Salim Fayeq
Woher kommen Sie, und was machen Sie?
Ich komme ursprünglich aus Charlotte, North Carolina, und bin zurzeit Master-Student an der University of North Carolina – Chapel Hill. Der Studiengang nennt sich Transatlantic Masters (TAM) und konzentriert sich auf transatlantische Beziehungen. Mein spezifischer Schwerpunkt im Rahmen dieses Studiums liegt auf den sogenannten ‚Deutsch-Türkischen Studien’. Dementsprechend habe ich im Herbst 2020 ein Semester an meiner Heimatuniversität in Chapel Hill verbracht, war dann im Frühjahr 2021 für ein Semester an der Middle East Technical University in Ankara, und in diesem Jahr schreibe ich ein Semester lang Studienarbeiten und anschließend die Masterarbeit an der Humboldt-Universität in Berlin. Also ein ziemlich internationalisierter Lehrplan!
Warum haben Sie sich für eine Teilnahme an einem GAPP-Austausch entschieden?
Zum Zeitpunkt meines Austauschs im Sommer 2015 hatte ich schon ein paar Jahre lang Deutsch gelernt, außerdem ein Jahr zuvor mit Deutschschülern meiner Highschool an einem anderen Austausch teilgenommen und dabei sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich wollte ein zweites Mal reisen, schlicht und einfach, weil es angeboten wurde und ich meine Sprachkenntnisse dort, wo Deutsch als Muttersprache gesprochen wird, weiter üben und meine Auslandsfreundschaften erweitern wollte.
Könnten Sie Ihre Erwartungen an das Programm vor Ihrer Reise beschreiben?
Meine Erwartungen waren zum Teil von meinem Austauschaufenthalt in Deutschland im Jahr zuvor, meinem ersten Mal in Deutschland, beeinflusst. Allerdings war mein 2015 von GAPP geförderter Aufenthalt dort ganz anders. Es hat sich eine außergewöhnliche Bindung zu meiner Austauschfamilie ergeben. In beiden Städten (Schorndorf in Baden-Württemberg und Frankfurt am Main) habe ich länderübergreifende Bande interkultureller Einfühlung geknüpft und zudem wertvolle Freundschaften mit den anderen Austauschschülern geschlossen. Ich hatte definitiv nicht erwartet, dass ich so sehr mit meinen Austauschfamilien in den jeweiligen Städten harmonieren würde und wir beim Essen und anderen Gelegenheiten Geschichten, Lachen und einfach nur Freude austauschen würden. Der Aufenthalt war wirklich etwas Besonderes und in dieser Hinsicht sehr erfolgreich und wirkungsvoll, da mich jede Familie für die begrenzte Zeit sozusagen adoptiert hat.
Erzählen Sie uns etwas über Ihre Zeit in Deutschland.
Meine Zeit in Deutschland war ein echtes Vergnügen. Ich hatte das Gefühl, im Urlaub zu sein. Zugleich war es eine äußerst bereichernde Erfahrung, und ich habe für meinen eigenen interkulturellen Horizont, die Verbesserung meiner Deutschkenntnisse und das Verständnis von Lebensstilen, die sich von meinem eigenen unterscheiden, sehr profitiert. Während des Aufenthalts war ich die ersten beiden Wochen bei einer Austauschfamilie in Schorndorf, einer kleinen Stadt etwa 30 Kilometer von Stuttgart entfernt. Genauer gesagt lebt die Familie nicht direkt da, sondern in der Nähe von Schorndorf in einem Ort namens Oberberken mit gerade einmal 6.000 Einwohnern. Das war für mich eine einzigartige Erfahrung, da ich in Charlotte aufgewachsen bin, einer ziemlich großen Stadt im Süden der USA. Umgekehrt verbrachte ich dann zwei Wochen bei einer Familie in Frankfurt, einer sehr großstädtischen und kosmopolitischen Metropole, und die Umgebung war eine ganz andere. Obwohl sich die beiden Familien im täglichen Leben unterschieden, teilten sie die gleichen Eigenschaften – dem könnten bestimmt viele Schüler zustimmen, die Deutschland besucht und mit deutschen Familien zu tun gehabt haben. Beide waren warmherzig und nett, gaben ihr Bestes, um Schüler gastfreundlich zu empfangen (deutsche Gastfreundlichkeit – das Beste!), während sie gleichzeitig für jede Menge Unterhaltung sorgten. Meine Gastfamilien an beiden Orten waren erstaunlich lebhaft und amüsant und auch in positivem Sinne neugierig: Sie stellten zahlreiche Fragen, weil sie ein Gefühl dafür bekommen wollten, wie gleich – oder anders – wir sind.
Wie war es, als Gastschüler an einer deutschen Schule zu sein?
Das war einer der interessantesten Aspekte meines Austausches. Es gefiel mir zwar, Gast in einer deutschen Schule zu sein und einfach nur zu beobachten, doch ich fand die Unterschiede auch recht auffällig. Die Schule war schon allein in architektonischer Hinsicht so anders gebaut und gestaltet. Ich stellte auch fest, dass die Schüler viel mehr daran gewöhnt sind, im Klassenzimmer Respekt zu zeigen. Zum Beispiel gilt es als respektlos, im Unterricht Kaugummi zu kauen oder rumzulaufen und nicht still zu sitzen, und man kann dafür getadelt werden. Außerdem fand ich interessant, welche Aufmerksamkeit mir als Gast an der Schule von anderen Schülern entgegengebracht wurde. Sie fragten mich, warum ich zu einem Austausch an diese Schule gekommen war. Was machte ich dort? Gerade diese Frage kam oft von Schülern mit Migrationshintergrund, die noch nicht lange in Deutschland und an dieser Schule waren. Im ländlichen Raum Deutschlands war das Interesse an mir als Gast an der Schule noch stärker als an der Schule in Frankfurt.
Welcher Eindruck von Ihrer Zeit ist Ihnen geblieben?
Es hat mir manchmal während meines vierwöchigen Aufenthalts fast den Atem verschlagen, wie reif die deutschen Schüler wirkten. Ich habe das Gefühl, dass wir in den USA nicht gerade dazu gedrängt werden, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Die deutschen Schüler waren mit der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs und dem allgemein üblichen Recycling vertraut, und selbstverständlich beherrschten viele Sprachen wie Französisch oder Spanisch, zusätzlich zu Deutsch und Englisch. So machte der Austausch natürlich noch mehr Spaß.
Was hat Ihnen am besten an der deutschen Kultur und am deutschen Lebensstil gefallen?
Tatsächlich gab es viele Qualitäten, die ich am deutschen Lebensstil faszinierend fand. Nach den gängigen kulturellen Vorurteilen können Deutsche zunächst kalt, stumpf, schroff oder sonst irgendwie nicht übermäßig freundlich oder charmant wirken. Aber sobald man einen Deutschen wirklich kennengelernt hat, öffnen sie sich. Die deutsche Persönlichkeit ist – zumindest größtenteils – in Wirklichkeit ziemlich warmherzig, außerdem humorvoll und auch hilfsbereit. Ich hatte tolle Gespräche mit Deutschen, von zufälligen Passanten auf der Straße oder in Bahnhöfen bis zu meinen lieben Austauschkontakten – eine Mischung aus ernsthaften Diskussionen mit viel Humor und Spaß. Mir hat die anscheinend perfekte Mischung aus Ernsthaftigkeit und Belustigung gefallen, die Deutsche (natürlich nicht immer) an den Tag legen können. Gleichzeitig haben mich auch die praktische Veranlagung der Deutschen und die deutsche Lebensweise verblüfft. Ich bin in einem relativ minimalistischen Haushalt aufgewachsen, meine Eltern sind keine anstrengenden Spießer, und da mein Vater sich gerne als Handwerker betätigt, habe ich natürlich eine Vorliebe für praktische Veranlagung und Logik. So sind die Deutschen insgesamt ganz überwiegend, und das war in allen Lebensbereichen in Deutschland allgegenwärtig. Es entspricht einfach der Persönlichkeit der Deutschen, die auch immer wiederverwendbare Kochgeräte oder andere umweltfreundliche Dinge wie eigenes Besteck usw. mitbrachten. Auch im Intercity-Verkehr zeigte sich das ganz deutlich: Es gibt einfach Regeln, die besagen, wo man seine Sachen im Zug verstauen darf, dass man einen zugewiesenen Platz hat und nicht woanders sitzen sollte. Dadurch gibt es weniger Fehler, weniger Kopfschmerzen, weniger Verwirrung – auch wenn die Regeln einen manchmal etwas überfordern!
Wie hat diese Erfahrung im Rückblick Ihren zukünftigen Weg geprägt, persönlich und beruflich?
Mein Aufenthalt in Deutschland hat mich schwer beeindruckt. Es hat mir gut gefallen, meine Zeit mit deutschen Freunden zu verbringen, die also eine andere Sprache sprachen, und auch, meine Komfortzone zu verlassen, um etwas Neues in fremder Umgebung zu erleben. Das Programm hat mich definitiv dazu inspiriert, Internationalität in meinen akademischen und beruflichen Aktivitäten anzustreben. Ich übte meine Deutschkenntnisse, wann immer ich konnte, verbrachte während meines Studiums ein Semester in Deutschland und setze das jetzt in meinem Master-Studium fort. Auf persönlicher Ebene hat mich der Austausch außerdem dazu inspiriert, den Wert des interkulturellen Dialogs und der interkulturellen Kompetenz stets zu schätzen und nie aus den Augen zu verlieren. Ich suche in meinem persönlichen Leben jede Gelegenheit, mich wirklich auf Diskussionen und kritische Fragen mit Leuten unterschiedlicher nationaler Herkunft einzulassen, die ich kennenlerne. Außerdem hat mich die Macht der Sprache tief beeinflusst. Was man zu jemandem in einer anderen Sprache sagt, wird nie so stark und eindrücklich sein, wie wenn man es zu ihm in seiner Muttersprache sagt. Ich wusste aus meinem Austausch, dass ich nie meine Deutschkenntnisse verlieren, und genauer gesagt, sie immer nach besten Kräften mit deutschen Muttersprachlern nutzen wollte, da mir klar geworden ist, wie viel persönlicher die Unterhaltung wird, wenn man seinen Gesprächspartner in dessen Muttersprache anspricht. Es reißt Barrieren ein, die meiner Meinung nach durch erstickende Einsprachigkeit aufrechterhalten werden.
Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Klassenkamerad*innen und Gastfamilien?
Ja! Ich war sogar bei einer meiner guten Bekannten von der Frankfurter Börse. Sie ist bis heute eine liebe Freundin, und ich genieße ihre Gesellschaft und die ihrer Mutter – eine freundliche Frau! Ich stehe auch mit mehreren anderen Austauschschülern in Kontakt, außerdem meinen beiden eigenen Austauschfamilien, und hoffe, einige von ihnen besuchen zu können, wenn ich in Berlin bin. Darüber hinaus versuche ich, mit meinen ehemaligen Betreuern, die früher meine Deutschlehrer an der Highschool waren, über Social Media in Kontakt zu bleiben.
Welchen Rat würden Sie heutigen Schüler*innen geben, die gerade kurz davorstehen, an einem GAPP-Austausch teilzunehmen?
Mein Rat Nummer eins für solche potenziellen GAPP-Schüler wäre, ungehemmt und vollständig sie selbst zu sein. Die Deutschen, so habe ich festgestellt, gehören zu den am wenigsten voreingenommenen Menschen, denen ich je begegnet bin. Tatsächlich sind sie interessiert und wollen unbedingt etwas über den amerikanischen Lebensstil, Hintergründe, Interessen und Hobbys erfahren. Ich würde den Schülern sagen, dass sie nicht eine bestimmte Persönlichkeit spielen soll, um gemocht zu werden oder ein ‘gutes Image’ zu haben. Ich würde auch sagen, sie sollen sich immer sehr um die deutsche Sprache bemühen, auch wenn sie das Gefühl haben, das richtige Wort nicht genau zu kennen oder zu wissen, wie man eine Wendung oder einen Satz hundertprozentig richtig formuliert. Nur so erreicht man eine Verbesserung. Außerdem würde ich sagen, dass Deutsche sich in der Regel sehr freuen und beeindruckt sind, wenn Amerikaner und vielleicht Ausländer im Allgemeinen, aber insbesondere amerikanische Schüler, die nach Deutschland reisen, sich wirklich bemühen, Deutsch zu sprechen (auch wenn es minimal ist!). Das hat mich ermutigt, immer Deutsch zu reden, weil ich wusste, dass es gut ankommt, und auch wenn die Deutschen kein Lob aussprechen – in vielen Fällen werden sie helfen und einen korrigieren – kann ich euch versichern, dass das wahrscheinlich einfach die deutsche Art ist, dies zu tun!!
Ich komme ursprünglich aus Charlotte, North Carolina, und bin zurzeit Master-Student an der University of North Carolina – Chapel Hill. Der Studiengang nennt sich Transatlantic Masters (TAM) und konzentriert sich auf transatlantische Beziehungen. Mein spezifischer Schwerpunkt im Rahmen dieses Studiums liegt auf den sogenannten ‚Deutsch-Türkischen Studien’. Dementsprechend habe ich im Herbst 2020 ein Semester an meiner Heimatuniversität in Chapel Hill verbracht, war dann im Frühjahr 2021 für ein Semester an der Middle East Technical University in Ankara, und in diesem Jahr schreibe ich ein Semester lang Studienarbeiten und anschließend die Masterarbeit an der Humboldt-Universität in Berlin. Also ein ziemlich internationalisierter Lehrplan!
Warum haben Sie sich für eine Teilnahme an einem GAPP-Austausch entschieden?
Zum Zeitpunkt meines Austauschs im Sommer 2015 hatte ich schon ein paar Jahre lang Deutsch gelernt, außerdem ein Jahr zuvor mit Deutschschülern meiner Highschool an einem anderen Austausch teilgenommen und dabei sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich wollte ein zweites Mal reisen, schlicht und einfach, weil es angeboten wurde und ich meine Sprachkenntnisse dort, wo Deutsch als Muttersprache gesprochen wird, weiter üben und meine Auslandsfreundschaften erweitern wollte.
Könnten Sie Ihre Erwartungen an das Programm vor Ihrer Reise beschreiben?
Meine Erwartungen waren zum Teil von meinem Austauschaufenthalt in Deutschland im Jahr zuvor, meinem ersten Mal in Deutschland, beeinflusst. Allerdings war mein 2015 von GAPP geförderter Aufenthalt dort ganz anders. Es hat sich eine außergewöhnliche Bindung zu meiner Austauschfamilie ergeben. In beiden Städten (Schorndorf in Baden-Württemberg und Frankfurt am Main) habe ich länderübergreifende Bande interkultureller Einfühlung geknüpft und zudem wertvolle Freundschaften mit den anderen Austauschschülern geschlossen. Ich hatte definitiv nicht erwartet, dass ich so sehr mit meinen Austauschfamilien in den jeweiligen Städten harmonieren würde und wir beim Essen und anderen Gelegenheiten Geschichten, Lachen und einfach nur Freude austauschen würden. Der Aufenthalt war wirklich etwas Besonderes und in dieser Hinsicht sehr erfolgreich und wirkungsvoll, da mich jede Familie für die begrenzte Zeit sozusagen adoptiert hat.
Erzählen Sie uns etwas über Ihre Zeit in Deutschland.
Meine Zeit in Deutschland war ein echtes Vergnügen. Ich hatte das Gefühl, im Urlaub zu sein. Zugleich war es eine äußerst bereichernde Erfahrung, und ich habe für meinen eigenen interkulturellen Horizont, die Verbesserung meiner Deutschkenntnisse und das Verständnis von Lebensstilen, die sich von meinem eigenen unterscheiden, sehr profitiert. Während des Aufenthalts war ich die ersten beiden Wochen bei einer Austauschfamilie in Schorndorf, einer kleinen Stadt etwa 30 Kilometer von Stuttgart entfernt. Genauer gesagt lebt die Familie nicht direkt da, sondern in der Nähe von Schorndorf in einem Ort namens Oberberken mit gerade einmal 6.000 Einwohnern. Das war für mich eine einzigartige Erfahrung, da ich in Charlotte aufgewachsen bin, einer ziemlich großen Stadt im Süden der USA. Umgekehrt verbrachte ich dann zwei Wochen bei einer Familie in Frankfurt, einer sehr großstädtischen und kosmopolitischen Metropole, und die Umgebung war eine ganz andere. Obwohl sich die beiden Familien im täglichen Leben unterschieden, teilten sie die gleichen Eigenschaften – dem könnten bestimmt viele Schüler zustimmen, die Deutschland besucht und mit deutschen Familien zu tun gehabt haben. Beide waren warmherzig und nett, gaben ihr Bestes, um Schüler gastfreundlich zu empfangen (deutsche Gastfreundlichkeit – das Beste!), während sie gleichzeitig für jede Menge Unterhaltung sorgten. Meine Gastfamilien an beiden Orten waren erstaunlich lebhaft und amüsant und auch in positivem Sinne neugierig: Sie stellten zahlreiche Fragen, weil sie ein Gefühl dafür bekommen wollten, wie gleich – oder anders – wir sind.
Wie war es, als Gastschüler an einer deutschen Schule zu sein?
Das war einer der interessantesten Aspekte meines Austausches. Es gefiel mir zwar, Gast in einer deutschen Schule zu sein und einfach nur zu beobachten, doch ich fand die Unterschiede auch recht auffällig. Die Schule war schon allein in architektonischer Hinsicht so anders gebaut und gestaltet. Ich stellte auch fest, dass die Schüler viel mehr daran gewöhnt sind, im Klassenzimmer Respekt zu zeigen. Zum Beispiel gilt es als respektlos, im Unterricht Kaugummi zu kauen oder rumzulaufen und nicht still zu sitzen, und man kann dafür getadelt werden. Außerdem fand ich interessant, welche Aufmerksamkeit mir als Gast an der Schule von anderen Schülern entgegengebracht wurde. Sie fragten mich, warum ich zu einem Austausch an diese Schule gekommen war. Was machte ich dort? Gerade diese Frage kam oft von Schülern mit Migrationshintergrund, die noch nicht lange in Deutschland und an dieser Schule waren. Im ländlichen Raum Deutschlands war das Interesse an mir als Gast an der Schule noch stärker als an der Schule in Frankfurt.
Welcher Eindruck von Ihrer Zeit ist Ihnen geblieben?
Es hat mir manchmal während meines vierwöchigen Aufenthalts fast den Atem verschlagen, wie reif die deutschen Schüler wirkten. Ich habe das Gefühl, dass wir in den USA nicht gerade dazu gedrängt werden, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Die deutschen Schüler waren mit der Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs und dem allgemein üblichen Recycling vertraut, und selbstverständlich beherrschten viele Sprachen wie Französisch oder Spanisch, zusätzlich zu Deutsch und Englisch. So machte der Austausch natürlich noch mehr Spaß.
Was hat Ihnen am besten an der deutschen Kultur und am deutschen Lebensstil gefallen?
Tatsächlich gab es viele Qualitäten, die ich am deutschen Lebensstil faszinierend fand. Nach den gängigen kulturellen Vorurteilen können Deutsche zunächst kalt, stumpf, schroff oder sonst irgendwie nicht übermäßig freundlich oder charmant wirken. Aber sobald man einen Deutschen wirklich kennengelernt hat, öffnen sie sich. Die deutsche Persönlichkeit ist – zumindest größtenteils – in Wirklichkeit ziemlich warmherzig, außerdem humorvoll und auch hilfsbereit. Ich hatte tolle Gespräche mit Deutschen, von zufälligen Passanten auf der Straße oder in Bahnhöfen bis zu meinen lieben Austauschkontakten – eine Mischung aus ernsthaften Diskussionen mit viel Humor und Spaß. Mir hat die anscheinend perfekte Mischung aus Ernsthaftigkeit und Belustigung gefallen, die Deutsche (natürlich nicht immer) an den Tag legen können. Gleichzeitig haben mich auch die praktische Veranlagung der Deutschen und die deutsche Lebensweise verblüfft. Ich bin in einem relativ minimalistischen Haushalt aufgewachsen, meine Eltern sind keine anstrengenden Spießer, und da mein Vater sich gerne als Handwerker betätigt, habe ich natürlich eine Vorliebe für praktische Veranlagung und Logik. So sind die Deutschen insgesamt ganz überwiegend, und das war in allen Lebensbereichen in Deutschland allgegenwärtig. Es entspricht einfach der Persönlichkeit der Deutschen, die auch immer wiederverwendbare Kochgeräte oder andere umweltfreundliche Dinge wie eigenes Besteck usw. mitbrachten. Auch im Intercity-Verkehr zeigte sich das ganz deutlich: Es gibt einfach Regeln, die besagen, wo man seine Sachen im Zug verstauen darf, dass man einen zugewiesenen Platz hat und nicht woanders sitzen sollte. Dadurch gibt es weniger Fehler, weniger Kopfschmerzen, weniger Verwirrung – auch wenn die Regeln einen manchmal etwas überfordern!
Wie hat diese Erfahrung im Rückblick Ihren zukünftigen Weg geprägt, persönlich und beruflich?
Mein Aufenthalt in Deutschland hat mich schwer beeindruckt. Es hat mir gut gefallen, meine Zeit mit deutschen Freunden zu verbringen, die also eine andere Sprache sprachen, und auch, meine Komfortzone zu verlassen, um etwas Neues in fremder Umgebung zu erleben. Das Programm hat mich definitiv dazu inspiriert, Internationalität in meinen akademischen und beruflichen Aktivitäten anzustreben. Ich übte meine Deutschkenntnisse, wann immer ich konnte, verbrachte während meines Studiums ein Semester in Deutschland und setze das jetzt in meinem Master-Studium fort. Auf persönlicher Ebene hat mich der Austausch außerdem dazu inspiriert, den Wert des interkulturellen Dialogs und der interkulturellen Kompetenz stets zu schätzen und nie aus den Augen zu verlieren. Ich suche in meinem persönlichen Leben jede Gelegenheit, mich wirklich auf Diskussionen und kritische Fragen mit Leuten unterschiedlicher nationaler Herkunft einzulassen, die ich kennenlerne. Außerdem hat mich die Macht der Sprache tief beeinflusst. Was man zu jemandem in einer anderen Sprache sagt, wird nie so stark und eindrücklich sein, wie wenn man es zu ihm in seiner Muttersprache sagt. Ich wusste aus meinem Austausch, dass ich nie meine Deutschkenntnisse verlieren, und genauer gesagt, sie immer nach besten Kräften mit deutschen Muttersprachlern nutzen wollte, da mir klar geworden ist, wie viel persönlicher die Unterhaltung wird, wenn man seinen Gesprächspartner in dessen Muttersprache anspricht. Es reißt Barrieren ein, die meiner Meinung nach durch erstickende Einsprachigkeit aufrechterhalten werden.
Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Klassenkamerad*innen und Gastfamilien?
Ja! Ich war sogar bei einer meiner guten Bekannten von der Frankfurter Börse. Sie ist bis heute eine liebe Freundin, und ich genieße ihre Gesellschaft und die ihrer Mutter – eine freundliche Frau! Ich stehe auch mit mehreren anderen Austauschschülern in Kontakt, außerdem meinen beiden eigenen Austauschfamilien, und hoffe, einige von ihnen besuchen zu können, wenn ich in Berlin bin. Darüber hinaus versuche ich, mit meinen ehemaligen Betreuern, die früher meine Deutschlehrer an der Highschool waren, über Social Media in Kontakt zu bleiben.
Welchen Rat würden Sie heutigen Schüler*innen geben, die gerade kurz davorstehen, an einem GAPP-Austausch teilzunehmen?
Mein Rat Nummer eins für solche potenziellen GAPP-Schüler wäre, ungehemmt und vollständig sie selbst zu sein. Die Deutschen, so habe ich festgestellt, gehören zu den am wenigsten voreingenommenen Menschen, denen ich je begegnet bin. Tatsächlich sind sie interessiert und wollen unbedingt etwas über den amerikanischen Lebensstil, Hintergründe, Interessen und Hobbys erfahren. Ich würde den Schülern sagen, dass sie nicht eine bestimmte Persönlichkeit spielen soll, um gemocht zu werden oder ein ‘gutes Image’ zu haben. Ich würde auch sagen, sie sollen sich immer sehr um die deutsche Sprache bemühen, auch wenn sie das Gefühl haben, das richtige Wort nicht genau zu kennen oder zu wissen, wie man eine Wendung oder einen Satz hundertprozentig richtig formuliert. Nur so erreicht man eine Verbesserung. Außerdem würde ich sagen, dass Deutsche sich in der Regel sehr freuen und beeindruckt sind, wenn Amerikaner und vielleicht Ausländer im Allgemeinen, aber insbesondere amerikanische Schüler, die nach Deutschland reisen, sich wirklich bemühen, Deutsch zu sprechen (auch wenn es minimal ist!). Das hat mich ermutigt, immer Deutsch zu reden, weil ich wusste, dass es gut ankommt, und auch wenn die Deutschen kein Lob aussprechen – in vielen Fällen werden sie helfen und einen korrigieren – kann ich euch versichern, dass das wahrscheinlich einfach die deutsche Art ist, dies zu tun!!