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Berlinale-Blogger*innen 2021
Wo ist Zuhause, Mama?

„Die Saat”, Regie Mia Maariel Meyer, mit Hanno Koffler
„Die Saat”, Regie Mia Maariel Meyer, mit Hanno Koffler | Foto (Detail): © kurhaus productions

Zwischen Schwarzwald und Hongkong: Die Nachwuchssektion Perspektive Deutsches Kino blickt hinaus in alle Welt.

Von Philipp Bühler

Vielleicht ist das der ehrlichste Blick auf die Menschenrechtsproteste in Hongkong: Aus einem Hotelfenster schaut Anke hinunter auf die wandernden Massen, hört die Rufe nur als fernes Murmeln, ist mit den Gedanken woanders. Aus dem Schwarzwald ist die Rentnerin in die umkämpfte Metropole gekommen, um ihren Sohn zu besuchen. Doch der lässt sich nicht blicken, hat womöglich ganz andere Probleme. Über Gespräche mit Einheimischen knüpft sie schließlich doch eine spirituelle Verbindung zu diesem Ort, erkennt ihre Sehnsucht als Ausdruck eines größeren menschlichen Begehrens. So jedenfalls lässt sich Jonas Baks Debüt Wood and Water betrachten, das der Regisseur mit seiner Mutter in der Hauptrolle besetzt hat. Er ist der abwesende Sohn im Film, der Schmerz verursacht, aber diesen mithilfe einer bemerkenswerten Kamera in atmosphärisch berührende Bilder zu fassen versteht.

Über Grenzen

Distanz und Nähe in einer globalisierten Welt sind ein Thema der diesjährigen Berlinale-Sektion „Perspektive Deutsches Kino”, die einmal mehr die Frage stellt: Was ist eigentlich deutscher Film? In When a Farm Goes Aflame dokumentiert Jide Tom Akinleminu eine spannende dänisch-nigerianische Liebesgeschichte, die Geschichte seiner Eltern. In beiden Herkunftsländern ist der Filmemacher aufgewachsen, doch seine Ausbildung erhielt er in Deutschland, ebenso wie Yana Ugrekhelidze, die in ihrem Dokumentarfilm Instructions for Survival die Situation Transidentitärer in ihrer Heimat Georgien beleuchtet.

Keine Erlösung

Ein sehr deutscher Film zu einem globalen Problem namens Kapitalismus ist Mia Maariel Meyers Spielfilm Die Saat. Auf einer Baustelle muss ein ambitionierter Fliesenleger mit prekärem Familienleben die Hoffnung auf eine Beförderung begraben. Gewohnt stur arbeitet sich der bekannte Schauspieler Hanno Koffler durch einen Ken-Loach-Plot, an dessen Ende alles in Scherben liegt. Noch berührender gerät nur Jesus Egon Christus, ein Spielfilm über eine Drogenentzugsklinik unter evangelikaler Leitung. Die stark dokumentarische Anmutung verdankt sich der Arbeit mit authentisch gecasteten Laiendarstellern, die sich allerdings in ebenso deutlich stilisierten Settings bewegen – man merkt, dass die Regie-Brüder David und Saša Vajda Philosophie studiert haben. Der offensichtlich selbst betroffene Paul Arámbula liefert eine fabelhafte Leistung als psychotischer Sonderling Egon, der sich im Glauben verrennt. War er nur der falsche Patient für eine mögliche Lösung? Ein herausfordernder, packender Film über seelische Qualen, Religion als Ersatzdroge und die unstillbare Sehnsucht nach Erlösung.

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