zwischen Keçiören und Çankaya ist ein Zeichen für die Spannung zwischen zwei Regionen, in denen die Stadt sich entwickelt hat beziehungsweise sich neu zu entwickeln beginnt
    1944 wird beschlossen, zusätzlich zu den Autobussen auch elektrische Oberleitungsbusse im Nahverkehr einzusetzen. Auf den nunmehr asphaltierten Straßen verkehren Auto- und O-Busse deutscher und ungarischer Produktion.
  6. Im April 1928 wird mit einer auf 60 Jahre befristeten Lizenz nach dem Betreibermodell „Build Operate Transfer“ einem Konsortium aus den deutschen Fimen Didier-Werke (Stettiner Chamottefabrik Actien-Gesellschaft vormals Didier) und der Electricitäts-Lieferungs-Gesellschaft die Erzeugung sowie der Vertrieb von Elektrizität und Stadtgas in Ankara übergeben. Das Elektrizitäts- und Gaswerk in Ankara wird als Betrieb der Stadtverwaltung 1928 gegründet: Die „Elektrizität-Gas-Autobus“ (Elektrik-Gaz-Otobüs, kurz EGO) genannte Gesellschaft zählt 1930 in der Stadt 477 Stadtgas-Kunden. Zwischen 1928 und 1930 werden im alten Ankara und in der Neustadt (Yenişehir) mit hoher Geschwindigkeit Strommasten errichtet, Kabel gezogen und untergründig Erdgasleitungen verlegt.
  7. Die Wohnungsnot, die unter dem ersten Bürgermeister Mehmed Ali Bey fühlbar und unter dem zweiten Haydar Bey in ihrer Schwere deutlich wird, bewegt die Stadtverwaltung dazu, selbst Wohnraum zu errichten oder den Bau durch Kredite zu fördern. In der Amtszeit des dritten republikanischen Bürgermeisters Asaf Bey, der im November 1926 sein Amt antritt, werden offenbar 30 der 60 in Yenişehir begonnenen Bauten fertiggestellt.
  8. Das Anliegen der Stadtverwaltung, die Stadt in geplanter Weise zu gestalten, ein ordentliches Budget aufzustellen und Geldquellen zu erschließen, zieht die Notwendigkeit nach sich, halbjährliche und jährliche Fortschrittsberichte, Jahrespläne und Bauprogramme zu erstellen. Es gehörte in diesen Jahren zu den Aufgaben der Stadtverwaltung, für die Verfügbarkeit von Baustoffen zu sorgen, diese aus Istanbul oder İnebolu anliefern zu lassen und zu veranlassen, dass Werkstätten und kleine Fabriken gegründet werden, in denen Baumaterialien produziert werden.

Die Modernisierungsbemühungen, die parallel zu der Entwicklung Ankaras zu einer Hauptstadt unternommen wurden, gestalteten sich vor allem als ein Bemühen um geplante Entwicklung, geplantes Wachstum und geplante Bautätigkeit. Zu Beginn der Bestrebungen um einen Bebauungsplan für Ankara, in der Bestimmung des Wesens dieser neuen Stadt sowie der von ihr repräsentierten Werte zeigt sich durchgehend als ein wichtiger Akzent der Anspruch zu beweisen, dass die junge Republik anders ist als das Osmanische Reich.

Die Pläne Lörchers von 1924 bis 1925: Die Transformation des alten Ankara und die Gründung der Neustadt

„Diese beiden Wasserläufe [die Bäche von İnce Su und Tabakhane] umgeben in einem natürlichen Bogen das Siedlungsgebiet der Stadt; und es ist zu erkennen, dass dieser Bogen rund um die Stadt einen natürlichen Park bildet. Wenn man aus einem Flugzeug aus der Vogelperspektive schaut oder die Photographie des städtischen Panoramas aufnimmt, dann sieht man, dass aus der allgemeinen Lage der Stadt zu ihren Wasserquellen unausweichlich dieser Eindruck (eines Parks) entsteht. Wenn man diese Besonderheit, ein Geschenk der Natur, als eine gute Gelegenheit zu nutzen weiß, kann man der heute dürr und leblos scheinenden Stadt die Form einer von Parkgrün umschlossenen Gartenstadt geben.“ Lörcher, 1924. „Der Wunsch, die elegante Burg aus so vielen Perspektiven wie möglich zum Teil des Panoramas zu machen, wurde auch an anderen Orten verwirklicht.“

Der erste Plan Ankaras im modernen Sinn wurde in der Amtszeit des ersten Bürgermeisters Mehmed Ali Bey bei der „Türkischen Aktiengesellschaft für Erschließung und Bau“ (Keşfiyat ve İnşaat Türk Anonim Şirketi) für die alte Stadt und die Neustadt in Auftrag gegeben. Offenbar wurde der Plan mit dem Vorhaben bestellt, im Süden des historischen Stadtzentrums Grund zu verstaatlichen und die Stadtentwicklung dorthin zu lenken, die aus der Burg und ihrer Umgebung bestehende, 1917 bei einem Brand zu einem Drittel vernichtete Altstadt zu sanieren und die Möglichkeiten zur Ausweitung zu nutzen. Autor des Plans war der Berliner Architekt Dr. Carl Christoph Lörcher (1884–1966), der im Auftrag der Aktiengesellschaft für Erschließung und Bau tätig und zuvor Mitglied der Baukommission von Istanbul gewesen war. Fest steht, dass der am 30. Dezember 1923 in Auftrag gegebene Plan mit seinen Anhängen am 30. Mai 1924 der Stadtverwaltung übergeben und als Skizze im Anhang zu dem Verstaatlichungsgesetz Nr. 583 vom 1. Mai 1925 veröffentlicht wurde. Wenn man die Einzelheiten des 52-seitigen, auf Osmanisch gedruckten Berichts untersucht, kann man feststellen, dass dieser nicht nur die Grundzüge der Lörcherschen Pläne von 1924/1925, sondern auch die des Jansen-Plans von 1928/1932 festlegt und auf den Ausbau der modernen Hauptstadt erheblichen Einfluss gehabt hat.

Lörchers Plan von 1924 bemüht sich um die Ansiedlung der wachsenden Bevölkerung in der alten Stadt und ihrer unmittelbaren Umgebung und rechtfertigt neu angelegte Straßen, die die Verbindung der Stadt mit ihrer Umgebung erleichtern sollen. Allerdings führt der Druck durch den oben angesprochenen rapiden Bevölkerungsanstieg noch vor Abschluss des Planes dazu, dass in Koordination mit einem Verstaatlichungsgesetz ein Erweiterungsplan und der Entwurf der Neustadt als ein administrativer Stadtteil mit dem Namen „Çankaya“ auf die Tagesordnung kommen. In diesem Stadtteil ist ein „Staatsviertel“ vorgesehen, in dem sowohl ein neues Parlamentsgebäude als auch Ministerien und andere staatliche Institutionen untergebracht werden sollen, außerdem aber auch ein Wohngebiet für die in diesen Institutionen Arbeitenden (Abbildung 5). Die Beziehung zwischen alter und neuer Stadt ist nur sehr peripher vorgesehen; die Neustadt wird als großzügige „Gartenstadt“ aufgefasst und – in einer die Erfahrung der im Aufbau befindlichen Nation und ihres Nationalstaates steigernden Weise – mit öffentlichen Räumen ausgestattet. Sie bestehen aus geplanten breiten Straßen, Plätzen und Parks, wie man sie in der geschlossenen osmanischen Stadt kaum antrifft; hier wird zum ersten Mal betont die Bedeutung hergestellt, die der urbane Raum und seine Elemente bei der Ausbildung des Leitungszentrums der Republik artikulieren werden. Der dabei entstehende dreidimensionale Raum stellt eine Verbindung zwischen dem neu entwickelten Fußgänger- und Fahrzeugverkehr her und fügt sie gleichzeitig in eine hierarchische Geometrie ein, die die Bedeutung des Entwurfs unterstützt.

Mit dem erwähnten Gesetz Nr. 583 ging eine Verstaatlichung von 400 Hektar Land einher, von denen 300 Hektar auch genutzt wurden; der Plan Lörchers nahm davon 150 Hektar in Anspruch. Als Resultat der gleichzeitigen Entstehung der beiden Pläne ist nach Ansicht einiger Untersuchungen die Altstadt „vernachlässigt“ worden, und wegen der verwickelten Eigentumsverhältnisse, des Problems der kleinen Grundstücksgrößen sowie der Abschüssigkeit des zu bebauenden Geländes ist die Bebauung auf dem alten Siedlungsgebiet damals wirklich sehr schleppend verlaufen. Die Kommission für Bauverwaltung hat Schritte vermieden, die im historischen Stadtgebiet den Abriss und Erneuerung der alten Bausubstanz nach sich gezogen hätten. Die Empfehlungen des Lörcher-Planes von 1924/25 im Altstadtgebiet haben – auch wenn sie nicht umgesetzt worden sind – bleibende Folgen für das urbane Gewebe; die Qualitäten von Wegen und Achsen, Gebieten und städtischen Räumen sind durchdacht und zum Teil auch ausgeführt worden. Wir können diese Empfehlungen, die Aufeinanderfolge von Grünflächen, den Begriff der „schönen Burg“, die Beschlüsse zu Vierteln und ihren Untergebieten, sowie die Formung von Plätzen als Suche nach und Benennung von Sinn im städtischen Raum bewerten In der neuen Stadt werden die staatlichen Institutionen durch die öffentliche Hand erstellt, daneben wird aber auch dem Bürger Initiative eingeräumt und das Ziel gesetzt, ein Wohngebiet mit Mustercharakter entstehen zu lassen. Der Städtebau wird zum ersten Mal mit einer Bausatzung institutionalisiert, die dem Prinzip der Angemessenheit verpflichtet, klar und verständlich ist; einige öffentliche Einrichtungen und Freiflächen sollen durch Gemeinschaftsarbeit erbaut werden und so ein konkreter Beitrag, eine Beteiligung der Bürger bei der Errichtung der Stadt sichergestellt werden.

1927 stellt sich heraus, dass die in Lörchers Plänen von 1924 und 1925 vorgesehene Fläche und einige Grundannahmen ihre Gültigkeit verloren haben; es war nun erforderlich, die Entwicklung der von 25.000 auf 107.000 Einwohner hochgeschnellten Stadt für 250.000 Einwohner zu planen. Die Stadtverwaltung lud drei so erfahrene Stadtplaner wie Hermann Jansen, Léon Jaussely und Josef Brix nach Ankara ein und erhielt von ihnen jeweils einen Vorentwurf. Unter den Entwürfen der drei Experten in diesem Wettbewerb von 1928 fandt der Jansens Beifall und wurde als Sieger ausgewählt.

Im Jahr 1928 ist Ankara zu einer Stadt geworden, die alle Elemente eines Nationalstaates im Raum gesucht und gefunden hat und dann entsprechend errichtet worden ist. Die Reform- und Modernisierungsinitiativen auf den Gebieten der individuellen Gesundheit und der öffentlichen Hygiene haben über die auf den Bau von Krankenhäusern, Forschungsinstituten und Sportanlagen gewandte Aufmerksamkeit auf den Bereich der Erziehung übergegriffen und wurden mit dem Bau von Schulen aller Stufen weitergeführt; in der Neustadt hatte man ein neues, dem Garden City Movement entsprechendes Wohngebiet errichtet; man hat Museen gebaut, in denen die gesellschaftliche Vergangenheit im Lichte der historischen Wissenschaft untersucht und die Quellen des Wissens klassifiziert wurden; man hat den städtischen Raum mit den zu einer Hauptstadt gehörigen Plätzen und Statuen ausgestattet und ihr so die Qualitäten des öffentlichen Raumes zukommen lassen; dann hat man unter aufopfernden Mühen das Waldgut (Orman Çiftliği) und einen zoologischen Garten gegründet, um zu beweisen, dass in einer Stadt mit Hilfe von Bewässerung Landwirtschaft und Tierzucht auch bei ungeeigneten natürlichen Bedingungen möglich sind. Aus den „aufopfernden Bemühungen“ der Hauptstadt, die mit unzureichenden Möglichkeiten diese Gründungsaufgabe anpackte, resultierten für sie charakteristische Einrichtungen des physischen Raums mit einer Bandbreite, die vom Gefängnis zum „modernen Friedhof“, von neuen Massenmedien zum „Aufbau“ des staatsbürgerlichen Individuums reichten.

Der Jansen Plan von 1928 bis 1932: Die „Gartenstadt“ und die Kontinuität von Prinzipien

„Die Bewahrung der Altstadt verwirklicht sich von selbst, wenn es gelingt, das Gelände der Neustadt von ihr räumlich zu trennen. Wenn die beiden Stadtteile sich auf einem flachen Gelände befänden, wäre es zweifellos möglich, sie ohne hohe Kosten miteinander zu verbinden. Auf der anderen Seite machen die sich stufenförmig erhebenden und dadurch lebendig wirkenden Häuser und die beherrschende Burg die ganze Attraktivität, Schönheit und Eigenart der Altstadt aus.“ Jansen (1937)

Die Pläne Lörchers von 1924 und 1925 hatten wegen der hohen Grundstückspreise einerseits nicht ausgereicht, die Neubau- und Modernisierungstätigkeit in unmittelbarer Umgebung der alten Stadt zu fördern; andererseits war man mit dem bei der Erschließung der neuen Stadt im Süden entstehenden ländlichen Eindruck mit dünner Besiedlung nicht zufrieden. Um die Auswirkungen des Bevölkerungswachstums, das die Stadt in etwa einem Jahrfünft auf das Vierfache hat wachsen lassen, auf die Urbanisierung in den Griff zu bekommen, projektieren die Bebauungsplan-Entwürfe des Wettbewerbs von 1928 in einem zeitlichen Horizont von vierzig bis fünfzig Jahren eine Stadt von 250.000 bis 300.000 Einwohnern; dabei nehmen sie in der Frage der Spannung zwischen alt und neu unterschiedliche Haltungen ein. Was Jansens Haltung auszeichnet, ist, dass er gespürt hat, wie beschränkt die Investitions-Möglichkeiten der Stadtverwaltung von Ankara waren, und deswegen bescheidenere Lösungen vorschlägt. Dabei konnte er konkrete Vorschläge machen, weil er Zugang zu Insider-Wissen hatte.

Der von Hermann Jansen (1869–1946) vorgelegte Plan schlägt für Ankara eine einfache Zonierung vor und integriert, wie das von den Wettbewerbsteilnehmern gewünscht worden war, die nach dem Lörcher-Plan von 1924 und 1925 entstandene Bebauung. Der Jansen-Plan von 1928, der sich das Ziel setzt, wie es in seinem Kennwort für den Wettbewerb heißt, „Innerhalb der Grenzen des Möglichen“ zu bleiben, schlägt eine allgemeine Einteilung in Zonen vor; der Fahrzeug- und Fußgängerverkehr wird entlang einer städtischen Hauptachse geführt und während er die Ausbreitung der Stadt hauptsächlich in südlicher Richtung vorsieht, projektiert er auch an den anderen drei Seiten der Altstadt neue Bebauung; er fasst die Burg als „Stadtkrone“ auf und schlägt „Sichtlinien“ vor, damit die Bebauung der Umgebung der Burg sowie diese selbst gut zu sehen sind; er plant das Bent-Tal als Erholungsgebiet und öffnet das Viertel um den Bahnhof der Entwicklung zum Stadtzentrum. Die Schaffung eines Systems von Parks, die Konzentrierung aller Ministerien in der Neustadt, die Nutzung der Umgebung der Eisenbahnlinie als Industriegebiet sowie die des Gebietes im Norden von Cebeci zwischen dem Friedhof und dem Waldgut für einen Tiergarten und einen großen Park waren Beschlüsse, die ohnehin umgesetzt wurden. Sich alle Werte des Lörcher-Planes von 1924 zu eigen machend wird Jansen eine Zonierung entwickeln und so einen Kontext für das Wachstum der Stadt herstellen, in dessen Rahmen er dann Gebiete wie ein Arbeiterviertel, ein Universitätsviertel und den Tandoğan-Flughafen definiert und für den Verkehr einen allgemeinen Plan mit dem Atatürk-Boulevard als Hauptverkehrsader vorlegt. Bis 1939 wird er ständig zwischen Berlin und Ankara pendeln und als Bauberater der Stadtverwaltung für die Verwirklichung des 1932 angenommenen Planes arbeiten.

Ankara 1950: Eine ordentliche, geplante und grüne Stadt

„Beim Laufen erfüllte mich – ganz aufrichtig – Bewunderung für diese Strecke. Zwei parallele breite Straßen umgaben einen großzügigen Mittelstreifen in ihrer Mitte und wurden wiederum von zwei seitlichen Trottoirs umgeben. Der ganze Bereich wurde von dreifachen elektrischen Birnen an in Abständen aufgestellten Masten in Licht von einer Stärke getaucht, mit der noch nicht einmal die Boulevards in Paris beleuchtet werden. Die sich unendlich hinziehende Straße erstreckte sich in Zickzackbewegungen bis nach Çankaya.”

In dem Vortrag, den Jansen anlässlich des Wettbewerbs für das „Haus der Freundschaft in Konstantinopel“ (Türk-Alman Dostluk Yurdu) 1916 in Istanbul gehalten hatte, hatte er als die vier Hauptpunkte, die beim Entwurf moderner Städte zu beachten seien, „Ökonomie, Verkehr, Gesundheit und Ästhetik“ hervorgehoben. Wir begreifen, dass er Ankara, dessen Planung er elf Jahre später von Lörcher übernehmen sollte, tatsächlich in Anlehnung an diese vier Prinzipien entwickelte.

Stadt, Wirtschaft und Wohnraum

Der Lörcher-Plan von 1924 und 1925 und der Jansen-Plan bis 1932 trafen beide in der Altstadt und ihrer Umgebung Entscheidungen zur Bauentwicklung wie die Erneuerung der Parzellierung, den Neubau kleiner Straßen oder die Errichtung von Dienstleistungsgebäuden für Bildung und Gesundheit; aber sie vertraten außerhalb der Altstadt grundlegend unterschiedliche Bebauungsprinzipien. Der Lörcher-Plan, der eine verhältnismäßig kleine Fläche von 150 Hektar betraf, hatte urbanen Dienstleistungseinrichtungen wie Krankenhäusern, Sportanlagen, Parks, Amtsgebäuden, Fried- und Schlachthof , ja sogar dem Gefängnis bestimmte Plätze zugewiesen und oft auch bestimmt, wie sie gebaut werden sollten. Die Neustadt, in der Gegend des heutigen Kızılay im Stil einer „Gartenstadt“ projektiert, brachte mit ihren kleinen, in Gärten stehenden Häusern hohe Grundstückskosten mit sich. Wirtschaftlich machte den Plan unhaltbar, dass sich die Ausweitung der Stadt durch die Schnelligkeit ihres Bevölkerungswachstums nach Süden richtete und die aus Istanbul nach Ankara ziehenden Botschaften sich in der Nähe Çankayas ansiedelten, wo sich die Residenz des Staatspräsidenten befand. Der Jansen-Plan (710 Hektar, Zielvorstellung 2.000 Hektar) bemühte sich um die Schaffung neuer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, indem er entlang der den Atatürk-Boulevard bildenden Nord-Südachse eine Blockrandbebauung vorschlug. In der Neustadt und in Kavaklıdere wurden die ersten villenähnlichen Einzelhäuser abgerissen und durch eine dichtere Bebauung ersetzt, um größere Geschossflächenzahlen zu erreichen und das Bauvolumen zu erhöhen. Die Bauten entlang des Boulevards wurden übereinstimmend mit mitteleuropäischen Städten mit einem Erdgeschoß, drei Obergeschossen und einem Mansardengeschoss errichtet , was auch die Maße der Straßen bestimmte. Die von Jansen für Straßenbreiten, Geschosshöhen und Bebauungsdichte entwickelten Proportionen wurden in allen Städten der Türkei verwendet.

Das städtebauliche System begann zu greifen und bahnte sich dank der Einführung von Satzungen und der ordentlich arbeitenden, Prinzipien setzenden Kommission für Bauverwaltung seinen eigenen Lauf. Die Stadtverwaltung transponierte die Anwendung des Bebauungsplanes in Halbjahres-, Jahres-, Fünf- und Zehnjahrespläne. Sie schuf das Werkzeug gemeinsamen Eigentums an der gleichen Parzelle und die ersten, als „Mietshäuser“ (kira evi) bezeichneten Mehrfamilienhäuser. Das seit dem Lörcher-Plan bestehende System, nach dem öffentliche Institutionen die von ihnen benötigten Dienstwohnungen und Wohnhäuser selbst errichteten, bestand auch in der Periode des Jansen-Plans weiter. Der Gedanke, für Staatsbeamte Beamtenwohnungen zu errichten, war bereits 1925 geäußert worden, wurde aber von Jansen als „Staatsviertel“ begrifflich gefasst und schließlich im Jahr 1944, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, durch die Emlak und Kredi Bank am Beispiel des Saraçoğlu-Viertels verwirklicht. Ungeregelte und ungenehmigte Baustellen sorgten seit den 1930er Jahren dafür, dass aus verschiedenen Regionen und Städten zum Arbeiten nach Ankara kommende Zuwanderer ihren Wohnraumbedarf in Selbsthilfe deckten. Die auf dem Staatsschatz gehörenden oder privaten Grundstücken errichteten „vorübergehenden“, „improvisierten“ Wohnbauten wurden zuerst „Baracken“genannt; besonders aber während des Zweiten Weltkriegs und in den 50er Jahren sollten immer mehr gecekondu „über Nacht hingestellt“ werden. Nachdem 1931 die Gründung von Wohnungsbaukooperativen erleichtert und gefördert wurde, sollten Jansens Interpretationen der „Gartenstadt“-Architektur im Jahre 1936 in Form der Kooperativen „Gartenhäuser“ und „Sicherheitsheime“ erstmals einer gehobenen Einkommensklasse dienen. Jansen hatte den Lageplan beider Kooperativen entworfen, bei den Bahçeli Evler sich allerdings auch als Architekt bewiesen.

Öffentliche Gesundheit: Grünflächen und frische Luft

Die Bedeutung, die entsprechend dem Schlagwort von der „gesunden Stadt“ vom Anfang des Jahrhunderts dem Entwurf öffentlicher Freiflächen beigemessen wurde, ist eine interessante Gemeinsamkeit der beiden Pläne. Das Straßennetz, das Bebauungsgewebe und die Qualitäten der Straßen und Plätze im Lörcher-Plan führten im Zusammenspiel mit den Begriffen der „modernen Stadtarchitektur und –planung,“ deren Enstehung im Jansen-Plan fühlbar werden, zu zaghaften Lösungen etwa gegenüber dem motorisierten Verkehr. Allerdings waren die bis in die 50er Jahre entstandenen Symbole Ankaras für Regierende und Stadtbewohner eine Quelle des Stolzes. Die Auslobungsbroschüre, die 1954 für den Wettbewerb um einen neuen Bebauungsplan veröffentlicht wurde, beweist, dass das Zentrum Ankaras ein Paradies von Parks und Gärten war (Tabelle 2). Mit ihren ausgewachsenen Bäumen hatten diese Parks und der Grüngürtel von Maltepe (der vom Eingang zum Anıt-Kabir bei Mebusevleri über die Kumrular Straße und die Yüksel Caddesi bis zur Bülbülderesi Caddesi führte) auch die von hohen Bäumen bestandenen Boulevards und Hauptstraßen das dürre, staubige Ankara der 1920er Jahre abrupt verändert.

Name des Parks   Gesamtfläche des Parks (m²)
Gençlik Parkı Park der Jugend 340..000
Emniyet Parkı Park der Sicherheit 18.000
Hisar Parkı Burgpark 46.000
Hacettepe Parkı Park von Hacettepe

134.000

Aktepe Parkı Park von Aktepe

560.000

Büyük Millet Meclisi Parkı Park der Großen Nationalversammlung

70.000

Babaharman Parkı Park von Babaharman 40.000
Anıt-Kabir Parkı Park um das Anıt-Kabir 600.000
Maltepe Yeşil Kuşakları Grüngürtel von Maltepe 150.000
Cebeci Spor Sahası Sportfeld von Cebeci

80.000

Atatürk Orman Çiftliği Atatürks Musterfarm 1.200.000
Çubuk Barajı Staudamm von Çubuk

800.000

Söğütözü Parkı Park von Söğütözü 25.000
Gölbaşı Plajı Strand von Gölbaşı

in einem Park von 800.000 m²

Tabelle 2: Die wichtigsten Grünflächen Ankaras.

Die Ästhetik der Stadt: Öffentliche Räume, Plätze und urbane Bedeutung

Als Lörcher vorsah, die neue Stadt außerhalb der Altstadt zu bauen, ohne diese zu zerstören oder zu verändern, verwirklichte er den semantischen Zusammenhalt zwischen den beiden Teilen durch die Schaffung einer Achse. Die lineare Reihung von Bahnhof, Parlament und Burg, die er in der alten Stadt entdeckt hatte, gab ihm die Gelegenheit, sowohl eine Beziehung zwischen dem Siedlungsgebiet mit dem modernen Verkehr, als auch eine Repräsentation zeitgenössischer und historischer Macht im städtischen Raum in axialer Weise zu artikulieren. Lörcher, der mit der von ihm verwandten urbanen Metapher der Burg als einem den Reichtum vergangener Kultur widerspiegelnden Objekt hohe Wichtigkeit zumaß, brachte den Begriff der „schönen Burg“ auf und verwendete auch bei der Gründung der Neustadt wieder die gleiche Metapher. Die heutige Bahnstation Sıhhiye ist Lörchers Ausgangspunkt für die Neustadt: Die neue Achse, die er zwischen Burg, Bahnhofsplatz und Neustadt entwirft, gibt ihm die Möglichkeit, ein Regierungsviertel klingenförmig zu entwerfen und an sein Ende ein Parlamentsgebäude zu setzen. Lörcher gibt dieser Achse den Namen „Straße der Nation“; sie ist die Grundlage des heutigen Atatürk-Boulevards. Die als Teil dieser Boulevard-Achse projektierten Plätze sind als öffentlicher Raum etwas für Anatolien Neues. Die heutigen Plätze Kızılay, Sıhhiye, Zafer („Sieg“), Ulus („Nation“) und Lozan („Lausanne“) verdanken wir dem Lörcher-Plan. Jansen, der in seinen Projekten der 1930er Jahre den Atatürk-Boulevard mit schnell fließendem Autoverkehr in beiden Richtungen entwickelte, sollte einige Plätze streichen, sich aber darum bemühen, durch die Burg von Ankara als Stadtkrone, den „Park der Jugend“, und das „Staatsviertel“, dieViertel für Universität und Arbeiter sowie die sie verbindenden Grünstreifen für Fußgänger den Standards der Sitte-Schule für eine Gartenstadt zu entsprechen.

Im Ergebnis sieht man, wenn man heute auf das Ankara der Jahre zwischen 1920 und 1950 schaut, die Disziplin einer „modernen,“ „ordentlichen,“ „planvollen,“ „der Planung vertrauenden,“ „mit Selbstbewusstsein verwalteten,“ „eine gesunde Umwelt bietenden,“ „auch ohne eigenes Gesetz die Charakteristika einer Hauptstadt an den Tag legenden“ Stadt. Diese Disziplin hat Ankara – aller heutigen „Abnutzungserscheinungen“ zum Trotz – ein sehr reiches urbanes und architektonisches Erbe hinterlassen. Es war bis in die 70er Jahre für die anderen Städte des Landes ein Vorbild in Bezug auf Verwaltung, die Methoden der Urbanisierung und die Transparenz der administrativen Prozesse sowie die Höhe des Lebensstandards, das es bot. So bewahrte Ankara über eine lange Zeit seine Vorbild-Rolle.

Dr. Ali Cengizkan
Übersetzung: Christoph K. Neumann

Goethe-Institut Ankara 2010