Miles Johnson

Zu sagen, Miles Johnson besitze ein Talent für Sprachen, wäre eine Untertreibung. Der junge Ingenieur aus Charlotte spricht mehrere Sprachen: unter anderem Mandarin, Spanisch, Swahili und Deutsch. Wir haben ihn getroffen und mit ihm über das Vertrauen in Jugendliche gesprochen, über Essgewohnheiten und warum eine offene Haltung nur von persönlichem Vorteil sein kann.

Miles Johnson - Alumni Portraits - German American Partnership Programm © Goethe Institut New York

Bitte erzählen Sie uns ein wenig über sich selbst. Woher kommen Sie, und was machen Sie?
Mein Name ist Miles Johnson. Ich komme ursprünglich aus Charlotte, North Carolina, und war Schüler an der South Mecklenburg High School. Dann habe ich Physik und Mandarin-Chinesisch am Morehouse College in Atlanta, Georgia, studiert. Nach meinem Abschluss 2021 zog ich nach Boston, Massachusetts. Jetzt bin ich Ingenieur und auf Wasserbau spezialisiert. Eines Tages hoffe ich, Ingenieurprojekte im Ausland leiten zu können.

Sie sprechen sehr gut Deutsch. Warum haben Sie sich entschieden, Deutsch als Fremdsprache zu lernen?
Ich war immer an Fremdsprachen interessiert. Neben Englisch beherrsche ich Spanisch, Deutsch, Französisch, Chinesisch, Japanisch, Suaheli und Gebärdensprache. Ich habe den Deutschunterricht in der Middle School an der Water Language Academy in Charlotte begonnen. Mit ein Grund dafür war, dass ein Teil meiner Familie aus Nordrhein-Westfalen in Deutschland stammt. Wir stehen mit ihnen immer noch in Kontakt, und das erste Mal, dass ich sie besuchte, war 2013. Obwohl ich damals schon etwas Deutsch sprach, wollte ich mich noch verbessern.

Erzählen Sie uns etwas über Ihre Zeit in Deutschland.
Unser erster GAPP-Austausch nach Deutschland fand 2015 statt, als ich 15 Jahre alt war. Unsere Gastfamilien lebten an zwei verschiedenen Orten. Zuerst ging es in eine kleine Stadt namens Schorndorf in Baden-Württemberg, dann nach Frankfurt am Main. Obwohl ich schon einmal in Deutschland war, um meine Familie zu besuchen, war die Reise mit GAPP ganz anders. Wir erlebten verschiedene Umgebungen und besuchten die Schule dort, so hatte ich das Gefühl, tief in die Kultur einzutauchen. Die Unterschiede zwischen dem Alltag in einer Kleinstadt im Vergleich zu einer internationalen Stadt fand ich besonders interessant. Beide Orte hatten Einzigartiges zu bieten, aber die enge Gemeinschaft von Schorndorf habe ich doch sehr geschätzt. Dort habe ich, so empfinde ich das, mehr Menschen auf persönlicher Ebene kennengelernt als in der Großstadt. Letzten Endes aber haben mir beide Orte gefallen, wenn auch aus verschiedenen Gründen.

Wie war es, als Gastschüler an einer deutschen Schule zu sein? Wie hat sich das von Ihrer Schule in den USA unterschieden?
Ich für meinen Teil sah mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, vor allem zwischen dem Schulleben in Charlotte und Frankfurt. Beides sind globalisierte Städte. Allerdings gibt es natürlich Unterschiede. In Charlotte durften wir das Schulgelände nie verlassen. Wir wurden immer beaufsichtigt. Vielleicht ist einer der Gründe dafür, dass die meisten Großstädte in den USA nicht sehr fußgängerfreundlich und die Entfernungen so groß sind. Erwachsene haben daher meist Angst, dass ihren Kindern etwas passiert. Als wir die Schillerschule in Frankfurt besuchten, war ich erstaunt, dass unsere deutschen Klassenkameraden mitten am Tag die Schule verlassen und zu einer Pizzeria ein paar Häuser weiter gehen durften.

Wenn Sie ein Ereignis aus dieser Zeit oder eine Erinnerung auswählen müssten, was wäre das?
Das ist schwer, weil es so viele Erinnerungen gibt. Aber zwei Dinge sind mir besonders tief im Gedächtnis geblieben.
Meine Gastfamilie in Schorndorf sagte einmal zu mir: „Wenn wir dir jemals helfen können, lass es uns wissen. Du gehörst für uns zur Familie.“  Das werde ich nie vergessen. Das hat mich wirklich berührt.
Eine weitere schöne Erinnerung ist folgende: Vor unserer Rückkehr in die USA gab es eine große Party in Frankfurt mit gutem Essen und Musik. Alle waren da: Schüler, Lehrer, Eltern, die ganze Gruppe. Das war eine richtig nette Veranstaltung. Und ich erinnere mich, dass ein Elternteil zu uns sagte: „Ihr werdet die zukünftige Welt zu einem besseren Ort machen.“ Das war schon emotional. Am Ende tauschten wir alle Telefonnummern aus und versprachen, in Kontakt zu bleiben. Ich stehe immer noch in Kontakt zu meinen Gastfamilien sowie vielen meiner ehemaligen Klassenkameraden und Lehrer.

Was hat Ihnen am besten an der deutschen Kultur und dem deutschen Lebensstil gefallen?
Mir gefiel das Vertrauen, das deutsche Jugendliche in der Regel genießen. Mein Austauschpartner lebte in einem kleinen Dorf außerhalb von Frankfurt. Jeden Tag nahm er die öffentlichen Verkehrsmittel, um zu seiner Schule in Frankfurt zu gelangen, was etwa 40 Minuten dauerte. Und nach der Schule hatte er verschiedene sportliche Aktivitäten in anderen Stadtteilen, die er ebenfalls immer allein erreichte. Eines Tages sagte ich zu ihm: „Du bist so unabhängig!“ So viel Freiheit hatte ich bei 15-Jährigen in Charlotte noch nie erlebt.
Mir hat auch das Essen sehr gut gefallen. Als ich zum ersten Mal nach Deutschland kam, musste sich mein Körper erst auf eine andere Ernährungsweise, mehr frische Produkte und weniger Lebensmittelzusatzstoffe umstellen. In den ersten drei Tagen war ich wirklich schlapp, weil ich dringend Zucker brauchte. Aber danach fühlte ich mich viel besser. Schließlich aß ich gesünder und hatte mehr Energie. Das war eine sehr positive Erfahrung für mich.

Wenn Sie jetzt so zurückschauen: Wie hat diese Erfahrung Ihren zukünftigen Weg geprägt?
Ich habe mich wirklich auf eine andere Kultur eingelassen. Mir wurde klar, dass man zwar eine Sprache mit Hilfe eines Lehrbuchs kennenlernen kann, aber nicht unbedingt eine Kultur. Der GAPP-Austausch machte es real. Außerdem habe ich, was gesunde Lebensmittel angeht, nach dem Austausch mehr auf mich geachtet. In einer anderen Umgebung zu leben, hilft manchmal, Gewohnheiten zu hinterfragen, die nicht immer gut für einen sind.

Welchen Rat würden Sie heutigen Schüler*innen geben, die gerade kurz davorstehen, an einem GAPP-Austausch teilzunehmen?
Kulturelle Unterschiede sind etwas, das Schüler annehmen und vor dem sie nicht weglaufen müssen. Die Dinge mögen sich sehr von dem unterscheiden, was man zu Hause gewohnt ist, aber am Ende des Tages lebt jemand in dieser Kultur, und es geht ihm auch noch ziemlich gut dabei. Und sie teilen es buchstäblich mit euch. Probiert neue Lebensmittel, macht neue Erfahrungen und nutzt jede neue Gelegenheit. So könnt ihr sehen, was es sonst noch gibt. Die Welt, in der wir heute leben, ist so globalisiert, dass man wirklich im Nachteil ist, wenn man sich entscheidet, engstirnig zu sein und keine anderen Perspektiven zu erkunden. Was könnt ihr eurer Meinung nach mit nach Hause nehmen, was euch zu besseren Menschen macht? Aber auch: Was denkt ihr, ist zu Hause besser? Fordert eure Überzeugungen heraus!

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