Snežana Golubović ist Performancekünstlerin aus Frankfurt/Main. Sie stammt aus Serbien (ehemaliges Jugoslawien) und lebt seit 1992 in Deutschland. Im Juli war sie Gast bei den Le Brothers in Hue. Thanh und Hai Le sind Zwillingsbrüder und als Künstler weltweit bekannt. Seit 8 Jahren betreiben sie eine Künstlerresidenz in einem außerhalb des Stadtzentrums liegenden Viertel mit Villen und Pagoden und einem Lotusteich. Wer sich erfolgreich bewirbt, kann für einen Monat oder sogar länger unterkommen. Manche Künstler bringen eine Förderung aus ihrem Heimatland mit und entrichten ihren Obulus für die Residenz. Andere finden keine Förderung und sind auch willkommen. Hue war mal die große Kaiserstadt Vietnam, heute eine Provinzstadt mit vielen schönen Stellen, mit einer im ganzen Land gerühmten Küche, dem wenig befahrenen breiten Parfümfluss, dessen Name etwas über die Luft und Umgebung von Hue verrät. Wer zu den Le Brothers kommt, wird gut betreut, mit Künstlern und der Kunsthochschule in Verbindung gebracht, kann dort auch einen Vortrag halten oder Workshop geben – vorzugsweise derzeit in Fotografie, Videokunst, Performancekunst.
Interview mit Snežana Golubović
Snežana Golubović: Seit „fields of vision“, einem Performance Art Festival in Reutlingen und Tübingen in 2017, wo ich Le Brothers kennenlernte, entwickelte sich eine lebhafte Verständigung. Wir entdeckten eine Reihe von Gemeinsamkeiten, wie die Rolle der Politik, der kommunistische Hintergrund, der Krieg und unsere Neugier, zu erfahren, wie es im ehemaligen Jugoslawien oder in Vietnam war, oder was mich getrieben hatte, mein Land zu verlassen, und was die beiden nie machen würden.
Dazu kam eine große Begeisterung und Liebe zur Natur. Darüber haben wir sehr oft gesprochen und Le Brothers haben mich schließlich gerade deshalb nach Vietnam eingeladen. Das traf auf einen Nerv bei mir. Ich wollte seit meiner Kindheit, seitdem ich Marguerite Duras „Der Liebhaber“ gelesen hatte, nach Saigon und Vietnam; aber es hatte sich nie ergeben. Auf einmal kam alles zusammen.
Snežana Golubović: Es ist wie in einem Traum. Auch nach einem Monat denke ich immer wieder: Ist das alles wahr? Vom ersten Tag an war ich überrascht von der Schönheit hier, von den Düften, Gerüchen, Geschmäcken. Ich habe fast eine Überdosis von Schönheit hier aufgenommen. Dann die Gastfreundschaft, die mich sehr rührt.
Snežana Golubović: Die Freundschaft. Aber die Kunst hat uns zusammen gebracht. Wir hatten eine Idee für ein größeres künstlerisches Projekt – NATURA - wie wir Freundschaft, Kunst und Liebe verbinden können. Und das haben wir gemacht.
Es war nicht immer leicht. Bei der Arbeit gab es Situationen, wo das Wetter nicht mitmachte oder wir unterschiedlicher Anschauungen als Künstler waren; es gab Konflikte; aber letztlich hat immer die Seite der Freundschaft – die LIEBE gewonnen. Wir sind eine Familie geworden. Thanh und Hai sind meine Brüder. Wir haben manchmal unterschiedliche Auffassungen in der Kunst, die wir ziemlich schnell, gut und produktiv, wie in einer Familie, besprechen und lösen können. Jede glückliche Familie kennt das.
Ich habe sehr viel gelernt und ich hoffe, die beiden auch. Und nicht nur sich kennen gelernt sondern was in einer Kultur möglich ist und was in der anderen nicht. Wir haben unterschiedliche Wege, wie wir Kunst machen. Für mich war das eine große Bereicherung, persönlich wie auch künstlerisch.
Snežana Golubović: Es war klar, dass wir das Projekt nicht in so kurzer Zeit fertig stellen können. Wir haben 27 Tage lang intensiv gearbeitet, haben viele Videos gemacht – zwischen 70 bis 80 Stunden Videomatierial. Wegen des Regens waren wir manchmal gezwungen drinnen zu arbeiten.
Bis jetzt gibt es nur einen Trailer, den ich bei meinem Künstlergespräch zeigen konnte und den ich nach Deutschland mitnehme. Aber für das Projekt beginnen Auswahl und Bearbeitung des Materials erst jetzt. Wir müssen uns überlegen, wie wir die ganze Installation aufbauen werden, die Auswahl der Fotoedition treffen, und wie wir das Buch machen können. Viel Arbeit steht vor uns.
Snežana Golubović: Für uns spielt jetzt nur noch die Liebe eine Rolle, die Liebe zu einander, die Liebe zur Natur, zur Arbeit, zur Kunst. Was sich entwickelt hat, hat eine ganz andere Qualität. Das Thema ist Natura, was zu verstehen ist als Natur um uns herum und Natur von uns selbst. Das Projekt Natura ist jetzt unsere Familie.
Snežana Golubović: Ich nehme sehr viel mit. Le Brothers und ich werden noch lange mit diesem Projekt beschäftigt sein. Ich hoffe, bald wieder nach Hue zurück zu kommen. Schon im September werden wir uns wieder sehen - in Deutschland. Dann kommen Le Brothers nach Hamburg, um an der Show An Atypical Brain Damage mitzuwirken.
Pionier
Foto: Hoan Le QuocIn Hanoi entstand ein Foto für die Reihe „Die letzte Pionierin“. Seit 15 Jahren nimmt Snežana Golubović die Uniform, die sie als jugendliche Pionierin in Jugoslawien trug, mit auf Reisen. Dort, wo sich Geschichte auf irgendeine Weise mit der eigenen Biografie, den eigenen Interessen oder der selbstbestimmten Rolle der letzten Pionierin kreuzt, zieht sie ihre Uniform noch einmal an. So sind Fotos in Belgrad vor dem Museum der Geschichte Jugoslawiens entstanden und an Titos Grab (Haus der Blumen). Sie hat die Uniform in New York getragen, an der Nikola Tesla Ecke, vor Imagine in Strawberry Fields, in Povernir (Patagonia), wo jugoslawische Pioniere 1983 ein Denkmal errichteten. Das Foto in Hanoi entstand spontan als Snežana Golubović diesen „überdimensionalen“ Lenin entdeckte.