Radio auf Zypern CyBC Radio erzählt die Geschichte Zyperns
Kurz vor dem 70. Jubiläum der CyBC wirft Melissa Hekkers einen Blick auf die einflussreiche Geschichte der zyprischen Rundfunkanstalt.
„Die Geschichte der CyBC ist untrennbar mit der Geschichte Zyperns verbunden. Bestimmte historische Aspekte des Inselstaats lassen sich nur mit Hilfe der CyBC erschließen“, sagt Polyvios Nikolaou, ehemaliger Chefredakteur des Senders. Wieviel Wahrheit in diesen Worten steckt, wird auf eindringliche Weise deutlich.
In den Jahren 1958 bis 1959 gab es auf der Insel bereits an die 85.000 Radiogeräte, was als Beleg für den damaligen Stellenwert des Mediums gewertet werden kann.
INTERKULTURELLE ZUSAMMENFÜHRUNG
„Ungefähr 90.000 Menschen auf Zypern besaßen ein Radio. Multipliziert man diese Zahl mit vier – denn es sitzt nicht nur eine Person vor dem Gerät – dann kommt man auf etwa 300.000 Radiohörer*innen“, so CyBC-Intendant Thanasis Tsokkos.„Neben der anfänglichen Verbreitung von Informationen und Propaganda, die den eigentlichen Anstoß für die Einrichtung einer Rundfunkanstalt gaben, ging es auch darum, die vielen Kulturen auf Zypern miteinander zu verbinden und der wachsenden Bedeutung von Kultur gerecht zu werden.“
Die CyBC veröffentlichte im Oktober vergangenen Jahres eine Chronik mit 30 abgedruckten Toninterviews führender Persönlichkeiten, um den Entwicklungsverlauf Erfolgsgeschichte des Radiosenders zu würdigen.
Die Publikation mit dem Titel 70 years of Cyprus Radio 1953–2023 – Thirty interviews with Protagonists (70 Jahre Radio auf Zypern 1953-2023 – Dreißig Interviews mit Protagonist*innen) soll laut Tsokkos einen Überblick über die Entwicklung des Senders geben.
Radioprogramm des CBS (ehemals CyBC), das wöchentlich in englischer, griechischer und türkischer Sprache herausgegeben wurde. | Foto: © Cyprus Mail „In chronologischer Reihenfolge haben wir auch mehrere Interviews mit leitenden Mitarbeitenden der CyBC aus den frühen 1950er-Jahren zusammengestellt, sozusagen mit den Pionier*innen, mit den ersten Moderator*innen, Techniker*innen und Menschen, die inzwischen Symbolfiguren sind“, führt Tsokkos weiter aus.
Mit einer handverlesenen Auswahl von Interviews im Frage-Antwort-Format beleuchtet die mit 275 Seiten sehr umfangreiche Publikation nicht nur die Persönlichkeit der Befragten, sondern vor allem auch die Zeiten und Ereignisse, die diese miterlebt haben.
„Es gibt beispielsweise Kommentare zur Zypernfrage, zum damaligen Verhältnis zwischen griechischen und türkischen Zyprer*innen, zur allgemeinen Lage während der ersten Sendejahre und zu den Unruhen zwischen den beiden Volksgruppen“, so Tsokkos.
In den Erfahrungsberichten geht es auch um den Beitrag der CyBC zur Bewältigung der Krise von 1974, um die Situation im Sender, den Putsch und die Besetzung der CyBC sowie um die Phase nach dem 20. Juli und die Bemühungen der Leitung, die CyBC als Medium für die Kommunikation mit der breiten Öffentlichkeit zu erhalten.
Zur damaligen Zeit gab es keinen anderen Kommunikationskanal, der die Bevölkerung über die Politik der Regierung informierte. Das Buch enthält zwar keine Fotografien, doch die Texte sprechen für sich. In den ausgewählten Interviews kommen Frauen und Männer, Zyperngriech*innen und Zyperntürk*innen sowie leitende Mitarbeitende aus unterschiedlichen Positionen und Programmen zu Wort.
INFRASTRUKTUR FÜR EINEN KULTURMECHANISMUS
Doch auch der wichtige Beitrag der CyBC zur Kultur des Inselstaats wird deutlich.„Seit das Radio 1953 zum ersten Mal auf Sendung ging, hat es sich zu einem staatlichen Kommunikationskanal entwickelt, der Menschen im privaten Mikrokosmos ihres Zuhauses oder ihrer Dörfer erreicht und sie direkt mit dem öffentlichen Leben in Verbindung bringt“, erläutert Tsokkos. „Was auch immer die Menschen in Paphos hören, können nun auch die Menschen in Limassol oder Famagusta oder an anderen Orten hören … Zudem gab es ein Kommunikationsmedium, das zwar damals noch einseitig berichtete, gleichzeitig aber auch eine Beziehung zu seinem Publikum aufbauen und später auch eine Infrastruktur für einen Kulturmechanismus schaffen wollte.“
In der Anfangszeit des Senders standen keine Inhalte für Radiosendungen zur Verfügung. „Es gab keine Theater, kein Staatsorchester, keine Veranstaltungen … Also sagte Andreas Christoforides (damaliger Intendant der CyBC): ‚Dann gründen wir eben ein Theater, ein Staatsorchester, und schaffen damit eigene Inhalte zusätzlich zu denen, die uns über ausländische Kanäle erreichen‘.“
Das Klassikorchester der CBS (ehemals CyBC) | Foto: © Cyprus Mail Darüber hinaus trug der Sender zur sprachlichen Vereinheitlichung bei. „Während die Menschen früher zyprische Dialekte sprachen – die Menschen aus Paphos sprachen Paphisch, die aus Kyrenia‚ ‘Keryniotika’ – kommt es nun zu einem ersten Kontakt mit der griechischen Sprache. Mit Hilfe des Senders wurde, unabhängig von diesen Dialekten, ein gemeinsames Kommunikationsnetz für die Menschen auf Zypern geschaffen“, erläutert Tsokkos. „An dieser Öffnung waren gleichzeitig auch die türkischen Zyprer*innen interessiert.“
BILDUNGSFUNKTION DES RADIOS
Ein weiterer wichtiger Aspekt war der öffentliche Bildungsauftrag der CyBC. „In einer Zeit, in der es auf der Insel keine Universität gab, bot die CyBC den Menschen und der Wissenschaftsgemeinde auf Zypern Bildungsprogramme zu verschiedenen Themen.“Der Sender rief die offene Universität ins Leben, oder die Universität im Radio. Das Publikum konnte inhaltlich anspruchsvollen und auch heute noch interessanten Vorträgen zu Themen wie Psychologie oder zu medizinischen Fragen lauschen, die damals eher didaktischen Charakter hatten.
Alles in allem diente Zyperns erster Radiosender also einer ganzen Reihe von Zwecken: Es ging um sprachliche Vereinheitlichung, die Propaganda der britischen Verwaltung – solange diese die Kontrolle über den Sender hatte – Kulturförderung, die Entwicklung von Bildungsprogrammen, um die Menschen auf Zypern durch Musik, Spiele und Sketche mit einer anderen Realität in Berührung zu bringen.
„Ab einem gewissen Punkt wurden Radiosendungen sogar in den Lehrplan und den Unterricht von Schulen integriert“, fügt Tsokkos hinzu.
Übersetzer bei der Arbeit. | Foto: © Cyprus Mail Nach Meinung von Tsokkos steht dem Radio auch weiterhin eine glänzende Zukunft bevor.
„Das Radio hat als Kommunikationsmedium noch immer sehr viel Gewicht. Noch heute hören viele Menschen Radio aus eben den Gründen, aus denen es sich ursprünglich entwickelte: Es ist praktisch und kann an jeden Ort mitgenommen werden“, erklärt er.
„Hinzu kommt die Magie des Radios. Es gibt brillante Radiomoderator*innen, es gibt Menschen, die ohne Radio nicht leben können, weil sie die Stimmen mögen, diese Magie, die sie auf angenehme Weise durchs Leben begleiten.“
Dieser Artikel erschien erstmals auf Cyprus Mail.
Vielen Dank an Cyprus Mail für die Bereitstellung dieses Artikels.