Konzert im Freien
Deutschland 2001, 86 Min., Dokumentarfilm
Drehbuch und Regie: Jürgen Böttcher, Kamera: Gunter Becher, Thomas Plenert, Lars Lenski, Lucas Böttcher, Schnitt: Gudrun Plenert, Musik: Günter Sommer, Dietmar Diesner, Produzenten: Frank Löprich, Katrin Schlösser
Eine Art Postskriptum zu Leben und Werk, ein teils komischer, teils melancholischer Abgesang aufs 20. Jahrhundert mit seinen Idealen, Utopien, Irrtümern und Verbrechen. Zu Hauptfiguren hat Böttcher keine Geringeren als Marx und Engels auserkoren. Als vor rund 20 Jahren in der Nähe des Alexanderplatzes ein Denkmal zu ihren Ehren geplant und aufgestellt wurde, war der Regisseur dabei und beobachtete die Bildhauer und anderen Künstler beim so genannten Schaffensprozess. Über zehn Stunden 35mm-Material wurden belichtet, aber der fertige Film kam dann doch nie zu Stande.
Die DEFA verlor Mitte der 80er-Jahre das Interesse – im selben Moment übrigens, als auch die SED-Führung die Entstehung des Denkmalskomplexes nur noch mit gewissem Argwohn betrachtete. Er war nämlich, trotz teurem Carrara-Marmor und Relief-Titeln wie „Die Würde und Schönheit freier Menschen“, kein monströser künstlerischer Ausdruck eines wie immer gearteten Sieges geworden, sondern etwas eher bescheiden Wirkendes, Nachdenkliches.
Böttcher selbst drängte damals nicht darauf, den Film, ein Auftragswerk, vollenden zu können. Auch jetzt wäre ein bloßes Hervorholen der alten Szenen vermutlich wenig aufregend gewesen. Doch der Regisseur kam auf die Idee, das Material zu brechen, zu verfremden. Dafür standen ihm zwei Free-Jazz-Musiker zur Verfügung, Günter „Baby“ Sommer und Dietmar Diesner, die zu Füßen von Marx und Engels, bei Tag und bei Nacht, Regen und Sonne, allein oder mitten unter Touristen, fröhlich drauflos musizieren. Böttcher nutzt Sommer und Diesner als groteske Pendants zu den versteinerten Heroen des Kommunismus. Sie spielen mit den «Heiligen» und gegen sie an. Ihr magischer Jazz ist beinahe der einzige Kommentar, den sich der Regisseur leistet.
Auf verbale Auslassungen, zur Geschichte des Denkmalsprojekts oder zur Verfilzung von Kunst und Macht in der DDR, verzichtet er fast ganz. Wer meint, Böttcher mache es sich damit zu einfach, verlangt von ihm etwas völlig anderes als er jemals leisten könnte und wollte. Von Böttcher sind eben keine entlarvenden, investigativen Reports zu erwarten, sondern immer ‚nur‘ filmische Meditationen. Dabei bringt er sich und seine Biografie, seine eigenen Hoffnungen, Verwirrungen und Verwicklungen durchaus ein. Dass der Regisseur die beiden Musiker gegen die versteinerte Vergangenheit anspielen lässt, kann schließlich auch als Abschied von jenen bestellten Auftragsfilmen interpretiert werden, die Böttcher vor allem in den 60er- und 70er-Jahren aus Überlebensgründen drehen musste. (Ralf Schenk)
Quelle: www.viennale.at
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