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Arbeitswelt der Zukunft
Kollege Roboter

Digitalisierung und künstliche Intelligenz verändern die Arbeitswelt
Digitalisierung und künstliche Intelligenz verändern die Arbeitswelt | Foto (Ausschnitt): © Herrndorff/Fotolia

Sie modernisieren die Industrie und krempeln den Arbeitsmarkt um: Roboter werden in Unternehmen immer häufiger eingesetzt. Das macht Firmen effizienter – und könnte Mitarbeitern mehr Freiraum verschaffen.

Von Miriam Hoffmeyer

In der Werkshalle kurven Metallwagen zwischen den Hochregalen und den sechs Montageinseln hin und her, halten bei einzelnen Mitarbeitern, steuern dann wieder ihr nächstes Ziel an. SEW-Eurodrive stellt im süddeutschen Ort Graben-Neudorf Getriebemotoren her, unter anderem für Rolltreppen und Kräne. Mobile Roboter unterstützen die Mitarbeiter. Die technischen Helfer sind auf Logistik, Montage oder die Bestückung von Maschinen spezialisiert: Cyber-physische „Logistik-Assistenten“ schaffen zum richtigen Zeitpunkt Material heran und transportieren die fertigen Werkstücke ab. „Montage-Assistenten“ übermitteln auf einem Chip alle Daten des Kundenauftrags an die Mitarbeiter, fahren selbstständig zum jeweils nächsten Montagepunkt und zeigen auf einem Tablet die nötigen Arbeitsschritte an. Seit der radikalen Modernisierung werden in dieser Halle mehr Getriebe als vorher in weniger als der Hälfte der Zeit montiert; die Produktivität hat sich um 30 Prozent erhöht. Die Anzahl der Mitarbeiter aber blieb gleich, obwohl das Arbeitspensum zugenommen hat: Roboter können den Menschen einige Arbeiten abnehmen.

Alles ist vernetzt

In Graben-Neudorf sind schon viele Elemente der Produktion der Zukunft verwirklicht, für die das Schlagwort „Industrie 4.0“ steht: Die gesamte Wertschöpfungskette ist digitalisiert und vernetzt, Menschen und Roboter arbeiten eng zusammen. Noch gibt es das nur an wenigen Standorten. Deutschland hat zwar die dritthöchste Roboterdichte der Welt nach Südkorea und Japan, doch die Roboter schweißen, lackieren, kleben oder verpacken noch vorwiegend hinter Gittern, abgetrennt von den menschlichen Mitarbeitern. Neuartige Roboter, die sicher mit Menschen kooperieren können, müssen für jeden Anwendungsfall einzeln entwickelt werden, was ihren Einsatz derzeit noch sehr teuer macht. Doch das könnte sich ändern. „Die Mensch-Roboter-Kollaboration wird in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Sie eröffnet große Potenziale auch für Unternehmen, für die der Einsatz von Robotern bisher nicht sinnvoll war“, sagt Stefan Sagert, Robotik-Experte beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Roboter werden immer menschlicher

In zahlreichen Projekten entwickeln und erproben deutsche Hochschulen und Unternehmen neue Technologien, oft im Verbund. Vor kurzem startete unter Leitung der Universität Stuttgart das Großprojekt „Arena 2036“ zur Entwicklung der „Automobilfabrik der Zukunft“, an dem unter anderem Daimler und Bosch beteiligt sind. Während die Produktion heute noch am Fließband getaktet ist, sollen künftig Hybrid-, Elektro- und Brennstoffzellen-Fahrzeuge nebeneinander gebaut werden – an wandlungsfähigen Montagestationen, die von mobilen Robotersystemen angesteuert werden. Beim Projekt „Hybr-IT“ des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) steht die Mensch-Roboter-Kollaboration im Mittelpunkt: Der neue Industrieroboter, den Volkswagen seit einigen Monaten erprobt, kann Gesten und Verhalten der menschlichen Kollegen erkennen, rasch ausweichen und dabei weiter arbeiten. In ein paar Jahren könnte er Arbeiter bei der anstrengenden Unterbodenmontage entlasten, etwa Werkzeug auf Zuruf anreichen oder Bauteile zur Verschraubung anhalten.

Technische Helfer in der Pflege

Auch außerhalb der Industrie gibt es zahlreiche mögliche Einsatzgebiete für Roboter, zum Beispiel in der Pflege. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) arbeitet im Projekt „SeRoDi“ an einem Pflegewagen, der befähigt sein soll, autonom zu navigieren: Die Pflegekräfte können ihn per Smartphone herbeirufen und am Bildschirm den Materialverbrauch direkt dokumentieren. Am Uniklinikum Mannheim bestand der mobile Serviceroboter schon erste Praxistests.

Arbeitsplatzabbau vs. Schaffung neuer Jobs

Werden Computer und Roboter künftig die Arbeitswelt beherrschen, vielleicht sogar menschliche Arbeit überflüssig machen? Rein technisch gesehen wäre es heute schon möglich, viele Tätigkeiten nicht nur in Produktion und Logistik, sondern auch in Büros oder im Handel zu automatisieren. Katastrophenszenarien stießen in den vergangenen Jahren auf große öffentliche Resonanz, nachdem Wissenschaftler den Wegfall fast der Hälfte der Arbeitsplätze in den USA prognostiziert hatten. Volkswirte der Bank ING-DiBa, die die entsprechende Studie auf Deutschland übertrugen, sehen sogar 59 Prozent der Arbeitsplätze bedroht. Industrieverbände verbreiten dagegen optimistische Prognosen: Durch die zu erwartenden Produktivitätssteigerungen würden deutlich mehr Stellen entstehen als wegfallen. Tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren gerade in den am stärksten automatisierten Branchen viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Auch Katharina Dengler vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht keinen Grund zur Panik. Sie hat erstmals im Detail untersucht, welche Tätigkeiten sich auf Computer und Roboter übertragen lassen. Danach werden immerhin 15 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland vom digitalen Wandel betroffen sein. Doch rechnet die Wirtschaftswissenschaftlerin letztlich mit einem Nullsummenspiel, bei dem sich Arbeitsplatzverluste und -gewinne ausgleichen.

Mehr Freiräume für Mitarbeiter?

Sicher ist die künftige starke Veränderung vieler Tätigkeiten. Wenn Computer und Roboter die langweiligen und anstrengenden Routinetätigkeiten übernehmen, könnte das Mitarbeitern mehr Freiräume verschaffen. Aber es gibt auch Befürchtungen, dass Menschen in der Zukunft weniger selbstbestimmt arbeiten werden. Katharina Dengler ist auch in dieser Frage eher optimistisch: „Ob die Arbeit interessanter und anspruchsvoller oder eintöniger und primitiver wird, ist eine Frage der Ausgestaltung. Unsere Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass die Anforderungen steigen werden.“ 

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