Berlinale-Blogger*innen 2022
Ein Film über das größte Tabu
Sarah Nevada Grether – Grand Jeté, Regie: Isabelle Stever (DEU 2022, Sektion Panorama) | Foto (Detail) © brave new work
Isabelle Stever präsentiert auf der Berlinale keinen einfachen Film. Im Gegenteil, „Grand Jeté“ behandelt ein für viele anstößiges Thema: die inzestuöse Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem Sohn.
Von Lucia Conti
Nadja, die Protagonistin des Films, ist Ballerina. Ihr Körper trägt die Spuren, ja fast die Stigmata ihrer Obsession für den Tanz. Emotional magersüchtig, ausgezehrt von ihrer Unfähigkeit, sich mitzuteilen, wie auch vom harten Training, hatte sie nie ein enges Verhältnis zu ihrem Sohn, der bei seiner Großmutter aufwuchs. Als sie beschließt, ihn näher kennenzulernen, mündet ihre Beziehung in unerwarteter Intimität.
Eine neue und beunruhigende Gelassenheit
Vor dem Hintergrund ihres neuen Verhältnisses zu ihrem Sohn scheint Nadja sich zu entspannen. Ihr Haar, im grellen Licht des Probesaals immer streng hochgebunden, löst sich. Ihrem Gesicht gelingt es, zu lächeln und zu weinen, wenn auch kaum wahrnehmbar. Ihr gequälter Körper überwindet den chronischen Schmerz und nährt sich von Gefühlen und sogar Mahlzeiten, wenn auch in kleinen Bissen. Es sind kleine Schritte vorwärts, keine Tanzschritte, aber eine Bewegung in Richtung Leben.
Emil von Schönfels - Grand Jeté von Isabelle Stever (DEU 2022, Sektion Panorama) | Foto (Detail) © brave new work