Das McCormick House in Elmhurst, Illinois ist ein 1952 von Ludwig Mies van der Rohe, dem letzten Direktor der Bauhaus-Schule, entworfenes Einfamilienhaus. Es ist eines von nur drei Privathäusern, die Mies in den USA gebaut und entworfen hat. John McKinnon, Direktor des Elmhurst Art Museum und die Künstlerin Claudia Weber geben einen unmittelbaren Einblick vom tagtäglichen Leben mit und in diesem Gebäude.
John McKinnon über die Erhaltung des McCormick House
Als Direktor des Elmhurst Art Museum erlebte ich Herausforderungen und Erfolge, wenn es um das von Ludwig Mies van der Rohe entworfene McCormick House ging. Dieser wenig bekannte Prototyp eines Fertighauses ist eines von nur drei Einfamilienhäusern, die der berühmte Architekt in den USA entwarf, und es bringt eine ganz eigene Komplexität und Geschichte mit sich.
Ludwig Mies van der Rohe, McCormick House Frontansicht, ca. 1950 | © Hedrich Blessing Archive, HB15690B, Chicago Historical Society
Das Museum kaufte das McCormick House 1991 zur Verankerung des neuen Kunstmuseums. Das Haus wurde 1994 von seinem ursprünglichen Standort hierher versetzt, als erstes Gebäude auf dem Campus des Museums. Technik wie Telefonleitungen, und Wasserrohre wurden vom neuen Museumsgebäude, das 1997 fertiggestellt wurde, direkt in das McCormick House verlegt – das McCormick House war so nicht mehr als eigenständiges Haus zu erkennen.
McCormick House Restaurierung, 2018. | Foto von Kendall McCaugherty © Hall+Merrick Photographers
Ich half dem Museum dabei, das McCormick House wieder vom Museumshauptgebäude zu trennen. Diese Restaurierungsmaßnahme legte die komplette Fassade und Mies’ Originalentwürfe frei, zum ersten Mal seit 35 Jahren. Eine der größten Herausforderungen dabei war, den Menschen eine Vorstellung davon zu geben, wie das Gebäude nach der Teilung aussehen würde. Die Beschaffung von finanziellen Mitteln war in diesem Rahmen besonders schwierig, da hier zwei Gebäude nahtlos ineinander übergingen und das McCormick House dadurch verdeckt wurde. Ich habe verschiedene Strategien ausprobiert – und die beste war, den Besucherinnen und Besuchern aufzuzeigen, wo die einzelnen Gebäude anfangen und aufhören. Es hat funktioniert, doch einige Kollegen mokierten sich darüber, dass ich mit einem Stück Klebeband auf dem Boden Gelder eingeworben habe. Seit der Trennung der Häuser kann man unter dem Carport hindurchgehen und eine neue Tür durchschreiten – das ist in vielerlei Hinsicht symbolisch und erlaubt es, das McCormick House besser zu erfahren. Ich hoffe, es gibt unseren Besucherinnen und Besuchern eine Vorstellung davon, was im Innern des Hauses möglich wäre im Hinblick auf eine Restaurierung.
Installationsansicht „Assaf Evron & Claudia Weber“. Ausgestellte Arbeit von Assaf Evron | Foto von Jim Prinz
Die Trennung der Gebäude und die Restaurierungsmaßnahmen gaben dem Gebäude mehr Sichtbarkeit und eröffneten mehr Möglichkeiten der Programmgestaltung für uns. Als einziges Zentrum für zeitgenössische Kunst in den USA, das ein von Ludwig Mies van der Rohe entworfenes Haus betreut, hat das Museum eine einzigartige Verantwortung und Chance. Alle unsere wechselnden Ausstellungen, Vorträge und anderen Programme beziehen sich auf das Erbe des Hauses und bilden dabei im Laufe der Zeit ein komplexes Narrativ. Es gibt nicht nur eine Geschichte des McCormick House, es gibt viele.
John McKinnon
| Foto: The Adamkovi
John McKinnon wurde 2017 zum Direktor des Elmhurst Art Museum ernannt. Kürzlich betreute er die Instandsetzung des McCormick House von Mies van der Rohe sowie eine Erweiterung des Museumsprogramms. Derzeit ist er Mitglied der City of Elmhurst Public Arts Commission und des Arts DuPage Advisory Committee. In früheren Positionen war er unter anderem Programmdirektor der Society for Contemporary Art am Art Institute of Chicago sowie kuratorischer Mitarbeiter für Moderne und Zeitgenössische Kunst im Milwaukee Art Museum.
Claudia Weber über den Wiedereinzug in ein Museum
Von Februar bis April 2019 bewohnte ich in einen der Flügel des McCormick Houses von Mies van der Rohe – und stellte für einige Zeit seine heutige Rolle als Museum in Frage, indem ich dort einzog und es tatsächlich als Zuhause nutzte. Da das Haus weder eine Küche noch ein funktionstüchtiges Badezimmer hatte, erweiterte ich als ersten Schritt die Wohnfläche des Hauses auf das Bildungszentrum des Elmhurst Art Museum und das YMCA, um einigermaßen annehmbare Lebensbedingungen zu schaffen.
Claudia Weber im McCormick House | Foto: Jim Prinz
Um das Haus für mich in ein Zuhause zu verwandeln, brachte ich sorgfältig ausgewählte Möbel und Gegenstände mit, die ich entweder bereits besaß oder speziell für diesen Anlass kaufte, baute oder in Auftrag gab und die flexibel genug für jede sich im Laufe der zwei Monate möglichweise ergebende Aktivität sein sollten. Außerdem kreierte ich einen Satz aus 260 übergroßen Karten, die ich
Exquisite Corpse nannte – der Name ist dem Spiel
Cadavre Exquis der französischen Surrealisten entlehnt. Dieses Kartenspiel stellt eine informative aber auch verspielte Möglichkeit dar, den Weg des Hauses neu zu erkunden: Aufgeteilt in die vier Kategorien Haus, Sozialer Kontext, Diskurs und Ephemera, erzählen die Karten nicht nur von der Arbeit des Architekten und dem Leben der Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch von den sozialen Umbrüchen in den USA seit den fünfziger Jahren ebenso wie über die Veränderung des Standortes und der Nutzung des Hauses.
-
© Claudia Weber
Ich habe einen flexiblen Tisch entworfen, dessen Platte gleichzeitig als Bilderrahmen mit wechselnden Motiven dient. Tätigkeiten wie arbeiten, Kaffee trinken, essen oder Karten spielen überlagerten jedes Motiv mit den Spuren des täglichen Lebens.
-
© Claudia Weber
Ein Besucher bereitet das „Exquisite Corpse“ Kartenspiel für ein Gruppenspiel vor
-
© Claudia Weber
Einmal habe ich ein festes Muster mit den Karten vorbereitet, um zu sehen, wie die Besucher darauf reagieren würden
-
© Claudia Weber
Ein paar Stunden später hatte sich das Muster in eine dynamischere Konstellation verändert, die auf einem Spiel zu basieren schien, dass ich in einem begleitenden Regelwerk vorgeschlagen hatte
-
© Claudia Weber
Eine Gruppe Besucher folgen einer Struktur, bei der nur Wortkarten (aus Diskurs und Ephemera) benutzt werden
Besucherinnen und Besucher konnten auf verschiedene Weise mit den Karten interagieren, sie konnten sie zum Beispiel nur überfliegen oder sie für assoziative Paarungen oder strukturierte Spiele nutzen. So bot jede Kombination ein anderes Narrativ und fügte Ludwig Mies van der Rohes Prototyp eines Hauses eine neue Facette hinzu. Dieses Projekt wurde finanziert durch das Elmhurst Art Museum, das Auswärtige Amt und die Graham Foundation for Advanced Studies in the Fine Arts. Zusätzliche Unterstützung kam vom Goethe-Institut und dem BDI.
Claudia Weber
| Foto: Andrew Finegold
In ihrer künstlerischen Praxis setzt sich Claudia Weber mit der wechselseitigen Beziehung zwischen der gebauten Umgebung und dem Status Quo auseinander. Als Teil ihres konzeptuellen und ortsbezogenen Ansatzes arbeitet sie dabei abwechselnd mit Fotografie, Skulptur, und/oder Text. Webers Arbeiten wurden international ausgestellt, darunter auch in Mies van der Rohes McCormick House/EAM, Elmhurst; Lehmann Maupin Gallery, Thierry Goldberg und White Columns (alle New York). CAC Bretigny (Frankreich); und Kunstraum Kreuzberg / Bethanien, Berlin. Sie war Empfängerin des einjährigen Kulturaustauschstipendiums New York des Landes Berlin, ein Reise- und Studienstipendium der Jerome Foundation und ist 2019 Stipendiatin der Pollock-Krasner Foundation, New York. Weber hat außerdem an zahlreichen Residenzprogrammen teilgenommen, darunter McDowell Colony, Peterborough (NH) sowie die Workspace
Residenz des Lower Manhattan Cultural Council, New York. As Gründungsherausgeberin von Plot.online
bringt sie kritische Denker verschiedener Disziplinen zusammen, um sich mit den narrativen Netzwerken von Bildern zu befassen.
Kommentare
Kommentieren