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Viele Menschen sitzen an einem Bach im Englischen Garten in München in der Sonne.Foto (Ausschnitt): Svetlana Kerestely © Goethe-Institut

„Ich spiele in kurzen Hosen und Badelatschen den ‚Lohengrin‘“

Sommer in Deutschland heißt: Grillen am Fluss, Entspannen im Garten und Eisessen unter freiem Himmel. Doch wer arbeitet, wenn wir entspannen? Wer repariert unser Fahrrad, wer sorgt für unsere Sicherheit am Badestrand und wer fliegt uns in ferne Urlaubsländer? Wir zeigen, wie sich der Sommer in Deutschland anfühlt.

Arbeiten im Sommer: Cellist: „Ich spiele in kurzen Hosen und Badelatschen den ‚Lohengrin‘“

Cellist Matthias Schreiber gastiert alle zwei Jahre bei den Bayreuther Festspielen.
Cellist Matthias Schreiber gastiert alle zwei Jahre bei den Bayreuther Festspielen.
Wenn seine Kollegen im Leipziger Gewandhausorchester in die Sommerpause gehen, sitzt Cellist Matthias Schreiber im Orchestergraben der Bayreuther Festspiele. Kein Urlaub, dafür ein wagnerianisches Vergnügen.


Den Frack kann Matthias Schreiber in diesem Sommer getrost im Schrank lassen. Nicht nur weil das Gewandhausorchester in Leipzig sechs Wochen lang pausiert: Seit fast vierzig Jahren ist der Cellist festes Ensemblemitglied im wohl größten Berufsorchester der Welt. Doch alle zwei Jahre zieht es ihn, den „eingefleischten Wagnerianer“, nach Bayreuth. Während seine Leipziger Kolleginnen und Kollegen Urlaub haben, schwitzt Matthias Schreiber zusammen mit rund 200 anderen Musikern aus aller Welt im Bayreuther Orchestergraben. Dieser ist unterhalb der Bühne situiert, und im Sommer werden die Temperaturen dort fast unerträglich hoch. Deswegen ist die Kleideretikette für die Musiker lässig. „Ich spiele in kurzen Hosen und Badelatschen den Lohengrin, ich ziehe mich nicht um. Das ist dann gewissermaßen meine Entspannung“, sagt Schreiber.

Eigentlich brauche er ja seinen Urlaub, auch eine gewisse Zeit ohne Musik, um den Kopf frei zu kriegen, bekennt er dann mit einem kleinen Lächeln. Sein Musikeralltag in Leipzig ist von Proben, Aufführungen und Tourneen bestimmt. Seit das Orchester 1981 ins Neue Gewandhaus am Augustusplatz gezogen ist, gehört Schreiber dazu. Wenn der hochgewachsene Mann mit schwungvollen Schritten, sein Instrument locker auf den Rücken geschnallt, durch die Bühnengänge eilt, spürt man, wie selbstverständlich er mit diesem Haus verbunden ist.
Schnellen Schrittes durchs Gewandhaus

Schnellen Schrittes durchs Gewandhaus | Foto (Ausschnitt): © Ula Brunner

Matthias Schreiber, Jahrgang 1958, aufgewachsen in Wernigerode im Harz, kommt aus einer Familie, in der noch Hausmusik gemacht wurde. Der älteste Bruder spielte Klavier, der mittlere Geige, der jüngere Viola, er selbst entschied sich für das Cello. Seinen beruflichen Werdegang verdankte er den Repressionen des DDR-Regimes: „Ich durfte kein Abitur machen, weil mein Vater Pfarrer war. Aber Musik konnte ich studieren.“ Es sei im Nachhinein eine gute Fügung gewesen, ergänzt er. Auch seine Frau ist Geigerin, zwei der vier Kinder studieren Musik. „Ich hab sie nie gezwungen, aber Musik ist eine Bereicherung im Leben, und es ist schön zu sehen, wenn aus einer Leidenschaft ein Beruf wird“, sagt Schreiber.
Im leeren Konzertsaal

Im leeren Konzertsaal | Foto (Ausschnitt): © Ula Brunner

Mit dem Gewandhausorchester ist er häufig unterwegs: „Wir sind ein Orchester, das viele Tourneekonzerte in der ganzen Welt gibt, ich war fast überall – bis auf Afrika.“

Und dann noch Bayreuth! Vom Probenbeginn bis zur letzten Vorstellung dauert die Festspielzeit zehn Wochen. Das klingt anstrengend. Schreiber winkt ab: "Es ist trotz allem eine entspannte Atmosphäre." Seine Familie begleitet ihn oft, er spielt nicht täglich, hat Zeit für Ausflüge und zum Wandern. Die einstündige Pause zwischen den Akten nutzt er gerne für einen Waldspaziergang oder für einen Abstecher ins benachbarte Kneippbad.
Schon fast sein ganzes Leben spielt Matthias Schreiber Cello.

Schon fast sein ganzes Leben spielt Matthias Schreiber Cello. | Foto (Ausschnitt): © Ula Brunner

Natürlich, lenkt Schreiber dann ein, sei es ihm schon wichtig, im nächsten Jahr wieder einen „richtigen“ Urlaub mit der Familie zu machen und mehr gemeinsame Zeit zu verbringen. Zumal Familienmitglieder nach einem neuem Reglement der Festspiele nicht mehr bei den Orchesterproben zuhören dürfen. Aber auf die Wagner-Festspiele verzichten, kann er sich nicht vorstellen. Zum einen sei es natürlich eine Ehre, eingeladen zu werden. Das Wichtigste sei jedoch das Gemeinschaftsgefühl und der Austausch unter den Kollegen: „Bayreuth funktioniert, weil alle freiwillig dorthin fahren und leidenschaftliche Wagnerianer sind. Es ist ein Vergnügen, dort zu spielen.“
Ula Brunner, Redaktionsleiterin von redaktion.brunner und Redakteurin beim Rundfunk Berlin-Brandenburg.

Text: Goethe-Institut, Ula Brunner. Dieser Text ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.
Creative Commons Lizenzvertrag
Juli 2018

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