Kinder- und Jugendcomics
Reporterhund trifft Dinosaurier
Ob Wissensvermittlung oder Förderung von Kreativität und Fantasie: Kinder- und Jugendcomics bieten heute alles, was man von hochwertiger Kinder- und Jugendliteratur erwarten würde.
Von Matthias Schneider
„Alea iacta est“ – „Die Würfel sind gefallen“: Selbst wer in der Schule keinen Lateinunterricht hatte, konnte sich früher durch die Lektüre von Asterix und Obelix einen soliden Phrasenschatz lateinischer Sprichwörter aneignen. Dennoch galten klassische Comics wie Disneys Lustige Taschenbücher, Asterix oder Lucky Luke bei Erwachsenen lange als wenig lehrreich für den Nachwuchs und liefen vor allem unter Unterhaltungslektüre. Diese Zeiten dürften vorbei sein: Das Genre der Kinder- und Jugendcomics hat sich weiterentwickelt und auch ihr erzieherischer Anspruch ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Mit viel Humor, Phantasie und Spannung wecken die Veröffentlichungen deutscher Autoren bei Schulkindern die Lust am Lesen, vermitteln Wissen oder behandeln Themen, die für Kinder und Jugendliche in ihrem sozialen Umfeld wichtig sind.
Forschung mit Reporterhund
Viele der Bücher dieser neuen Generation sind als Auftragsarbeiten für Kinderzeitschriften entstanden. Nachdem sie dort regelmäßig als Comic-Strips erschienen sind, wurden sie für eine Buchveröffentlichung überarbeitet. Der Reporterhund Ferdinand und der Außerirdische Q-R-T stammen beispielsweise aus „Dein Spiegel“, der Kinderausgabe des deutschen Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“.
Seit der Gründung von „Dein Spiegel“ im Jahr 2009 ist Ferdinand aus der Monatszeitschrift nicht wegzudenken. Er besucht für seine Reportagen die Feuerwehr oder recherchiert zu Kartoffelchips, redet mit Dinosauriern, Haien oder Kängurus, lässt sich von Walen retten oder erforscht die Herstellung von Fischstäbchen. Unterhaltung steht bei diesen Abenteuern an erster Stelle, schließlich stammen die Texte vom bekannten Cartoonisten Ralf Ruthe und vom Zeichner Flix, sie vermitteln aber auch viel Wissenswertes für Kinder. Die Serie liegt inzwischen in vier Sammelbänden vor.
Ebenfalls zuerst bei „Dein Spiegel“ erschienen ist die Science-Fiction-Serie Q-R-T von Ferdinand Lutz, die seit 2011 regelmäßig erscheint und mittlerweile in zwei Büchern zusammengefasst ist. Die Hauptperson, der Außerirdische Q-R-T, ist für Forschungszwecke auf die Erde gekommen und in eine Hochhaussiedlung gezogen. Da er aussieht wie ein Kind, fällt er dort nicht weiter auf. Gemeinsam mit Q-R-T studieren die Leser die Eigenheiten der Menschen aus der Kinderperspektive – um zum Beispiel herauszufinden, warum Kinder auf der Erde zu schlecht gelaunten Erwachsenen werden.
Detektivgeschichten und erste Liebe
Auch an Themen, die für größere Kinder an der Schwelle zur Pubertät spannend sind, wagen sich die Comic-Autoren – sei es die erste Liebe oder Probleme in der Schule. Die Detektivgeschichte Paula. Liebesbrief des Schreckens (2016) lässt auch Erwachsene den Wandel vom Kind zum Jugendlichen noch einmal nachempfinden. Die jugendliche Paula versucht zusammen mit ihrem Freund Tonio den Absender eines geheimnisvollen Briefs ausfindig zu machen. Dabei wird sie erstmals mit Gefühlen für einen Jungen konfrontiert: Es ist noch nicht Liebe, aber Toni ist auch nicht mehr nur ein Spielfreund. Die Autorin und Zeichnerin Sandra Brandstätter beschreibt diesen ambivalenten Zustand einfühlsam und unterhaltsam mit einem Plot wie in einer Screwball-Komödie.
Zu den wohl produktivsten Autoren für Kinder zählt Patrick Wirbeleit. Die Comic-Serie Kiste, die er zusammen mit dem Zeichner Uwe Heidschötter entwickelt hat, wurde 2015 mit dem Leipziger Lesekompass ausgezeichnet und erhielt 2016 den Max-und-Moritz-Preis als „Bester Comic für Kinder“. Kiste ist eine sprechende Pappkiste, die der Junge Mattis auf der Straße findet. Er freundet sich mit dem vorlauten Pappkameraden an, der nur Unfug im Kopf hat, und gemeinsam erleben sie zahlreiche Abenteuer. Mal basteln sie einen Aussichtsturm aus Treibholz, mal nimmt Mattis Kiste mit in die Schule. Wirbeleit gelingt es, natürliche Dialoge und phantastische Elemente zu paaren und dabei die alltäglichen Probleme eines Jungen zu Beginn der Teenagerzeit zu beleuchten.
Abenteuer auf der Baustelle
Ganz ohne Worte kommen die Bilder-Comics für Kleinkinder aus. Die Bücher über Pelle und Bruno des Zeichners Ulf K. sind eine Mischung aus Bilderzählung und Comic. Das ungleiche Duo, Hund und Katze, der eine forsch, der andere vernünftig, erlebt fantastische Abenteuer – ob mit Hüpfschuhen, mit denen sie bis in die Wolken springen können, oder bei der Gartenarbeit, wo wegen Brunos Superdünger die Pflanzen haushoch wachsen.
Auch Stephan Lomps hat mit Der kleine Bagger. Abenteuer auf der Baustelle (2018) einen Kindercomic ganz ohne Worte gezeichnet. Die Geschichte handelt von einem kleinen Bagger, der sich in der Welt der Großen behaupten muss. Auf der Baustelle hält er sich wacker zwischen all den großen Maschinen und lernt schnell, dass er eine große Hilfe sein kann, eben weil er so klein ist. Ein bisschen wie damals Asterix – der eher kleine und schmächtige gallische Krieger, der jedoch aufgrund seines Einfallreichtums und Scharfsinns für sein Dorf unverzichtbar ist.