Stolpersteine-Werkstatt am Goethe-Institut in Amsterdam
Jeder Stein ein Schicksal
Gunter Demnig erinnert mit seinen Stolpersteinen an die Opfer des Nationalsozialismus. Im Sommer öffnete die erste Stolpersteine-Werkstatt außerhalb Deutschlands am Goethe-Institut in Amsterdam. Wie es dazu kam, erzählt der Künstler im Interview.
Von Johanna Giebel
Seit den 90er Jahren erinnern Sie mit den Stolpersteinen an die Opfer der NS-Zeit. Nun gibt es zum ersten Mal eine Stolpersteine-Werkstatt außerhalb Deutschlands: im Garten des Goethe-Instituts in Amsterdam. Wie kam es dazu?
Gunter Demnig: Die Niederlande waren anfangs eigentlich ein Problemfall. Man war gegen die Stolpersteine. Bis Borne, eine Gemeinde in der Provinz Overijssel, 2004 oder 2005 gesagt hat: ‚Wir machen’s!‘ Dann war plötzlich das Eis gebrochen.
Die Niederlande sind das Land nach Deutschland, wo die meisten Steine liegen. Und die Anfragen sind nach wie vor groß. In Amsterdam selbst haben wir eine Wartezeit von vier Jahren. Das kann natürlich manchmal schlecht sein, da eben sehr viele Angehörige schon über neunzig sind. Einmal bin ich extra für einen Tag nach Amsterdam gekommen, weil es um eine ältere Dame ging, die krebskrank war und wusste, sie wird das Jahresende nicht mehr erleben. Also habe ich gesagt: ‚Ich komme und wir machen das.‘
In Amsterdam wurde dann die Werkstatt durch eine „Stichting“ – etwas Ähnliches wie ein als gemeinnützig eingetragener Verein – von Alexander Stukenberg, dem Gestalter und Koordinator von STIFTUNG – SPUREN – Gunter Demnig für die Niederlande, gegründet. Er wurde angelernt und kann nun auch Steine herstellen. Ich habe eigens eine Werkstation für ihn komplett eingerichtet, und es ist natürlich toll, dass das Goethe-Institut den Raum zur Verfügung gestellt hat.
Eine gewisse Kontrolle über die Inschriften muss allerdings gewährleistet sein, um den Wahrheitsgehalt und die Korrektheit der Inschriften sicherzustellen. In Deutschland beispielsweise werden alle Inschriften nochmal über das Bundesarchiv geprüft.
Gunter Demnig: Das variiert. Aber das europäische Ausland ist auch dabei: Spanien ist immer stärker mit dabei oder Italien. Da von dort natürlich auch sehr viele als Zwangsarbeiter*innen nach Deutschland geschickt worden sind.
Wie lang dauert die Produktion eines Steines bis zur Einsetzung?
Gunter Demnig: Wir brauchen schon einen Vorlauf von einem halben Jahr. Die Daten müssen da sein, dann werden sie geprüft, dann werden die Aufträge verteilt. Manchmal geht es auch drei- bis viermal hin und her, bis eine Inschrift wirklich von allen abgesegnet ist und gesetzt wird.
Wie weit ist das Projekt der Stolpersteine generell?
Gunter Demnig: Da wir ja inzwischen auf die 90.000 Steine zugehen und im August Serbien das 27. Land wird, das daran beteiligt ist, nimmt das Projekt nun die Form an, von der ich immer geträumt habe. Überall dort, wo die deutsche Wehrmacht, die SS, die Gestapo ihr Unwesen trieben, tauchen symbolisch Steine auf. Inzwischen ist das Ganze eher zu einer Generationenfrage geworden, weil jetzt die Enkel oder Urenkel fragen, was war mit unserer Oma? Warum hatten wir nie Großeltern? Es geht also ungebremst weiter.