Überleben mit Kunst  2 min Die pulsierende Welt der arabischen Comic-Künstler*innen

Drei Comic-Bücher auf einem Tisch.
In den letzten Jahren hat die Comic-Kunst bei den arabischen Lesern langsam an Bedeutung gewonnen. "Comics haben dem Schreiben mehr Magie verliehen", sagt Autorin Rawand Issa. ©egab.co

Die Comic-Kunst ist in der arabischsprachigen Welt keine Neuentdeckung. Doch während sie zuvor auf Kindergeschichten und Superhelden beschränkt war, gewinnt die Comic-Kunst in den letzten Jahren langsam an Aufschwung unter den arabischen Lesern. Der Unterschied war jedoch die Hinwendung von der Fiktion zur Sachliteratur und die Neugier der aufstrebenden arabischen Künstler*innen, verschiedene Genres und Themen zu erkunden.

“Comics gaben dem Schreiben mehr Magie", sagt Rawand Issa, eine libanesische Schriftstellerin und Comiczeichnerin.

2019 beschloss Issa, eine Geschichte zu dokumentieren, die ihr Leben und das Leben der Menschen in ihrem Heimatdorf negativ beeinflusst hat. Mit leuchtenden Farben und markanten Gesichtszügen erzählt Issa in "Inside the Giant Fish" von einem Mädchen, das durch die Privatisierung der öffentlichen Strände in ihrem libanesischen Küstendorf seine Kindheitserinnerungen verliert.

"Inside the Giant Fish" ist ein eindringliches Memoirenbuch, das im ägyptischen Verlag Dar El Mahrousa und später im US-amerikanischen Verlag Maamoul Press auf Englisch veröffentlicht wurde, übersetzt von der Illustratorin und Grafikdesignerin Amy Chiniara.

Issa, die ihre Karriere als Journalistin begann, produziert keine fiktionalen Comics, sondern konzentriert sich auf die Dokumentation von Geschichten aus dem wirklichen Leben - eine Mischung aus Comic-Journalismus und Memoiren.

"Wir wissen, dass Comics durch Kinderbücher oder Helden populär sind, aber ich habe entdeckt, dass Comics auch ein journalistisches Werkzeug sein können. Sie können Tagebuch sein, dokumentieren und politisch sein", sagte sie.

FANTASY ALS UNERSCHLOSSENES GENRE

2018 veröffentlichte der ägyptische Verlag Dar El Mahrousa "Shubeik Lubeik" (Deutsch "Dein Wunsch ist mir Befehl"), eine fesselnde dreiteilige urbane Fiktion, in der Wünsche in Kairos Kiosken gekauft und verkauft werden. Geschrieben, gezeichnet und übersetzt wurde es von Deena Mohamed, einer ägyptischen Comiczeichnerin.

Mohameds Comic-Reise begann mit dem satirischen Webcomic "Qahera", der Frauenfeindlichkeit und Islamophobie thematisierte. Mohamed wollte jedoch nicht als Aktivist oder Wortführerin für bestimmte Themen gesehen werden. So entstand "Shubeik Lubeik".

"Ich wollte eine Fantasy-Geschichte erzählen, die in Ägypten spielt, weil ich das Gefühl habe, dass wir eine wirklich reiche Geschichte der Fiktion haben, aber viele unserer populäreren Geschichten neigen dazu, entweder eine Komödie oder ein sozialer Kommentar zu sein."

Ausgehend von den alltäglichen Straßenkiosken Kairos verbindet Mohamed Fantasien wie fliegende Fahrzeuge, sprechende Tiere und die immerwährende Magie der Wünsche, mit der Realität des Kapitalismus, klassenbedingten Vorurteilen und Trauer.

"Ich wollte eine einfache Fantasiegeschichte erschaffen, um zu sehen, ob ich in diesem Genre arbeiten kann, denn das ist ein Genre, das ich gerne lese", fügte Mohamed hinzu.
   

ÜBER FINANZIERUNG UND FINANZEN

Nachdem sie den ersten Teil von "Shubeik Lubeik" im Alleingang veröffentlicht hatte, alle 100 Exemplare auf dem CairoComix Festival, Ägyptens erstem großen Comic-Event, ausverkauft waren und sie beim jährlichen Festival 2017 den Preis für die beste Graphic Novel und den Hauptpreis gewonnen hatte, wurde Mohamed Dar El Mahrousa vorgestellt, die ihrer Meinung nach "daran interessiert waren, Comics in Ägypten zu unterstützen".

Leider ist die Comic-Industrie alles andere als lukrativ. Die meisten arabischen Comiczeichner*innen sind entweder auf einen Nebenjob angewiesen oder haben Mühe, ihren Lebensunterhalt durch den bloßen Verkauf ihrer Werke zu bestreiten.

"Als ich versuchte, zu veröffentlichen, sahen die meisten Verleger ... keinen Sinn darin, ein Buch zu veröffentlichen, das sie nicht vermarkten konnten. Sie wussten nicht, wo sie es unterbringen sollten, und hatten das Gefühl, dass die Leute es nicht lesen würden. Es war eine Art Risiko", sagte Mohamed.

Mohamed gilt als eine der Ausnahmen, denn sie konnte mit ihrer Kunst Geld verdienen, indem sie ihre Übersetzungsrechte behielt und den übersetzten Roman an Pantheon Books in den USA und Granta im Vereinigten Königreich verkaufte. Dies ist jedoch nicht die Regel.

Für Issa waren ihre Erfahrungen mit Verlagen nicht vielversprechend.

"Wenn es um das Verlagswesen und den Umgang mit jungen Autor*innen geht, ist hier die Hölle los. Die Verlage arbeiten nicht wirklich zugunsten der Autor*innen. Wenn Comiczeichner mehr Unterstützung und Geld bekommen, um mehr zu veröffentlichen, wird es auch Leser geben", sagte Issa.

Auch der ägyptische Comiczeichner und Mitbegründer des CairoComix-Festivals, Shennawy, glaubt, dass Comiczeichn*innen gezwungen sind, einen weiteren Job anzunehmen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Er sagt, dass dies sowohl für arabische als auch für europäische Comic-Künstler*innen ein Kampf ist.

"Es sind nicht nur arabische Comic-Künstler. Selbst in Frankreich, dem größten Markt für Comics in Europa, müssen fast alle Künstler noch etwas anderes tun, als Comics zu veröffentlichen", so Shennawy.

Um die Comic-Künstler*innen unter einem Dach zu vereinen, gründete Shennawy 2015 zusammen mit dem Illustrator Magdy El-Shafee und den Twins Cartoon - dem Pseudonym der Comic-Künstler Haitham und Mohamed Raafat El-Seht - das CairoComix Festival. Das jährlich stattfindende Festival hat Tausende von Besuchern angezogen und macht die Werke junger arabischer Comiczeichner einem breiteren Publikum bekannt.

Aufgrund seiner Erfahrungen bei internationalen Comic-Festivals und Ausstellungen, bestätigt Shennawy, dass sich die Menschen heute der Existenz einer florierenden arabischen Comic-Industrie stärker bewusst sind.
 
Zwei Comicbücher auf einem Tisch.

Der Mitbegründer von CairoComix, Shennawy, ist der Meinung, dass die Existenz einer florierenden arabischen Comic-Industrie heute stärker ins Bewusstsein der Menschen gerückt ist. | ©egab.co


ARABISCHE COMICS IM AUSLAND

George Khoury (JAD), Künstler, Kritiker und unabhängiger Forscher auf dem Gebiet der arabischen Comic-Kunst, schließt sich Shennawys Meinung an.

Als Pionier der Comic-Kunst in der arabischen Welt veröffentlichte der im Libanon geborene Künstler in den 1980er Jahren die ersten Graphic Novels für Erwachsene im Libanon und in der gesamten Region. Unter dem Einfluss des Bürgerkriegs im Libanon schuf Khoury "Carnaval", die Geschichte eines jungen Libanesen, der versucht, den Gräueltaten des Krieges in seinem Land zu entkommen.

"Die arabische Comic-Kunst hat in der Region und im Ausland definitiv an Popularität gewonnen. Das ist kein Wunschdenken, ich habe es selbst erlebt", sagt Khoury.

Auch wenn diese Kunst von den Verlegern nur begrenzt unterstützt wurde, haben das Internet und die sozialen Medien eine wichtige Rolle bei ihrer weit verbreiteten und weltweiten Anerkennung gespielt.

"Die arabische Comic-Bewegung bewegt sich in die richtige Richtung, ob die Künstler davon leben können, steht auf einem anderen Blatt", ergänzt Khoury.

Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Egab produziert.