Mohamed Adam

Sasa (Hajouri)


Cover Sasa ©Mohamed Adam Hajouri ist als populäre Gesangsform in Darfur, welche schon seit der Antike bekannt ist. Im Laufe der Zeit hat sie große soziale Bedeutung über die Thematisierung verschiedener Aufstände und anderer sozialer und politischer Ereignisse erhalten. Der Name dieser Form variiert je nach Region: Einige Gruppen sprechen von Badawa, Al-Mandus, von Al-Hajouri oder Al-Kushouk. Dabei liegt der Unterschied zwischen den verschiedenen Varianten in ihrem Rhythmus. Badawa ist langsamer und mittlerweile beinahe ausgestorben, Al-Mandus ist ebenfalls langsam, Hajouri dagegen trägt einen mittleren Rhythmus und Al-Kushouk ist schnell. Die beiden letzten Formen sind die verbreitetsten Varianten in der Region. 

Hajouri wird einzeln oder gemeinsam von Männern und Frauen und in Begleitung rhythmischen Klatschens aufgeführt. Nachdem ein Solo-Performer beginnt, antwortet ihm ein Chor, welcher von der Kerir, eine Art Klagegesang, der von Männern angestimmt wird, begleitet wird. Kontrapunktische Melodien (verschiedene eigenständig geführte Stimmen) und regionale Varianzen prägen diesen Stil. der Hajouri kann aber auch gemeinsam in einer einfachen, einstimmigen Form aufgeführt werden. 

Hajouri-Melodien nutzen vier- oder fünfton Systeme, die ohne Halbtonschritte in einem einfachen Tritonus-Intervall auskommen. 
Noten
Der Hajouri-Tanz begleitet diese Musik. Dabei verlassen ein einzelner oder mehrere der Männer die Linienformation und wählen eine Partnerin zum Tanz aus. Sie stehen den Frauen gegenüber und stampfen mit einem Fuß auf den Boden, eine Bewegung, die Sakka oder Sagga heißt und der entsprechenden Frau ihre Wahl als Partnerin signalisiert. Zu den Bewegungen und Klatschrhythmen der Jungen im Hintergrund beginnen die Männer und ihre Partnerinnen nun, im Rhythmus zu springen. Der Tanz endet, wenn einer oder beide Partner zu ihren Positionen zurückkehren, um anderen das Tanzfeld zu überlassen. Häufig sind es zukünftige Lebenspartnerschaften, die bei diesem Tanz ausgewählt werden. 

Wie viele andere populäre Gesangstraditionen thematisiert Hajouri gesellschaftliche Aspekte und Ereignisse wie zum Beispiel aufeinanderfolgende Revolutionen und die sozialen und wirtschaftlichen Aufstände, die die Menschen im Sudan erlebt haben.

Zu den bekanntesten Hajouri-Sängern gehören Mubarak Korma, Adam Niqai und Halima Sasa (die ihren Namen trägt, weil sie das gleichnamige Lied aufgeführt hat). Der Text des von Adam Ibrahim komponierten Liedes enthält die Verse: „Ruhe! Ich möchte die Mädchen fragen, die heute zum Brunnen gingen: Habt ihr meine Geliebte dort gesehen? Gestern habe ich meine Geliebte kennengelernt, aber meine Sehnsucht nach ihr nicht erfüllen können…“. Auf dieser Arbeit und inspiriert vom Hajouri-Tanz und dem Hajouri-Lied, das Halima Sasa im lokalen Dialekt gesungen hat, baut Mohammad Adams Stück auf. 

Es war Mohamed Adams Anliegen den Westsudan über seine musikalischen Produktionen bekannt zu machen und die Menschen dieses Tanzes, welche in Darfur leben, hervorzuheben. Dass das Tunjur Volk (abgesehen von jenen aus dem Baggara-Gürtel) den Tanz ebenso darstellen zeigt die Toleranz der Menschen aus dem Darfur.


Text: aus populärer Erinnerung
Komposition: Adam Ibrahim
Arrangement:
Instrumentierung: Sequenzer-Instrumente: Calabash, Bongo, Conga, Gitarren, Glocken, Kalimba
Originalkomposition/Datum: alt
Gesang: Mohamed Adam
Instrumentalisten:
Solina Organ: Melodiestimmen, virtuelle Instrumente
Mohamed Sharhabil: Bass, Schlagzeug
Mohamed Araki: Sequenzer
Aufnahme: August 2021
Text: keine Angabe

 

Ero Hoke


Cover Ero Hoke ©Mohamed Adam
Ero Hoke gehört zum Erbe des Stammes der Berta, einem Teil der Funj-Ethnie, die im Gebiet des Blauen Nil und an der Grenze zu Äthiopien leben. 

Dieser Tanz wird von Männern und Frauen unter der Leitung eines Hauptsängers aufgeführt, dessen Refrains vom Chor erwidert werden. Der Tanz besteht aus den drei unterschiedlichen Rhythmen Ero, Manqa und Ab-boom-oom-wa’aqzu. Seinen Rhythmus begleiten die Naqqara (eine Gruppe von Kesseltrommeln) und ein einfacher Zweiviertel-Schlag. 

Das Lied wird während der Erntefeierlichkeiten in einem Kreis aus Männern und Frauen aufgeführt. Sie bewegen sich erst langsam und führen dann gleichzeitig schnelle Sprünge um den Rhythmusgeber herum auf. Mit ihren Füßen schlagen die Tänzer dabei einen zu den Naqqara passenden Takt auf dem Boden, der von Frauenrufen, Hornklängen und vom Aufeinanderschlagen zweier Safariq begleitet wird
Notengrafik
Ero Hoke wird auch „der Feuerstamm” genannt und gilt als repräsentatives Lied dieses Stammes. Während der letzten Nacht der Erntefeierlichkeiten, die bis zum Morgengrauen dauern, versammeln sich alle Bewohner, um “Feuer an die Grenzen des Dorfes zu werfen”. Dies stellt das Ende der Festlichkeiten dar und leitet dazu über, die Geister des Hungers, der Armut, der Krankheit und Schäden gegen den Stamm mit Schreien, Ululationen (Rufen) und Steinen zu vertreiben.

Das Ritual ist von kultureller und religiöser Bedeutung, weil es das kulturelle Erbe des Stammes bewahrt, jüngere Generationen mit ihren Vorfahren verbindet und den Gesellschaftsvertrag erneuert. Es bietet außerdem neben religiösen und spirituellen Konnotationen, die durch den Dank an Gott, den Ursprung des Regens, des Wachstums und alles Gutem repräsentiert sind, eine Möglichkeit zur Versöhnung unter Kontrahenten.

Mohamed Adam fand eine Aufnahme des Liedes im Berliner „Phonogramm-Archiv“, welches er neu arrangierte und aufnahm. Angesichts der sozialen und kulturellen Bedeutung des Funj-Erbes, versuchte er mit großer Sorgfalt, es in sein Projekt zu integrieren. Dabei fand er jedoch kaum Informationen und Quellen zu diesem Lied, dessen Sprache heute kaum noch gesprochen wird. Auch eine Vokabelsammlung oder Textquellen waren nicht zu finden. 

Um dennoch mehr über das Lied zu erfahren, wandte sich Mohamed an Ing. Abdul-Jalil Mahjoub Abdul-Sayed, einen Bauingenieur und Musikforscher, und an Dr. Salah Musa Al-Akkad, Wissenschaftler und einer der wenigen, die noch immer diese Sprache der Berta sprechen können. Bei der Untersuchung der einzelnen Texte fand Mohamed heraus, dass einige der Verse sexueller Natur waren und von manchen heutigen Hörern als unangemessen empfunden werden könnten. Aus diesem Grund passte der Künstler die Texte an, um den Hörgewohnheiten eines zeitgenössischen Publikums entgegenzukommen und die Verse akzeptabler zu gestalten. Er ersetzte die sexuellen Anspielungen durch Verse, die sich mit Arbeit und dem Wiederaufbau des Landes befassen. Durch die Hilfe von Ing. Abdul-Jalil Mahjoub Abdul-Sayed und Dr. Salah Musa Al-Akkad war Mohamed schließlich in der Lage, die Schwierigkeiten, vor denen seine Forschungen gestanden hatten, zu überwinden.


Dauer: 3’20
Verfasser: Aus populären Erinnerungen
Komposition: das Volk
Arrangement: Mohamed Adam
Instrumentierung: Calabash, Bongo, Conga, Gitarren, Glocken, Kalimba, virtuelle Instrumente, Schlagzeug, Bass
Sänger: Mohamed Adam
Instrumentalistik: Sequencer-Instrumente von Mohamed Araki,
Melody Lines von Solina Organ, virtuelle Instrumentalisierung, Schlagzeug und Bass von Mohamed Sharhabil,
Bongo von Al doma Dreij
Aufnahme: August 2021
Text: keine Angabe

Ingenieur: Abd Al-Jalil Mahjoub Abd Al-Sayed
Dr. Salah Musa Al-Akkad



 

Interview mit Mohamed Adam


Das Warum hinter der Musik

Mohamed Adam


Meine Kindheit im Dorf Grabbishi bei Darfur hat mir die sprachliche, musikalische und kulturelle Vielfalt, die in den zentralen Städten des Sudan und seinen peripheren Regionen existiert, bewusst gemacht. Von klein auf hat mich mein musikalisches Interesse dazu veranlasst, die Melodien, die ich hörte, miteinander zu vergleichen. Seitdem nahm auch mein auditives Gedächtnis Form an, welches ein integraler Teil der vielfältigen sudanesischen Kulturproduktion ist. 

Trotz der ethnischen, kulturellen und sprachlichen Vielfalt des Sudan dominiert seit der Verbreitung des Radios und den Anfängen der Dokumentation sudanesischer Musik der sehr spezifische Musikstil des Al-Hakiba die Medien, der während der 1940er-Jahre mit dem Aufkommen des Radios in Khartoum entstand und vor allem mit Khartoum, dem Zentrum des Sudans, verbunden wird. 

Jedoch bringt uns die Musik aus den verschiedensten Teilen Afrikas trotz kultureller oder sozialer Unterschiede zusammen. Deshalb will ich die Zuhörer durch dieses Projekt mit den vielfältigen sudanesischen Musikstilen bekannt machen, von denen ich glaube, dass sie religiöse und ethnische Grenzen zwischen verschiedenen Völkern einreißen können. Die Tatsache, dass verschiedene Regierungen daran gescheitert sind, viele der bestehenden Kulturen sichtbar zu machen, während sie sich auf andere konzentriert haben, hat ein größeres Bewusstsein für die Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen hervorgebracht. Das wurde noch durch die Präsenz sozialer Klassenunterschiede, die die Gegensätze zwischen urbanen und ruralen Bevölkerungen betonten, verstärkt und festigte dadurch das Bewusstsein für die eigene Kultur. Diese Unterschiede schmelzen in urbanen Zentren wie Darfur und Khartoum dahin, wenn Einwohner ruraler Gegenden versuchen, sich in die Mehrheitskultur der Stadt einzufügen. 

Aufgrund meiner Obsession, unser reichhaltiges musikalisches Erbe zu dokumentieren und an meine Zuhörer weiterzugeben, habe ich mich dem, was ich das „auditive Gedächtnis“ des sudanesischen Volkes nenne, zugewandt. Ich habe mit vielen Musikern, Instrumentalisten und Tänzern gesprochen und Forscher kontaktiert, die mir mit der Analyse der Archivmaterialien halfen. Durch Interviews und Feldforschung habe ich schließlich verstanden, dass das sudanesische Volk sein eigenes kulturelles Archiv durch Erinnerung aufgebaut hat, ein Archiv, das als Teil seines Seins in seinem eigenen Bewusstsein lebt.

Es war schwierig, all diesen kulturellen Reichtum in meinen Liedern zu reflektieren, die überwiegend aus Beispielen aus verschiedenen Ecken dieses großartigen Landes stammen. Dennoch sind sie ein bescheidener Versuch, Teile unseres geliebten Sudans kennenzulernen. Das Projekt und diese Dokumentation bestätigen, dass der Sudan eine Mischung musikalischer und kultureller Identitäten und so ein wahres Beispiel der Vielfalt ist.