50 Jahre Trikont-Label
Rebellion auf Bayerisch

Trikont-Chef Achim Bergmann
Trikont-Chef Achim Bergmann | Foto (Zuschnitt): © Sebastian Weidenbach/Trikont/dpa

Während 1967 die Nachricht vom Tod Che Guevaras um die Welt ging, beschwört in Bayern ein Independent-Label die kulturelle Revolution herauf. 2017 feiert Trikont seinen 50. Geburtstag – und bleibt unbequem.

Beim Independent-Label Trikont trifft unkonventionelle Musik auf anti-autoritäre Attitüde – und das schon seit 50 Jahren. Damit ist Trikont, ursprünglich 1967 als Buchverlag in München gegründet, nach eigenen Angaben „das wahrscheinlich älteste Independent-Label der Welt“. Der Name leitet sich von der Trikontinentalen Konferenz der Völker Afrikas, Asiens und Lateinamerikas ab, auf der sich 1966 Delegierte dieser Regionen auf Kuba trafen, um gemeinsam das Ende westlicher Hegemonie heraufzubeschwören. Währenddessen schuf Trikont im Süden Deutschlands im Aufwind der 1968er-Bewegung eine Label-Heimat für Musiker aus dem links-alternativen Milieu.
 
Die erste der bis dato 492 Veröffentlichungen trägt den Titel Wir befreien uns selbst und stammt von der Gruppe Arbeitersache München. Darauf sind zwölf Lieder voll rebellischer Arbeiter-Folklore zu finden – Titel wie Akkord ist Mord und Bei BMW wird gestreikt. Später verlegte Trikont das legendäre Ton-Steine-Scherben-Album Keine Macht Für Niemand, das bis heute in jede Plattensammlung punkaffiner Vinylliebhaber gehört. Der Trikont-Verlag publizierte unterdessen die Mao-Bibel, Schriften des vietnamesischen Kommunisten Ho Chi Minh und das Bolivianische Tagebuch von Che Guevara, der im Gründungsjahr des Verlags in Bolivien exekutiert wurde. 1980 löst sich der Printverlag auf und das Plattenlabel nannte sich nun „Trikont-Unsere Stimme-Our own Voice“. Heute versteht sich Trikont nicht unbedingt als ideologisch, dafür aber immer noch als kritisch, rebellisch, subversiv, und trotzdem irgendwie bayerisch.
 
Trikont-Chef Achim Bergmann, selbst bayerisches Urgestein, begleitet das Label seit 50 Jahren. Seit 1990 leitet er es zusammen mit seiner Ehefrau Eva Mair-Holmes. Aktive politische Auseinandersetzung findet für ihn auch abseits vom Verlagswesen statt. Zuletzt zeigte er das auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst 2017. Für seine lautstarken Zwischenrufe entgegen rechter Rhetorik bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung Junge Freiheit kassierte der über 70-Jährige den Faustschlag eines Besuchers, der Bergmann mit einer blutigen Lippe zurückließ. Daraufhin prangerte Eva Mair-Holmes in einem Facebook-Post ein neues rechtes Selbstbewusstsein an – ihr Beitrag verbreitete sich rasch und regte eine hitzige Diskussionen an. Bergmann wird wohl auch in Zukunft nicht zögern, seine Meinung zu äußern. Er wird, wie sein Label, älter, aber nicht leiser. [Anmerkung der Redaktion: Achim Bergmann ist am 1. März 2018 gestorben.]

Schritthalten mit Spotify

Musikalisch ist Trikont heute breiter aufgestellt denn je: Das Label verlegt Musiker der unterschiedlichsten Stilrichtungen. Darunter der Rapper Textor, das Blasmusik-Ensemble Express Brass Band sowie die in München ansässigen Japaner von Coconami, bekannt für vielstimmigen Gesang versetzt mit Klängen der Ukulele und Blockflöte. Auch die bayerische Mundart hatte und hat bei Trikont stets ein Zuhause gefunden. Neben dem Liedermacher Hans Söllner vertreibt das Label heute beispielsweise die neue Volksmusik von Kofelgschroa. In den 1990er-Jahren sorgte der Dialekt-Rock von Schwoißfuaß mit bayerisch-provokanten Texten für Furore. Mit der Band Café Unterzucker, dem Autor und Musiker Eric Pfeil, und bis vor einigen Jahren auch mit dem Musiker und Schauspieler Rocko Schamoni zeigt Trikont, dass es auch lustig sein darf. Eine Gemeinsamkeit dieser sonst so unterschiedlichen Künstler könnte man vielleicht so ausdrücken: Hauptsache individuell, Hauptsache anders.
 
Kommerzieller Erfolg steht bei Trikont nicht im Mittelpunkt. Doch von Luft und Lenin allein feiert ein Independent-Label keine runden Geburtstage, schon gar nicht im Zeitalter von iTunes und Spotify. Technisch geht Trikont mit der Zeit. Mit MP3-Downloads und Vinylveröffentlichungen werden sowohl Smartphone-Hörer als auch Retro-Anhänger des wieder wachsenden Schallplattenmarkts bedient. Darüber hinaus setzt Trikont auf die Kunst der Kompilationen. Mit Serien wie Stimmen Bayerns und La Paloma zeigt sich das Label auch hier abwechslungsreich. Einem breiteren Publikum bekannt dürfte es durch seine Beteiligung an der Russendisko-Reihe geworden sein: Basierend auf dem Bestseller und Film des Autors Wladimir Kaminer und anlässlich dessen Klubtour durch Europa verlegte Trikont drei Kompilationen mit russischer und ukrainischer Musik.

Für diejenigen, die von der Russendisko von Yuriy Gurzhy (l.) und Bestseller-Autor Wladimir Kaminer nicht genug bekommen, liefert Trikont den Soundtrack auf gleich drei Kompilationen. Für diejenigen, die von der Russendisko von Yuriy Gurzhy (l.) und Bestseller-Autor Wladimir Kaminer nicht genug bekommen, liefert Trikont den Soundtrack auf gleich drei Kompilationen. | Foto: © Jörg Carstensen/dpa

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