Eine jordanische Journalistin unterrichtet ihre Landsleute in Hebräisch. Das Interesse an der Sprache der Nachbarn ist in Amman groß, Kurse sind aber nur schwer zu finden.
Sie trägt das Kopftuch lässig zum Zopf gebunden, das leuchtende Apricot passt perfekt zum Blütenmuster ihres Ringelkleides. Mädchenhaft lacht sie durch ihre markante Brille und klappt das Notebook auf. Rania El-Jaabari ist eine Frau, die weiß, was sie will. Im Job arbeitet sie als Politikredakteurin für eine libanesische Zeitung. In ihrer Freizeit ist sie Sprachdozentin. Gleich fängt die Stunde an.
Die 36-jährige Jordanierin unterrichtet Hebräisch. Keine Selbstverständlichkeit in Amman. Es gibt kaum Kurse für die Fremdsprache. Dabei liegt das israelische Jerusalem von der jordanischen Hauptstadt Amman nicht einmal 80 Kilometer Luftlinie entfernt.
Als Rania sich vor knapp acht Jahren dafür entschied, die Sprache der Nachbarn zu lernen, habe sie sehr lange nach einem Kurs suchen müssen, erzählt sie. Ihre Freunde hätten ungläubig gefragt, warum sie nicht lieber ihr Englisch verbessern oder Französisch lernen wolle. Doch ein Kollege bei der libanesischen Zeitung, für die sie als Politikredakteurin arbeitet, spricht fließend Hebräisch und hat Rania zu ihrer eher ungewöhnlichen Entscheidung inspiriert. „Wie wollen wir denn jemals verstehen, was die Israelis umtreibt, wenn wir nicht mal ihre Sprache sprechen.“
Rania ärgert sich über das spärliche Angebot an Hebräischkursen in ihrer Heimat, selbst 23 Jahre nach dem offiziellen israelisch-jordanischen Friedensschluss. Ägypten etwa habe zwar politisch bereits 1979 mit Israel Frieden geschlossen. Doch obwohl man das Feindbild vom jüdischen Nachbarn dort auch heute noch pflege, sei Hebräisch als Sprache am Nil ausgesprochen populär. „In Ägypten, aber auch in Jordanien ist die Neugierde größer als die Feindseligkeit gegenüber dem Nachbarland“, sagt Rania. Die Araber versuchten, den sogenannten „Israel-Code“ zu knacken, um zu verstehen, was Israel antreibt; wohin es steuert.
Eine hebräische Sprachgemeinde in Amman
Die Nachfrage nach Hebräisch sei in Jordanien unglaublich groß, bestätigt auch Kristina Kaghdo vom Jadal, einem alternativen Veranstaltungsort in Downtown Amman, wo Ranias Sprachkurs neben vielen anderen Freizeitaktivitäten stattfindet. Mehr als 30 Leute hätten sich für den Kurs angemeldet, Platz sei gerade mal für acht. Die Warteliste ist lang, im Juli soll ein weiterer Kurs beginnen, und die Anfänger von jetzt können dann ins Fortgeschrittenen-Niveau wechseln. Im Jadal verbringen auch viele Ausländer ihre Freizeit. Die Interessenten für den Hebräischkurs aber seien durchweg Jordanier. Viele treibe die Neugier an. „Manch einer will einfach noch eine weitere Sprache lernen, einige wollen wissen, inwieweit sich Arabisch und Hebräisch unterscheiden, manch einer kommt aus Karrieregründen oder um Geschäfte mit Israel machen zu können“, so Kristina Kaghdo.
Im Jadal sei man sich seiner Verantwortung sehr bewusst, erklärt Fadi Amireh. Der gelernte Bauingenieur, der mit Ende 20 keine Lust mehr hatte, tagein, tagaus im Büro zu sitzen und deshalb vor knapp vier Jahren das alternative Kulturzentrum an der berühmten Al-Kalha-Treppe gründete, würde nicht jeden und auch nicht jede Hebräisch unterrichten lassen. „Wir haben einen Ruf zu verlieren“, sagt er, und Kristina ergänzt, dass man in Jordanien nicht den Eindruck erwecken dürfe, man befürworte die israelische Politik. Trotz der großen Nachfrage hätten sie nicht aktiv nach einem Dozenten für Hebräisch gesucht. Für die Aufgabe hatte Rania sich selbst ins Spiel gebracht, als ihre beiden guten Bekannten beim gemeinsamen Tee im Hof des Jadal laut darüber nachdachten, wieder einen Sprachkurs anzubieten.
Für Rania hat der Job einen willkommenen Nebeneffekt: Sie baut sich selbst eine kleine hebräische Sprachgemeinde auf, innerhalb derer sie ihre Sprachkenntnisse praktizieren kann. Denn sie leidet immer noch darunter, dass sie außer ihrem Kollegen, der sie einst fürs Hebräische begeisterte, in Amman nie genug Leute findet, um die Konversation zu üben. „Sprechen ist immer besser als Radiohören“, sagt sie lachend, auch wenn sie das mit dem Radio tatsächlich regelmäßig macht, ebenso wie israelische Zeitungen lesen und kleinere Texte übersetzen.
Linguistisch sind Araber und Israelis echte Schwestern
Jetzt also steht Rania vor ihrer Gruppe und lehrt Buchstaben. Insgesamt 22 gibt es im modernen hebräischen Alphabet, die allerdings in 25 Lauten klingen. Und während die Phonetik dem Arabischen sehr ähnlich ist – schließlich gehören beide Sprachen zur gleichen semitischen Sprachfamilie –, sind die Buchstaben komplett verschieden. Da heißt es also Striche und Bögen zeichnen, Punkte setzen, bis ein Wort entsteht. Rania ist sehr geduldig mit ihren Schülerinnen und Schülern, sie will auch die Freude an der Fremdsprache vermitteln. Und sie doziert darüber, wie das Hebräische entstand, welche die historischen Wurzeln des heute in Israel gesprochenen Iwrith sind, das sich von der Sprache der Bibel beispielsweise erheblich unterscheidet.
Wäre es nur die Sprache, die Israelis auf der einen und Jordanier und Palästinenser auf der anderen Seite trennt, der Nahostkonflikt wäre vermutlich längst beigelegt. Linguistisch gesehen sind die Völker nämlich echte Schwestern. Der kleine Sprachkurs im Jadal ist eine Ausnahme – aber er birgt die Hoffnung, dass eine Verständigung zwischen hebräisch sprechenden Israelis und ihren Nachbarn, denen der arabische Zungenschlag in die Wiege gelegt wurde, irgendwann gelingen kann.
Rania entlässt ihre Schüler mit einem aufmunternden Shalom! Das heißt Frieden.