Autor*in des Monats
Das Goethe-Institut lädt herzlich zur Ausstellungs-Aktion Autor*in des Monats, ein Projekt unserer Bibliothek.
Jeden Monat wird einem*er Schriftsteller*in der deutschsprachigen Literatur geehrt. Als Ansatzpunkt der monatlich rotierenden Ausstellung, dient der Geburtstagsmonat eines*r bekannten Schriftstellers*in. Es wird ein kleiner Bereich mit Informationstext zur Person eröffnet, der auch entsprechende Werke aus unserem Bibliotheksbestand ausstellt.
Ziel dieser Aktion ist, die Medien der Bibliothek zum Leben zu erwecken und einen Begegnungsort zwischen Publikum und Schriftstellern*innen aus verschiedenen Epochen zu schaffen. So bekommt der/die Besucher*in zu den Werken gleich ein Gesicht vor Augen und kann sie bereits mit einem kleinen Hintergrundwissen lesen.
So wie alles im Goethe-Institut, ist diese Ausstellung natürlich zweisprachig (Deutsch und Portugiesisch).
Jeden Monat wird einem*er Schriftsteller*in der deutschsprachigen Literatur geehrt. Als Ansatzpunkt der monatlich rotierenden Ausstellung, dient der Geburtstagsmonat eines*r bekannten Schriftstellers*in. Es wird ein kleiner Bereich mit Informationstext zur Person eröffnet, der auch entsprechende Werke aus unserem Bibliotheksbestand ausstellt.
Ziel dieser Aktion ist, die Medien der Bibliothek zum Leben zu erwecken und einen Begegnungsort zwischen Publikum und Schriftstellern*innen aus verschiedenen Epochen zu schaffen. So bekommt der/die Besucher*in zu den Werken gleich ein Gesicht vor Augen und kann sie bereits mit einem kleinen Hintergrundwissen lesen.
So wie alles im Goethe-Institut, ist diese Ausstellung natürlich zweisprachig (Deutsch und Portugiesisch).
* 2. September 1894 in Brody, Galizien (ehem. Österreich-Ungarn, heutige Ukraine) – † 27. Mai 1939 in Paris
"Nie verriet der Künstler Joseph Roth die Natürlichkeit der Sprache an die Kunst. Er schreibt ein kristallklares Deutsch, das Kraft und Anmut zu paaren wusste, unfehlbar sicher in Wort und Wendung, lichtstark ohne falschen Glanz, musikalisch in Satzbau und Fügung, reich an kleinen stilistischen Zaubereien und Freiheiten, aber auch fähig des weiten Schwungs, der großen Steigerung. Er hatte alles, was den Schriftsteller legitimierte […] er hatte Leidenschaft, Geist und Mut." - Alfred Polgar
Joseph Roth zählt zu den renommiertesten Persönlichkeiten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, dem sein Werk noch mehr Bewunderung und Respekt einbrachten, als es vom Entsetzten über seine traurige Selbstvernichtung hätte erschüttert werden können. Zu Lebzeiten rieb er Schultern mit den Größten der Weltliteratur, darunter Stefan Zweig, Heinrich Mann und Ludwig Marcuse, nach seinem Tod machten es sich zahlreiche Literaten zur Aufgabe, sein Leben und Werk zu erforschen, welches von ihm selbst in immer neuen Varianten überliefert wurde, bis es schließlich fasst den Status eines Mythos erreichte.
Der Beginn der sich ständig wandelnden Wahrheiten in seiner Biografie wird in seiner Kindheit vermutet. Moses Joseph Roth kam als Sohn jüdischer Eltern in Galizien, einer nord-östlichen Grenzregion des Kaiserreichs Österreich-Ungarn auf die Welt, in einer Zeit, in der sich diese Gegend durch schwere Armut einerseits, und einen großen kulturellen Reichtum andererseits auszeichnete.
Unter den vielen dort ansässigen ethnischen Gruppen gehörte er zu den sogenannten Ostjuden, und kam schon in seiner Kindheit mit Antisemitismus in Kontakt. Hinzu kam, dass die psychische Gesundheit seines Vaters noch vor der Geburt Joseph Roths einen Zusammenbruch erlitt, die ihn für den Rest seines Lebens davon abhielt am familiären Leben teilzunehmen, Roth wuchs vaterlos auf. Schon als Schüler und Student begann er die verschiedensten Versionen des Schicksals seines Vaters, seiner Familie und seines eigenen Lebenslaufes zu erfinden. Wenn Kollegen ihn dafür zur Rechenschaft ziehen wollten, konterte er mit der Behauptung: "Es kommt nicht auf die Wirklichkeit an, sondern auf die innere Wahrheit."
Nach einem Germanistik Studium und ersten journalistischen Tätigkeiten in Lemberg und Wien, diente Roth für ein Jahr als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, nach seiner Rückkehr zog er mit dem Anliegen Schriftsteller zu werden zunächst nach Berlin. Hier mietet er zusammen mit seiner Ehefrau, Friederike "Friedl" Reicher, für einige Zeit eine Wohnung im Stadtteil Schöneberg. Es sollte der einzige feste Wohnsitz des Schriftstellers bleiben, denn kurz darauf begannen ausgedehnte Reisen nach Frankreich, Österreich, Italien und schließlich durch ganz Europa, bei denen er als Reisereporter für verschiedenen Publikation tätig war und sich an ein transientes Leben in Hotels und Gasthäusern gewöhnte.
In den 20er Jahren gehörte Joseph Roth zu den gefragtesten Journalisten im deutschsprachigen Raum und schrieb unter anderem für das Prager Tageblatt, den Berliner Börsen-Courier und nicht zuletzt für die renommierte Frankfurter Zeitung, von der er einmal stolz sagte: "Bei der Frankfurter Zeitung schreibt man nicht für den Leser, sondern für die Nachwelt." Nicht mit diesem Ruhm zufrieden, ließ ihn sein Ehrgeiz den Traum vom Schriftsteller sein nicht aufgeben, und so erschien, nach den ersten lyrischen Versuchen seiner Jugend und verschiedenen Erzählungen, sein erster Roman Das Spinnennetz (1923) zunächst als Fortsetzungsroman in der Wiener Arbeiter Zeitung. Die darin geschilderte Geschichte von dem Kriegsrückkehrer Theodor Lohse, der durch Zufälle in eine geheime Organisation gerät, in der er durch Heucheleien und Verbrechen an Einfluss gewinnt, ist eine sozialkritische Beobachtung der Ereignisse in der Weimarer Republik, die noch vor ihrer Fertigstellung von der Realität eingeholt wurde, als Ludendorff und Hitler im November 1923 in München einen Putschversuch starteten.
Unter den Pseudonymen "Roter Joseph" und "Josephus" schrieb er zahlreiche Beiträge für sozialistische Publikationen wie Der neue Tag, Lachen Links und Vorwärts, in denen er zwar klare politische Stellung nimmt, sich jedoch von den extremen Polen der kommunistischen und nationalistischen Lager fernzuhalten weiß. Mit Besorgnis beobachtet und dokumentiert er die Geschehnisse in Deutschland und ahnt früh eine Eskalation der Aggressionen und einen erneuten Kriegsausbruch.
Mit der Veröffentlichung des Romans Hotel Savoy (Die Schmiede, 1924), wieder ein Fortsetzungsroman, dieses Mal zunächst in der Frankfurter Zeitung gedruckt und kurz darauf in Berlin als Buch veröffentlicht, errang er als Schriftsteller internationale Anerkennung. Die zentrale Thematik des Romans ist die Heimatlosigkeit, die für Roth sein Leben lang eine wichtige Rolle spielte. Der Untergang des österreichischen Kaiserreichs war für den überzeugten Monarchisten ein schwerer Schlag, den er unter anderem in den Werken Radetzymarsch (Kiepenheuer, 1932) und die Kapuzinergruft (De Gemeenschap, Bilthoven 1938) verarbeiteten.
Auch als Ostjude fühlt er diese Heimatslosigkeit, selbst wenn er sich im späteren Leben als Katholik bezeichnete, ehrte er seine jüdischen Wurzeln unter anderem mit dem Werk Hiob. Roman eines einfachen Mannes (Kiepenheuer, 1930). Die Widersprüche in seinen politischen, religiösen und gesellschaftlichen Überzeugungen lassen die Komplexität seiner inneren Suche erraten. Der Roman Die Flucht ohne Ende (Wolff, 1927) geht näher auf dieses Thema ein und ein Zitat Roths macht die Spaltung seines Wesens besonders deutlich: "Ich bin ein Franzose aus dem Osten, ein Humanist, ein Rationalist mit Religion, ein Katholik mit jüdischem Gehirn."
Sein professioneller Aufstieg und der damit einhergehende materielle Aufschwung standen im Kontrast zu den Schwierigkeiten in seinem privaten Leben - wie sein Vater erlitt auch seine Frau Friedl einen dramatischen psychischen Verfall. Trotz aller Mühen des Autors eine effektive Behandlung zu finden, verblieb Friedl letztendlich als unheilbar diagnostiziert in einem Sanatorium in der Nähe von Wien, wo sich ihre Lage weiter verschlechterte. 1940 fand ihr Leben als Opfer der T4 Morde unter den Nationalsozialisten in der Tötungsanstalt Hartheim ein tragisches Ende.
Die Erkrankung seiner geliebten Frau war für Roth nur schwer zu verkraften. Schon immer einen Hang zum Trinken, verfiel der weltberühmte Schriftsteller nun gänzlich dem Alkoholismus. Am 30. Januar 1933 wird Hitler zum Reichkanzler gewählt – noch am selben Tag flieht Roth von Berlin zunächst ins Pariser Exil und es beginnt seine jahrelange Flucht. Er drückt gegenüber einem Freund seine wachsende Befürchtungen aus: "Sie werden unsere Bücher verbrennen und uns damit meinen. Wir müssen fort, damit es nur Bücher sind…"
Im Exil nahm der Verfall des gefeierten Dichters, trotz aller Bemühungen seiner vielen Freunde und Bewundere seinen Lauf. Der ständige Alkoholkonsum und das permanente Reisen begannen dem Autor zwar körperlichen und finanziellen Zoll abzuverlangen, hatten jedoch keine negativen Auswirkungen auf das kreative Schaffen des Autors. In den Jahren 1934-1939 schrieb er sechs Romane, vier Novellen und unzählige Berichte, Erzählungen und Briefe, darunter einige seiner besten Werke. Sein letztes Werk Die Legende vom heiligen Trinker (Allert de Lange, Amsterdam 1939) endet mit den Worten "Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod!" – ihm selbst stand dieses Privileg nicht zu, er starb im Delirium an den Folgen seiner Alkoholkrankheit in einem Pariser Armenkrankenhaus.
Schon zu Lebzeiten wurde das Werk in diverse Sprachen übersetzt und im Laufe des letzten Jahrhunderts mehrfach von internationalen Filmemachern verfilmt. In der Potsdamer Str. in Berlin befindet sich die Joseph-Roth-Diele in der dem Schriftsteller mit Bildern und Texten ein Andenken gesetzt ist.
• • •
„Der Begriff »Fortschritt« allein setzt bereits die Horizontale voraus. Er bedeutet ein Weiterkommen und kein Höherkommen.“
• • •
„Er übertraf die Erwartungen, die er niemals auf sich gesetzt hatte.“
• • •
„Ich kenne glaube ich, die Welt nur wenn ich schreibe und, wenn ich die Feder weglege, bin ich verloren."
• • •
„Wenn man nur die Träume seiner Kindheit findet, ist man wieder ein Kind."
• • •
„Das Diminutiv ist eben eindrucksvoller als die Monumentalität des Ganzen."
"Nie verriet der Künstler Joseph Roth die Natürlichkeit der Sprache an die Kunst. Er schreibt ein kristallklares Deutsch, das Kraft und Anmut zu paaren wusste, unfehlbar sicher in Wort und Wendung, lichtstark ohne falschen Glanz, musikalisch in Satzbau und Fügung, reich an kleinen stilistischen Zaubereien und Freiheiten, aber auch fähig des weiten Schwungs, der großen Steigerung. Er hatte alles, was den Schriftsteller legitimierte […] er hatte Leidenschaft, Geist und Mut." - Alfred Polgar
Joseph Roth zählt zu den renommiertesten Persönlichkeiten der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, dem sein Werk noch mehr Bewunderung und Respekt einbrachten, als es vom Entsetzten über seine traurige Selbstvernichtung hätte erschüttert werden können. Zu Lebzeiten rieb er Schultern mit den Größten der Weltliteratur, darunter Stefan Zweig, Heinrich Mann und Ludwig Marcuse, nach seinem Tod machten es sich zahlreiche Literaten zur Aufgabe, sein Leben und Werk zu erforschen, welches von ihm selbst in immer neuen Varianten überliefert wurde, bis es schließlich fasst den Status eines Mythos erreichte.
Der Beginn der sich ständig wandelnden Wahrheiten in seiner Biografie wird in seiner Kindheit vermutet. Moses Joseph Roth kam als Sohn jüdischer Eltern in Galizien, einer nord-östlichen Grenzregion des Kaiserreichs Österreich-Ungarn auf die Welt, in einer Zeit, in der sich diese Gegend durch schwere Armut einerseits, und einen großen kulturellen Reichtum andererseits auszeichnete.
Unter den vielen dort ansässigen ethnischen Gruppen gehörte er zu den sogenannten Ostjuden, und kam schon in seiner Kindheit mit Antisemitismus in Kontakt. Hinzu kam, dass die psychische Gesundheit seines Vaters noch vor der Geburt Joseph Roths einen Zusammenbruch erlitt, die ihn für den Rest seines Lebens davon abhielt am familiären Leben teilzunehmen, Roth wuchs vaterlos auf. Schon als Schüler und Student begann er die verschiedensten Versionen des Schicksals seines Vaters, seiner Familie und seines eigenen Lebenslaufes zu erfinden. Wenn Kollegen ihn dafür zur Rechenschaft ziehen wollten, konterte er mit der Behauptung: "Es kommt nicht auf die Wirklichkeit an, sondern auf die innere Wahrheit."
Nach einem Germanistik Studium und ersten journalistischen Tätigkeiten in Lemberg und Wien, diente Roth für ein Jahr als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg, nach seiner Rückkehr zog er mit dem Anliegen Schriftsteller zu werden zunächst nach Berlin. Hier mietet er zusammen mit seiner Ehefrau, Friederike "Friedl" Reicher, für einige Zeit eine Wohnung im Stadtteil Schöneberg. Es sollte der einzige feste Wohnsitz des Schriftstellers bleiben, denn kurz darauf begannen ausgedehnte Reisen nach Frankreich, Österreich, Italien und schließlich durch ganz Europa, bei denen er als Reisereporter für verschiedenen Publikation tätig war und sich an ein transientes Leben in Hotels und Gasthäusern gewöhnte.
In den 20er Jahren gehörte Joseph Roth zu den gefragtesten Journalisten im deutschsprachigen Raum und schrieb unter anderem für das Prager Tageblatt, den Berliner Börsen-Courier und nicht zuletzt für die renommierte Frankfurter Zeitung, von der er einmal stolz sagte: "Bei der Frankfurter Zeitung schreibt man nicht für den Leser, sondern für die Nachwelt." Nicht mit diesem Ruhm zufrieden, ließ ihn sein Ehrgeiz den Traum vom Schriftsteller sein nicht aufgeben, und so erschien, nach den ersten lyrischen Versuchen seiner Jugend und verschiedenen Erzählungen, sein erster Roman Das Spinnennetz (1923) zunächst als Fortsetzungsroman in der Wiener Arbeiter Zeitung. Die darin geschilderte Geschichte von dem Kriegsrückkehrer Theodor Lohse, der durch Zufälle in eine geheime Organisation gerät, in der er durch Heucheleien und Verbrechen an Einfluss gewinnt, ist eine sozialkritische Beobachtung der Ereignisse in der Weimarer Republik, die noch vor ihrer Fertigstellung von der Realität eingeholt wurde, als Ludendorff und Hitler im November 1923 in München einen Putschversuch starteten.
Unter den Pseudonymen "Roter Joseph" und "Josephus" schrieb er zahlreiche Beiträge für sozialistische Publikationen wie Der neue Tag, Lachen Links und Vorwärts, in denen er zwar klare politische Stellung nimmt, sich jedoch von den extremen Polen der kommunistischen und nationalistischen Lager fernzuhalten weiß. Mit Besorgnis beobachtet und dokumentiert er die Geschehnisse in Deutschland und ahnt früh eine Eskalation der Aggressionen und einen erneuten Kriegsausbruch.
Mit der Veröffentlichung des Romans Hotel Savoy (Die Schmiede, 1924), wieder ein Fortsetzungsroman, dieses Mal zunächst in der Frankfurter Zeitung gedruckt und kurz darauf in Berlin als Buch veröffentlicht, errang er als Schriftsteller internationale Anerkennung. Die zentrale Thematik des Romans ist die Heimatlosigkeit, die für Roth sein Leben lang eine wichtige Rolle spielte. Der Untergang des österreichischen Kaiserreichs war für den überzeugten Monarchisten ein schwerer Schlag, den er unter anderem in den Werken Radetzymarsch (Kiepenheuer, 1932) und die Kapuzinergruft (De Gemeenschap, Bilthoven 1938) verarbeiteten.
Auch als Ostjude fühlt er diese Heimatslosigkeit, selbst wenn er sich im späteren Leben als Katholik bezeichnete, ehrte er seine jüdischen Wurzeln unter anderem mit dem Werk Hiob. Roman eines einfachen Mannes (Kiepenheuer, 1930). Die Widersprüche in seinen politischen, religiösen und gesellschaftlichen Überzeugungen lassen die Komplexität seiner inneren Suche erraten. Der Roman Die Flucht ohne Ende (Wolff, 1927) geht näher auf dieses Thema ein und ein Zitat Roths macht die Spaltung seines Wesens besonders deutlich: "Ich bin ein Franzose aus dem Osten, ein Humanist, ein Rationalist mit Religion, ein Katholik mit jüdischem Gehirn."
Sein professioneller Aufstieg und der damit einhergehende materielle Aufschwung standen im Kontrast zu den Schwierigkeiten in seinem privaten Leben - wie sein Vater erlitt auch seine Frau Friedl einen dramatischen psychischen Verfall. Trotz aller Mühen des Autors eine effektive Behandlung zu finden, verblieb Friedl letztendlich als unheilbar diagnostiziert in einem Sanatorium in der Nähe von Wien, wo sich ihre Lage weiter verschlechterte. 1940 fand ihr Leben als Opfer der T4 Morde unter den Nationalsozialisten in der Tötungsanstalt Hartheim ein tragisches Ende.
Die Erkrankung seiner geliebten Frau war für Roth nur schwer zu verkraften. Schon immer einen Hang zum Trinken, verfiel der weltberühmte Schriftsteller nun gänzlich dem Alkoholismus. Am 30. Januar 1933 wird Hitler zum Reichkanzler gewählt – noch am selben Tag flieht Roth von Berlin zunächst ins Pariser Exil und es beginnt seine jahrelange Flucht. Er drückt gegenüber einem Freund seine wachsende Befürchtungen aus: "Sie werden unsere Bücher verbrennen und uns damit meinen. Wir müssen fort, damit es nur Bücher sind…"
Im Exil nahm der Verfall des gefeierten Dichters, trotz aller Bemühungen seiner vielen Freunde und Bewundere seinen Lauf. Der ständige Alkoholkonsum und das permanente Reisen begannen dem Autor zwar körperlichen und finanziellen Zoll abzuverlangen, hatten jedoch keine negativen Auswirkungen auf das kreative Schaffen des Autors. In den Jahren 1934-1939 schrieb er sechs Romane, vier Novellen und unzählige Berichte, Erzählungen und Briefe, darunter einige seiner besten Werke. Sein letztes Werk Die Legende vom heiligen Trinker (Allert de Lange, Amsterdam 1939) endet mit den Worten "Gebe Gott uns allen, uns Trinkern, einen so leichten und so schönen Tod!" – ihm selbst stand dieses Privileg nicht zu, er starb im Delirium an den Folgen seiner Alkoholkrankheit in einem Pariser Armenkrankenhaus.
Schon zu Lebzeiten wurde das Werk in diverse Sprachen übersetzt und im Laufe des letzten Jahrhunderts mehrfach von internationalen Filmemachern verfilmt. In der Potsdamer Str. in Berlin befindet sich die Joseph-Roth-Diele in der dem Schriftsteller mit Bildern und Texten ein Andenken gesetzt ist.
• • •
„Der Begriff »Fortschritt« allein setzt bereits die Horizontale voraus. Er bedeutet ein Weiterkommen und kein Höherkommen.“
• • •
„Er übertraf die Erwartungen, die er niemals auf sich gesetzt hatte.“
• • •
„Ich kenne glaube ich, die Welt nur wenn ich schreibe und, wenn ich die Feder weglege, bin ich verloren."
• • •
„Wenn man nur die Träume seiner Kindheit findet, ist man wieder ein Kind."
• • •
„Das Diminutiv ist eben eindrucksvoller als die Monumentalität des Ganzen."
* 25. Juni 1926 in Klagenfurt - † 17. Oktober 1973 in Rom
Eine Frau, die Dicht- und Erzählkunst als Widerstand gegen den Krieg und gegen den Männlichkeitswahn nutzte. Ihre utopischen Gegenentwürfe eines erfüllten Lebens in Frieden prägten die deutschsprachige Literatur und Gesellschaft der Nachkriegszeit nachhaltig.
Sie war eine österreichische Schriftstellerin und gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen und Prosaschriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Nach dem Krieg studierte sie in Innsbruck, Graz und Wien Philosophie, Psychologie und Germanistik und promovierte 1950 in Wien über “Die kritische Aufnahme der Existenzialphilosophie Martin Heideggers”. Danach arbeitete sie einige Jahre beim Rundfunk (Hörfunk, Fernsehen). Den endgültigen Sprung zur Literaturkarriere schaffte sie durch eine Auszeichnung der Gruppe 47, eine Plattform die aus einer Gruppe junger Schriftsteller besteht, welche auf die Erneuerung der deutschen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg abzielte. Eine lange Zeit lebte sie zusammen mit Max Frisch in Rom. Diese Zeit hatte, laut Kritikern und laut ihr selbst, einen positiven Einfluss auf ihr literarisches Schaffen, da ihre Gedichte dadurch sinnlicher, unmittelbarer und kräftiger geworden seien.
Im Jahre 1953 veröffentlichte sie ihren ersten Gedichtband Die gestundete Zeit, welcher einen Gegenentwurf zur vornehmlich realistischen Nachkriegsliteratur bot. Charakteristisch für ihre Dichtkunst ist die Verbindung von Symbolen mit abstrakten Gedanken, von Sprachgewalt, Poesie und intellektueller Schärfe. Sie gilt als Ikone des frühen Feminismus. Die zwei aus einer explizit weiblichen Perspektive erzählten Geschichten Ein Schritt nach Gomorrha („Komm, dass ich erwache, wenn dies nicht mehr gilt – Mann und Frau. Wenn dies einmal zu Ende ist!“) und Undine geht („Ihr mit eurer Eifersucht auf eure Frauen, mit eurer hochmütigen Nachsicht und eurer Tyrannei“) gehören zu den frühesten feministischen Äußerungen der deutschsprachigen Literatur der Nachkriegszeit.
"Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar."[1]
"Hätten wir das Wort, hätten wir die Sprache, wir bräuchten die Waffen nicht. Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt."[2]
"Das Unerhörte ist alltäglich geworden. Der Held bleibt den Kämpfen fern."[3]
[1] Reden „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar - Rede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden“. In: Werke Band 4 (Essays usw.). Piper 1978, S. 277.
[2] Frankfurter Vorlesungen “Über Probleme Zeitgenössischer Dichtung“. I Fragen und Scheinfragen. In: Werke Band 4 (Essays usw.). Piper 1978, S. 185.
[3] Gedichte „Die gestundete Zeit“. II Alle Tage. In: Werke Band 1 (Gedichte usw.). Piper 1978, S. 46.
Eine Frau, die Dicht- und Erzählkunst als Widerstand gegen den Krieg und gegen den Männlichkeitswahn nutzte. Ihre utopischen Gegenentwürfe eines erfüllten Lebens in Frieden prägten die deutschsprachige Literatur und Gesellschaft der Nachkriegszeit nachhaltig.
Sie war eine österreichische Schriftstellerin und gilt als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen und Prosaschriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts. Nach dem Krieg studierte sie in Innsbruck, Graz und Wien Philosophie, Psychologie und Germanistik und promovierte 1950 in Wien über “Die kritische Aufnahme der Existenzialphilosophie Martin Heideggers”. Danach arbeitete sie einige Jahre beim Rundfunk (Hörfunk, Fernsehen). Den endgültigen Sprung zur Literaturkarriere schaffte sie durch eine Auszeichnung der Gruppe 47, eine Plattform die aus einer Gruppe junger Schriftsteller besteht, welche auf die Erneuerung der deutschen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg abzielte. Eine lange Zeit lebte sie zusammen mit Max Frisch in Rom. Diese Zeit hatte, laut Kritikern und laut ihr selbst, einen positiven Einfluss auf ihr literarisches Schaffen, da ihre Gedichte dadurch sinnlicher, unmittelbarer und kräftiger geworden seien.
Im Jahre 1953 veröffentlichte sie ihren ersten Gedichtband Die gestundete Zeit, welcher einen Gegenentwurf zur vornehmlich realistischen Nachkriegsliteratur bot. Charakteristisch für ihre Dichtkunst ist die Verbindung von Symbolen mit abstrakten Gedanken, von Sprachgewalt, Poesie und intellektueller Schärfe. Sie gilt als Ikone des frühen Feminismus. Die zwei aus einer explizit weiblichen Perspektive erzählten Geschichten Ein Schritt nach Gomorrha („Komm, dass ich erwache, wenn dies nicht mehr gilt – Mann und Frau. Wenn dies einmal zu Ende ist!“) und Undine geht („Ihr mit eurer Eifersucht auf eure Frauen, mit eurer hochmütigen Nachsicht und eurer Tyrannei“) gehören zu den frühesten feministischen Äußerungen der deutschsprachigen Literatur der Nachkriegszeit.
"Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar."[1]
"Hätten wir das Wort, hätten wir die Sprache, wir bräuchten die Waffen nicht. Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern fortgesetzt."[2]
"Das Unerhörte ist alltäglich geworden. Der Held bleibt den Kämpfen fern."[3]
[1] Reden „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar - Rede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden“. In: Werke Band 4 (Essays usw.). Piper 1978, S. 277.
[2] Frankfurter Vorlesungen “Über Probleme Zeitgenössischer Dichtung“. I Fragen und Scheinfragen. In: Werke Band 4 (Essays usw.). Piper 1978, S. 185.
[3] Gedichte „Die gestundete Zeit“. II Alle Tage. In: Werke Band 1 (Gedichte usw.). Piper 1978, S. 46.
* 30. September 1937 in Łódź, Polen | 14. März 1997 in Thumby, Deutschland
Eine lockere, gleichwohl präzise Sprache zeichnet nicht nur die Dialoge von ‚Liebling Kreuzberg‘ aus, sondern auch Jurek Beckers Romane, Interviews und literarische Essays. Der Duktus ist schwer zu beschreiben, noch schwerer zu imitieren: eine eigentümliche Mischung aus Kargheit und gedanklicher Präzision, einleuchtend klar und schnörkellos; eine Synthese aus Anstrengung und Leichtigkeit, die keine Nachlässigkeit und kein überflüssiges Wort toleriert… Nicht spannungslose Geradlinigkeit kommt dabei auf, sondern ein fast heimtückischer Doppelsinn. (Hannes Krauss)
Bekannt als einer der bedeutendsten deutschen Stimmen der Nachkriegszeit, erfuhr Jurek Becker insbesondere mit seinem ersten Roman Jakob der Lügner (1969) und später als Autor der Fernsehserie Liebling Kreuzberg (1986-1998) weitreichenden Erfolg. In seinen Werken verarbeitete er häufig seine eigene Geschichte; Integration, Widerstand und vor allem Hoffnung – die Thematiken Beckers sind zeitlos und er war dafür bekannt schwierige Materien mit einer geistigen Wendigkeit und Leichtigkeit zu diskutieren wie kein anderer.
Die Biographie Jurek Beckers liest sich wie einer seiner Romane: Sein tatsächliches Geburtsdatum ist nicht mehr festzustellen, nachdem sein Vater dieses änderte um sein wahres Alter vor den Nationalsozialisten zu verbergen. Was fest steht ist, dass er im polnischen Łódź als Sohn von jüdischen Eltern zur Welt kam. Er verbrachte die ersten Jahre seines Lebens im dortigen Ghetto und wurde später in die Konzentrationslager Ravensbrück und dann Sachsenhausen transportiert. Becker überlebte den Holocaust und konnte nach der Befreiung mit seinem Vater wiedervereinigt werden, doch Erinnerungen an diese Zeit, hatte er keine.
Nach dem Krieg zogen Vater und Sohn nach Ost-Berlin, wo der 8-jährige Jurek begann Deutsch zu lernen. Er fordert sich selbst heraus die Sprache nicht nur zu sprechen, sondern meisterhaft zu beherrschen um sich schnellst möglich zu integrieren. Die genaue und präzise Sprache, die seinen Schreibstil kennzeichnet, ist ein Hinweis darauf, dass er auch als Erwachsener und als etablierter Schriftsteller das Bedürfnis empfand, sich selbst und anderen beweisen zu müssen, dass er die Sprache beherrschte.
Als junger Kommunist trat er zunächst der FDJ (Freie Deutsche Jugend) und später der KVP (Kasernierte Volkspolizei) und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei, auch dies war anfangs mit dem Bestreben sich möglichst reibungslos in die neue Gesellschaft einzufügen. Obwohl Becker die sozialistischen Ziele mit Überzeugung verfolgte, begleitete das Gefühl des Außenseiters ihn ständig: als Jude, als „Opfer des Faschismus“ und als kritischer Denker distanzierte er sich von „den anderen“, was sich oft als eine gewisse Überlegenheit auszudrückte, die auch zu Konfrontationen mit Vorgesetzten und Behörden führte.
Als Student schrieb er Stücke für das politische Kabarett Die Distel und übte sich im Balancierakt der Satire, Kritik und Loyalität zum sozialistischen System. Später erlernte er das Handwerk des Drehbuchautors und arbeitete sowohl für das Fernsehen, als auch für die Deutsche Film-Aktiengesellschaft (DEFA). Als sein Drehbuch für die Produktion Jakob der Lügner abgelehnt wurde, stellte er sich der Aufgabe die Geschichte als Roman zu erzählen. Die immense positive Resonanz für das Buch führte zu internationalem Ruhm und Becker wurde kurz darauf in den Vorstand des Schriftstellerverbands als auch in den exklusiven Schriftstellerverein PEN International aufgenommen.
Die Themenstellungen in Beckers darauffolgenden Romanen, sowie Irreführung der Behörden (1973), Der Boxer (1976), Schlaflose Tage (1978), und Bronsteins Kinder (1986) zeigen deutlich wie Literatur für den Schriftsteller ein Werkzeug der Vergangenheits-, und auch Alltagsbewältigung wurde. Wie der Germanist Hannes Krauss von der Universität Duisburg beschreibt: „In seinen Romanen spielt er vorstellbare biographische Konstellationen mit den Mitteln der Fiktion durch. Hier will nicht einer der Schreckliches erlitten hat, durchs Aufschreiben seiner Emotion Herr werden, sondern einer, dem die Schrecken sogar die Erinnerung geraubt haben, schafft sich in der Literatur Ersatz.“
Als sich das Verhältnis mit den Behörden in der DDR nach einer Reihe von Vorfällen immer weiter zuspitzte, sah Becker ein, dass seine eigenen sozialistischen Ideologien nichtmehr mit dem Vorgehen der Partei zu vereinbaren waren und er gab den Glauben daran auf, dass eine Reform des sozialistischen Staates möglich war. Er trat aus dem Schriftstellerverband aus und nutze eine Gelegenheit sich mit seiner Familie nach West-Berlin umzusiedeln.
Für Becker war die Aufgabe des Schriftstellers in der Gesellschaft nicht nur soziale Strukturen in Frage zu stellen, sondern er sah sich auch als verpflichtet mit seiner Arbeit, seinem Handwerk und seiner Wortkunst, Widerstand zu leisten. In seiner typisch satirischen Art kommentierte er nach seinem Umzug in den Westen: „Das wäre ja großartig, wenn Auflehnung honoriert und Unterwürfigkeit bestraft würde. Dann wäre die Welt voll von Widerständlern, die selbstbewusst ihren Regierungen oder Vorgesetzten die Meinung sagen. Aber leider bringt Nichtanpassung nur auf eine einzige Weise Vorteil, nämlich dann, wenn so viele Nichtangepasste sich finden, dass die Verhältnisse ins Wanken geraten.“
In bezeichnender Ironie wurden der Widerstand und das Werk von Jurek Becker durch zahlreiche Prämien und Preise anerkannt und geehrt, unter anderem erhielt er den Heinrich-Mann-Preis (1971), den Nationalpreis der DDR (1975), den Adolf-Grimme-Preis in Gold (1986), den Deutschen Filmpreis (1991) und das Bundesverdienstkreuz (1992).
"Schreiben heißt Kontrolle über seine Motive zu gewinnen, also zu größtmöglicher Bewusstheit zu gelangen."
"Ich vermute, dass das kulturelle Niveau innerhalb einer Gesellschaft wesentlich von zwei Faktoren abhängt: Vom Selbstbewusstsein ihrer Mitglieder und von deren Zuversicht, das heißt vom Vertrauen in die Zukunft."
„Dort, wo Selbstbewusstsein am schlechtesten ausgeprägt ist, dort werden es die ANDEREN immer am schwersten haben. Das können Kritiker sein, Protestierer, Ausländer, Juden, eben ANDERE. Wir leben in Gesellschaften, die ihren Zusammenhalt in hohem Maße Feindbildern verdanken.“
"Vom Bewusstsein der eigenen Ohnmacht zum Bewusstsein der Stärke ist ein elend weiter Weg. Doch es gibt keinen anderen, wenn man auf die Zukunft nicht verzichten will."
"Der Schreibtisch ist der einzige Ort an dem ich ein kleines bisschen fliegen kann."
Eine lockere, gleichwohl präzise Sprache zeichnet nicht nur die Dialoge von ‚Liebling Kreuzberg‘ aus, sondern auch Jurek Beckers Romane, Interviews und literarische Essays. Der Duktus ist schwer zu beschreiben, noch schwerer zu imitieren: eine eigentümliche Mischung aus Kargheit und gedanklicher Präzision, einleuchtend klar und schnörkellos; eine Synthese aus Anstrengung und Leichtigkeit, die keine Nachlässigkeit und kein überflüssiges Wort toleriert… Nicht spannungslose Geradlinigkeit kommt dabei auf, sondern ein fast heimtückischer Doppelsinn. (Hannes Krauss)
Bekannt als einer der bedeutendsten deutschen Stimmen der Nachkriegszeit, erfuhr Jurek Becker insbesondere mit seinem ersten Roman Jakob der Lügner (1969) und später als Autor der Fernsehserie Liebling Kreuzberg (1986-1998) weitreichenden Erfolg. In seinen Werken verarbeitete er häufig seine eigene Geschichte; Integration, Widerstand und vor allem Hoffnung – die Thematiken Beckers sind zeitlos und er war dafür bekannt schwierige Materien mit einer geistigen Wendigkeit und Leichtigkeit zu diskutieren wie kein anderer.
Die Biographie Jurek Beckers liest sich wie einer seiner Romane: Sein tatsächliches Geburtsdatum ist nicht mehr festzustellen, nachdem sein Vater dieses änderte um sein wahres Alter vor den Nationalsozialisten zu verbergen. Was fest steht ist, dass er im polnischen Łódź als Sohn von jüdischen Eltern zur Welt kam. Er verbrachte die ersten Jahre seines Lebens im dortigen Ghetto und wurde später in die Konzentrationslager Ravensbrück und dann Sachsenhausen transportiert. Becker überlebte den Holocaust und konnte nach der Befreiung mit seinem Vater wiedervereinigt werden, doch Erinnerungen an diese Zeit, hatte er keine.
Nach dem Krieg zogen Vater und Sohn nach Ost-Berlin, wo der 8-jährige Jurek begann Deutsch zu lernen. Er fordert sich selbst heraus die Sprache nicht nur zu sprechen, sondern meisterhaft zu beherrschen um sich schnellst möglich zu integrieren. Die genaue und präzise Sprache, die seinen Schreibstil kennzeichnet, ist ein Hinweis darauf, dass er auch als Erwachsener und als etablierter Schriftsteller das Bedürfnis empfand, sich selbst und anderen beweisen zu müssen, dass er die Sprache beherrschte.
Als junger Kommunist trat er zunächst der FDJ (Freie Deutsche Jugend) und später der KVP (Kasernierte Volkspolizei) und der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) bei, auch dies war anfangs mit dem Bestreben sich möglichst reibungslos in die neue Gesellschaft einzufügen. Obwohl Becker die sozialistischen Ziele mit Überzeugung verfolgte, begleitete das Gefühl des Außenseiters ihn ständig: als Jude, als „Opfer des Faschismus“ und als kritischer Denker distanzierte er sich von „den anderen“, was sich oft als eine gewisse Überlegenheit auszudrückte, die auch zu Konfrontationen mit Vorgesetzten und Behörden führte.
Als Student schrieb er Stücke für das politische Kabarett Die Distel und übte sich im Balancierakt der Satire, Kritik und Loyalität zum sozialistischen System. Später erlernte er das Handwerk des Drehbuchautors und arbeitete sowohl für das Fernsehen, als auch für die Deutsche Film-Aktiengesellschaft (DEFA). Als sein Drehbuch für die Produktion Jakob der Lügner abgelehnt wurde, stellte er sich der Aufgabe die Geschichte als Roman zu erzählen. Die immense positive Resonanz für das Buch führte zu internationalem Ruhm und Becker wurde kurz darauf in den Vorstand des Schriftstellerverbands als auch in den exklusiven Schriftstellerverein PEN International aufgenommen.
Die Themenstellungen in Beckers darauffolgenden Romanen, sowie Irreführung der Behörden (1973), Der Boxer (1976), Schlaflose Tage (1978), und Bronsteins Kinder (1986) zeigen deutlich wie Literatur für den Schriftsteller ein Werkzeug der Vergangenheits-, und auch Alltagsbewältigung wurde. Wie der Germanist Hannes Krauss von der Universität Duisburg beschreibt: „In seinen Romanen spielt er vorstellbare biographische Konstellationen mit den Mitteln der Fiktion durch. Hier will nicht einer der Schreckliches erlitten hat, durchs Aufschreiben seiner Emotion Herr werden, sondern einer, dem die Schrecken sogar die Erinnerung geraubt haben, schafft sich in der Literatur Ersatz.“
Als sich das Verhältnis mit den Behörden in der DDR nach einer Reihe von Vorfällen immer weiter zuspitzte, sah Becker ein, dass seine eigenen sozialistischen Ideologien nichtmehr mit dem Vorgehen der Partei zu vereinbaren waren und er gab den Glauben daran auf, dass eine Reform des sozialistischen Staates möglich war. Er trat aus dem Schriftstellerverband aus und nutze eine Gelegenheit sich mit seiner Familie nach West-Berlin umzusiedeln.
Für Becker war die Aufgabe des Schriftstellers in der Gesellschaft nicht nur soziale Strukturen in Frage zu stellen, sondern er sah sich auch als verpflichtet mit seiner Arbeit, seinem Handwerk und seiner Wortkunst, Widerstand zu leisten. In seiner typisch satirischen Art kommentierte er nach seinem Umzug in den Westen: „Das wäre ja großartig, wenn Auflehnung honoriert und Unterwürfigkeit bestraft würde. Dann wäre die Welt voll von Widerständlern, die selbstbewusst ihren Regierungen oder Vorgesetzten die Meinung sagen. Aber leider bringt Nichtanpassung nur auf eine einzige Weise Vorteil, nämlich dann, wenn so viele Nichtangepasste sich finden, dass die Verhältnisse ins Wanken geraten.“
In bezeichnender Ironie wurden der Widerstand und das Werk von Jurek Becker durch zahlreiche Prämien und Preise anerkannt und geehrt, unter anderem erhielt er den Heinrich-Mann-Preis (1971), den Nationalpreis der DDR (1975), den Adolf-Grimme-Preis in Gold (1986), den Deutschen Filmpreis (1991) und das Bundesverdienstkreuz (1992).
"Schreiben heißt Kontrolle über seine Motive zu gewinnen, also zu größtmöglicher Bewusstheit zu gelangen."
"Ich vermute, dass das kulturelle Niveau innerhalb einer Gesellschaft wesentlich von zwei Faktoren abhängt: Vom Selbstbewusstsein ihrer Mitglieder und von deren Zuversicht, das heißt vom Vertrauen in die Zukunft."
„Dort, wo Selbstbewusstsein am schlechtesten ausgeprägt ist, dort werden es die ANDEREN immer am schwersten haben. Das können Kritiker sein, Protestierer, Ausländer, Juden, eben ANDERE. Wir leben in Gesellschaften, die ihren Zusammenhalt in hohem Maße Feindbildern verdanken.“
"Vom Bewusstsein der eigenen Ohnmacht zum Bewusstsein der Stärke ist ein elend weiter Weg. Doch es gibt keinen anderen, wenn man auf die Zukunft nicht verzichten will."
"Der Schreibtisch ist der einzige Ort an dem ich ein kleines bisschen fliegen kann."
* 15. Juli 1892 in Charlottenburg − † 26. September 1940 in Portbou
„[…] Ich könnte sagen, dass er sehr gelehrt, aber durchaus kein Gelehrter war; dass sein Hauptthema Texte und Textinterpretation waren, aber dass er kein Philologe war; dass ihn nicht Religion, aber Theologie und theologische Auslegung […] fasziniert hat, aber er war weder Theologe noch sonderlich an der Bibel interessiert; dass er ein Schriftsteller war, ein größter Ehrgeiz aber darin bestand, einen nur aus Zitaten zusammensetzten Text herzustellen. Er hat Proust und Baudelaire ins Deutsche übersetzt, aber war kein Übersetzer hat […] eine Reihe klassischer Essays über tote und zeitgenössische Schriftsteller und Dichter verfasst, aber er war kein Literaturkritiker, er hat Bücher über das deutsche Barock und die deutsche Romantik geschrieben, und starb über einem groß angelegten Werk über das französische neunzehnte Jahrhundert, aber war weder ein Historiker, noch ein Literaturhistoriker. Ich werde hier zu zeigen versuchen, dass er dichterisch dachte, aber er war weder Dichter noch ein Philosoph.“
(Hannah Arendt. Menschen in finsteren Zeiten)
So, wie die deutsche Philosophin Hannah Arendt die Besonderheiten von Benjamins Intellekt beschreibt und auf die Unmöglichkeit hinweist, ihn in eine der vorherrschenden Kategorien von artistisch-intellektueller Produktion einzuordnen, kann man zum Veranschaulichen der Vielfältigkeit seiner Gedanken hinzufügen, dass Benjamin eine spezielle Vorliebe für den Kollektivismus, als Ausdrucksform seiner diversen Denkmuster, pflegte. Er sammelte Bücher, wertvolle Werke und vor allem Zitate. Sogar altes Spielzeug gehörte dazu und er schrieb eine Vielzahl an Reflektionen über die Kindheit. Er beobachtete Veränderungen der modernen Welt, welche von den täglichen Gewohnheiten der Flaneur, bis hin zu den neuen technischen Maschinen, die ausschlaggebend für die Kunst seiner Zeit wurden, reichten. Auch enthielt er der Welt seine Erfahrungen und Reflektionen über den Haschischkonsum nicht vor. Walter Benjamin ist deutsch-jüdischer Herkunft und studierter Philosoph, deutscher Philologe sowie Kunsthistoriker. Er studierte in Freiburg und in Berlin. Seine Werke – Essays, Kritiken, Übersetzungen und Rundfunk - waren jedoch so vielfältig und grenzenlos, dass es bis heute kaum möglich ist, seine Textproduktionen in eine literarische Kategorie einzuordnen.
Aufgrund der prekären Bedingungen in Deutschland während des Nationalsozialismus (er war Sympathisant des Kommunismus), hielt sich Benjamin in seinen letzten Lebensjahren jedoch im Exil in Paris auf. Was eines der Gründe dafür war, warum ihm kaum Publikationen in Deutschland gelangen. Ursprung des Deutschen Trauerspiels, Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik und Einbahnstraße wurden zwar veröffentlicht, aber gelangen kaum an die Öffentlichkeit. Unter den am meist studierten Werken Benjamins befinden sich die Essays Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Die Aufgabe des Übersetzers, Der Autor als Produzent, Kleine Geschichte der Photographie, seine Thesen Über den Begriff der Geschichte und Fragmente des langen, nicht vollendeten und unbetitelten Passagen-Werk.
Abgesehen von seinen erfolgreichen Werken und seinen großartigen Visionen über die Welt zeichnet sich Walter Benjamin vor allem durch seine Schicksalsgeschichte aus. Nach 10 Jahren im Exil und ständig auf der Flucht vor Existenzproblemen, Depressionen und Krankheit, nahm er sich, nachdem seine Flucht von Frankreich in die USA nicht gelang, im September 1940 in der Grenzstadt Portbou (Spanien) das Leben. Sein Leben sowie seine Beziehung zur intellektuellen Szene in Deutschland des 20. Jh, wie zum Beispiel zu Adorno, Horkheimer, mit der Frankfurter Schule, Brecht, Arendt und Scholem, zeigen ein wichtiges Fragment in der Sozialgeschichte deutscher Denker.
Heute, über 70 Jahre nach seinem Tod, entwickelt er sich immer mehr zu einem Repräsentant der Kritik, Literatur, Kunstgeschichte, Philosophie über europäische Grenzen. In Brasilien beispielsweise werden seine Werke in den Geisteswissenschaften zunehmend erforscht. Die transdisziplinäre Sicht auf die Humanwissenschaften in Brasilien ist heute eine stetig an Wichtigkeit gewinnende Sichtweise, welche Benjamin bereits in den 30er-Jahren anpries.
"Glücklich sein heißt ohne Schrecken seiner selbst innewerden können."[1]
"Wer die Umgangsformen beachtet, aber die Lüge verwirft, gleicht einem, der sich zwar modisch kleidet, aber kein Hemd auf dem Leibe trägt."[2]
"Für Männer- Überzeugen ist unfruchtbar."[3]
"Das Subjekt historischer Erkenntnis ist die kämpfende, unterdrückte Klasse selbst."[4]
[1] Einbahnstraße in: Werkausgabe Band IV, Erster Teil, Suhrkamp Verlag, S. 113
[2] Einbahnstraße in: Werkausgabe Band IV, Erster Teil, Suhrkamp Verlag, S. 112
[3] Einbahnstraße in: Werkausgabe Band IV, Erster Teil, Suhrkamp Verlag, S. 87
[4] Über den Begriff der Geschichte in: Werkausgabe Band I Zweiter Teil, Suhrkamp Verlag, S. 700
„[…] Ich könnte sagen, dass er sehr gelehrt, aber durchaus kein Gelehrter war; dass sein Hauptthema Texte und Textinterpretation waren, aber dass er kein Philologe war; dass ihn nicht Religion, aber Theologie und theologische Auslegung […] fasziniert hat, aber er war weder Theologe noch sonderlich an der Bibel interessiert; dass er ein Schriftsteller war, ein größter Ehrgeiz aber darin bestand, einen nur aus Zitaten zusammensetzten Text herzustellen. Er hat Proust und Baudelaire ins Deutsche übersetzt, aber war kein Übersetzer hat […] eine Reihe klassischer Essays über tote und zeitgenössische Schriftsteller und Dichter verfasst, aber er war kein Literaturkritiker, er hat Bücher über das deutsche Barock und die deutsche Romantik geschrieben, und starb über einem groß angelegten Werk über das französische neunzehnte Jahrhundert, aber war weder ein Historiker, noch ein Literaturhistoriker. Ich werde hier zu zeigen versuchen, dass er dichterisch dachte, aber er war weder Dichter noch ein Philosoph.“
(Hannah Arendt. Menschen in finsteren Zeiten)
So, wie die deutsche Philosophin Hannah Arendt die Besonderheiten von Benjamins Intellekt beschreibt und auf die Unmöglichkeit hinweist, ihn in eine der vorherrschenden Kategorien von artistisch-intellektueller Produktion einzuordnen, kann man zum Veranschaulichen der Vielfältigkeit seiner Gedanken hinzufügen, dass Benjamin eine spezielle Vorliebe für den Kollektivismus, als Ausdrucksform seiner diversen Denkmuster, pflegte. Er sammelte Bücher, wertvolle Werke und vor allem Zitate. Sogar altes Spielzeug gehörte dazu und er schrieb eine Vielzahl an Reflektionen über die Kindheit. Er beobachtete Veränderungen der modernen Welt, welche von den täglichen Gewohnheiten der Flaneur, bis hin zu den neuen technischen Maschinen, die ausschlaggebend für die Kunst seiner Zeit wurden, reichten. Auch enthielt er der Welt seine Erfahrungen und Reflektionen über den Haschischkonsum nicht vor. Walter Benjamin ist deutsch-jüdischer Herkunft und studierter Philosoph, deutscher Philologe sowie Kunsthistoriker. Er studierte in Freiburg und in Berlin. Seine Werke – Essays, Kritiken, Übersetzungen und Rundfunk - waren jedoch so vielfältig und grenzenlos, dass es bis heute kaum möglich ist, seine Textproduktionen in eine literarische Kategorie einzuordnen.
Aufgrund der prekären Bedingungen in Deutschland während des Nationalsozialismus (er war Sympathisant des Kommunismus), hielt sich Benjamin in seinen letzten Lebensjahren jedoch im Exil in Paris auf. Was eines der Gründe dafür war, warum ihm kaum Publikationen in Deutschland gelangen. Ursprung des Deutschen Trauerspiels, Der Begriff der Kunstkritik in der deutschen Romantik und Einbahnstraße wurden zwar veröffentlicht, aber gelangen kaum an die Öffentlichkeit. Unter den am meist studierten Werken Benjamins befinden sich die Essays Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Die Aufgabe des Übersetzers, Der Autor als Produzent, Kleine Geschichte der Photographie, seine Thesen Über den Begriff der Geschichte und Fragmente des langen, nicht vollendeten und unbetitelten Passagen-Werk.
Abgesehen von seinen erfolgreichen Werken und seinen großartigen Visionen über die Welt zeichnet sich Walter Benjamin vor allem durch seine Schicksalsgeschichte aus. Nach 10 Jahren im Exil und ständig auf der Flucht vor Existenzproblemen, Depressionen und Krankheit, nahm er sich, nachdem seine Flucht von Frankreich in die USA nicht gelang, im September 1940 in der Grenzstadt Portbou (Spanien) das Leben. Sein Leben sowie seine Beziehung zur intellektuellen Szene in Deutschland des 20. Jh, wie zum Beispiel zu Adorno, Horkheimer, mit der Frankfurter Schule, Brecht, Arendt und Scholem, zeigen ein wichtiges Fragment in der Sozialgeschichte deutscher Denker.
Heute, über 70 Jahre nach seinem Tod, entwickelt er sich immer mehr zu einem Repräsentant der Kritik, Literatur, Kunstgeschichte, Philosophie über europäische Grenzen. In Brasilien beispielsweise werden seine Werke in den Geisteswissenschaften zunehmend erforscht. Die transdisziplinäre Sicht auf die Humanwissenschaften in Brasilien ist heute eine stetig an Wichtigkeit gewinnende Sichtweise, welche Benjamin bereits in den 30er-Jahren anpries.
"Glücklich sein heißt ohne Schrecken seiner selbst innewerden können."[1]
"Wer die Umgangsformen beachtet, aber die Lüge verwirft, gleicht einem, der sich zwar modisch kleidet, aber kein Hemd auf dem Leibe trägt."[2]
"Für Männer- Überzeugen ist unfruchtbar."[3]
"Das Subjekt historischer Erkenntnis ist die kämpfende, unterdrückte Klasse selbst."[4]
[1] Einbahnstraße in: Werkausgabe Band IV, Erster Teil, Suhrkamp Verlag, S. 113
[2] Einbahnstraße in: Werkausgabe Band IV, Erster Teil, Suhrkamp Verlag, S. 112
[3] Einbahnstraße in: Werkausgabe Band IV, Erster Teil, Suhrkamp Verlag, S. 87
[4] Über den Begriff der Geschichte in: Werkausgabe Band I Zweiter Teil, Suhrkamp Verlag, S. 700
* 2. Juni 1962, Weimar, DDR
„Sibylle Berg verunsichert. Provoziert. Bewusst oder unbewusst. Indem sie mit scharfer Ironie neue Perspektiven einnimmt, werden vorherige Überzeugungen […] in Frage gestellt. Gleichzeitig scheint sie eindeutige Positionierungen zu vermeiden. Jeder ist aufgerufen, sich weiterhin des eignen Verstandes zu bedienen.“ Oliver Garofalo
Die Schriftstellerin und Dramatikerin Sibylle Berg, wurde in Weimar geboren und siedelte 1984 in die Bundesrepublik um, heute lebt sie in ihrer Wahlheimat Zürich, seit einigen Jahren ist sie Schweizer Staatsbürgerin. Ihr scharfer Humor, eine Mischung aus Sarkasmus und Aufrichtigkeit, stellte sich als Erfolgsrezept heraus, sie gehört heute zu einer der bekanntesten Schriftstellerin im deutschsprachigen Raum.
Nachdem sie zunächst eine Ausbildung als Puppenspielerin machte und in einer festen Stelle am Naumburger Puppentheater arbeitete, übte sie sich nach ihrer Ausreise aus der DDR in verschiedenen Formen des Geschichtenerzählens und künstlerischen Ausdrucks. Obwohl sie schon in ihrer Jugend mit dem Schreiben begann, und auch durch ihr Studium hinweg Beiträge für verschieden Zeitschriften schrieb, verlangte die Veröffentlichung ihres ersten Romans ein hohes Maß an Durchhaltevermögen und Entschlossenheit. Nach über 50 Absagen fand sie schließlich einen Verleger für ihr erstes Buch "Ein Paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot" (Reclam, 1997) und landete damit beim Publikum einen riesen Erfolg.
Seit vielen Jahren sucht dir Autorin den Austausch mit ihrem Publikum, ob Interaktion durch soziale Medien oder Fan-Post Kommunikation, die sie zusammen mit andern Artikeln und Berichten in der Sammlung "Gold" (Hoffmann & Kampe, 2000) veröffentlichte. Eine hohe Medienpräsenz sorgte mit dafür, dass sie sich einen Namen als sogenannte ‚Kultautorin‘ machte. In der Text & Kritik Ausgabe 255 bezeichnete der Literaturwissenschaftler Christian Dawidowski ihr Werk „zwischen Pop und Postmoderne“.
Neben ihrer Arbeit als Schriftstellerin und Dramatikerin schrieb sie weiterhin Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften, darunter Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zürcher Zeitung, Die Zeit und Marie Claire. Seit 2011 schreibt sie für das bekannte wöchentliche Magazin Der Spiegel die Kolumne „Fragen Sie Frau Sibylle“, eine Art häppchengroße Kostprobe ihres unverwechselbaren Zynismus für die Massen. Eine Auswahl dieser Texte wurde in dem Band „Wie halte ich das nur alles aus Fragen sie Frau Sibylle“ (Hanser Verlag, 2013) veröffentlicht, andere stehen online zur Verfügung. Ein weiterer Sammelband unter dem Titel "Wunderbare Jahre - Als wir noch die Welt bereisten" (Hanser, 2016) scheint ein ernüchterndes Licht auf das Reiseverhalten von Europäern und andern privilegierten „Weltbürgern“ in den letzten Jahrzehnten und äußert die mulmige Vorahnung, dass ein grobes Ende dieser „wunderbaren Jahre“ womöglich unmittelbar bevorsteht.
Wie viele ihrer Texte, pendeln auch ihre beiden zuletzt veröffentlichten Werke, "GRM Brainfuck" (Kiepenheuer & Witsch, 2019) und "Nerds retten die Welt" (Kiepenheuer & Witsch 2020) zwischen dystopischen Zukunftsszenarien und ernüchternden Darstellungen unserer aktuellen Wirklichkeit, die den Leser zwischen widersprüchlichen Gefühlen oft nervös schmunzeln lassen. Auch wenn diese beiden Bücher intrinsisch mit einander verbunden sind, könnten sie vom Aufbau, Stil und Inhalt kaum unterschiedlicher sein. GRM Brainfuck setzt sich mit der Realität einer neoliberalen Überwachungsdiktatur auseinander - von der jüngst in London entstandenen Musikrichtung Grime (auf Deutsch: Dreck) inspiriert, erinnern Wortfluss, Handlung und Tempo an einen mit Wut geladenen Rap.
"Nerds retten die Welt" hingegen besteht aus einer Sammlung von 16 faszinierenden Interviews mit Wissenschaftler*innen verschiedenster Fachrichtungen, darunter Soziologie, Neuropsychologie, und Rechtsextremismusforschung oder die Forschung an künstlicher Intelligenz. Die bei den Recherchen für "GRM Brainfuck" entstandenen Interviews beginnen allesamt mit der zeitgerechten Frage: „Haben sie sich heute schon um den Zustand der Welt gesorgt?“. Die Antworten und daraus entstehenden Gespräche mit denjenigen, die sich auskennen, liefern eine brillante Alternative zu den immer verwirrenden Informationsquellen im Kampf gegen Fake-News, für alle die, die noch an die Wissenschaft glauben.
Sibylle Bergs Werk wurde in 35 Sprache übersetzt und erhielt diverse Auszeichnungen, darunter der Schweizer Buchpreis, der Bertolt-Brecht-Literaturpreis und der Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor.
• • •
„Nimmt das Gefühl, das noch ganz dünn ist aus dem Bauch heraus, wickelt Worte darum, um es anzufassen, hebt es mit den Worten aus dem Bauch raus. Ans Licht. Aber eben, das Gefühl ist noch so dünn und hat Angst vor dem Tag, und die Worte bilden Lücken. Durch die rutscht das Gefühl, fällt auf den Boden. Und nur die Worte sind übrig, leer und stehen im Raum. Sagen nichts.“
• • •
“Es gibt zwei Sorten von Dummheit: die derjenigen, die das Schild "Betreten verboten" befolgen, und die der anderen, die es extra nicht tun.“
• • •
„Die Verachtung der Kapitalisten gegenüber den Armen hatte sich institutionalisiert. Obdachlose, Arbeitslose, Arbeitsunfähige, Kranke, Schwache mussten akribische, nicht nachvollziehbare bürokratische Schwachsinns Anforderungen erfüllen, um einen Minimalbetrag zu erhalten, der ihre Lebensfunktionen aufrechterhielt. Der unverwertbare Teil der Gesellschaft konnte durch kleine Formfehler sämtliche Unterstützung verlieren, und dann hockten sie da. In ihren verratzten Buden ohne Strom und Heizung und Essen.“
• • •
„Im Alter vertraut nur der Idiot den Gesetzen die er selber aufgestellt hat.“
„Sibylle Berg verunsichert. Provoziert. Bewusst oder unbewusst. Indem sie mit scharfer Ironie neue Perspektiven einnimmt, werden vorherige Überzeugungen […] in Frage gestellt. Gleichzeitig scheint sie eindeutige Positionierungen zu vermeiden. Jeder ist aufgerufen, sich weiterhin des eignen Verstandes zu bedienen.“ Oliver Garofalo
Die Schriftstellerin und Dramatikerin Sibylle Berg, wurde in Weimar geboren und siedelte 1984 in die Bundesrepublik um, heute lebt sie in ihrer Wahlheimat Zürich, seit einigen Jahren ist sie Schweizer Staatsbürgerin. Ihr scharfer Humor, eine Mischung aus Sarkasmus und Aufrichtigkeit, stellte sich als Erfolgsrezept heraus, sie gehört heute zu einer der bekanntesten Schriftstellerin im deutschsprachigen Raum.
Nachdem sie zunächst eine Ausbildung als Puppenspielerin machte und in einer festen Stelle am Naumburger Puppentheater arbeitete, übte sie sich nach ihrer Ausreise aus der DDR in verschiedenen Formen des Geschichtenerzählens und künstlerischen Ausdrucks. Obwohl sie schon in ihrer Jugend mit dem Schreiben begann, und auch durch ihr Studium hinweg Beiträge für verschieden Zeitschriften schrieb, verlangte die Veröffentlichung ihres ersten Romans ein hohes Maß an Durchhaltevermögen und Entschlossenheit. Nach über 50 Absagen fand sie schließlich einen Verleger für ihr erstes Buch "Ein Paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot" (Reclam, 1997) und landete damit beim Publikum einen riesen Erfolg.
Seit vielen Jahren sucht dir Autorin den Austausch mit ihrem Publikum, ob Interaktion durch soziale Medien oder Fan-Post Kommunikation, die sie zusammen mit andern Artikeln und Berichten in der Sammlung "Gold" (Hoffmann & Kampe, 2000) veröffentlichte. Eine hohe Medienpräsenz sorgte mit dafür, dass sie sich einen Namen als sogenannte ‚Kultautorin‘ machte. In der Text & Kritik Ausgabe 255 bezeichnete der Literaturwissenschaftler Christian Dawidowski ihr Werk „zwischen Pop und Postmoderne“.
Neben ihrer Arbeit als Schriftstellerin und Dramatikerin schrieb sie weiterhin Beiträge für Zeitungen und Zeitschriften, darunter Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zürcher Zeitung, Die Zeit und Marie Claire. Seit 2011 schreibt sie für das bekannte wöchentliche Magazin Der Spiegel die Kolumne „Fragen Sie Frau Sibylle“, eine Art häppchengroße Kostprobe ihres unverwechselbaren Zynismus für die Massen. Eine Auswahl dieser Texte wurde in dem Band „Wie halte ich das nur alles aus Fragen sie Frau Sibylle“ (Hanser Verlag, 2013) veröffentlicht, andere stehen online zur Verfügung. Ein weiterer Sammelband unter dem Titel "Wunderbare Jahre - Als wir noch die Welt bereisten" (Hanser, 2016) scheint ein ernüchterndes Licht auf das Reiseverhalten von Europäern und andern privilegierten „Weltbürgern“ in den letzten Jahrzehnten und äußert die mulmige Vorahnung, dass ein grobes Ende dieser „wunderbaren Jahre“ womöglich unmittelbar bevorsteht.
Wie viele ihrer Texte, pendeln auch ihre beiden zuletzt veröffentlichten Werke, "GRM Brainfuck" (Kiepenheuer & Witsch, 2019) und "Nerds retten die Welt" (Kiepenheuer & Witsch 2020) zwischen dystopischen Zukunftsszenarien und ernüchternden Darstellungen unserer aktuellen Wirklichkeit, die den Leser zwischen widersprüchlichen Gefühlen oft nervös schmunzeln lassen. Auch wenn diese beiden Bücher intrinsisch mit einander verbunden sind, könnten sie vom Aufbau, Stil und Inhalt kaum unterschiedlicher sein. GRM Brainfuck setzt sich mit der Realität einer neoliberalen Überwachungsdiktatur auseinander - von der jüngst in London entstandenen Musikrichtung Grime (auf Deutsch: Dreck) inspiriert, erinnern Wortfluss, Handlung und Tempo an einen mit Wut geladenen Rap.
"Nerds retten die Welt" hingegen besteht aus einer Sammlung von 16 faszinierenden Interviews mit Wissenschaftler*innen verschiedenster Fachrichtungen, darunter Soziologie, Neuropsychologie, und Rechtsextremismusforschung oder die Forschung an künstlicher Intelligenz. Die bei den Recherchen für "GRM Brainfuck" entstandenen Interviews beginnen allesamt mit der zeitgerechten Frage: „Haben sie sich heute schon um den Zustand der Welt gesorgt?“. Die Antworten und daraus entstehenden Gespräche mit denjenigen, die sich auskennen, liefern eine brillante Alternative zu den immer verwirrenden Informationsquellen im Kampf gegen Fake-News, für alle die, die noch an die Wissenschaft glauben.
Sibylle Bergs Werk wurde in 35 Sprache übersetzt und erhielt diverse Auszeichnungen, darunter der Schweizer Buchpreis, der Bertolt-Brecht-Literaturpreis und der Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor.
• • •
„Nimmt das Gefühl, das noch ganz dünn ist aus dem Bauch heraus, wickelt Worte darum, um es anzufassen, hebt es mit den Worten aus dem Bauch raus. Ans Licht. Aber eben, das Gefühl ist noch so dünn und hat Angst vor dem Tag, und die Worte bilden Lücken. Durch die rutscht das Gefühl, fällt auf den Boden. Und nur die Worte sind übrig, leer und stehen im Raum. Sagen nichts.“
• • •
“Es gibt zwei Sorten von Dummheit: die derjenigen, die das Schild "Betreten verboten" befolgen, und die der anderen, die es extra nicht tun.“
• • •
„Die Verachtung der Kapitalisten gegenüber den Armen hatte sich institutionalisiert. Obdachlose, Arbeitslose, Arbeitsunfähige, Kranke, Schwache mussten akribische, nicht nachvollziehbare bürokratische Schwachsinns Anforderungen erfüllen, um einen Minimalbetrag zu erhalten, der ihre Lebensfunktionen aufrechterhielt. Der unverwertbare Teil der Gesellschaft konnte durch kleine Formfehler sämtliche Unterstützung verlieren, und dann hockten sie da. In ihren verratzten Buden ohne Strom und Heizung und Essen.“
• • •
„Im Alter vertraut nur der Idiot den Gesetzen die er selber aufgestellt hat.“
* 10. Februar 1898, Augsburg | † 14. August 1956, Ost-Berlin
„Die Freundschaft Benjamin-Brecht ist einzigartig, weil in ihr der größte lebende deutsche Dichter mit dem bedeutendsten Kritiker der Zeit zusammenkam. Und es spricht für beide, dass sie es wussten.“ Hannah Arendt
Bertolt Brecht zählt zu den wichtigsten Autoren der deutschen Geschichte und sein Name wird oft im gleichen Atemzug wie Goethe, Hesse oder Kafka genannt. Er gründete das epische Theater und seine radikalen Ideen veränderten nicht nur die Art und Weise wie Drama inszeniert wird, sondern vor allem, wie es vom Publikum empfangen wird. Seine Methoden, Inhalte und Mittel waren umstritten, denn er stellte höhere Ansprüche an seine Arbeit als nur zu gefallen – für ihn ging es darum gesellschaftliche Ungerechtigkeiten sichtbar zu machen und sie zu verändern.
Seine Erfahrungen als Sanitätssoldat während des 1. Weltkrieges veranlasste ihn dazu das Gedicht Die Legende vom toten Soldaten (1918) zu schreiben, welches ihm schon früh in Konflikt mit den Nationalsozialisten brachte. Auch seine gesellschaftskritischen Dramen waren den Nazis ein Dorn im Auge und so wurde eine Vorstellung des Stückes Im Dickicht der Städte (1923) wiederholt durch Stinkbomben Attacken der Faschisten unterbrochen und schließlich nach nur 6 Vorstellungen gestrichen.
Wenn auch sein Einfluss auf die kulturelle Landschaft Deutschlands dem des großen Dichters Goethe ähnelt, so könnten die beiden Künstler sich vom Stil her nicht stärker unterscheiden. Brechts literarisches Werk trägt alle Zeichen der Moderne und spottet die Romantik, welche seiner Meinung nach zu „Gefühlsverwirrung“ führt. Es lag ihm daran Emotionen stets im Schach zu halten und seine von Grund auf rationellen Theorien und Techniken des epischen Theaters, stehen im direkten Kontrast zu dem traditionellen „Illusionstheater“, wie er es nannte. So nutzt er zum Beispiel Szenentitel um Spannung aufzulösen, unterbrach wiederhold den Plot, riss den Zuschauer aus der Fantasie des inszenierten Geschehens und entfremdete ihn durch immer wieder neue Manöver. Der Zuschauer soll sich als eben das, als Zuschauer identifizieren um das Geschehen kritisch beobachten zu können, anstelle sich in die Handlung oder Charaktere einzufühlen.
Brecht verfasste Gedichte, Lieder, Kurzgeschichten, Romane, Erzählungen sowie Hörspiele für den Rundfunk und Film, und obwohl seine Dramen, wie Die Dreigroschenoper (1929), Mutter Courage und ihre Kinder (1939), Der gute Mensch von Sezuan (1940) oder Das Leben des Galileo (1939) ihm zu weltweitem Ruhm verholfen, begeisterte er auch mit seinen kalkulierten und sozialkritischen Gedichten. Auch seinem lyrischen Werk verlangte er fast immer einen Gebrauchswert ab, und fordert mit ihm den Leser heraus gesellschaftliche Strukturen in Frage zu stellen. Nur in seinen Liebesgedichten erlaubte er sich vorrübergehend von seiner fühlenden Seite Preis zu geben, sie stehen geradezu in Kontrast zu seinem restlichen Schaffen. Er selbst behauptete sie seien das schlagendste Argument gegen seine Dramen.
Brecht identifizierte sich stark mit marxistischen Ideen, und obwohl er nie einer kommunistischen Partei bei trat, spiegelt sich diese Überzeugung in seinen Stücken wieder. Zum Beispiel geht es in der Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1930), die er in Zusammenarbeit mit Kurt Weill produzierte, um eine anarchistische Stadt, in der das einzige Verbrechen, welches mit der Todesstrafe geahnt wird, es ist, kein Geld zu haben. Seine Stücke brachten ihn zunehmend in Konflikt mit den lauter werdenden Nationalsozialisten und am 28. Februar 1933, dem Tag nach dem Reichstagbrand, floh er von Berlin über Prag, nach Wien, Zürich, Paris und schließlich Dänemark. So begann eine Jahrelange Flucht die ihn über Norwegen, Finnland und Russland in die Vereinigten Staaten führt und sein Werk bildet einen wichtigen Teil der deutschen Exilliteratur. Brecht sprach sich offen gegen Faschismus und den kapitalistischen Krieg aus. Das satirische Gedicht Der Dienstzug (1939) spottet die militärische Elite und greift Hitler direkt an, sein Werk Kriegsfibel (1940-45) ist ein deutliches Mahnmal, das gezielte schockierende Eindrücke hinterlässt und, wie viele seiner 2.400 Gedichte, ist An die Nachgeborenen (1939) auch über 60 Jahre nach seinem Tod noch erschreckend relevant.
In Kalifornien versuchte er vergebens in die Filmindustrie von Hollywood einzudringen, doch außer dem Film Henker sterben auch (1943), den er zusammen mit Fritz Lang produzierte, fiel es ihm schwer dort Fuß zu fassen. Während sein Schaffen in dem 8 jährigen USA Aufenthalt nie besonders früchtetragend war, wurde er bei seiner Rückkehr 1949 in das mittlerweile sozialistische Ost-Berlin als weltberühmter Künstler empfangen und gründet dort im folgenden Jahr das Berliner Ensemble, welches sich heutzutage am Bertolt-Brecht-Platz im Zentrum Berlins befindet und zu den wichtigsten deutschsprachigen Schauspielhäusern zählt.
So scheint es Brecht, der schon zu Lebzeiten den Wunsch äußerte auch nach seinem Tod „eine beunruhigende Präsenz“ bleiben zu wollen, genau dies gelungen zu sein. Die International Brecht Society wird in diesem Jahr ihr 16. Symposium halten, um mit über 150 Denkern und Forschern aus aller Welt das Leben und Werk des Stückeschreibers, aber auch die Beziehung zwischen Kunst und Gesellschaft, zu untersuchen. Außerdem feierte gerade der Film Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm (2018) in deutschen Kinos große Erfolge.
„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf, aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“
„Die Schriftsteller können nicht so schnell schreiben wie die Regierungen Kriege machen, denn das Schreiben erfordert Denkarbeit.“
„Ein Mann, der etwas zu sagen hat und keine Zuhörer findet ist schlimm dran. Noch schlimmer sind Zuhörer dran, die keinen finden, der ihnen etwas zu sagen hat."
„Bankraub ist ein Unternehmen von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.“
„Liebe ist der Wunsch etwas zu geben, nicht etwas zu erhalten.“
„Wenn das Kalb vernachlässigt ist, drängt es zu jeder schmeichelnden Hand, auch der Hand des Metzgers.“
„Sorgt doch, dass ihr die Welt verlassend nicht nur gut wart, sondern eine gute Welt verlässt.“
* 26. Mai 1955, Hannover
»Schreiben heißt für Doris Dörrie, das eigene Leben bewusst wahrzunehmen. Wirklich zu sehen, was vor unseren Augen liegt. Oder wiederzufinden, was wir verloren oder vergessen haben. Es ist Trost, Selbstvergewisserung, Anklage, Feier des Lebens.« Diogenes Verlag
Seit ihrem Kino Erfolg mit der Komödie "Männer" (1985), zählt Doris Dörrie als eine der bekanntesten Filmemacher*innen Deutschlands, aber auch ihre literarischen Werke erfreuen sich großer Beliebtheit bei unterschiedlichen Zielgruppen, so schreibt sie sowohl Unterhaltungsliteratur so wie Romane, Kurzgeschichten und Erzählungsbände, Kinderbücher, Beiträge für Zeitungen als auch sehr erfolgreiche Drehbücher. Was für sie zählt ist Geschichten zu erzählen, die ihr Publikum erreichen, auf Papier, Film, oder auch in den digitalen Medien.
Nachdem sie in Hannover aufwuchs, studierte sie zunächst an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, wo sie später als Professorin für Angewandte Dramaturgie und Stoffentwicklung eingestellt wurde. Ihr tiefes Interesse für diverse Perspektiven und fremde Kulturen motivierten sie schon früh dazu längere Zeit im Ausland zu verbringen, als 18-jährige studierte sie für zwei Jahre in den USA, es folgten Reisen durch Ost-Europa, Südamerika und Asien. Reisen, sowohl über Grenzen hinweg, also auch die metaphorische Reise zu sich selbst, ist ein zentrales Thema in ihrem Werk.
Ganz besonders ihre Faszination für orientalische Denk- und Lebensweisen wiederholt in ihrem Werk thematisiert. Sowohl das Drama "Samsara" (Diogenes Verlag, 1998), der Roman "Was machen wir jetzt" (Diogenes Verlag, 2001) aber auch ihr Dokumentarfilm "How to cook your life" (2007) und die Spielfilme "Kirschblüten - Hanami" (2008) und "Grüße aus Fukushima" (2016) offenbaren eine enge Verbundenheit zum Buddhismus und zur japanischen Kultur insbesondere.
In Interviews hat Dörrie mehrfach ihr Weltbild erklärt, wobei viele Grenzen für sie fluide sind, dazu gehören die Grenzen zwischen Geschlechtern, aber auch Altersgrenzen, welche durch Impulsen wie Erinnerungen und Empfindungen regelmäßig durchbrochen werden. Sie beschreibt, dass sie sich daher als mehrere Personen gleichzeitig sieht – als Kind, als Jugendliche oder auch als ältere Person parallel. Dies mag ihren Erfolg bei ihrem jüngeren Publikum erklären.
Die Schriftstellerin teilt sich ihre ausgeprägte Entdeckungslust und Courage mit den Hauptpersonen ihrer beiden Kinderbuchreihen, "Mimi" (Diogenes Verlag, 2002), unter anderem aus "Mimi entdeckt die Welt" (Diogenes Verlag, 2006) und Lotte aus "Lotte will Prinzessin sein" (Ravensburger Buchverlag, 1998) oder "Lotte und die Monster" (Ravensburger Buchverlag, 2000), welche in Zusammenarbeit mit Julia Kaergel entstand. Aber auch in ihrer Erwachsenenliteratur treten immer wieder starke weibliche Charaktere auf.
Dörrie schreibt auch gegen das Ausgrenzen, indem sie auf die universalen Erlebnisse und Individualitäten, so wie Kindheitserfahrungen, Erinnerungen an das Essen der Mutter zum Beispiel, oder auch Liebe und Schmerz eingeht, lenkt sie Aufmerksamkeit darauf, was alle Menschen verbindet - auch über Grenzen und kulturelle Unterschiede Hinweg. In diesem Sinne haben ihre Werke durchaus auch einen politischen Inhalt und Zweck.
Auch wenn sie gesteht, dass sie den Stoff für ihre Erzählungen oft aus dem Leben anderer bezieht, haben vor allem der Roman "Das blaue Kleid" (Diogenes Verlag, 2002) in dem sie den plötzlichen Tod ihres Ehepartners verarbeitet, und "Lesen, Schreiben, Atmen. Eine Einladung zum Schreiben" (Diogenes Verlag, 2019), starke autobiografische Züge. Letzteres, welches von Dörrie wie eine Anleitung zum Schreiben angelegt ist und aus ihrer jahrelangen Erfahrung im Unterrichten des Handwerks profitiert, gibt auf der einen Seite viele Anekdoten aus Familiengeschichte der Schriftstellerin preis, während es gleichzeitig Konzepte wie ‚Stream of Consciouness‘ als Schreibtechnik erklärt und zum Ausprobieren einlädt.
Doris Dörrie schreibt bevorzugt bei Hand und bedient sich dabei einer klaren, unverschnörkelten aber doch verträumt ansehnlichen Sprache. Ihre Stärke ist ihr Humor und die seltene Gabe die verdeckte Seite der Münze zum Vorschein zu bringen, so wie das Schöne an der Traurigkeit, oder die Kraft, die sich hinter dem Schmerzhaften verbirgt. Für ihre eher unkonventionelle Art Geschichten zu erzählen hat sie über die Jahre hinweg unterschiedliche Kritiken erhalten, doch ihre anhaltend hohen Verkaufszahlen, vielen Publikumserfolge und diversen Prämien, darunter der Deutsche Buchpreis 2003, der Kinderbuchpreis Nordrheinwestfalen 2003 und die Auszeichnung mit der Carl-Zuckmayer-Medaille 2013 zeigen, dass sie einen ganz speziellen Draht zu ihren Lesern und Zuschauern hat. Seit 2019 ist sie außerdem Mitglied der Jury für die Verleihung der Oscars.
• • •
„Wir sind alle Fiktion, aber das glauben wir nicht…( weil wir uns mitten in ihr befinden wie in einem Fortsetzungsroman)."
• • •
„Weil wir nicht wissen, was wir haben, fragen wir immer nur, was uns fehlt. Und es fällt uns schwer, diesen Blick zu verändern.“
• • •
„Sich vergleichen ist immer der Untergang. Wenn du besser abschneidest als die anderen, fühlst du dich einsam, und wenn nicht, fühlst du dich auch einsam.“
• • •
„Beim Schreiben kann man sehr viel schneller reisen. Filme zu machen ist schwerfälliger, weil eine ganze Maschinerie dahintersteckt. In der Sprache kann man mit einem Satz bis zum Mond reisen. Das kann man im Film nur sehr bedingt. Dafür brauchen Sie mehr Zeit.“
»Schreiben heißt für Doris Dörrie, das eigene Leben bewusst wahrzunehmen. Wirklich zu sehen, was vor unseren Augen liegt. Oder wiederzufinden, was wir verloren oder vergessen haben. Es ist Trost, Selbstvergewisserung, Anklage, Feier des Lebens.« Diogenes Verlag
Seit ihrem Kino Erfolg mit der Komödie "Männer" (1985), zählt Doris Dörrie als eine der bekanntesten Filmemacher*innen Deutschlands, aber auch ihre literarischen Werke erfreuen sich großer Beliebtheit bei unterschiedlichen Zielgruppen, so schreibt sie sowohl Unterhaltungsliteratur so wie Romane, Kurzgeschichten und Erzählungsbände, Kinderbücher, Beiträge für Zeitungen als auch sehr erfolgreiche Drehbücher. Was für sie zählt ist Geschichten zu erzählen, die ihr Publikum erreichen, auf Papier, Film, oder auch in den digitalen Medien.
Nachdem sie in Hannover aufwuchs, studierte sie zunächst an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, wo sie später als Professorin für Angewandte Dramaturgie und Stoffentwicklung eingestellt wurde. Ihr tiefes Interesse für diverse Perspektiven und fremde Kulturen motivierten sie schon früh dazu längere Zeit im Ausland zu verbringen, als 18-jährige studierte sie für zwei Jahre in den USA, es folgten Reisen durch Ost-Europa, Südamerika und Asien. Reisen, sowohl über Grenzen hinweg, also auch die metaphorische Reise zu sich selbst, ist ein zentrales Thema in ihrem Werk.
Ganz besonders ihre Faszination für orientalische Denk- und Lebensweisen wiederholt in ihrem Werk thematisiert. Sowohl das Drama "Samsara" (Diogenes Verlag, 1998), der Roman "Was machen wir jetzt" (Diogenes Verlag, 2001) aber auch ihr Dokumentarfilm "How to cook your life" (2007) und die Spielfilme "Kirschblüten - Hanami" (2008) und "Grüße aus Fukushima" (2016) offenbaren eine enge Verbundenheit zum Buddhismus und zur japanischen Kultur insbesondere.
In Interviews hat Dörrie mehrfach ihr Weltbild erklärt, wobei viele Grenzen für sie fluide sind, dazu gehören die Grenzen zwischen Geschlechtern, aber auch Altersgrenzen, welche durch Impulsen wie Erinnerungen und Empfindungen regelmäßig durchbrochen werden. Sie beschreibt, dass sie sich daher als mehrere Personen gleichzeitig sieht – als Kind, als Jugendliche oder auch als ältere Person parallel. Dies mag ihren Erfolg bei ihrem jüngeren Publikum erklären.
Die Schriftstellerin teilt sich ihre ausgeprägte Entdeckungslust und Courage mit den Hauptpersonen ihrer beiden Kinderbuchreihen, "Mimi" (Diogenes Verlag, 2002), unter anderem aus "Mimi entdeckt die Welt" (Diogenes Verlag, 2006) und Lotte aus "Lotte will Prinzessin sein" (Ravensburger Buchverlag, 1998) oder "Lotte und die Monster" (Ravensburger Buchverlag, 2000), welche in Zusammenarbeit mit Julia Kaergel entstand. Aber auch in ihrer Erwachsenenliteratur treten immer wieder starke weibliche Charaktere auf.
Dörrie schreibt auch gegen das Ausgrenzen, indem sie auf die universalen Erlebnisse und Individualitäten, so wie Kindheitserfahrungen, Erinnerungen an das Essen der Mutter zum Beispiel, oder auch Liebe und Schmerz eingeht, lenkt sie Aufmerksamkeit darauf, was alle Menschen verbindet - auch über Grenzen und kulturelle Unterschiede Hinweg. In diesem Sinne haben ihre Werke durchaus auch einen politischen Inhalt und Zweck.
Auch wenn sie gesteht, dass sie den Stoff für ihre Erzählungen oft aus dem Leben anderer bezieht, haben vor allem der Roman "Das blaue Kleid" (Diogenes Verlag, 2002) in dem sie den plötzlichen Tod ihres Ehepartners verarbeitet, und "Lesen, Schreiben, Atmen. Eine Einladung zum Schreiben" (Diogenes Verlag, 2019), starke autobiografische Züge. Letzteres, welches von Dörrie wie eine Anleitung zum Schreiben angelegt ist und aus ihrer jahrelangen Erfahrung im Unterrichten des Handwerks profitiert, gibt auf der einen Seite viele Anekdoten aus Familiengeschichte der Schriftstellerin preis, während es gleichzeitig Konzepte wie ‚Stream of Consciouness‘ als Schreibtechnik erklärt und zum Ausprobieren einlädt.
Doris Dörrie schreibt bevorzugt bei Hand und bedient sich dabei einer klaren, unverschnörkelten aber doch verträumt ansehnlichen Sprache. Ihre Stärke ist ihr Humor und die seltene Gabe die verdeckte Seite der Münze zum Vorschein zu bringen, so wie das Schöne an der Traurigkeit, oder die Kraft, die sich hinter dem Schmerzhaften verbirgt. Für ihre eher unkonventionelle Art Geschichten zu erzählen hat sie über die Jahre hinweg unterschiedliche Kritiken erhalten, doch ihre anhaltend hohen Verkaufszahlen, vielen Publikumserfolge und diversen Prämien, darunter der Deutsche Buchpreis 2003, der Kinderbuchpreis Nordrheinwestfalen 2003 und die Auszeichnung mit der Carl-Zuckmayer-Medaille 2013 zeigen, dass sie einen ganz speziellen Draht zu ihren Lesern und Zuschauern hat. Seit 2019 ist sie außerdem Mitglied der Jury für die Verleihung der Oscars.
• • •
„Wir sind alle Fiktion, aber das glauben wir nicht…( weil wir uns mitten in ihr befinden wie in einem Fortsetzungsroman)."
• • •
„Weil wir nicht wissen, was wir haben, fragen wir immer nur, was uns fehlt. Und es fällt uns schwer, diesen Blick zu verändern.“
• • •
„Sich vergleichen ist immer der Untergang. Wenn du besser abschneidest als die anderen, fühlst du dich einsam, und wenn nicht, fühlst du dich auch einsam.“
• • •
„Beim Schreiben kann man sehr viel schneller reisen. Filme zu machen ist schwerfälliger, weil eine ganze Maschinerie dahintersteckt. In der Sprache kann man mit einem Satz bis zum Mond reisen. Das kann man im Film nur sehr bedingt. Dafür brauchen Sie mehr Zeit.“
* 20. Februar 1970 in Ost-Berlin
„Die Beiläufigkeit, mit der Franck es schafft, eine Atmosphäre permanenten Misstrauens zu evozieren, zu zeigen, was es heißt, wenn die wahrgenommene Realität nicht der Realität der anderen, der Herrschenden entspricht, ist umwerfend. Selten las man so gerne auf schwankendem Untergrund.“ Anne Haeming
Julia Franck wurde 2007 quasi über Nacht zu einer Sensation der deutschen Buchszene, als sie für ihren Roman Die Mittagsfrau (Fischer, 2007) den Deutschen Buchpreis bekam, doch ihre Leidenschaft für das Erzählen von Geschichten und für das Schreiben begannen bereits in ihrer Kindheit und blieben fortlaufend ein existenzieller Bestandteil ihrer Persönlichkeit und ihres Lebens.
Sie kam zusammen mit einer Zwillingschwester in (Ost)-Berlin zur Welt. Als 8-jährige zog sie mit ihrer Mutter und drei Schwestern in den Westen und verbrachte mehrere Monate in einem Notaufnahmelager in West Berlin um dann in eine ländliche Region in Schleswig Holstein umgesiedelt zu werden. Zu Weihnachten schenkte die Mutter ihren Töchtern, teils aus Geldnot, aber wohl auch aus gutem Grund, Notizbücher, womit für Julia Franck der Werdegang als Schriftstellerin seinen Lauf nahm. Zunächst schrieb sie überwiegend Tagebucheinträgen, die schnell zu erfundenen Erzählungen, Kurzgeschichten, und vor allem Gedichten wurden, die für sie zu diesem Zeitpunkt eine Flucht aus ihrer verworrenen Wirklichkeit darstellten. Auch später war die Verarbeitung von realen Ereignissen ein Motiv für viele ihrer Werke – Eindrücke von der Zeit der Umsiedelung verarbeitet sie in ihrem Roman Lagerfeuer (dtv, 2005), der 2013 unter dem Titel Westen verfilmt wurde.
Mit 13 zog Julia Franck alleine zurück nach West Berlin, wo sie bei Freunden ihrer Mutter wohnte, ihre Freiheit und Unabhängigkeit entwickelte und später das Abitur abschloss. Die Autorin identifiziert sich bis heute stark mit Berlin und liebt den Dialekt und das Lebensgefühl der Berliner auch dies findet sich in ihren Büchern wieder, wie in dem psychologisch fesselnden Roman Liebediener (DuMont, 1999). Dort traf sie mit 14 Jahren auch ihren Vater wieder, zudem sie bis dahin nur wenig Kontakt hatte. Dieses Erlebnis verarbeitete sie in der einschlägige Kurzgeschichte Streuselschnecke, die in dem Erzählungsband Bauchlandung. Geschichten zum Anfassen (DuMont, 2000) veröffentlicht wurde.
Obwohl sie sich selber nicht als eine feministische Schriftstellerin betrachtet, ist die weibliche Perspektive und die Position der Frau in der Gesellschaft ein zentrales Thema ihrer Texte. Anders als in der Frauenliteratur der Nachkriegszeit, scheint hier eine neue Generation von Schriftstellerinnen am Werk zu sein, gekennzeichnet dadurch, dass sie sich von vorausgehenden Frauenbildern distanzieren, und offen und kompromisslos über Gefühle, Begehren und moralische Konflikte schreiben können, ohne sich vom Druck des Patriachats einschränken zu lassen. Trotzdem, oder vielleicht gerade aus diesem Grund, erscheinen ihre weiblichen Protagonisten in einer gewissen Ambiguität als autonome Akteure und als Opfer ihrer Umwelt gleichzeitig.
Schon in ihrem Debüt Roman Der Neue Koch (Fischer, 1997) stellt sie einen weiblichen Charakter vor, der nicht nur hübsch und gefällig ist, sondern vor allem auch viele Defizite hat. In ihrem Welterfolg Die Mittagsfrau (Fischer, 2007) wendet sie diese Ambiguität auf noch ausgereiftere Weise an und hindert den Leser geschickt daran, ein schnelles Urteil über die Mutter fällen, die ihr Kind am Bahnsteig, auf sich allein gestellt zurück lässt. Sachlichkeit, Objektivität und Aufmerksamkeit für Details sind die Werkzeuge, mit denen sie eine anklingende Atmosphäre der Verwundbarkeit und Sensibilität erschafft.
Julia Franck schreibt in einer erfrischend jungen, klaren Sprache, die trotz ihrer Geradlinigkeit einen bemerkenswerten poetischen Klang hat. In ihrem Roman Rücken an Rücken (Fischer, 2011) nutzt sie die Poesie ihres verstorbenen Onkels, als die Lyrik eines zentralen Charakters der Geschichte und verankert so die Erzählung in der Realität, denn wie ihr Charakter im Roman, nahm auch der Bruder von Francks Mutter sich das Leben nach dem Mauerbau.
• • •
"Ich habe vor allem aus einem Fundus geschöpft, der aus inneren Bildern besteht. Solche inneren Bilder wachsen in jedem familiären Gedächtnis. Darunter gibt es neben den Bildern, die wir als Kinder erzählt bekommen auch die, die wir nicht erzählt bekommen und die trotzdem überliefert werden."
• • •
"Ich trage Sätze vor mir her wie Plakate, hinter denen ich mich verstecken kann."
• • •
"In meinen Texten verwirklichen sich Frauen sehr wohl auch. Manchmal tun sie das jedoch gar nicht: Manchmal fallen sie auch hinter all diese erkämpften Ideale auf Positionen zurück, in denen sie eigentlich nur noch Abhängigkeit suchen. Dieses Hin und Her innerhalb dieser Rolle, die man trotzdem nicht ganz ablegen oder ignorieren kann, ist meiner Meinung nach in meinen Texten sehr wohl nach wie vor vorhanden."
* 15. Mai 1911 in Zürich; † 4. April 1991 in Zürich
Wie bleibt man lebendig? Die Frage stellt sich erst recht, in einer Welt, in der viele Leute acht Stunden vor dem Computer und bis zu vier Stunden vor dem Fernseher verbringen. In dieser Welt in der unser Erleben vorgefertigt und konditioniert ist und einer von fremden Bildern und Daten zugeschüttet werden, ist Frischs Frage und sind Frischs Texte aktueller denn je. Sie bringen Erfahrenes und Virtuelles, Grundlegendes und Alltägliches, Politisches und Privates zusammen.
(von Julian Schütt in dem Prolog seiner Max Frisch-Biographie)
Max Frisch war ein Schweizer Schriftsteller und der erste Autor, der nach dem WKII die deutschsprachige Literatur wieder zum internationalen Ansehen brachte. Seine Werke wurden in diverse Sprachen übersetzt und sind im Ausland oft Grundlage für die Vermittlung der deutschen Sprache. Den größten Erfolg brachten ihm die Dramen Biedermann und Brandstifter (1958) und Andorra (1963) sowie der Roman Homo Faber (1957) und Mein Name sei Gantenbein (1964).
Er studierte eine Zeit lang Germanistik, brachte das Studium jedoch nicht zu Ende, da der Lehrplan der Germanistik ihm nicht das nötige Handwerk, was er sich für die Arbeit als Schriftsteller erhofft hatte, übermitteln konnte. In der Hoffnung, einen Beruf auszurichten, der ihm finanzielle Unabhängigkeit bieten konnte, entschied er sich für ein Architekturstudium. Parallel arbeitete er bei der „Neuen Züricher Zeitung“ als freier Mitarbeiter und schrieb journalistische Texte, im großen Teil basierend auf autobiographische Selbsterforschung und Verarbeitung von Erlebtem. Nach dem Architektendiplom arbeitete er sowohl als Architekt, als auch als Schriftsteller. Er hielt sich vormittags in seinem selbsteröffneten Architekturbüro auf, doch die meiste Zeit widmete er weiterhin der Schriftstellerei.
Im Zentrum seines literarischen Schaffens findet sich immer wieder die Auseinandersetzung mit sich selbst. Die meisten seiner Schriften waren eine Mischung aus autobiographischen und fiktionalen Elementen. So fand Frisch mit dem Tagebuch seine literarische Ausdrucksform die seine Selbstreflektionen und ausgedehnten Reisen dokumentieren konnte. Aus seinen Auslandsaufenthalten, unter anderem in Mexiko, Kuba, China, Italien und Griechenland, schöpfte er unaufhörlich neuen Erzählstoff. Abgesehen davon konnte er mit dem Reisen seinem ständigen Drang nach Neuanfängen nachgehen, denn als lebendiges Wesen erfuhr er sich vor allem in der Fremde. Als er 1954 mit seinem Jahrhundertroman Stiller den literarischen Durchbruch schaffte, verließ er seine Familie, um ausschließlich als Schriftsteller zu leben.
Sowie für seine Zeitgenossen, war der WKII eine lebensverändernde Wucht und auch Frisch zog einem niedrigeren Dienstgrad in den Krieg. Auch während der Wehrdienstzeit legte er das Schreiben nicht nieder, arbeitete immer mehr an Theaterstücken, mit welchen sich Erfolge aufzeichnen ließen. Einige Stücke standen unter dem Aspekt des Krieges: Nun singen sie wieder (1945) wirft die Frage nach der persönlichen Schuld von Soldaten auf, die unmenschliche Befehle ausführen, und behandelt sie aus subjektiver Perspektive der Betroffenen. Grundsätzlich galt Frisch jedoch als eher unpolitisch.
Wie sich aus seinen autobiographischen Werken herauslesen lässt, durchlebte Frisch eine Reihe von Liebesbeziehungen, die in den meisten Fällen problematisch waren. Er heiratete 1942 die Architektin Gertrud Meyenburg und gründete mit ihr eine Familie, welche drei Kinder hervorbrachte, doch im Jahre 1958 lernte er die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann kennen. So folgte 1959 die Scheidung von seiner ersten Frau. Frisch machte kurz darauf Bachmann einen schriftlichen Heiratsantrag, welchen sie jedoch ablehnte. Trotzdem folgte er ihr 1960 nach Rom, wo er sich bis 1965 aufhielt. Sie lebten zeitweise zusammen, trennten sich aber wieder, weil das Zusammenleben zunehmend problematischer wurde und von beidseitiger Untreue und Eifersucht belastet war. Die Beziehung zu Bachmann verarbeitet er in seinem Werk Mein Name sei Gantenbein. Es folgten weitere Beziehungen zu verschiedenen Frauen. Die meisten seiner Partnerinnen, waren ein großes Stück jünger als er: Marianne Oellers 32 Jahre jünger und Karin Pilliod 24 Jahre jünger. In seinen Schriften war seine problematische Beziehung zum anderen Geschlecht eines seiner Leitmotive.
Max Frisch starb 1991 an den Folgen von Darmkrebs. In einem Interview erwähnte er zuvor, dass er an Alkoholsucht leiden würde. In der ETH Zürich, dort wo Max Frisch 1940 sein Diplom entgegen genommen hatte, ist heute die Max Frisch-Stiftung, wo seit Jahrzehnten der Nachlass betreut ergänzt und aufgearbeitet wird. Seine Werke sind bis heute Schullektüre und werden in der Literatur einem herausgehobenen Wert bzw. eine wesentliche, normsetzende und zeitüberdauernde Stellung zugeschrieben.
„Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“
„Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er, oft unter gewaltigen Opfern, für sein Leben hält.“
„Untreue ist […] unsere verzweifelte Hoffnung gegen das Endgültige. Es ist nicht Begierde, aber die Sehnsucht nach Begierde.“[1]
„Man kann alles erzählen, nur nicht sein wirkliches Leben. Diese Unmöglichkeit verurteilt uns zu bleiben, wie unsere Gefährten uns sehen.“[2]
[1, 2] Interview https://www.welt.de/print/wams/kultur/article12894443/Man-kann-alles-erzaehlen-nur-nicht-sein-Leben.html
Wie bleibt man lebendig? Die Frage stellt sich erst recht, in einer Welt, in der viele Leute acht Stunden vor dem Computer und bis zu vier Stunden vor dem Fernseher verbringen. In dieser Welt in der unser Erleben vorgefertigt und konditioniert ist und einer von fremden Bildern und Daten zugeschüttet werden, ist Frischs Frage und sind Frischs Texte aktueller denn je. Sie bringen Erfahrenes und Virtuelles, Grundlegendes und Alltägliches, Politisches und Privates zusammen.
(von Julian Schütt in dem Prolog seiner Max Frisch-Biographie)
Max Frisch war ein Schweizer Schriftsteller und der erste Autor, der nach dem WKII die deutschsprachige Literatur wieder zum internationalen Ansehen brachte. Seine Werke wurden in diverse Sprachen übersetzt und sind im Ausland oft Grundlage für die Vermittlung der deutschen Sprache. Den größten Erfolg brachten ihm die Dramen Biedermann und Brandstifter (1958) und Andorra (1963) sowie der Roman Homo Faber (1957) und Mein Name sei Gantenbein (1964).
Er studierte eine Zeit lang Germanistik, brachte das Studium jedoch nicht zu Ende, da der Lehrplan der Germanistik ihm nicht das nötige Handwerk, was er sich für die Arbeit als Schriftsteller erhofft hatte, übermitteln konnte. In der Hoffnung, einen Beruf auszurichten, der ihm finanzielle Unabhängigkeit bieten konnte, entschied er sich für ein Architekturstudium. Parallel arbeitete er bei der „Neuen Züricher Zeitung“ als freier Mitarbeiter und schrieb journalistische Texte, im großen Teil basierend auf autobiographische Selbsterforschung und Verarbeitung von Erlebtem. Nach dem Architektendiplom arbeitete er sowohl als Architekt, als auch als Schriftsteller. Er hielt sich vormittags in seinem selbsteröffneten Architekturbüro auf, doch die meiste Zeit widmete er weiterhin der Schriftstellerei.
Im Zentrum seines literarischen Schaffens findet sich immer wieder die Auseinandersetzung mit sich selbst. Die meisten seiner Schriften waren eine Mischung aus autobiographischen und fiktionalen Elementen. So fand Frisch mit dem Tagebuch seine literarische Ausdrucksform die seine Selbstreflektionen und ausgedehnten Reisen dokumentieren konnte. Aus seinen Auslandsaufenthalten, unter anderem in Mexiko, Kuba, China, Italien und Griechenland, schöpfte er unaufhörlich neuen Erzählstoff. Abgesehen davon konnte er mit dem Reisen seinem ständigen Drang nach Neuanfängen nachgehen, denn als lebendiges Wesen erfuhr er sich vor allem in der Fremde. Als er 1954 mit seinem Jahrhundertroman Stiller den literarischen Durchbruch schaffte, verließ er seine Familie, um ausschließlich als Schriftsteller zu leben.
Sowie für seine Zeitgenossen, war der WKII eine lebensverändernde Wucht und auch Frisch zog einem niedrigeren Dienstgrad in den Krieg. Auch während der Wehrdienstzeit legte er das Schreiben nicht nieder, arbeitete immer mehr an Theaterstücken, mit welchen sich Erfolge aufzeichnen ließen. Einige Stücke standen unter dem Aspekt des Krieges: Nun singen sie wieder (1945) wirft die Frage nach der persönlichen Schuld von Soldaten auf, die unmenschliche Befehle ausführen, und behandelt sie aus subjektiver Perspektive der Betroffenen. Grundsätzlich galt Frisch jedoch als eher unpolitisch.
Wie sich aus seinen autobiographischen Werken herauslesen lässt, durchlebte Frisch eine Reihe von Liebesbeziehungen, die in den meisten Fällen problematisch waren. Er heiratete 1942 die Architektin Gertrud Meyenburg und gründete mit ihr eine Familie, welche drei Kinder hervorbrachte, doch im Jahre 1958 lernte er die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann kennen. So folgte 1959 die Scheidung von seiner ersten Frau. Frisch machte kurz darauf Bachmann einen schriftlichen Heiratsantrag, welchen sie jedoch ablehnte. Trotzdem folgte er ihr 1960 nach Rom, wo er sich bis 1965 aufhielt. Sie lebten zeitweise zusammen, trennten sich aber wieder, weil das Zusammenleben zunehmend problematischer wurde und von beidseitiger Untreue und Eifersucht belastet war. Die Beziehung zu Bachmann verarbeitet er in seinem Werk Mein Name sei Gantenbein. Es folgten weitere Beziehungen zu verschiedenen Frauen. Die meisten seiner Partnerinnen, waren ein großes Stück jünger als er: Marianne Oellers 32 Jahre jünger und Karin Pilliod 24 Jahre jünger. In seinen Schriften war seine problematische Beziehung zum anderen Geschlecht eines seiner Leitmotive.
Max Frisch starb 1991 an den Folgen von Darmkrebs. In einem Interview erwähnte er zuvor, dass er an Alkoholsucht leiden würde. In der ETH Zürich, dort wo Max Frisch 1940 sein Diplom entgegen genommen hatte, ist heute die Max Frisch-Stiftung, wo seit Jahrzehnten der Nachlass betreut ergänzt und aufgearbeitet wird. Seine Werke sind bis heute Schullektüre und werden in der Literatur einem herausgehobenen Wert bzw. eine wesentliche, normsetzende und zeitüberdauernde Stellung zugeschrieben.
„Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“
„Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er, oft unter gewaltigen Opfern, für sein Leben hält.“
„Untreue ist […] unsere verzweifelte Hoffnung gegen das Endgültige. Es ist nicht Begierde, aber die Sehnsucht nach Begierde.“[1]
„Man kann alles erzählen, nur nicht sein wirkliches Leben. Diese Unmöglichkeit verurteilt uns zu bleiben, wie unsere Gefährten uns sehen.“[2]
[1, 2] Interview https://www.welt.de/print/wams/kultur/article12894443/Man-kann-alles-erzaehlen-nur-nicht-sein-Leben.html
* 16. Oktober 1927, Danzig | † 13. April 2015, Lübeck
„Der Autor hat in munter schwarzen Fabeln das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet.“ (Aus der Jury-Begründung für die Verleihung des Nobelpreises für Literatur, 1999)
Günter Wilhelm Grass war ein Künstler mit vielen Talenten, so übte er sich als Grafiker, Bildhauer, Musiker und Lyriker, seine größten Erfolge erfuhr er jedoch in der Literatur, wofür er 1999 den Nobelpreis für sein Lebenswerk erhielt. Er spielte eine entscheidende Rolle in der deutschen Nachkriegsliteratur, auch Trümmerliteratur genannt, und forderte seine Schriftsteller- und Künstlerkollegen, sowie seine Mitmenschen, vehement zur aktiven Verarbeitung der Geschehnisse des dritten Reichs auf. Auch wenn seine Wanderprediger-Art viel Kritik auslöste, steht fest, dass seine Darstellungen von einer sich rasant wandelnden Umwelt, auch heute noch Leser weltweit begeistern.
Als ältester Sohn einer Kaufmannsfamilie in der Weimarer Republik geboren, war er als Kind und Jugendlicher den Parolen und der Propaganda der Nationalsozialisten ausgesetzt. Wie viele seiner Zeitgenossen, war er Mitglied der Hitlerjugend, wo er lernte bedingungslos an den Endsieg zu glauben. Mit 17 Jahren wurde er zunächst Flakhelfer und wurde später zur Waffen-SS einberufen, wo er die Grausamkeit der letzten Tage und Wochen des Krieges aus erster Hand miterlebte und mit viel Glück überlebte.
Nach Verwundung und Kriegsgefangenschaft verstand er dieses Glück als Berufung, seinen künstlerischen Talenten nachzugehen; gegen den Willen seines Vaters begann er 1947 zunächst ein Praktikum als Steinmetz, ab 1948 studierte er Grafik und Bildhauerei an der Kunsthochschule Düsseldorf und später an der Hochschule für bildende Künste in Berlin, bevor er, zunächst als Lyriker, Anerkennung bei der prominenten Gruppe 47 fand. Im folgenden Jahr erschien seine erste Publikation, der Gedichtband Die Vorzüge der Windhühner (1956, Luchterhand).
Wenig später erregte er mit seinem ersten Roman Die Blechtrommel (Luchterhand, 1959) auch in der internationalen Szene Aufsehen. 1980 wurde die gleichnamige Verfilmung des Buches, unter der Regie von Volker Schlöndorff, mit dem Academy Award für den Besten Ausländischen Film ausgezeichnet. Die zwei darauf folgenden Romane von Günter Grass Katz und Maus (Luchterhand, 1961) und Die Hundejahre (Luchterhand, 1963) komplettierten die sogenannte Danziger Trilogie, die sich mit den Ereignissen vor, während und nach dem 2. Weltkrieg vor der Kulisse der Geburtsstadt des Autors, beschäftigen.
Eines der zentralen Themen in der grass‘schen Literatur ist die Reise durch verschiedene Zeitalter und Epochen. Ähnlich eines Migranten durchlebte Grass nach der Kapitulation der Nationalsozialisten einen Bruch mit der eigenen Heimat und Sprache, Ideologie und Identität und er machte es sich zur mühsamen Aufgabe diese in seinen Erzählungen und Gedichten, seinen Theaterstücken, offenen Briefen, politische Reden und Aufsätze neu zu erfinden. Neben der kennzeichnenden malerischen Wortkunst bietet das Werk von Günter Grass eine einzigartige Wechselseitigkeit von Wort und Bild und sein grafisches Werk begleitet viele seiner Publikationen, so dass ein Zwiegespräch zwischen den Medien der Literatur und Grafik entsteht.
Im Rahmen einer zunehmenden Politisierung des Künstlers fokussierte sich sein kreatives Wirken in den 60er Jahren auf das Schreiben. Er unterstützte die Wahlkämpfe der SPD mit öffentlichen Auftritten und politischen Reden und pflegte engen Kontakt zur Politik, insbesondere zu den Bundeskanzlern Willy Brandt und Gerhard Schröder. Seine sehr öffentlichen Meinungsäußerungen waren oft Grund für Kritik und Kontroverse, er war ein Gegner der deutschen Widervereinigung und kämpfte unter anderem für Autorenrechte. In dem Werk Aus dem Tagebuch einer Schnecke (Luchterhand, 1972) schilderte er viele seiner politischen Überzeugungen und Dilemmas.
Als Günter Grass 2006 in seinem autobiografischen Werk Das Häuten der Zwiebel (Steidl, 2006) seine Mitgliedschaft in der SS bekannt gab, wurde ihm von vielen Seiten Doppelmoral und Heuchelei vorgeworfen. Viele vertraten die Meinung, dass ausgerechnet der, der jahrzehntelang gegen das Vergessen geschrieben hatte, diese Tatsache zu lange verdrängt hatte. Er selber verteidigte dies damit, dass dieses Eingeständnis Resultat eines langwierigen Prozesses war, der genau wie das Häuten einer Zwiebel nicht schmerzlos abläuft.
"Ich glaube, dass die Zukunft nur dann möglich sein wird, wenn wir lernen, auf Dinge, die machbar wären, zu verzichten, weil wir sie nicht brauchen."
"Die wahren Terroristen tragen Nadelstreifen, sitzen in Chefetagen und scheuen sich nicht, eine Flick-Politik fortzusetzen, die 1933 ihren Anfang nahm."
"Jede demokratische Gesellschaft, die ihre Konflikte nicht austrägt, sondern durch Verbotserlasse konserviert hört auf, demokratisch zu sein, bevor sie beginnt, Demokratie zu begreifen."
„Der Autor hat in munter schwarzen Fabeln das vergessene Gesicht der Geschichte gezeichnet.“ (Aus der Jury-Begründung für die Verleihung des Nobelpreises für Literatur, 1999)
Günter Wilhelm Grass war ein Künstler mit vielen Talenten, so übte er sich als Grafiker, Bildhauer, Musiker und Lyriker, seine größten Erfolge erfuhr er jedoch in der Literatur, wofür er 1999 den Nobelpreis für sein Lebenswerk erhielt. Er spielte eine entscheidende Rolle in der deutschen Nachkriegsliteratur, auch Trümmerliteratur genannt, und forderte seine Schriftsteller- und Künstlerkollegen, sowie seine Mitmenschen, vehement zur aktiven Verarbeitung der Geschehnisse des dritten Reichs auf. Auch wenn seine Wanderprediger-Art viel Kritik auslöste, steht fest, dass seine Darstellungen von einer sich rasant wandelnden Umwelt, auch heute noch Leser weltweit begeistern.
Als ältester Sohn einer Kaufmannsfamilie in der Weimarer Republik geboren, war er als Kind und Jugendlicher den Parolen und der Propaganda der Nationalsozialisten ausgesetzt. Wie viele seiner Zeitgenossen, war er Mitglied der Hitlerjugend, wo er lernte bedingungslos an den Endsieg zu glauben. Mit 17 Jahren wurde er zunächst Flakhelfer und wurde später zur Waffen-SS einberufen, wo er die Grausamkeit der letzten Tage und Wochen des Krieges aus erster Hand miterlebte und mit viel Glück überlebte.
Nach Verwundung und Kriegsgefangenschaft verstand er dieses Glück als Berufung, seinen künstlerischen Talenten nachzugehen; gegen den Willen seines Vaters begann er 1947 zunächst ein Praktikum als Steinmetz, ab 1948 studierte er Grafik und Bildhauerei an der Kunsthochschule Düsseldorf und später an der Hochschule für bildende Künste in Berlin, bevor er, zunächst als Lyriker, Anerkennung bei der prominenten Gruppe 47 fand. Im folgenden Jahr erschien seine erste Publikation, der Gedichtband Die Vorzüge der Windhühner (1956, Luchterhand).
Wenig später erregte er mit seinem ersten Roman Die Blechtrommel (Luchterhand, 1959) auch in der internationalen Szene Aufsehen. 1980 wurde die gleichnamige Verfilmung des Buches, unter der Regie von Volker Schlöndorff, mit dem Academy Award für den Besten Ausländischen Film ausgezeichnet. Die zwei darauf folgenden Romane von Günter Grass Katz und Maus (Luchterhand, 1961) und Die Hundejahre (Luchterhand, 1963) komplettierten die sogenannte Danziger Trilogie, die sich mit den Ereignissen vor, während und nach dem 2. Weltkrieg vor der Kulisse der Geburtsstadt des Autors, beschäftigen.
Eines der zentralen Themen in der grass‘schen Literatur ist die Reise durch verschiedene Zeitalter und Epochen. Ähnlich eines Migranten durchlebte Grass nach der Kapitulation der Nationalsozialisten einen Bruch mit der eigenen Heimat und Sprache, Ideologie und Identität und er machte es sich zur mühsamen Aufgabe diese in seinen Erzählungen und Gedichten, seinen Theaterstücken, offenen Briefen, politische Reden und Aufsätze neu zu erfinden. Neben der kennzeichnenden malerischen Wortkunst bietet das Werk von Günter Grass eine einzigartige Wechselseitigkeit von Wort und Bild und sein grafisches Werk begleitet viele seiner Publikationen, so dass ein Zwiegespräch zwischen den Medien der Literatur und Grafik entsteht.
Im Rahmen einer zunehmenden Politisierung des Künstlers fokussierte sich sein kreatives Wirken in den 60er Jahren auf das Schreiben. Er unterstützte die Wahlkämpfe der SPD mit öffentlichen Auftritten und politischen Reden und pflegte engen Kontakt zur Politik, insbesondere zu den Bundeskanzlern Willy Brandt und Gerhard Schröder. Seine sehr öffentlichen Meinungsäußerungen waren oft Grund für Kritik und Kontroverse, er war ein Gegner der deutschen Widervereinigung und kämpfte unter anderem für Autorenrechte. In dem Werk Aus dem Tagebuch einer Schnecke (Luchterhand, 1972) schilderte er viele seiner politischen Überzeugungen und Dilemmas.
Als Günter Grass 2006 in seinem autobiografischen Werk Das Häuten der Zwiebel (Steidl, 2006) seine Mitgliedschaft in der SS bekannt gab, wurde ihm von vielen Seiten Doppelmoral und Heuchelei vorgeworfen. Viele vertraten die Meinung, dass ausgerechnet der, der jahrzehntelang gegen das Vergessen geschrieben hatte, diese Tatsache zu lange verdrängt hatte. Er selber verteidigte dies damit, dass dieses Eingeständnis Resultat eines langwierigen Prozesses war, der genau wie das Häuten einer Zwiebel nicht schmerzlos abläuft.
"Ich glaube, dass die Zukunft nur dann möglich sein wird, wenn wir lernen, auf Dinge, die machbar wären, zu verzichten, weil wir sie nicht brauchen."
"Die wahren Terroristen tragen Nadelstreifen, sitzen in Chefetagen und scheuen sich nicht, eine Flick-Politik fortzusetzen, die 1933 ihren Anfang nahm."
"Jede demokratische Gesellschaft, die ihre Konflikte nicht austrägt, sondern durch Verbotserlasse konserviert hört auf, demokratisch zu sein, bevor sie beginnt, Demokratie zu begreifen."
* 30. April 1945 in Brachthausen, heute Kirchhundem im Sauerland
Sie gehört zu den wichtigsten deutschen Lyrikerinnen der Gegenwart. Ihr Lyrikband Herz über Kopf wurde in Deutschland zum Bestseller. Später folgten Freudenfeuer sowie Unerhörte Nähe. Den ersten Roman, Ein Mann im Haus, schrieb sie erst 1991. Doch den belletristischen Durchbruch schaffte sie mit ihrer Romantrilogie: Das verborgene Wort (2001), Aufbruch (2009) und Spiel der Zeit (2014).
Die promovierte Germanistin war Lehrbeauftragte an den Universitäten Hamburg, Bremen und Oldenburg. 1978 promovierte sie mit der Dissertation „Die Entwicklungstendenzen in der westdeutschen und sozialistischen Literatur der sechziger Jahre“. Anschließend arbeitete sie auch als Literaturredakteurin bei Radio Bremen. Der Weg bis zur Dissertation war es ein langwieriger Prozess, der mit dem Realschulabschluss begann. Daraufhin machte sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau und später holte sie ihr Abitur nach.
Ulla Hahn wurde 1981 mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichnet. Ihre Gedichte, so heißt es in der Begründung der Jury, „zeugen von souveränem Umgang mit lyrischen Traditionen“. Ihr sei es gelungen, den poetischen Ausdruck für die heutige Lebenssituation zu finden. Charakteristisch für ihre Lyrik sei die Spannung zwischen Emotionen und Artistik, Trauer und Ironie. Auch wenn sich die Meinungen über ihrer belletristischen Fähigkeiten spalten, ist Ulla Hahn in erster Linie Lyrikerin. Der Erfolg der Romantrilogie und ihre positive Bewertung durch die Kritiker zeigen jedoch, dass die Sprache und die Worte für sie von zentraler Bedeutung sind.
Ihre Roman-Trilogie zeichnet das Portrait der 68er-Bewegung in Deutschland. Die Protagonistin spielt Ulla Hahns Alter Ego, Hildegard Palm („Hilla“), ein einfaches Arbeiterkind, das in der geistfeindlichen rheinisch-katholischen Provinz aufwächst, mühselig Hochdeutsch lernt, fürs Bücherlesen bestraft wird und letztlich doch den Weg aus der geistigen Tiefe hinauf in intellektuelle Welt schafft. Das verborgene Wort (2001) erzählt von Hillas Realschulzeit, Aufbruch (2009) von ihrer Zeit vom Gymnasium bis hin zum Germanistikstudium. Spiel der Zeit (2014) handelt letztendlich von dem Auszug Hillas aus ihrem Elternhaus in ein Studentenwohnheim in Köln, wo sie sich zum ersten Mal glücklich verliebt. Der zweite Roman Aufbruch wurde bereits verfilmt.
Ulla Hahn selbst ist Zeitzeuge der Kölner 68er-Studentenbewegung und verwebt in ihren Romanen geschichtliche Fakten mit autobiographischen Einzelheiten. Die Parallelen der Geschichte der Protagonistin mit der Vergangenheit der Autorin beginnt bereits bei der lautlich unverkennbaren Ähnlichkeit ihrer Namen Ulla und „Hilla“. Auch Ulla Hahn, so weiβ man, musste einen langen Bildungsweg beschreiten um in die akademische Welt zu gelangen.
Hahn ist seit 1987 Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg und des PEN-Zentrums Deutschland. Sie unterzeichnete den sogenannten Appell der 33, der von der Zeitschrift EMMA nach der Bundestagswahl 2005 ins Leben gerufen wurde und einen fairen Umgang mit dem Wahlergebnis fordert. Im realen Leben ist sie stets politisch engagiert, lässt dies aber in ihre Arbeit nur geringfügig einfließen.
"Das Schreiben ist eine Befreiung." [1]
"Seine Herkunft trägt man immer in sich. Das muss einem aber nicht zeitlebens als Bürde erscheinen. Es kommt darauf an, eine Last in Proviant zu verwandeln. In Erfahrung, von der man auf seiner Lebensreise zehren kann. Das ist dann noch mehr als Versöhnung." [2]
"Du gehst in ein Buch und bist in einer anderen Welt." [3]
[1] http://www.ksta.de/22837374 © 2017
[2] http://www.ksta.de/22837374 © 2017
[3] Ulla Hahn, Das verborgene Wort, Dt. Verl.-Anst., 2001
Sie gehört zu den wichtigsten deutschen Lyrikerinnen der Gegenwart. Ihr Lyrikband Herz über Kopf wurde in Deutschland zum Bestseller. Später folgten Freudenfeuer sowie Unerhörte Nähe. Den ersten Roman, Ein Mann im Haus, schrieb sie erst 1991. Doch den belletristischen Durchbruch schaffte sie mit ihrer Romantrilogie: Das verborgene Wort (2001), Aufbruch (2009) und Spiel der Zeit (2014).
Die promovierte Germanistin war Lehrbeauftragte an den Universitäten Hamburg, Bremen und Oldenburg. 1978 promovierte sie mit der Dissertation „Die Entwicklungstendenzen in der westdeutschen und sozialistischen Literatur der sechziger Jahre“. Anschließend arbeitete sie auch als Literaturredakteurin bei Radio Bremen. Der Weg bis zur Dissertation war es ein langwieriger Prozess, der mit dem Realschulabschluss begann. Daraufhin machte sie eine Ausbildung zur Bürokauffrau und später holte sie ihr Abitur nach.
Ulla Hahn wurde 1981 mit dem Leonce-und-Lena-Preis ausgezeichnet. Ihre Gedichte, so heißt es in der Begründung der Jury, „zeugen von souveränem Umgang mit lyrischen Traditionen“. Ihr sei es gelungen, den poetischen Ausdruck für die heutige Lebenssituation zu finden. Charakteristisch für ihre Lyrik sei die Spannung zwischen Emotionen und Artistik, Trauer und Ironie. Auch wenn sich die Meinungen über ihrer belletristischen Fähigkeiten spalten, ist Ulla Hahn in erster Linie Lyrikerin. Der Erfolg der Romantrilogie und ihre positive Bewertung durch die Kritiker zeigen jedoch, dass die Sprache und die Worte für sie von zentraler Bedeutung sind.
Ihre Roman-Trilogie zeichnet das Portrait der 68er-Bewegung in Deutschland. Die Protagonistin spielt Ulla Hahns Alter Ego, Hildegard Palm („Hilla“), ein einfaches Arbeiterkind, das in der geistfeindlichen rheinisch-katholischen Provinz aufwächst, mühselig Hochdeutsch lernt, fürs Bücherlesen bestraft wird und letztlich doch den Weg aus der geistigen Tiefe hinauf in intellektuelle Welt schafft. Das verborgene Wort (2001) erzählt von Hillas Realschulzeit, Aufbruch (2009) von ihrer Zeit vom Gymnasium bis hin zum Germanistikstudium. Spiel der Zeit (2014) handelt letztendlich von dem Auszug Hillas aus ihrem Elternhaus in ein Studentenwohnheim in Köln, wo sie sich zum ersten Mal glücklich verliebt. Der zweite Roman Aufbruch wurde bereits verfilmt.
Ulla Hahn selbst ist Zeitzeuge der Kölner 68er-Studentenbewegung und verwebt in ihren Romanen geschichtliche Fakten mit autobiographischen Einzelheiten. Die Parallelen der Geschichte der Protagonistin mit der Vergangenheit der Autorin beginnt bereits bei der lautlich unverkennbaren Ähnlichkeit ihrer Namen Ulla und „Hilla“. Auch Ulla Hahn, so weiβ man, musste einen langen Bildungsweg beschreiten um in die akademische Welt zu gelangen.
Hahn ist seit 1987 Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg und des PEN-Zentrums Deutschland. Sie unterzeichnete den sogenannten Appell der 33, der von der Zeitschrift EMMA nach der Bundestagswahl 2005 ins Leben gerufen wurde und einen fairen Umgang mit dem Wahlergebnis fordert. Im realen Leben ist sie stets politisch engagiert, lässt dies aber in ihre Arbeit nur geringfügig einfließen.
"Das Schreiben ist eine Befreiung." [1]
"Seine Herkunft trägt man immer in sich. Das muss einem aber nicht zeitlebens als Bürde erscheinen. Es kommt darauf an, eine Last in Proviant zu verwandeln. In Erfahrung, von der man auf seiner Lebensreise zehren kann. Das ist dann noch mehr als Versöhnung." [2]
"Du gehst in ein Buch und bist in einer anderen Welt." [3]
[1] http://www.ksta.de/22837374 © 2017
[2] http://www.ksta.de/22837374 © 2017
[3] Ulla Hahn, Das verborgene Wort, Dt. Verl.-Anst., 2001
* 2. Juli 1877 in Calw, Deutsches Kaiserreich | † Montagnola, Schweiz
„Ganz selten gelingt es einem Geist aus dem Gefängnis seiner Klassifizierung befreit zu werden: die amerikanische Gegenkultur hat Hermann Hesse entdeckt als Vorläufer einer Bewegung, die der Menschheit in der Jahrtausendwende ein Nachdenken über andere Ziele und ein Experimentieren mit neuen Lebenshaltungen empfiehlt. Er ist ein über die Tagespolitik hinausdenkender Visionär künftiger Politik.“ ROBERT JUNGK
Das Phänomen Hermann Hesse spaltet die Meinungen wohl mehr als sonst irgendein Schriftsteller in der Geschichte der deutschsprachigen Literatur. Der Nobelpreisträger wird von vielen für sein Feingefühl, seine Authentizität und seinen Eigensinn gefeiert, während andere ihn gerade wegen diesem Eigensinn, fehlender Rationalität und Intellektualität kritisieren. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass seine Botschaften von Selbstverwirklichung, Spiritualität und Widerstand gegen Repression auch heute noch weltweit, vor allem viele jüngere Leser, ansprechen.
Da die Pläne des jungen Hermann nicht mit den pietistischen Ideen seiner Eltern übereinstimmten, kam es oft zu Konflikten in der Familie Hesse und der anstrebende Dichter musste sich seine Identität und Selbstverwirklichung hart erkämpfen. Ähnlich wie der Charakter Hans Giebnrath in der frühen Erzählung Unterm Rad (Fischer, 1908) oder der Schüler in Narziß und Goldmund (Fischer, 1930) entlief auch Hermann Hesse einer angesehenen Klosterschule. Wie seine fiktionalen Helden, fühlte er sich vom strenggeregelten Leben bedrängt und fand sich oft nicht im Stande dem Freiheitsdrang Stand zu halten, was sich in jugendlicher Rebellion äußerte. Für seine Eskapaden wurde er von der eigenen Familie als verrückt erklärt und wiederholt gegen seinen Willen in eine Anstalt „für Schwachsinnige und Epileptiker“ eingewiesen.
Im Laufe seines Lebens begab Hesse sich später freiwillig in psychoanalytische Behandlung und Kuraufenthalte wurden für ihn ein unentbehrlicher Teil seiner Selbstpflege. Für ihn stellte dies eine wichtige Etappe auf der Suche nach sich selbst dar. In dem vielgepriesenen Roman Demian (Fischer, 1919), zeigt Hesse ein besonders Verständnis von psychoanalytischen Prozessen. Auch in seinem Bestseller und Kultroman Der Steppenwolf (Fischer, 1927) steht der innermenschliche Konflikt zwischen bürgerlichem Gehorsam der Hauptperson Harry Haller und den tierischen Trieben des in ihm lebenden Steppenwolfes im Mittelpunkt.
In Siddharta. Eine Indische Dichtung (Suhrkamp, 1924) konstruiert Hesse anhand der Geschichte des Novizen Siddharta die verschiedenen Etappen der Selbstverwirklichung bis hin zur Erleuchtung Siddhartas und Transformation zu Buddha. Trotz seiner tiefen spirituellen Verbundenheit zur indischen Kultur, durch seine Eltern und Großeltern, die jahrelang in Indien als Missionare arbeiteten und lebten, konnte Hesse dieses Werk nach langer Schreibpause, erst nach einem Durchbruch in einer Konsultation mit C. G. Jung zu Ende bringen.
Spätestens nach seinen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges wurde Hesse zum überzeugten Kriegsgegner, dessen Meinung nach „Bücher, Bilder und Musik die Wirklichkeit nachhaltiger verändern können als Gewehre und politische Parolen“. Nachdem er wegen gesundheitlichen Gründen ausgemustert wurde, wurde er zum Dienst in der Kriegsgefangenenfürsorge des Roten Kreuzes verpflichtet, wo er sich mit Hingabe der Aufgabe widmete, deutsche Kriegsgefangene mit Literatur und Lektüre zu versorgen. Für Hesse stand immer das Individuum im Mittelpunkt der Gesellschaft und er war davon überzeugt, dass man, um die Gesellschaft zu beeinflussen, bei dem Einzelnen beginnen muss.
Auch im Zweiten Weltkrieg investierte er viel Zeit und Energie in die Opfer des Krieges, diesmal nicht den Gefangenen, sondern den Vertriebenen, unter ihnen sein guter Freund Thomas Mann. Diese aufschlussreiche Freundschaft ist in Hermann Hesse – Thomas Mann Briefwechsel (Suhrkamp, 1968) der Nachwelt erhalten, ein Dokument, das Einblicke in die Gedanken und Gefühle zweier großer Denker über zwei Weltkriege hinweg verschafft.
Während des Krieges ging die literarische Arbeit nur schleppend voran und Peter Suhrkamp, der nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten die Geschäftsführung vom Verlag des jüdischen Samuel Fischer übernahm, erhielt in Deutschland keine Druckerlaubnis für Hesses Roman Das Glasperlenspiel (Fretz & Wasmuth, 1943), als es nach 11 Jahren endlich fertig gestellt war. Auch Hesse vorherigen veröffentlichten Bücher durften nach Anweisungen der Nazis weder nachgedruckt, noch verlegt werden. Suhrkamp widersetzte sich den Anweisungen der Nazis und liefert den Restbestand der Bücher seines langjährigen Freundes trotzdem weiterhin aus.
Später soltte die Freundschaft zwischen dem Schriftsteller und dem Verleger nachhaltigen Einfluss auf das Verlagswesen haben, als Hermann Hesse Suhrkamp dabei unterstützt sich vom Fischer Verlag zu trennen und einen eigenen Verlag zu gründen. Damals wechselten zwei Drittel der Autoren von Fischer zu dem neuen Verlag und heute ist Suhrkamp einer der bedeutendsten Namen in der deutschen Verlagsbranche.
Nach Kriegsende wurden Hesse politischen Schriften in der Schweiz unter dem Namen Krieg und Frieden (Fretz & Wasmuth, 1946) veröffentlicht, diese Fragmente unterscheiden sich stark vom Rest seines Werkes un die darin offenbarte Rationalitat überraschte einige Kritiker. In diesen Schriften legt Hesse eine Chronik seines politischen Denkens seit 1914 dar und gibt einzigartige Zeitzeugnisse und Einblicke in seine persönlichen Erlebnisse und Entwicklung.
Obwohl Hesse im Laufe seiner Karriere auf wenig Resonanz in den Vereinigten Staaten stoß, und nach eigenen Aussagen immer das Gefühl hatte, dass die Amerikanern ihn nicht verstünden, kam es kurz nach seinem Tod 1961 zu einer Art Hesse-Revival in den USA, wo er als Idol von Protestbewegungen wie den Beatniks und den Gegnern des Vietnamkrieges gefeiert wurde. Es folgten Hesse-Booms in Japan, Australien, Südafrika und den sowjetischen Staaten und heutzutage ist er einer der meistübersetzten und meistgelesenen deutschen Autoren aller Zeiten.
Unter anderem erhielt Hermann Hesse 1946 den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt und den Nobelpreis für Literatur, 1955 wurde er mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels geehrt.
„Eine gute, eine richtige Wahrheit, muss es vertragen, dass man sie auch umkehrt. Was wahr ist, davon muss das Gegenteil auch wahr sein können. Denn jede Wahrheit ist eine kurze Formel für einen Blick in die Welt von einem bestimmten Pol aus, und es gibt keinen Pol ohne Gegenpol."
„Ein Buch lesen, heißt für den guten Leser: eines fremden Menschen Wesen und Denken kennen zu lernen, ihn zu verstehen suchen, ihn womöglich zum Freund zu gewinnen.“
„Nicht zwei von tausend Büchern vermögen das Gefühl zu erwecken, nicht den Autor, sondern die Dinge selbst reden zu hören.“
„Alle Dinge, die man gegen sein Gefühl und gegen sein inneres Wissen tut, anderen zuliebe, sind nicht gut, und müssen früher oder später teuer bezahlt werden.“
„Ohne das Tier in uns sind wir kastrierte Engel."
„Mit Nationalismus bezeichne ich die Stufe des nationalen Selbstbewusstseins an der die Brüderschaft aller Menschen in Gefahr ist vom Patriotismus überwältigt zu werden."
* 20. Oktober 1946 in Mürzzuschlag
Die österreichische Literaturnobelpreisträgerin, ist seit den 70ern bis heute hochaktive Schriftstellerin von enormer literarischer, aber auch politischer Bedeutung. Unverblümt aufrichtig, thematisiert sie kontroverse und hochsensible Themen wie die Aufarbeitung der österreichischen Nazivergangenheit oder die aktuelle Diskussion über rechtsradikale Strömungen in Europa. Aktuell gilt sie als eine der bekanntesten und umstrittensten Autorinnen im deutschsprachigen Raum.
Aufgrund ihrer streng-musischen Erziehung kam Jelinek schon früh in Kontakt mit Kunst. Sie lernte Klavier und Orgel im Wiener Konservatorium und nach dem Abitur studierte sie Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Wien. Zur selben Zeit begannen ihre psychischen Probleme, weshalb sie ihr Studium abbrechen musste und ein Jahr lang in Isolation lebte. Mit dem Zusammenbruch endete ihre akademische Karriere. Gleichzeitig war diese Periode jedoch der Start ihrer Autoren-Karriere, in der sie ihr Debüt-Gedichtband Lisas Schatten verfasste. Eine sozialkritische, marxistische Analyse des Kapitalismus und der Konsumgesellschaft, aber auch eine scharfe Kritik an der patriarchalischen Gesellschaft.
Nach dem Tod ihres Vaters begann sie sich zu erholen und arbeitete ab 1966 als freie Schriftstellerin in Berlin und München. Mit der Zeit engagierte Jelinek sich zunehmend politisch. So trat sie 1974 der kommunistischen Partei Österreichs bei und war auch in der 68er Bewegung aktiv. Der große literarische Durchbruch gelang ihr jedoch 1975 mit dem Roman Die Liebhaberinnen. Anfang der 80er Jahre erschien Die Ausgesperrten (1980) erst als Hörspiel, nachher als Roman und schließlich als Film. Weltbekannt geworden ist sie seit dem Erhalt des Literaturnobelpreises im Jahre 2004. Der Akademie zufolge, habe Jelinek den Preis „für den musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen“ bekommen. Damit habe sie „die Absurdität gesellschaftlicher Klischees und ihrer unterjochenden Macht“ offen gelegt. Gelobt wurde außerdem ihre „sprachliche Leidenschaft“.
Jelinek zeichnet sich vor allem durch ihren überspitzten, satirischen Schreibstil aus. Sie ist ein Nachkriegskind, welches schon immer gern den Finger in die Wunde der Gesellschaft steckte und ohne Tabu über soziale Missstände schrieb. Dies ist zumindest eines der vielen Gründe für ihre Berühmtheit. Ihren ersten großen Skandal bewirkte sie mit der Uraufführung ihres Dramas Burgtheater, geschrieben in einer grotesk-komischen Dialektsprache, welches sich mit der österreichischen Nazivergangenheit auseinandersetzt. Von diesem Zeitpunkt, wurde ihr Name in der Öffentlichkeit immer wieder im Zusammenhang mit dem Begriff „Nestbeschmutzerin“ verwendet. Ihr Theaterstück Stecken, Stab und Stangl (1995) und ihr Roman Die Kinder der Toten (1995), in welchen der ausgeprägte Antisemitismus der Gegenwart thematisiert wird, wurden von ihren Kritikern als „Hassgesang“ gegen die eigene Gesellschaft degradiert. Sie selbst beschreibt ihr Verhältnis zum Heimatland Österreich als zwiespältig, nicht aber als negativ. Auch mit der Veröffentlichung ihres Werks Lust, ein weiblicher Porno in obszöner und aggressiver Sprache, löste sie Aufruhr aus. Abgesehen von ihrer politischen Haltung, finden sich in ihren Schriften auch immer wieder autobiographische Elemente aus ihrer strengen Erziehung. Vor allem ihr Roman Die Klavierspielerin (1983), verweist auf eindeutige Parallelen aus ihrem eigenen Leben.
Hinzukommend ziehen sich ihre feministischen Ansichten durch viele Ihrer Werke. In einem Essay über Ingeborg Bachmann bezieht sie klare Stellung zur Position der Frau in der Gesellschaft, indem sie dieses Geschlecht mit einem „Bewohner eines fremden Planeten“ und „als Kind, das noch nicht eingegliedert ist“ vergleicht. „Die Frau ist das Andere, der Mann ist die Norm. Er hat seinen Standort und er funktioniert, Ideologien produzierend. Die Frau hat keinen Ort.“ So versteht Jelinek das Schreiben als einen Versuch der Frau, zum Subjekt zu werden.
Heute ist Elfriede Jelinek vielfach ausgezeichnete Preisträgerin. Ihr öffentliches Image, hat sich aufgrund der fortwährenden Relevanz ihrer Themen stark verbessert, wenngleich ihr Werk auch heute noch immer umstritten ist.
"Sie merken es schon, dass ich nichts weiß und nur so daherrede, eine Spaziergängerin der Sprache."
"Ich schlage sozusagen mit der Axt drein, damit kein Gras mehr wächst, wo meine Figuren hingetreten sind."
"Mit dem Blick des sprachlosen Ausländers, des Bewohners eines fremden Planeten [...] blickt die Frau von außen in die Wirklichkeit hinein, zu der sie nicht gehört. Auf diese Weise ist sie aber dazu verurteilt, die Wahrheit zu sprechen und nicht den schönen Schein."
Die österreichische Literaturnobelpreisträgerin, ist seit den 70ern bis heute hochaktive Schriftstellerin von enormer literarischer, aber auch politischer Bedeutung. Unverblümt aufrichtig, thematisiert sie kontroverse und hochsensible Themen wie die Aufarbeitung der österreichischen Nazivergangenheit oder die aktuelle Diskussion über rechtsradikale Strömungen in Europa. Aktuell gilt sie als eine der bekanntesten und umstrittensten Autorinnen im deutschsprachigen Raum.
Aufgrund ihrer streng-musischen Erziehung kam Jelinek schon früh in Kontakt mit Kunst. Sie lernte Klavier und Orgel im Wiener Konservatorium und nach dem Abitur studierte sie Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte an der Universität Wien. Zur selben Zeit begannen ihre psychischen Probleme, weshalb sie ihr Studium abbrechen musste und ein Jahr lang in Isolation lebte. Mit dem Zusammenbruch endete ihre akademische Karriere. Gleichzeitig war diese Periode jedoch der Start ihrer Autoren-Karriere, in der sie ihr Debüt-Gedichtband Lisas Schatten verfasste. Eine sozialkritische, marxistische Analyse des Kapitalismus und der Konsumgesellschaft, aber auch eine scharfe Kritik an der patriarchalischen Gesellschaft.
Nach dem Tod ihres Vaters begann sie sich zu erholen und arbeitete ab 1966 als freie Schriftstellerin in Berlin und München. Mit der Zeit engagierte Jelinek sich zunehmend politisch. So trat sie 1974 der kommunistischen Partei Österreichs bei und war auch in der 68er Bewegung aktiv. Der große literarische Durchbruch gelang ihr jedoch 1975 mit dem Roman Die Liebhaberinnen. Anfang der 80er Jahre erschien Die Ausgesperrten (1980) erst als Hörspiel, nachher als Roman und schließlich als Film. Weltbekannt geworden ist sie seit dem Erhalt des Literaturnobelpreises im Jahre 2004. Der Akademie zufolge, habe Jelinek den Preis „für den musikalischen Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen“ bekommen. Damit habe sie „die Absurdität gesellschaftlicher Klischees und ihrer unterjochenden Macht“ offen gelegt. Gelobt wurde außerdem ihre „sprachliche Leidenschaft“.
Jelinek zeichnet sich vor allem durch ihren überspitzten, satirischen Schreibstil aus. Sie ist ein Nachkriegskind, welches schon immer gern den Finger in die Wunde der Gesellschaft steckte und ohne Tabu über soziale Missstände schrieb. Dies ist zumindest eines der vielen Gründe für ihre Berühmtheit. Ihren ersten großen Skandal bewirkte sie mit der Uraufführung ihres Dramas Burgtheater, geschrieben in einer grotesk-komischen Dialektsprache, welches sich mit der österreichischen Nazivergangenheit auseinandersetzt. Von diesem Zeitpunkt, wurde ihr Name in der Öffentlichkeit immer wieder im Zusammenhang mit dem Begriff „Nestbeschmutzerin“ verwendet. Ihr Theaterstück Stecken, Stab und Stangl (1995) und ihr Roman Die Kinder der Toten (1995), in welchen der ausgeprägte Antisemitismus der Gegenwart thematisiert wird, wurden von ihren Kritikern als „Hassgesang“ gegen die eigene Gesellschaft degradiert. Sie selbst beschreibt ihr Verhältnis zum Heimatland Österreich als zwiespältig, nicht aber als negativ. Auch mit der Veröffentlichung ihres Werks Lust, ein weiblicher Porno in obszöner und aggressiver Sprache, löste sie Aufruhr aus. Abgesehen von ihrer politischen Haltung, finden sich in ihren Schriften auch immer wieder autobiographische Elemente aus ihrer strengen Erziehung. Vor allem ihr Roman Die Klavierspielerin (1983), verweist auf eindeutige Parallelen aus ihrem eigenen Leben.
Hinzukommend ziehen sich ihre feministischen Ansichten durch viele Ihrer Werke. In einem Essay über Ingeborg Bachmann bezieht sie klare Stellung zur Position der Frau in der Gesellschaft, indem sie dieses Geschlecht mit einem „Bewohner eines fremden Planeten“ und „als Kind, das noch nicht eingegliedert ist“ vergleicht. „Die Frau ist das Andere, der Mann ist die Norm. Er hat seinen Standort und er funktioniert, Ideologien produzierend. Die Frau hat keinen Ort.“ So versteht Jelinek das Schreiben als einen Versuch der Frau, zum Subjekt zu werden.
Heute ist Elfriede Jelinek vielfach ausgezeichnete Preisträgerin. Ihr öffentliches Image, hat sich aufgrund der fortwährenden Relevanz ihrer Themen stark verbessert, wenngleich ihr Werk auch heute noch immer umstritten ist.
"Sie merken es schon, dass ich nichts weiß und nur so daherrede, eine Spaziergängerin der Sprache."
"Ich schlage sozusagen mit der Axt drein, damit kein Gras mehr wächst, wo meine Figuren hingetreten sind."
"Mit dem Blick des sprachlosen Ausländers, des Bewohners eines fremden Planeten [...] blickt die Frau von außen in die Wirklichkeit hinein, zu der sie nicht gehört. Auf diese Weise ist sie aber dazu verurteilt, die Wahrheit zu sprechen und nicht den schönen Schein."
* 23. Februar 1899 in Dresden | † 29. Juli 1974 in München
Der deutsche Schriftsteller, Drehbuchautor, Publizist, der auch Texte für das Kabarett schrieb, gehört zu den bedeutendsten Kinderbuchautoren Deutschlands. Kästner wollte eigentlich Lehrer werden, entschied sich nach eine Reihe negativer Erfahrungen im Bildungssystem jedoch dagegen und begann zu schreiben. Besonderen Ruhm brachten ihm seine Kinderbücher wie Emil und die Detektive (1929), Pünktchen und Anton (1931) und Das fliegende Klassenzimmer (1933) ein, welche heute als Klassiker der deutschen Kinderliteratur gelten und mehrmals verfilmt wurden (auch als ausländische Produktionen).
Erich Kästner wuchs in kleinbürgerlichen Verhältnissen in Dresden auf. Geprägt war jene Zeit besonders von Existenzproblemen seines Vaters. Der permanente Aufstiegswille der Mutter, zu welcher er bis zum Ende ein sehr enges Verhältnis pflegte, verschonte die Familie jedoch vor dem existentiellen Abstieg. Mit dem hart erarbeiteten Stundenlohn als Schneiderin und später als Friseurin, konnte sie ihrem Sohn auch jenseits der Schule Bildung ermöglichen: Lektüre, Klavierunterricht, Theater- und Opernbesuche, jährliche Wanderungen und Radtouren. Auch Schulgelder, ein von ihm besuchtes Lehrerseminar für Volksschullehramt 1913, welches er später besuchte sowie ein Teil der Studiengebühren bezahlte Mutter Ida Amalia. Den größeren Teil der Kosten für das Germanistik-, Geschichte-, Philosophie- und Theaterwissenschaftsstudium konnte jedoch durch das „Goldene Stipendium“ der Stadt Dresden finanziert werden. Im Anbetracht des sozialen Standes der Familie waren Bildung und Kultur keineswegs selbstverständlich und konnten nur unter Opfern erreicht werden.
Der erste Weltkrieg war ein Ereignis, welches Kästners Werdegang brandmarkte. In seinem autobiographischen Buch schrieb er „Der Weltkrieg hat begonnen, und meine Kindheit war zu Ende.“ Er war sich der Wichtigkeit der Kindheit und der Zerstörungskraft des Krieges immer sehr bewusst, stilisierte die eigene Kindheit oft zu einem „Goldenen Zeitalter“. Seine Mutter Ida Amalia vermietete die Zimmer ihrer Wohnung besonders oft an Pädagogen. Dies trug unter anderen zu Kästners erstem Berufswunsch, den des Lehrers bei. In der Schule ist dieser Wunsch trotz prügelnden Volksschullehrers nicht vergangen. Seine üblen Erfahrungen während der Rekrutenausbildung für den WK I, 1917 hatten ihn bereits zu einem entschlossenen Gegner aller autoritären Systeme und zu einem überzeugten und engagierten Pazifisten gemacht. Nach dem von ihm besuchten Lehrerseminar in Dresden, ein Internat mit militärähnlichen Lebens- und Umgangsformen, bemerkte er, dass die „Untertaneneinübung“ seinen Vorstellungen von Pädagogik massiv wiedersprachen. In einer seiner Publikationen schrieb er: „Nichts aber wirkt zerstörender für jede Kultur als diese Polizeiwirtschaft in den Bezirken [...] der Erziehung.“ So brach Kästner kurz vor dem Ende seine Lehrerausbildung ab und gab diesen Berufswunsch endgültig auf. Als Kinderbuchautor konnte er jedoch seinem Wunsch pädagogisch zu arbeiten und so Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen nachgehen, was er als wichtige Komponente seines politischen Handelns verstand.
Mit dem Beginn der Nazizeit, wurde es jedoch immer schwieriger sich antimilitaristisch oder staatskritisch zu äußern. Während seines langen Aufenthalts in Berlin musste er mitansehen, wie seine Bücher verbrannt wurden. Dies bedeutete, dass er beginnen musste auf den pädagogischen Anspruch in seiner Arbeit zu verzichten und eine nur unterhaltsame Kinderliteratur produzieren musste, die den Nazis nicht anstößig war. Selbst die Dreharbeiten für die Verfilmung seines Buches Das doppelte Löttchen (1949) musste er 1942, aufgrund des ihm verordneten Schreibverbotes, niederlegen. Er flüchtete während des Krieges zeitweise ins Exil in die Schweiz, wo er nicht lange blieb und kurze Zeit später wieder in seine Heimat zurückkehrte da er sich nach wie vor am meisten mit der deutschen Kultur identifizierte. „Ich bin wie ein Baum, der – in Deutschland gewachsen – wenn ́s sein muß, in Deutschland verdorrt“. Seine Mutter wird aber bis heute als eigentlicher Rückkehrgrund gemutmaßt.
Nach Kriegsende setzte er sich in München ab und engagierte sich dort für den Wiederbeginn des literarischen Lebens und lieferte als Journalist und Kabarettist kritische Kommentare zur politischen und gesellschaftlichen Entwicklung während der Phase des „Wiederaufbaus“, der Gründung und Konsolidierung der Bundesrepublik. Einen richtigen Anschluss an die Nachkriegsliteratur konnte er jedoch nicht finden, womit seine kurzzeitigen Alkoholprobleme zusammenhängen könnten, und weshalb er weniger produzierte.
Abgesehen von Kinderbüchern schrieb er auch Romane und satirisch-kritische Gedichte für Erwachsene. Sein Zielpublikum blieben jedoch bis zum Ende eher die Kinder und Jugendlichen. Er war Herausgeber der Jugendzeitschrift Pinguin, schrieb Drehbücher und sprach in vielen Verfilmungen seiner Werke auch selbst den Erzähler (Rezitator). Kästner blieb zwar unverheiratet, hatte aber langjährige Beziehungen und einen Sohn (Thomas) welchem er seinen Roman „der kleine Mann“ widmete.
"Der Mensch ist gut. Und darum geht’s ihm schlecht. Denn wenn‘s ihm besser ginge, wär er böse."[1]
"Die Politik – und zwar deren konservative Richtung – hat begonnen, sich in unerträglichem Maß zum Vormund des Geistes zu machen. Nichts aber wirkt zerstörender für jede Kultur als diese Polizeiwirtschaft in den Bezirken des Denkens, der Kunst und der Erziehung."[2]
"Leben ist immer lebensgefährlich."[3]
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."[4]
[1] Gesammelte Werke Band I „Gedichte“, Der Mensch ist gut, München : dtv, S. 34
[2] Gesammelte Werke Band VI „Publizistik“, Die Jugend als Vorwand, München : dtv, S. 61
[3] Gesammelte Werke Band I „Gedichte“, München : dtv, S. 271
[4] Gesammelte Werke Band I „Gedichte“, München : dtv, S. 277
Der deutsche Schriftsteller, Drehbuchautor, Publizist, der auch Texte für das Kabarett schrieb, gehört zu den bedeutendsten Kinderbuchautoren Deutschlands. Kästner wollte eigentlich Lehrer werden, entschied sich nach eine Reihe negativer Erfahrungen im Bildungssystem jedoch dagegen und begann zu schreiben. Besonderen Ruhm brachten ihm seine Kinderbücher wie Emil und die Detektive (1929), Pünktchen und Anton (1931) und Das fliegende Klassenzimmer (1933) ein, welche heute als Klassiker der deutschen Kinderliteratur gelten und mehrmals verfilmt wurden (auch als ausländische Produktionen).
Erich Kästner wuchs in kleinbürgerlichen Verhältnissen in Dresden auf. Geprägt war jene Zeit besonders von Existenzproblemen seines Vaters. Der permanente Aufstiegswille der Mutter, zu welcher er bis zum Ende ein sehr enges Verhältnis pflegte, verschonte die Familie jedoch vor dem existentiellen Abstieg. Mit dem hart erarbeiteten Stundenlohn als Schneiderin und später als Friseurin, konnte sie ihrem Sohn auch jenseits der Schule Bildung ermöglichen: Lektüre, Klavierunterricht, Theater- und Opernbesuche, jährliche Wanderungen und Radtouren. Auch Schulgelder, ein von ihm besuchtes Lehrerseminar für Volksschullehramt 1913, welches er später besuchte sowie ein Teil der Studiengebühren bezahlte Mutter Ida Amalia. Den größeren Teil der Kosten für das Germanistik-, Geschichte-, Philosophie- und Theaterwissenschaftsstudium konnte jedoch durch das „Goldene Stipendium“ der Stadt Dresden finanziert werden. Im Anbetracht des sozialen Standes der Familie waren Bildung und Kultur keineswegs selbstverständlich und konnten nur unter Opfern erreicht werden.
Der erste Weltkrieg war ein Ereignis, welches Kästners Werdegang brandmarkte. In seinem autobiographischen Buch schrieb er „Der Weltkrieg hat begonnen, und meine Kindheit war zu Ende.“ Er war sich der Wichtigkeit der Kindheit und der Zerstörungskraft des Krieges immer sehr bewusst, stilisierte die eigene Kindheit oft zu einem „Goldenen Zeitalter“. Seine Mutter Ida Amalia vermietete die Zimmer ihrer Wohnung besonders oft an Pädagogen. Dies trug unter anderen zu Kästners erstem Berufswunsch, den des Lehrers bei. In der Schule ist dieser Wunsch trotz prügelnden Volksschullehrers nicht vergangen. Seine üblen Erfahrungen während der Rekrutenausbildung für den WK I, 1917 hatten ihn bereits zu einem entschlossenen Gegner aller autoritären Systeme und zu einem überzeugten und engagierten Pazifisten gemacht. Nach dem von ihm besuchten Lehrerseminar in Dresden, ein Internat mit militärähnlichen Lebens- und Umgangsformen, bemerkte er, dass die „Untertaneneinübung“ seinen Vorstellungen von Pädagogik massiv wiedersprachen. In einer seiner Publikationen schrieb er: „Nichts aber wirkt zerstörender für jede Kultur als diese Polizeiwirtschaft in den Bezirken [...] der Erziehung.“ So brach Kästner kurz vor dem Ende seine Lehrerausbildung ab und gab diesen Berufswunsch endgültig auf. Als Kinderbuchautor konnte er jedoch seinem Wunsch pädagogisch zu arbeiten und so Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen nachgehen, was er als wichtige Komponente seines politischen Handelns verstand.
Mit dem Beginn der Nazizeit, wurde es jedoch immer schwieriger sich antimilitaristisch oder staatskritisch zu äußern. Während seines langen Aufenthalts in Berlin musste er mitansehen, wie seine Bücher verbrannt wurden. Dies bedeutete, dass er beginnen musste auf den pädagogischen Anspruch in seiner Arbeit zu verzichten und eine nur unterhaltsame Kinderliteratur produzieren musste, die den Nazis nicht anstößig war. Selbst die Dreharbeiten für die Verfilmung seines Buches Das doppelte Löttchen (1949) musste er 1942, aufgrund des ihm verordneten Schreibverbotes, niederlegen. Er flüchtete während des Krieges zeitweise ins Exil in die Schweiz, wo er nicht lange blieb und kurze Zeit später wieder in seine Heimat zurückkehrte da er sich nach wie vor am meisten mit der deutschen Kultur identifizierte. „Ich bin wie ein Baum, der – in Deutschland gewachsen – wenn ́s sein muß, in Deutschland verdorrt“. Seine Mutter wird aber bis heute als eigentlicher Rückkehrgrund gemutmaßt.
Nach Kriegsende setzte er sich in München ab und engagierte sich dort für den Wiederbeginn des literarischen Lebens und lieferte als Journalist und Kabarettist kritische Kommentare zur politischen und gesellschaftlichen Entwicklung während der Phase des „Wiederaufbaus“, der Gründung und Konsolidierung der Bundesrepublik. Einen richtigen Anschluss an die Nachkriegsliteratur konnte er jedoch nicht finden, womit seine kurzzeitigen Alkoholprobleme zusammenhängen könnten, und weshalb er weniger produzierte.
Abgesehen von Kinderbüchern schrieb er auch Romane und satirisch-kritische Gedichte für Erwachsene. Sein Zielpublikum blieben jedoch bis zum Ende eher die Kinder und Jugendlichen. Er war Herausgeber der Jugendzeitschrift Pinguin, schrieb Drehbücher und sprach in vielen Verfilmungen seiner Werke auch selbst den Erzähler (Rezitator). Kästner blieb zwar unverheiratet, hatte aber langjährige Beziehungen und einen Sohn (Thomas) welchem er seinen Roman „der kleine Mann“ widmete.
"Der Mensch ist gut. Und darum geht’s ihm schlecht. Denn wenn‘s ihm besser ginge, wär er böse."[1]
"Die Politik – und zwar deren konservative Richtung – hat begonnen, sich in unerträglichem Maß zum Vormund des Geistes zu machen. Nichts aber wirkt zerstörender für jede Kultur als diese Polizeiwirtschaft in den Bezirken des Denkens, der Kunst und der Erziehung."[2]
"Leben ist immer lebensgefährlich."[3]
"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."[4]
[1] Gesammelte Werke Band I „Gedichte“, Der Mensch ist gut, München : dtv, S. 34
[2] Gesammelte Werke Band VI „Publizistik“, Die Jugend als Vorwand, München : dtv, S. 61
[3] Gesammelte Werke Band I „Gedichte“, München : dtv, S. 271
[4] Gesammelte Werke Band I „Gedichte“, München : dtv, S. 277
* 19. Juli 1967, Moskau, Russland
»Mal ernsthaft, mal kauzig, mal pikant erzählt Kaminer mit präziser Beobachtungsgabe und seinem legendären hintergründigen Charme.« Wilhelmshavener Zeitung
Wladimir Kaminer sagt über sich selbst er sei „privat ein Russe und beruflich deutscher Schriftsteller“, was viel über seine Identität verrät, aber auch einiges über seine typische Ausdrucksweise preis gibt: auf den Punkt gebracht mit einem ihm eigenen Sinn für Humor, den er geschickt einsetzt um die Aufmerksamkeit seiner Leser auf die Absurditäten und Außergewöhnlichkeiten des Alltags zu lenken. Dies hat dazu beigetragen, dass seine Popularität beim deutschen Publikum seit über 20 Jahren anhält und er auch international viele Fans für sich gewinnen konnte.
Nachdem Kaminer in seiner Geburtsstadt Moskau eine Ausbildung zum Toningenieur für Theater und Rundfunk absolvierte, siedelte er 1990 nach Berlin um, wo er bis heute lebt. Während seines Studiums war er in verschiedenen Nebenjobs tätig, unter anderem in der Musik-Szene von Moskau. Auch in Berlin beteiligt er sich an diversen musikalischen und literarischen Veranstaltungen, darunter Kaffee Burger an der „Reformbühne Heim & Welt“ und die später international berüchtigten „Russendisko“, bis heute ist der Entertainer in ihm genauso ausgebprägt, wie der Schriftsteller. Seine Lesetouren und öffentlichen Auftritte erfreuen sich nicht zuletzt solcher Beliebtheit, weil er weiß sein Publikum zu unterhalten – eine große Rolle spielt dabei auch die Tatsache, dass er die Inspiration für seine Erzählungen immer aus seinem eigenen Leben und von Menschen in seinem Umfeld bezieht, wodurch eine besondere Vertrautheit zwischen Künstler und Publikum entsteht.
Seit der Veröffentlichung seines ersten Bestsellers Russendisko (Goldmann, 2000), welcher die oft skurrilen Erfahrungen drei russischer Neuankömmlinge im verworrenen Berlin nach der Wende berichtet, ist Wladimir Kaminer aus der zeitgenössischen deutschen Literatur nichtmehr wegzudenken. In den folgenden Jahrzehnten produzierte er zahlreiche weitere Bestseller, neben diversen journalistischen Beiträgen und Auftritten in Radio, Fernsehen und Internet. 2012 wurde die auf den Erzählungen von Kaminer basierte Filmkomödie Russendisko von Oliver Ziegenbalg, zum Kinoerfolg.
Der Erzählband Mein deutsches Dschungelbuch (Goldmann, 2003) schildert Kuriositäten aus dem deutschen Hinterland, die Kaminer auf seinen vielen Lesetouren sammelte. Ähnlich wie die Anekdoten und Einsichten in Ich bin kein Berliner : ein Reiseführer für faule Touristen (Goldmann, 2007), Mein Leben im Schrebergarten (Goldmann, 2007) und Liebesgrüße aus Deutschland (Goldmann, 2011) öffnet der Autor mit dem differenzierten Blick eines Immigranten, dem Leser die Augen für die lustigen und lächerlichen, als auch für die bezaubernden Seiten der Deutschen Kultur und Landeskunde. Aber auch die russischen Eigenheiten werden unter die Lupe genommen, so zum Beispiel in Meine russischen Nachbarn (Goldmann, 2009) oder Meine kaukasische Schwiegermutter (Goldmann, 2010).
Reisen sowie interkulturelles Neben- und Miteinander, gehören zu den beliebtesten Themen des Autors, und liefern grenzenlosen Stoff für faszinierende Theorien und Reflexionen. In einem Interview kommentierte Kaminer, dass die ganze Welt zurzeit unterwegs zu sein schiene, wobei Touristen und Flüchtlinge die beiden größten Gruppen ausmachten. Im Jahr 2018 veröffentlichte er zwei Bücher, die sich mit genau diesen beiden Gruppen auseinander setzen: Der Roman Die Kreuzfahrer (Wunderraum, 2018) erzählt zynisch von der scheinbar perfekten Welt, die noch bis vor kurzem auf den Luxus Kreuzern der Weltmeere inszeniert wurde. Im starken Kontrast dagegen steht Ausgerechnet Deutschland : Geschichten unserer neuen Nachbarn (Goldmann, 2018), in dem humorvoll von den Annäherungen und Abgrenzungen verschiedener Gruppen und Personen, die während der Flüchtlingswelle zwischen 2015 und 2018 nach Deutschland kamen dargestellt wird. Mit beiden macht der Autor gute Laune und regt zum Nachdenken an - über Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Zusammenleben.
Wladimir Kaminer sieht es „als seinen wissenschaftlichen Auftrag, die Welt in ihrer ganzen Vielfalt zu verstehen.“ Denn für ihn ist das Verstehen, dass was wir Menschen – gegenüber den Tieren – am aller besten können. Seine zuletzt veröffentlichen Titel schließen sich dieser Tradition an und bestehen aus zahlreichen Anekdoten, die man als Fallstudien des Zusammenlebens lesen kann. Liebeserklärungen (Wunderraum, 2019) konzentriert sich dabei auf die verschiedensten Formen von romantischer Liebe, während Rotkäppchen raucht auf dem Balkon : ...und andere Familiengeschichten (Goldmann, 2020) sich gezielt mit den Besonderheiten von Beziehungen und Akteuren innerhalb der Familie auseinandersetzt.
Für sein Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet und seine Titel sind fester Bestandteil der Bestseller-Listen, obwohl er selbst warnt, diese seien „für Leser kein Kompass und für Autoren keine Auszeichnung.“ Alle seine Bücher sind als Audio-Books, von ihm selbst vorgelesen, erhältlich.
• • •
„Jeder macht im Leben Kompromisse. Durch die Fähigkeit zu Kompromissen und durch Toleranz wird der Mensch erst der menschlichen Gesellschaft würdig.“
• • •
"Reisen ist, wie beim Gärtnern auf die Harke zu treten. Man spürt, dass man lebt."
• • •
„Allein schon der Begriff "Toleranz" setzt voraus, dass man von Zurückgebliebenen umgeben ist, die man tolerieren muss, als wäre man selbst der Träger einer höheren, überlegenen Kultur, die sich selbst nie hinterfragt.”
• • •
„Kreuzfahrten sind eine seltsame Mischung aus Empathie und Schweinerei. Tagsüber diskutieren die Menschen über den Klimawandel und globale Ungerechtigkeit. Sie leiden, sie fiebern mit der Welt mit. Abends machen sie Party…“
• • •
„Die wahre Revolution ist die Migration. Die ganze Welt scheint zurzeit unterwegs zu sein. Wenn man woanders hingehen kann, ergibt es keinen Sinn mehr, seinen Staat zu retten.“
»Mal ernsthaft, mal kauzig, mal pikant erzählt Kaminer mit präziser Beobachtungsgabe und seinem legendären hintergründigen Charme.« Wilhelmshavener Zeitung
Wladimir Kaminer sagt über sich selbst er sei „privat ein Russe und beruflich deutscher Schriftsteller“, was viel über seine Identität verrät, aber auch einiges über seine typische Ausdrucksweise preis gibt: auf den Punkt gebracht mit einem ihm eigenen Sinn für Humor, den er geschickt einsetzt um die Aufmerksamkeit seiner Leser auf die Absurditäten und Außergewöhnlichkeiten des Alltags zu lenken. Dies hat dazu beigetragen, dass seine Popularität beim deutschen Publikum seit über 20 Jahren anhält und er auch international viele Fans für sich gewinnen konnte.
Nachdem Kaminer in seiner Geburtsstadt Moskau eine Ausbildung zum Toningenieur für Theater und Rundfunk absolvierte, siedelte er 1990 nach Berlin um, wo er bis heute lebt. Während seines Studiums war er in verschiedenen Nebenjobs tätig, unter anderem in der Musik-Szene von Moskau. Auch in Berlin beteiligt er sich an diversen musikalischen und literarischen Veranstaltungen, darunter Kaffee Burger an der „Reformbühne Heim & Welt“ und die später international berüchtigten „Russendisko“, bis heute ist der Entertainer in ihm genauso ausgebprägt, wie der Schriftsteller. Seine Lesetouren und öffentlichen Auftritte erfreuen sich nicht zuletzt solcher Beliebtheit, weil er weiß sein Publikum zu unterhalten – eine große Rolle spielt dabei auch die Tatsache, dass er die Inspiration für seine Erzählungen immer aus seinem eigenen Leben und von Menschen in seinem Umfeld bezieht, wodurch eine besondere Vertrautheit zwischen Künstler und Publikum entsteht.
Seit der Veröffentlichung seines ersten Bestsellers Russendisko (Goldmann, 2000), welcher die oft skurrilen Erfahrungen drei russischer Neuankömmlinge im verworrenen Berlin nach der Wende berichtet, ist Wladimir Kaminer aus der zeitgenössischen deutschen Literatur nichtmehr wegzudenken. In den folgenden Jahrzehnten produzierte er zahlreiche weitere Bestseller, neben diversen journalistischen Beiträgen und Auftritten in Radio, Fernsehen und Internet. 2012 wurde die auf den Erzählungen von Kaminer basierte Filmkomödie Russendisko von Oliver Ziegenbalg, zum Kinoerfolg.
Der Erzählband Mein deutsches Dschungelbuch (Goldmann, 2003) schildert Kuriositäten aus dem deutschen Hinterland, die Kaminer auf seinen vielen Lesetouren sammelte. Ähnlich wie die Anekdoten und Einsichten in Ich bin kein Berliner : ein Reiseführer für faule Touristen (Goldmann, 2007), Mein Leben im Schrebergarten (Goldmann, 2007) und Liebesgrüße aus Deutschland (Goldmann, 2011) öffnet der Autor mit dem differenzierten Blick eines Immigranten, dem Leser die Augen für die lustigen und lächerlichen, als auch für die bezaubernden Seiten der Deutschen Kultur und Landeskunde. Aber auch die russischen Eigenheiten werden unter die Lupe genommen, so zum Beispiel in Meine russischen Nachbarn (Goldmann, 2009) oder Meine kaukasische Schwiegermutter (Goldmann, 2010).
Reisen sowie interkulturelles Neben- und Miteinander, gehören zu den beliebtesten Themen des Autors, und liefern grenzenlosen Stoff für faszinierende Theorien und Reflexionen. In einem Interview kommentierte Kaminer, dass die ganze Welt zurzeit unterwegs zu sein schiene, wobei Touristen und Flüchtlinge die beiden größten Gruppen ausmachten. Im Jahr 2018 veröffentlichte er zwei Bücher, die sich mit genau diesen beiden Gruppen auseinander setzen: Der Roman Die Kreuzfahrer (Wunderraum, 2018) erzählt zynisch von der scheinbar perfekten Welt, die noch bis vor kurzem auf den Luxus Kreuzern der Weltmeere inszeniert wurde. Im starken Kontrast dagegen steht Ausgerechnet Deutschland : Geschichten unserer neuen Nachbarn (Goldmann, 2018), in dem humorvoll von den Annäherungen und Abgrenzungen verschiedener Gruppen und Personen, die während der Flüchtlingswelle zwischen 2015 und 2018 nach Deutschland kamen dargestellt wird. Mit beiden macht der Autor gute Laune und regt zum Nachdenken an - über Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Zusammenleben.
Wladimir Kaminer sieht es „als seinen wissenschaftlichen Auftrag, die Welt in ihrer ganzen Vielfalt zu verstehen.“ Denn für ihn ist das Verstehen, dass was wir Menschen – gegenüber den Tieren – am aller besten können. Seine zuletzt veröffentlichen Titel schließen sich dieser Tradition an und bestehen aus zahlreichen Anekdoten, die man als Fallstudien des Zusammenlebens lesen kann. Liebeserklärungen (Wunderraum, 2019) konzentriert sich dabei auf die verschiedensten Formen von romantischer Liebe, während Rotkäppchen raucht auf dem Balkon : ...und andere Familiengeschichten (Goldmann, 2020) sich gezielt mit den Besonderheiten von Beziehungen und Akteuren innerhalb der Familie auseinandersetzt.
Für sein Werk wurde er mehrfach ausgezeichnet und seine Titel sind fester Bestandteil der Bestseller-Listen, obwohl er selbst warnt, diese seien „für Leser kein Kompass und für Autoren keine Auszeichnung.“ Alle seine Bücher sind als Audio-Books, von ihm selbst vorgelesen, erhältlich.
• • •
„Jeder macht im Leben Kompromisse. Durch die Fähigkeit zu Kompromissen und durch Toleranz wird der Mensch erst der menschlichen Gesellschaft würdig.“
• • •
"Reisen ist, wie beim Gärtnern auf die Harke zu treten. Man spürt, dass man lebt."
• • •
„Allein schon der Begriff "Toleranz" setzt voraus, dass man von Zurückgebliebenen umgeben ist, die man tolerieren muss, als wäre man selbst der Träger einer höheren, überlegenen Kultur, die sich selbst nie hinterfragt.”
• • •
„Kreuzfahrten sind eine seltsame Mischung aus Empathie und Schweinerei. Tagsüber diskutieren die Menschen über den Klimawandel und globale Ungerechtigkeit. Sie leiden, sie fiebern mit der Welt mit. Abends machen sie Party…“
• • •
„Die wahre Revolution ist die Migration. Die ganze Welt scheint zurzeit unterwegs zu sein. Wenn man woanders hingehen kann, ergibt es keinen Sinn mehr, seinen Staat zu retten.“
* 8. August 1960 in Soest (Westf.)
„Ralf König ist …auf dem berühmten Teppich geblieben, ein angenehmer Zeitgenosse, der klug ist, ohne zu bevormunden, ein Profi, der ausschließlich glänzt und sprüht in seinen Arbeiten, einer, der kokett sein kann und geil, grundehrlich und cool, und sich dann doch immer wieder rettet in seine Melancholie.“ – Berliner Zeitung
Ralf König, ein selbsterklärte Kulturpessimist, gehört zu den geläufigsten Namen der deutschen Comic-Szene, in der er vor allem dafür bekannt ist, nicht vor schwierigen Themen zu scheuen, sondern ganz im Gegenteil, sich genau diese auf seine Fahne zu schreiben. Trotzdem steht für ihn, nach fast einem halben Jahrhundert Comiczeichnen, Aktivismus und Kontroversen, immer noch der Humor an allererster Stelle, für welchen er weit über die Grenzen des Landes berühmt berüchtigt ist.
Obwohl er zunächst eine Tischlerlehre absolvierte, entschied sich Ralf König bereits als 21-Jähriger gegen eine Handwerker Laufbahn und begann ein Studium an der staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf, heute lebt der Autor seit über 20 Jahren in Köln. Bereits während des Studiums engagierte er sich aktiv für die Schwulenbewegung und veröffentlicht seine ersten Comic-Strips in Zeitschriften wie Rosa Flieder und Somix, die eine überwiegend schwule Leserschaft erreichten.
Den Durchbruch beim Mainstream-Publikum schaffte er mit seinem ersten bei einem großen Verlag veröffentlichten Buch, Der bewegte Mann (Rowohlt, 1987) und dessen Fortsetzung Pretty Baby. Der bewegte Mann 2 (Rowohlt, 1988). Bemerkenswert war dieser Erfolg nicht nur, weil der Comic-Roman überwiegend von schwulen Charakteren handelt und Homosexualität zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch als ein Tabu-Thema galt, sondern auch deshalb, weil es einer der ersten deutschen Comics mit einer Länge von über 100 Seiten war, ein Format das erst später, durch die Verbreitung der Graphic Novel an Popularität gewann. Trotzdem wurde das Buch so beliebt, dass es 1994 von Sönke Worthmann zu einem Kinohit verfilmt wurde und 2017 in Hamburg als Musical prämierte.
Die Auseinandersetzung mit Themen wie AIDS in Super Paradise (Rowohlt, 1999), die gleichgeschlechtliche Ehe in Sie dürfen sich jetzt küssen (Rowohlt, 2007) und sinkendem männlichen Libido und andere Anekdoten der Midlife-Crisis in Herbst in der Hose (Rowohlt, 2017), hat sich Ralf König den Ruf als Chronisten der Schwulenbewegung verdient. Der renommierte Filmemacher Rosa von Praunheim, der zu einem der bedeutendsten Persönlichkeiten der Schwulenbewegung in Deutschland zählt, zeigt in dem Dokumentarfilm König des Comics (2012), wie Ralf König mit seinem Leben und Werk wesentlich dazu beitrug, Vorurteile gegen GLBTQ Menschen abzubauen und das Thema in Deutschland zu normalisieren.
Seit einigen Jahren beschäftigt sich Ralf König mit diversen anderen Themen, die er von seinen charakteristisch knubbelnasigen Figuren in unterhaltsamen, und immer beeindruckend sorgsam recherchierten Geschichten ausgehandelt werden. Dazu gehören nicht zuletzt Religion, in der adaptierten Version der Entstehungsgeschichte und der Vertreibung aus dem Paradies Prototyp (Rowohlt, 2008) und der Nacherzählung der berühmten kölnischen Legende der Elftausend Jungfrauen (Rowohlt, 2012), oder von der Evolution des Menschen und der damit verbundenen Zerstörung der Umwelt in Stehaufmännchen (Rowohlt, 2019).
Bildergeschichten haben in Deutschland eine lange Tradition, beginnend mit dem Max und Moritz Schöpfer, Wilhelm Busch, der Generationen von Künstlern prägten – darunter auch Ralf König. Mit der Veröffentlichung von Wilhelm Busch und die Folgen (Egmont Verlag, 2007) ehrte er, in Zusammenarbeit mit einigen der erfolgreichsten deutschen Comicautoren, Buschs 100. Todestag, mit einer Sammlung von modernen Aufarbeitungen seiner beliebtesten Figuren.
Wie bei seinem legendären Vorbild, zeigen Ralf Königs Charaktere oft karikaturistische Merkmale. Karikaturen, die übertriebene Darstellung von Gruppen oder auch gesellschaftlichen Zuständen, wurden während des Nationalsozialismus vor allem zur Verbreitung von antisemitischer Propaganda ausgenutzt und werden deshalb bis heute von vielen Menschen, vor allem in Deutschland, besonders kritisch unter die antifaschistische Lupe genommen und oft für ein angebliches diskriminierendes Potential angegriffen.
2019 erreichte Ralf König eben diese Anschuldigung ausgerechnet aus den eignen Reihen, als ihm von einer GLBTIQ+ Gruppe Diskriminierung von Minderheiten vorgeworfen wurde - König nutze diesen Vorfall als Anstoß, um politische Korrektheit und die Fragmentierung der Queer Community zu recherchieren, entschied sich jedoch vorerst dagegen das Material in einen Comic zu verarbeiten.
Von der Corona Krise inspiriert, begann er stattdessen täglich einen Comicstrip über seine beliebten Figuren Konrad und Paul und ihre Erlebnisse in der häuslichen Isolation auf Facebook zu veröffentlichen. Die lustigen Anekdoten, mit denen der Autor vielen Lesern*innen die soziale Isolation etwas versüßen konnte, stieß auf solche Beliebtheit, dass der Rowohlt Verlag sich entschied sie in einen Sammelband zu veröffentlichen.
Zu den diversen Auszeichnungen des Autors gehören unter anderem der Wilhelm-Busch-Preis, diverse Max-und-Moritz Preise, zuletzt 2019 für sein Lebenswerk. Sein Werk wurde in 15 Sprachen übersetzt und erhielt internationale Anerkennungen sowie den Preis für das beste Szenario bei dem Internationalen Comicfestival von Angoulême in Frankreich und den Preis für die beste Lange Geschichte in Lucca, Italien. 2006 erhielt er außerdem den Spezial Preis der Jury beim Internationalen Comic-Salon in Erlangen, für seine „künstlerische Stellungnahme im Streit um die Mohammed-Karikaturen“ in dem er sich überzeugend für Meinungsfreiheit aussprach.
• • •
„Vielleicht stirbt nicht die Hoffnung zuletzt, sondern der Humor.“
• • •
„Was ich erleben wollte, aber nicht erlebte, habe ich gezeichnet. Noch mal ein Hoch auf die Langeweile.“
• • •
Seit über 25 Jahren zeichne ich nun „schwule“ Comics, und obwohl ich das nie beabsichtigt habe, sind diese Bücher manchmal zu Vermittlern geworden, die wohl halfen, die Kluft zwischen „schwul“ und „hetero“ etwas zu überbrücken. Es passierte einfach, ich nehme an, über die Humorschiene."
• • •
„Aber weil das, was ich mache, KARIKATUR ist, mit dem diesem Medium unvermeidlich innewohnenden Merkmal der Übertreibung, wird man immer und in jedem meiner Bücher etwas finden, das man mir vorwerfen kann.“
„Ralf König ist …auf dem berühmten Teppich geblieben, ein angenehmer Zeitgenosse, der klug ist, ohne zu bevormunden, ein Profi, der ausschließlich glänzt und sprüht in seinen Arbeiten, einer, der kokett sein kann und geil, grundehrlich und cool, und sich dann doch immer wieder rettet in seine Melancholie.“ – Berliner Zeitung
Ralf König, ein selbsterklärte Kulturpessimist, gehört zu den geläufigsten Namen der deutschen Comic-Szene, in der er vor allem dafür bekannt ist, nicht vor schwierigen Themen zu scheuen, sondern ganz im Gegenteil, sich genau diese auf seine Fahne zu schreiben. Trotzdem steht für ihn, nach fast einem halben Jahrhundert Comiczeichnen, Aktivismus und Kontroversen, immer noch der Humor an allererster Stelle, für welchen er weit über die Grenzen des Landes berühmt berüchtigt ist.
Obwohl er zunächst eine Tischlerlehre absolvierte, entschied sich Ralf König bereits als 21-Jähriger gegen eine Handwerker Laufbahn und begann ein Studium an der staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf, heute lebt der Autor seit über 20 Jahren in Köln. Bereits während des Studiums engagierte er sich aktiv für die Schwulenbewegung und veröffentlicht seine ersten Comic-Strips in Zeitschriften wie Rosa Flieder und Somix, die eine überwiegend schwule Leserschaft erreichten.
Den Durchbruch beim Mainstream-Publikum schaffte er mit seinem ersten bei einem großen Verlag veröffentlichten Buch, Der bewegte Mann (Rowohlt, 1987) und dessen Fortsetzung Pretty Baby. Der bewegte Mann 2 (Rowohlt, 1988). Bemerkenswert war dieser Erfolg nicht nur, weil der Comic-Roman überwiegend von schwulen Charakteren handelt und Homosexualität zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch als ein Tabu-Thema galt, sondern auch deshalb, weil es einer der ersten deutschen Comics mit einer Länge von über 100 Seiten war, ein Format das erst später, durch die Verbreitung der Graphic Novel an Popularität gewann. Trotzdem wurde das Buch so beliebt, dass es 1994 von Sönke Worthmann zu einem Kinohit verfilmt wurde und 2017 in Hamburg als Musical prämierte.
Die Auseinandersetzung mit Themen wie AIDS in Super Paradise (Rowohlt, 1999), die gleichgeschlechtliche Ehe in Sie dürfen sich jetzt küssen (Rowohlt, 2007) und sinkendem männlichen Libido und andere Anekdoten der Midlife-Crisis in Herbst in der Hose (Rowohlt, 2017), hat sich Ralf König den Ruf als Chronisten der Schwulenbewegung verdient. Der renommierte Filmemacher Rosa von Praunheim, der zu einem der bedeutendsten Persönlichkeiten der Schwulenbewegung in Deutschland zählt, zeigt in dem Dokumentarfilm König des Comics (2012), wie Ralf König mit seinem Leben und Werk wesentlich dazu beitrug, Vorurteile gegen GLBTQ Menschen abzubauen und das Thema in Deutschland zu normalisieren.
Seit einigen Jahren beschäftigt sich Ralf König mit diversen anderen Themen, die er von seinen charakteristisch knubbelnasigen Figuren in unterhaltsamen, und immer beeindruckend sorgsam recherchierten Geschichten ausgehandelt werden. Dazu gehören nicht zuletzt Religion, in der adaptierten Version der Entstehungsgeschichte und der Vertreibung aus dem Paradies Prototyp (Rowohlt, 2008) und der Nacherzählung der berühmten kölnischen Legende der Elftausend Jungfrauen (Rowohlt, 2012), oder von der Evolution des Menschen und der damit verbundenen Zerstörung der Umwelt in Stehaufmännchen (Rowohlt, 2019).
Bildergeschichten haben in Deutschland eine lange Tradition, beginnend mit dem Max und Moritz Schöpfer, Wilhelm Busch, der Generationen von Künstlern prägten – darunter auch Ralf König. Mit der Veröffentlichung von Wilhelm Busch und die Folgen (Egmont Verlag, 2007) ehrte er, in Zusammenarbeit mit einigen der erfolgreichsten deutschen Comicautoren, Buschs 100. Todestag, mit einer Sammlung von modernen Aufarbeitungen seiner beliebtesten Figuren.
Wie bei seinem legendären Vorbild, zeigen Ralf Königs Charaktere oft karikaturistische Merkmale. Karikaturen, die übertriebene Darstellung von Gruppen oder auch gesellschaftlichen Zuständen, wurden während des Nationalsozialismus vor allem zur Verbreitung von antisemitischer Propaganda ausgenutzt und werden deshalb bis heute von vielen Menschen, vor allem in Deutschland, besonders kritisch unter die antifaschistische Lupe genommen und oft für ein angebliches diskriminierendes Potential angegriffen.
2019 erreichte Ralf König eben diese Anschuldigung ausgerechnet aus den eignen Reihen, als ihm von einer GLBTIQ+ Gruppe Diskriminierung von Minderheiten vorgeworfen wurde - König nutze diesen Vorfall als Anstoß, um politische Korrektheit und die Fragmentierung der Queer Community zu recherchieren, entschied sich jedoch vorerst dagegen das Material in einen Comic zu verarbeiten.
Von der Corona Krise inspiriert, begann er stattdessen täglich einen Comicstrip über seine beliebten Figuren Konrad und Paul und ihre Erlebnisse in der häuslichen Isolation auf Facebook zu veröffentlichen. Die lustigen Anekdoten, mit denen der Autor vielen Lesern*innen die soziale Isolation etwas versüßen konnte, stieß auf solche Beliebtheit, dass der Rowohlt Verlag sich entschied sie in einen Sammelband zu veröffentlichen.
Zu den diversen Auszeichnungen des Autors gehören unter anderem der Wilhelm-Busch-Preis, diverse Max-und-Moritz Preise, zuletzt 2019 für sein Lebenswerk. Sein Werk wurde in 15 Sprachen übersetzt und erhielt internationale Anerkennungen sowie den Preis für das beste Szenario bei dem Internationalen Comicfestival von Angoulême in Frankreich und den Preis für die beste Lange Geschichte in Lucca, Italien. 2006 erhielt er außerdem den Spezial Preis der Jury beim Internationalen Comic-Salon in Erlangen, für seine „künstlerische Stellungnahme im Streit um die Mohammed-Karikaturen“ in dem er sich überzeugend für Meinungsfreiheit aussprach.
• • •
„Vielleicht stirbt nicht die Hoffnung zuletzt, sondern der Humor.“
• • •
„Was ich erleben wollte, aber nicht erlebte, habe ich gezeichnet. Noch mal ein Hoch auf die Langeweile.“
• • •
Seit über 25 Jahren zeichne ich nun „schwule“ Comics, und obwohl ich das nie beabsichtigt habe, sind diese Bücher manchmal zu Vermittlern geworden, die wohl halfen, die Kluft zwischen „schwul“ und „hetero“ etwas zu überbrücken. Es passierte einfach, ich nehme an, über die Humorschiene."
• • •
„Aber weil das, was ich mache, KARIKATUR ist, mit dem diesem Medium unvermeidlich innewohnenden Merkmal der Übertreibung, wird man immer und in jedem meiner Bücher etwas finden, das man mir vorwerfen kann.“
* 1967 in Hamburg, Deutschland
„Kreitz, eine feste Größe in der deutschsprachigen Szene, hat in ihren Comics eine gewisse Vorliebe für Kriminalstoffe gezeigt, die oft im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts spielen, wie zum Beispiel ihr Porträt des Serienmörders Haarmann. Mit ihrem feinen Bleistiftstrich kombiniert sie dabei subtil die Schattenwelt des expressionistischen Kinos mit der Klarheit der Neuen Sachlichkeit.“ Thomas von Steinaecker
Die gebürtige Hamburgerin begann ihre künstlerische Laufbahn an der dortigen Fachhochschule für Gestaltung und später an der Parsons School of Design in New York, wo sie einen Kurs mit Ken Landgraf unter dem Titel How to Draw Comics the Marvel Way besuchte. Inspiriert kehrte sie Anfang der 90er Jahre nach Hamburg zurück und arbeitete zunächst an Comic Strips für Zeitungen – unter anderem wirkte sie an dem beliebten Ottifanten mit, produzierte ihren eigenen Strip unter dem Titel Heiß und fettig und veröffentlichte den ersten Band der 3-teilige Serie über den U-Bahn Surfer, Ralf.
Die Flexibilität und Vielseitigkeit der Autorin bildete sich über die darauffolgenden Jahren kontinuierlich aus; in dieser Zeit kollaborierte Isabel Kreitz mit zahlreichen Verlagen, Zeitungen, Initiativen, Autoren und Künstlern um ein unglaublich vielfältiges Portfolio von Publikationen zu erzeugen und damit eine außergewöhnlich diverse Zielgruppe und Leserschaft für sich zu begeistern.
Besondere Anerkennung erhielt sie für ihre Literaturadaptionen und Graphic Novels, wie Die Entdeckung der Currywurst (Carlsen Verlag, 1996), nach der gleichnamigen Novelle von Uwe Timm, Die Sache mit Sorge – Stalins Spion in Tokio (Carlsen Verlag, 2008) und für ihre Comic Adaptionen von Erich Kästners beliebten Kinderbüchern, inklusive Der 35. Mai (Dressler Verlag, 2006), Emil und die Detektive (Dressler Verlag, 2012). Ihr Talent für die Darstellung historischer Ereignis demonstriert sie, in beeindruckender Weise, in Deutschland. Ein Bilderbuch (Dumont Buchverlag, 2011), in dem sie einen hervorragender Einblick in die bedeutendsten Momente der deutschen, zeitgenössische Geschichte der letzten 70 Jahre schafft.
Unter den zahlreichen Auszeichnungen, die die Autorin im Laufe ihrer Karriere erhielt, befinden sich der Deutsche Comic-Preis des Internationalen Comic-Festivals Hamburg (1997), der Max und Moritz-Preis (2008) in der Kategorie „Beste deutschsprachige Comic-Publikationen für Kinder und Jugendliche“, der Sondermann-Preis – Publikumspreis der Frankfurter Buchmesse (2008), für den besten nationalen Comic, und der Max und Moritz-Preis (2012) in der Kategorie „Beste deutsche Zeichnerin“.
Trotz ihres Erfolges weiß die Autorin von den Herausforderungen Bescheid die mit dem Comic Milieu verbunden sind. Die andauernde Debatte über die Gültigkeit dieser Kunstform als Literatur, die Vorurteile von Lesern und Kritikern gegenüber des Comics als Unterhaltungsform und dem literarischen Stellenwertes von Comics, und die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten sich ausschließlich mit Comics über Wasser zu halten beeinflussen das kreatives Schaffen der Künstlerin, und so illustriert sie auch Werbungen und andere Kampagnen. Sie beschreibt dies als „Eine gute Mischung aus Broterwerb, Jobs und Comic-Zeichnen für Spaß, Ruhm und Ehre“ und findet dies nach eigenen Angaben „ganz angenehm“.
Unter anderem beschäftigen sich ihre Werke mit Sozialkritik, Geschichte, Politik und Drama, wobei sie immer wieder ihr Talent dafür zeigt, diese Themen mit Humor und Leichtigkeit zu diskutieren. Ihr politisches Engagement, ihr Interesse für Geschichte und ihre Liebe für die Heimatstadt Hamburg zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Arbeit. Schon 1996 veröffentlichte sie den Comic Unter uns in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung, um die jugendliche Zielgruppe über Dynamiken rechtsextremer Gruppierungen aufzuklären, und 2017 arbeitete sie dem Hilfetelefon – Gewalt Gegen Frauen, an dem Online-Comic Hinter Türen.
Nicht nur auf Grund des Stoffes den sie in ihren Comics inhaltlich behandelt, bietet das Werk von Kreitz eine herausfordernde und anregende Lektüre, sondern vor allem durch die Art und Weise wie sie Geschichten erzählt. Beim Lesen wird schnell offensichtlich, dass die Künstlerin ihre Materie ausgiebig recherchiert um dem Leser ihre Vertrautheit mit Schauplätzen und Charakteren weiterzuvermitteln. Ihr realistischer Zeichenstil trägt weiter hierzu bei, so dass der Leser einen einzigartigen Einblick in das zerstörte Hamburg der Nachkriegszeit, die atemberaubende Spannung des Lebens eines sowjetischen Spions in Tokyo oder auch die fabelhaften Abenteuer von Erich Kästner gewinnt. Diese Fähigkeit hat dazu beigesteuert, dass Isabel Kreitz seit über 2 Jahrzehnten eine feste Größe in der deutschen Comic-Elite ist und ihre neuen Veröffentlichungen stets mit großer Antizipation erwartet werden.
"Der Comic ist ein Mittel, um Welten wiederauferstehen zu lassen, die nicht mehr da sind."
"Die Geschichte nehme ich aus der Literatur, aber die Art und Weise wie ich diese Geschichte erzähle, nehme ich aus dem Film."
"Ich hoffe immer, dass die Leute die Comics nicht wegen der Zeichnungen, sondern wegen des Themas oder der Geschichte kaufen. Und dass sie sich, wenn sie eine Geschichte interessiert, auch mit einem Zeichenstil auseinandersetzen, der nicht so bequem ist."
"Wenn mir eine Geschichte gut gefällt, dann versuche ich daraus meinen eigenen Film zu machen. Das habe ich schon als Kind mit irgendwelchen Geschichten gemacht und im Grunde mache ich heute nichts anderes."
„Kreitz, eine feste Größe in der deutschsprachigen Szene, hat in ihren Comics eine gewisse Vorliebe für Kriminalstoffe gezeigt, die oft im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts spielen, wie zum Beispiel ihr Porträt des Serienmörders Haarmann. Mit ihrem feinen Bleistiftstrich kombiniert sie dabei subtil die Schattenwelt des expressionistischen Kinos mit der Klarheit der Neuen Sachlichkeit.“ Thomas von Steinaecker
Die gebürtige Hamburgerin begann ihre künstlerische Laufbahn an der dortigen Fachhochschule für Gestaltung und später an der Parsons School of Design in New York, wo sie einen Kurs mit Ken Landgraf unter dem Titel How to Draw Comics the Marvel Way besuchte. Inspiriert kehrte sie Anfang der 90er Jahre nach Hamburg zurück und arbeitete zunächst an Comic Strips für Zeitungen – unter anderem wirkte sie an dem beliebten Ottifanten mit, produzierte ihren eigenen Strip unter dem Titel Heiß und fettig und veröffentlichte den ersten Band der 3-teilige Serie über den U-Bahn Surfer, Ralf.
Die Flexibilität und Vielseitigkeit der Autorin bildete sich über die darauffolgenden Jahren kontinuierlich aus; in dieser Zeit kollaborierte Isabel Kreitz mit zahlreichen Verlagen, Zeitungen, Initiativen, Autoren und Künstlern um ein unglaublich vielfältiges Portfolio von Publikationen zu erzeugen und damit eine außergewöhnlich diverse Zielgruppe und Leserschaft für sich zu begeistern.
Besondere Anerkennung erhielt sie für ihre Literaturadaptionen und Graphic Novels, wie Die Entdeckung der Currywurst (Carlsen Verlag, 1996), nach der gleichnamigen Novelle von Uwe Timm, Die Sache mit Sorge – Stalins Spion in Tokio (Carlsen Verlag, 2008) und für ihre Comic Adaptionen von Erich Kästners beliebten Kinderbüchern, inklusive Der 35. Mai (Dressler Verlag, 2006), Emil und die Detektive (Dressler Verlag, 2012). Ihr Talent für die Darstellung historischer Ereignis demonstriert sie, in beeindruckender Weise, in Deutschland. Ein Bilderbuch (Dumont Buchverlag, 2011), in dem sie einen hervorragender Einblick in die bedeutendsten Momente der deutschen, zeitgenössische Geschichte der letzten 70 Jahre schafft.
Unter den zahlreichen Auszeichnungen, die die Autorin im Laufe ihrer Karriere erhielt, befinden sich der Deutsche Comic-Preis des Internationalen Comic-Festivals Hamburg (1997), der Max und Moritz-Preis (2008) in der Kategorie „Beste deutschsprachige Comic-Publikationen für Kinder und Jugendliche“, der Sondermann-Preis – Publikumspreis der Frankfurter Buchmesse (2008), für den besten nationalen Comic, und der Max und Moritz-Preis (2012) in der Kategorie „Beste deutsche Zeichnerin“.
Trotz ihres Erfolges weiß die Autorin von den Herausforderungen Bescheid die mit dem Comic Milieu verbunden sind. Die andauernde Debatte über die Gültigkeit dieser Kunstform als Literatur, die Vorurteile von Lesern und Kritikern gegenüber des Comics als Unterhaltungsform und dem literarischen Stellenwertes von Comics, und die damit zusammenhängenden Schwierigkeiten sich ausschließlich mit Comics über Wasser zu halten beeinflussen das kreatives Schaffen der Künstlerin, und so illustriert sie auch Werbungen und andere Kampagnen. Sie beschreibt dies als „Eine gute Mischung aus Broterwerb, Jobs und Comic-Zeichnen für Spaß, Ruhm und Ehre“ und findet dies nach eigenen Angaben „ganz angenehm“.
Unter anderem beschäftigen sich ihre Werke mit Sozialkritik, Geschichte, Politik und Drama, wobei sie immer wieder ihr Talent dafür zeigt, diese Themen mit Humor und Leichtigkeit zu diskutieren. Ihr politisches Engagement, ihr Interesse für Geschichte und ihre Liebe für die Heimatstadt Hamburg zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Arbeit. Schon 1996 veröffentlichte sie den Comic Unter uns in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung, um die jugendliche Zielgruppe über Dynamiken rechtsextremer Gruppierungen aufzuklären, und 2017 arbeitete sie dem Hilfetelefon – Gewalt Gegen Frauen, an dem Online-Comic Hinter Türen.
Nicht nur auf Grund des Stoffes den sie in ihren Comics inhaltlich behandelt, bietet das Werk von Kreitz eine herausfordernde und anregende Lektüre, sondern vor allem durch die Art und Weise wie sie Geschichten erzählt. Beim Lesen wird schnell offensichtlich, dass die Künstlerin ihre Materie ausgiebig recherchiert um dem Leser ihre Vertrautheit mit Schauplätzen und Charakteren weiterzuvermitteln. Ihr realistischer Zeichenstil trägt weiter hierzu bei, so dass der Leser einen einzigartigen Einblick in das zerstörte Hamburg der Nachkriegszeit, die atemberaubende Spannung des Lebens eines sowjetischen Spions in Tokyo oder auch die fabelhaften Abenteuer von Erich Kästner gewinnt. Diese Fähigkeit hat dazu beigesteuert, dass Isabel Kreitz seit über 2 Jahrzehnten eine feste Größe in der deutschen Comic-Elite ist und ihre neuen Veröffentlichungen stets mit großer Antizipation erwartet werden.
"Der Comic ist ein Mittel, um Welten wiederauferstehen zu lassen, die nicht mehr da sind."
"Die Geschichte nehme ich aus der Literatur, aber die Art und Weise wie ich diese Geschichte erzähle, nehme ich aus dem Film."
"Ich hoffe immer, dass die Leute die Comics nicht wegen der Zeichnungen, sondern wegen des Themas oder der Geschichte kaufen. Und dass sie sich, wenn sie eine Geschichte interessiert, auch mit einem Zeichenstil auseinandersetzen, der nicht so bequem ist."
"Wenn mir eine Geschichte gut gefällt, dann versuche ich daraus meinen eigenen Film zu machen. Das habe ich schon als Kind mit irgendwelchen Geschichten gemacht und im Grunde mache ich heute nichts anderes."
Foto: Heinrich Mann © S. Fischer Verlag GmbH
* 27. März 1871 in Lübeck | † 11. März 1950 in Santa Monica, Kalifornien
Der Autor als Gesellschaftskritiker – Heinrich Mann hat diese Rolle als Erster in Deutschland geprägt und im Geiste europäischer Kultur mit Substanz und Würde gefüllt. In seiner Analyse deutschen Wesens sollte man immer denken, wenn Obrigkeiten unsere Fügsamkeit einfordern. (Joachim Scholl)
Heinrich Mann begann schon früh politische Reflektionen zu schreiben, lebte nahezu unkonform, brach die Schule vorzeitig ab. Auch seine Ausbildung zum Buchhändler und sein Volontariat an einem Verlag brach er entgegen der Wunschvorstellung seiner Eltern ab. Nach mehreren Versuchen, dem traditionellen Berufsweg mit Ausbildung und Abschluss zu folgen, lebte er als freier Schriftsteller in München, Berlin und häufig in Italien. Seine ersten Romane Im Schlaraffenland (1900), Die Göttinnen (1903) sowie Die Jagd nach Liebe (1903) schrieb er ganz im Stil des Fin-de-Siècles, welche aber zum Teil antisemitisch geprägt waren. Im Jahre 1904 wurde sein Roman Professor Unrat veröffentlicht, eine Karikatur des Deutschen Bildungsbürgers. Es zeigte, welche Höhe die Doppelmoral des Bürgertums erreichen kann, wenn es sich von oberflächlichen Werten bestimmen lässt. Das Werk ist darüber hinaus ein Dokument für die Mentalität in Deutschland vor den Weltkriegen.
Als er 1871 als ältester Sohn von insgesamt 5 Kindern einer Kaufmannsfamilie geboren wurde, zählte diese zu den vornehmsten Familien Lübecks. Seine Mutter Julia da Silva-Bruhns, emigrierte in ihren Kindheitsjahren von Brasilien nach Deutschland und stammte selbst aus einer wohlhabenden Fürstenfamilie. Einen Einfluss seiner brasilianischen Wurzeln wurden in seinen Werken jedoch bis heute nicht identifiziert. Das Herrenhaus im Staat Rio de Janeiro, in welchem sie ihre ersten Lebensjahre wohnte, existiert bis heute, steht aber weitestgehend unbewohnt und leer.
Heinrich Manns Vater war Senator für Finanzen und Wirtschaft sowie Inhaber eines Handelshauses. Der Wohlstand der Familie Mann ging nach seinem Tod und der damit einhergehenden Schließung seiner Firma jedoch zu Ende. Diesen Niedergang dokumentierte Bruder Thomas später in dem Roman Buddenbrooks (1901). Beide Brüder zog es beruflich, wenn auch in gegensätzliche Richtungen, danach erst richtig in die Literatur.
Politisch konservativ zu denken, lag bereits in der Natur des sozialen Milieus der Familie. Möglicherweise ein Grund weshalb sich Thomas während des WK I von der allgemeinen Kriegsbegeisterung mitziehen ließ. Heinrich hingegen rebellierte schon früh gegen vorherrschende militaristische und imperialistische Denkweisen. Diese grundlegende Meinungsverschiedenheit führte zu einem langen Kontaktbruch zwischen den Brüdern. Erst nach dem WK I, als sich Thomas öffentlich für die Weimarer Republik und seine demokratischen Werte äußerte, kam es wieder zu Annährungen. Mit dem Ende des Krieges verkaufte sich der kurz vorher noch der Zensur zum Opfer fallende Roman Der Untertan zu hunderttausendfach. Heinrich duldete aber noch immer keine Genugtuung und kämpfte weiter, blieb kritisch, setzte sich für die junge Demokratie, den Völkerbund und dem Ausgleich mit Frankreich ein. Sein sozialkritischer zuvor veröffentlichter Roman Professor Unrat wurde 1930, mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle, mit großem Erfolg verfilmt (Der blaue Engel).
Als Hitler immer mehr an Zustimmung und Befürwortern im deutschen Volk gewann, bemerkte Heinrich schon früh die Gefahr. Nach der Machtübernahme und nach dem man ihn am 15. Februar 1933 aus der Akademie der Künste ausschloss, floh er noch am selben Abend nach Paris. Er sah Deutschland zum letzten Mahl. Im selben Jahr wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Im französischen Exil entfaltete er noch einmal alle publizistischen Kräfte im Kampf gegen die Nazis, musste 1940 aber doch weiter in die USA flüchten. Dies rettete ihm zwar das Leben, führte ihn aber in Armut und Einsamkeit, denn von seiner eigenen Arbeit konnte er dort nicht mehr leben und war von der finanziellen Hilfe seines Bruders Thomas abhängig. Die Unterstützung wurde so diskret wie möglich gehalten, um Heinrich nicht zu demütigen. Abgesehen von den existentiellen Schwierigkeiten, der Verbrennung seiner Bücher und dem Identitätsverlust durch seine Ausbürgerung, wurde Heinrich Mann auch im Laufe seines Privatlebens immer wieder von schlimmen Schicksalsschlägen heimgesucht. Seine beiden Schwestern, Carla und Julia, begangen zu verschiedenen Zeitpunkten Suizid und im Exil wählte schließlich auch seine alkoholkranke Frau, Nelly Schröder, den Freitod.
Oft wurde Heinrich Mann unterschätzt und stand im Schatten seines Bruders und Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann. Grund dafür war möglicherweise die Tatsache, dass sich seine damals noch als linksradikal geltende Meinung in den meisten seiner Werke wiederspiegelte. Dies lenkte jedoch von seinen literarischen Fähigkeiten ab und erschwerte eine unvoreingenommene Rezeption. Thomas Mann hingegen hielt seine politische Meinung aus seiner literarischen Arbeit weitestgehend heraus, was ihm zum Erreichen eines größeren Publikums verhalf.
Zur geplanten Rückkehr in seine deutsche Heimat, wo die sozialistische Regierung der DDR ihn noch für die Benennung zum Präsidenten der Akademie der deutschen Künste erwartete, kam es jedoch nicht mehr. Heinrich Mann starb noch vor seiner Rückkehr 1949 in den USA und konnte dieser ihm zustehenden Ehre nicht mehr teil werden.
"Demokratie ist im Grunde, die Anerkennung, dass wir, sozial genommen, alle füreinander, verantwortlich sind." [1]
"Die Republik ist […] der Staat, der Gedanken offen ist. Er hat kein Dogma, darf keines haben; denn dieser Staat ist gerade der Ausdruck relativer Menschen und einer veränderlichen Ordnung. Ihm fehlt die Erblichkeit der Macht. Er hat dafür das Recht der Idee." [2]
"Die Republik muss offenen Sinn behalten. Sie soll frei bleiben, in jede neue geistige oder wirtschaftliche Ordnung hineinwachsen." [3]
[1] Der tiefere Sinn der Republik, in: Mann, Heinrich. Essays. Berlin : Claassen Verlag, 1960. S. 547
[2] Der tiefere Sinn der Republik, in: Mann, Heinrich. Essays. Berlin : Claassen Verlag, 1960. S. 545
[3] Der tiefere Sinn der Republik, in: Mann, Heinrich. Essays. Berlin : Claassen Verlag, 1960. S. 545
Der Autor als Gesellschaftskritiker – Heinrich Mann hat diese Rolle als Erster in Deutschland geprägt und im Geiste europäischer Kultur mit Substanz und Würde gefüllt. In seiner Analyse deutschen Wesens sollte man immer denken, wenn Obrigkeiten unsere Fügsamkeit einfordern. (Joachim Scholl)
Heinrich Mann begann schon früh politische Reflektionen zu schreiben, lebte nahezu unkonform, brach die Schule vorzeitig ab. Auch seine Ausbildung zum Buchhändler und sein Volontariat an einem Verlag brach er entgegen der Wunschvorstellung seiner Eltern ab. Nach mehreren Versuchen, dem traditionellen Berufsweg mit Ausbildung und Abschluss zu folgen, lebte er als freier Schriftsteller in München, Berlin und häufig in Italien. Seine ersten Romane Im Schlaraffenland (1900), Die Göttinnen (1903) sowie Die Jagd nach Liebe (1903) schrieb er ganz im Stil des Fin-de-Siècles, welche aber zum Teil antisemitisch geprägt waren. Im Jahre 1904 wurde sein Roman Professor Unrat veröffentlicht, eine Karikatur des Deutschen Bildungsbürgers. Es zeigte, welche Höhe die Doppelmoral des Bürgertums erreichen kann, wenn es sich von oberflächlichen Werten bestimmen lässt. Das Werk ist darüber hinaus ein Dokument für die Mentalität in Deutschland vor den Weltkriegen.
Als er 1871 als ältester Sohn von insgesamt 5 Kindern einer Kaufmannsfamilie geboren wurde, zählte diese zu den vornehmsten Familien Lübecks. Seine Mutter Julia da Silva-Bruhns, emigrierte in ihren Kindheitsjahren von Brasilien nach Deutschland und stammte selbst aus einer wohlhabenden Fürstenfamilie. Einen Einfluss seiner brasilianischen Wurzeln wurden in seinen Werken jedoch bis heute nicht identifiziert. Das Herrenhaus im Staat Rio de Janeiro, in welchem sie ihre ersten Lebensjahre wohnte, existiert bis heute, steht aber weitestgehend unbewohnt und leer.
Heinrich Manns Vater war Senator für Finanzen und Wirtschaft sowie Inhaber eines Handelshauses. Der Wohlstand der Familie Mann ging nach seinem Tod und der damit einhergehenden Schließung seiner Firma jedoch zu Ende. Diesen Niedergang dokumentierte Bruder Thomas später in dem Roman Buddenbrooks (1901). Beide Brüder zog es beruflich, wenn auch in gegensätzliche Richtungen, danach erst richtig in die Literatur.
Politisch konservativ zu denken, lag bereits in der Natur des sozialen Milieus der Familie. Möglicherweise ein Grund weshalb sich Thomas während des WK I von der allgemeinen Kriegsbegeisterung mitziehen ließ. Heinrich hingegen rebellierte schon früh gegen vorherrschende militaristische und imperialistische Denkweisen. Diese grundlegende Meinungsverschiedenheit führte zu einem langen Kontaktbruch zwischen den Brüdern. Erst nach dem WK I, als sich Thomas öffentlich für die Weimarer Republik und seine demokratischen Werte äußerte, kam es wieder zu Annährungen. Mit dem Ende des Krieges verkaufte sich der kurz vorher noch der Zensur zum Opfer fallende Roman Der Untertan zu hunderttausendfach. Heinrich duldete aber noch immer keine Genugtuung und kämpfte weiter, blieb kritisch, setzte sich für die junge Demokratie, den Völkerbund und dem Ausgleich mit Frankreich ein. Sein sozialkritischer zuvor veröffentlichter Roman Professor Unrat wurde 1930, mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle, mit großem Erfolg verfilmt (Der blaue Engel).
Als Hitler immer mehr an Zustimmung und Befürwortern im deutschen Volk gewann, bemerkte Heinrich schon früh die Gefahr. Nach der Machtübernahme und nach dem man ihn am 15. Februar 1933 aus der Akademie der Künste ausschloss, floh er noch am selben Abend nach Paris. Er sah Deutschland zum letzten Mahl. Im selben Jahr wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Im französischen Exil entfaltete er noch einmal alle publizistischen Kräfte im Kampf gegen die Nazis, musste 1940 aber doch weiter in die USA flüchten. Dies rettete ihm zwar das Leben, führte ihn aber in Armut und Einsamkeit, denn von seiner eigenen Arbeit konnte er dort nicht mehr leben und war von der finanziellen Hilfe seines Bruders Thomas abhängig. Die Unterstützung wurde so diskret wie möglich gehalten, um Heinrich nicht zu demütigen. Abgesehen von den existentiellen Schwierigkeiten, der Verbrennung seiner Bücher und dem Identitätsverlust durch seine Ausbürgerung, wurde Heinrich Mann auch im Laufe seines Privatlebens immer wieder von schlimmen Schicksalsschlägen heimgesucht. Seine beiden Schwestern, Carla und Julia, begangen zu verschiedenen Zeitpunkten Suizid und im Exil wählte schließlich auch seine alkoholkranke Frau, Nelly Schröder, den Freitod.
Oft wurde Heinrich Mann unterschätzt und stand im Schatten seines Bruders und Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann. Grund dafür war möglicherweise die Tatsache, dass sich seine damals noch als linksradikal geltende Meinung in den meisten seiner Werke wiederspiegelte. Dies lenkte jedoch von seinen literarischen Fähigkeiten ab und erschwerte eine unvoreingenommene Rezeption. Thomas Mann hingegen hielt seine politische Meinung aus seiner literarischen Arbeit weitestgehend heraus, was ihm zum Erreichen eines größeren Publikums verhalf.
Zur geplanten Rückkehr in seine deutsche Heimat, wo die sozialistische Regierung der DDR ihn noch für die Benennung zum Präsidenten der Akademie der deutschen Künste erwartete, kam es jedoch nicht mehr. Heinrich Mann starb noch vor seiner Rückkehr 1949 in den USA und konnte dieser ihm zustehenden Ehre nicht mehr teil werden.
"Demokratie ist im Grunde, die Anerkennung, dass wir, sozial genommen, alle füreinander, verantwortlich sind." [1]
"Die Republik ist […] der Staat, der Gedanken offen ist. Er hat kein Dogma, darf keines haben; denn dieser Staat ist gerade der Ausdruck relativer Menschen und einer veränderlichen Ordnung. Ihm fehlt die Erblichkeit der Macht. Er hat dafür das Recht der Idee." [2]
"Die Republik muss offenen Sinn behalten. Sie soll frei bleiben, in jede neue geistige oder wirtschaftliche Ordnung hineinwachsen." [3]
[1] Der tiefere Sinn der Republik, in: Mann, Heinrich. Essays. Berlin : Claassen Verlag, 1960. S. 547
[2] Der tiefere Sinn der Republik, in: Mann, Heinrich. Essays. Berlin : Claassen Verlag, 1960. S. 545
[3] Der tiefere Sinn der Republik, in: Mann, Heinrich. Essays. Berlin : Claassen Verlag, 1960. S. 545
* 18. Mai 1944 in Wertach | † 14. Dezember 2001 in Norfolk, England
„Das wunderbare Unternehmen des Schriftstellers W. G. Sebald war die Verlangsamung – ‚Entschleunigung‘ wäre der bessere Ausdruck für diesen einzigartigen Versuch des Innehaltens in hochreflektierter Weltfrömmigkeit.“ Thomas Steinfeld
Als Schriftsteller wurde er unter dem Namen W. G. Sebald bekannt, denn nach eigenen Aussagen lehnte er seine christlichen Namen Winfried Georg ab, weil sie ihn zu sehr an die deutsche Vergangenheit des Nationalsozialismus erinnern. Er benutzte daher bevorzugt den Namen Max Sebald. Eines der zentralen Themen seiner Schriften ist die Aufarbeitung von geschichtlichen und natürlichen Katastrophen und ihrer Auswirkung auf die Gesellschaft, oft handelt es sich dabei um den 2. Weltkrieg und die Nachkriegszeit.
Seine Kindheit verbrachte der Autor in der idyllischen Berglandschaft nahe der österreichischen Grenze und eine gewisse Faszination und Sehnsucht nach dieser markanten Gegend, seiner ersten Heimat, deutet sich in vielen seiner Erzählungen ab. Nachdem er zunächst Germanistik und Anglistik an der Universität Freiburg studierte, wechselt er im Jahr 1965 zur Universität Fribourg in der Schweiz und wandert nach seiner Graduation nach England aus, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte.
Hinweise auf seine Beweggründe für diesen Umzug finden sich in seiner Literatur, in der Erzähler und Autor oft nicht auseinander zu halten sind. So beschrieb er zum Beispiel in Schwindel. Gefühle (Fischer Verlag, 1988) „…ich fuhr durch das mir von jeher unbegreifliche, bis in den letzten Winkel aufgeräumte und begradigte deutsche Land. Auf eine ungute Art befriedet und betäubt schien mir alles, und das Gefühl der Betäubung erfaßte bald auch mich.“ In Die Ausgewanderten (Fischer Verlag, 1994) beschrieb er, wie er in zunehmendem Maß spürte, „daß die rings mich umgebende Geistesverarmung und Erinnerungslosigkeit der Deutschen, das Geschick, mit dem man alles bereinigt hatte, mir Kopf und Nerven anzugreifen begann. Also beschloss ich meine Abreise vorzulegen…“.
Als Sebald in den 80er Jahren zu schreiben begann, fand er zunächst besondere Anerkennung in den USA und England, obwohl er nie auf Englisch schrieb. Seine Texte wurden stattdessen in enger Zusammenarbeit mit ausgelesenen Übersetzern ins Englische übertragen, wie zum Beispiel seinem engen Freund, Michael Hamburger und Anthea Bell. Heutzutage besteht ein großes internationales Interesse an seinem Werk, welches in unzählige Sprachen übersetzt wurde und Sekundärliteratur über den Schriftsteller W. G. Sebald erscheint in vielen Ländern der Welt.
Mitte der 70er Jahre kehrte Sebald vorrübergehend nach Deutschland zurück, um sich am Goethe-Institut in München zum Deutschlehrer ausbilden zulassen. Ab den 80er Jahren setzte er sich vermehrt für die Vermittlung deutschsprachiger Literatur in Großbritannien und im englischsprachigen Raum allgemein ein und gründete 1989 das British Centre for Literary Translation an der University of East Anglia.
Viele seiner Texte werden von melancholischen Fotografien begleitet – oft Landschaftsfotografien aber auch Objekte und Porträts aus vergangen Zeiten. Diese und andere Techniken, so wie die absichtliche Verlangsamung durch den Gebrauch von englischen und französischen Textfragmenten und einem einzigartigen rhythmischen Wortfluss, der sich oft in außergewöhnlich langen Sätzen ergießt, verleihen seinen Schriften die bezaubernde Wirkung den Leser in eine Art Traumzustand zu versetzen. In seinem Roman Austerlitz (Hanser, 2001), der die Geschichte eines tschechischen Jungen erzählt, welcher mit einem Kindertransport im 2. Weltkrieg nach England kam und erst im Erwachsenenleben von seiner Vergangenheit erfährt, brachte der Autor berüchtigterweise einen neunseitenlangen Satz zustande – Austerlitz wird von vielen als der literarischen und sprachlichen Höhepunkt der sebaldschen Prosa gepriesen.
In Deutschland wurde man etwas verspätet in den 90er Jahren auf Sebald aufmerksam, während er in den USA, Großbritannien und Frankreich bereits 1988 mit seinem Nach der Natur: Ein Elementargedicht (Fischer Verlag, 1988) weitreichend Aufsehen erregte. Sebald gewann unter anderem den Berliner Literaturpreis 1994 und den Heinrich-Böll-Preis 1997, führte 1996 zu seiner Aufnahme in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und zwei Jahre darauf zur Aufnahme in die Bayrische Akademie der schönen Künste. Er verstarb tragischerweise auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er im Winter 2001 im Alter von 57 Jahren nach einem Infarkt tödlich verunglückte. Unter anderem erschienen die Titel Unerzählt (mit Jan Peter Tripp, Hanser Verlag, 2003) und der Gedichtband Über das Land und das Wasser (Fischer Verlag, 2008) posthum und verleihen einen leider viel zu winzigen Einblick in die Vielseitigkeit und den Zauber des unvollendeten Werks von W. G. Sebald.
"Ich habe an Tripps Bildern gelernt, dass man weit in die Tiefe hineinschauen muss, dass die Kunst ohne das Handwerk nicht auskommt und dass man mit vielen Schwierigkeiten zu rechnen hat beim Aufzählen der Dinge."
"Was in der Vergangenheit liegt, liegt alles in der gleichen Entfernung zu unserer Existenz heute."
"Ich hatte allerdings damals schon beim Lesen das Gefühl, daß angesichts der großen Katastrophen, die sich abgespielt haben, sehr wenig in diesen Büchern drinsteht, daß sie so etwas wie ein umsichtig verwaltetes Erfahrungsdefizit repräsentiert haben."
„Das wunderbare Unternehmen des Schriftstellers W. G. Sebald war die Verlangsamung – ‚Entschleunigung‘ wäre der bessere Ausdruck für diesen einzigartigen Versuch des Innehaltens in hochreflektierter Weltfrömmigkeit.“ Thomas Steinfeld
Als Schriftsteller wurde er unter dem Namen W. G. Sebald bekannt, denn nach eigenen Aussagen lehnte er seine christlichen Namen Winfried Georg ab, weil sie ihn zu sehr an die deutsche Vergangenheit des Nationalsozialismus erinnern. Er benutzte daher bevorzugt den Namen Max Sebald. Eines der zentralen Themen seiner Schriften ist die Aufarbeitung von geschichtlichen und natürlichen Katastrophen und ihrer Auswirkung auf die Gesellschaft, oft handelt es sich dabei um den 2. Weltkrieg und die Nachkriegszeit.
Seine Kindheit verbrachte der Autor in der idyllischen Berglandschaft nahe der österreichischen Grenze und eine gewisse Faszination und Sehnsucht nach dieser markanten Gegend, seiner ersten Heimat, deutet sich in vielen seiner Erzählungen ab. Nachdem er zunächst Germanistik und Anglistik an der Universität Freiburg studierte, wechselt er im Jahr 1965 zur Universität Fribourg in der Schweiz und wandert nach seiner Graduation nach England aus, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte.
Hinweise auf seine Beweggründe für diesen Umzug finden sich in seiner Literatur, in der Erzähler und Autor oft nicht auseinander zu halten sind. So beschrieb er zum Beispiel in Schwindel. Gefühle (Fischer Verlag, 1988) „…ich fuhr durch das mir von jeher unbegreifliche, bis in den letzten Winkel aufgeräumte und begradigte deutsche Land. Auf eine ungute Art befriedet und betäubt schien mir alles, und das Gefühl der Betäubung erfaßte bald auch mich.“ In Die Ausgewanderten (Fischer Verlag, 1994) beschrieb er, wie er in zunehmendem Maß spürte, „daß die rings mich umgebende Geistesverarmung und Erinnerungslosigkeit der Deutschen, das Geschick, mit dem man alles bereinigt hatte, mir Kopf und Nerven anzugreifen begann. Also beschloss ich meine Abreise vorzulegen…“.
Als Sebald in den 80er Jahren zu schreiben begann, fand er zunächst besondere Anerkennung in den USA und England, obwohl er nie auf Englisch schrieb. Seine Texte wurden stattdessen in enger Zusammenarbeit mit ausgelesenen Übersetzern ins Englische übertragen, wie zum Beispiel seinem engen Freund, Michael Hamburger und Anthea Bell. Heutzutage besteht ein großes internationales Interesse an seinem Werk, welches in unzählige Sprachen übersetzt wurde und Sekundärliteratur über den Schriftsteller W. G. Sebald erscheint in vielen Ländern der Welt.
Mitte der 70er Jahre kehrte Sebald vorrübergehend nach Deutschland zurück, um sich am Goethe-Institut in München zum Deutschlehrer ausbilden zulassen. Ab den 80er Jahren setzte er sich vermehrt für die Vermittlung deutschsprachiger Literatur in Großbritannien und im englischsprachigen Raum allgemein ein und gründete 1989 das British Centre for Literary Translation an der University of East Anglia.
Viele seiner Texte werden von melancholischen Fotografien begleitet – oft Landschaftsfotografien aber auch Objekte und Porträts aus vergangen Zeiten. Diese und andere Techniken, so wie die absichtliche Verlangsamung durch den Gebrauch von englischen und französischen Textfragmenten und einem einzigartigen rhythmischen Wortfluss, der sich oft in außergewöhnlich langen Sätzen ergießt, verleihen seinen Schriften die bezaubernde Wirkung den Leser in eine Art Traumzustand zu versetzen. In seinem Roman Austerlitz (Hanser, 2001), der die Geschichte eines tschechischen Jungen erzählt, welcher mit einem Kindertransport im 2. Weltkrieg nach England kam und erst im Erwachsenenleben von seiner Vergangenheit erfährt, brachte der Autor berüchtigterweise einen neunseitenlangen Satz zustande – Austerlitz wird von vielen als der literarischen und sprachlichen Höhepunkt der sebaldschen Prosa gepriesen.
In Deutschland wurde man etwas verspätet in den 90er Jahren auf Sebald aufmerksam, während er in den USA, Großbritannien und Frankreich bereits 1988 mit seinem Nach der Natur: Ein Elementargedicht (Fischer Verlag, 1988) weitreichend Aufsehen erregte. Sebald gewann unter anderem den Berliner Literaturpreis 1994 und den Heinrich-Böll-Preis 1997, führte 1996 zu seiner Aufnahme in die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung und zwei Jahre darauf zur Aufnahme in die Bayrische Akademie der schönen Künste. Er verstarb tragischerweise auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er im Winter 2001 im Alter von 57 Jahren nach einem Infarkt tödlich verunglückte. Unter anderem erschienen die Titel Unerzählt (mit Jan Peter Tripp, Hanser Verlag, 2003) und der Gedichtband Über das Land und das Wasser (Fischer Verlag, 2008) posthum und verleihen einen leider viel zu winzigen Einblick in die Vielseitigkeit und den Zauber des unvollendeten Werks von W. G. Sebald.
"Ich habe an Tripps Bildern gelernt, dass man weit in die Tiefe hineinschauen muss, dass die Kunst ohne das Handwerk nicht auskommt und dass man mit vielen Schwierigkeiten zu rechnen hat beim Aufzählen der Dinge."
"Was in der Vergangenheit liegt, liegt alles in der gleichen Entfernung zu unserer Existenz heute."
"Ich hatte allerdings damals schon beim Lesen das Gefühl, daß angesichts der großen Katastrophen, die sich abgespielt haben, sehr wenig in diesen Büchern drinsteht, daß sie so etwas wie ein umsichtig verwaltetes Erfahrungsdefizit repräsentiert haben."
* 19. November 1900 in Mainz | † 1. June 1983 in Ost-Berlin
„Als wir drei unzertrennliche Freunde waren, Ilya Ehrenburg, Pablo Neruda und ich, betrachteten wir Anna Seghers die ganze Zeit über als unsere Schwester, unsere Fee. Sie sagte, wir wären die drei Bären - und niemand auf der Welt hatte so viel Charme und Phantasie wie Anna - so viel, so viel! Anna konnte ungeheure Einsamkeit schmecken und das Banner des Lebens und der Hoffnung wecken.” - Jorge Amado, 1983
Anna Seghers wurde als Annette (Netti) Reiling in eine jüdische Kaufmannsfamilie geboren und genoss in ihrer Jugend ein gutbürgerliches Leben in der Rheinstadt Mainz. Sie wurde zu einer der bekanntesten Stimmen des Widerstands und der Exilliteratur. Nach ihrer Re-Migration war sie viele Jahre in der Friedensbewegung und im Vorstand des Schriftstellerverbandes der DDR aktiv. Sie selbst identifizierte „zwei Linien“ die durchgehend in ihrem Werk auftauchen: zum einen Mythen und Legenden und zum anderen das, was sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens besonders wahrnahm und beeinflusste; den von Goethe benannten Originaleindruck. In ihrem späteren Werken reifte dies zu einer erweiterten Wirklichkeitsauffassung.
Ihr erzählerisches und lyrisches Talent wurde bereits sehr früh von ihren Lehrern entdeckt und gefördert. Kurz vor ihrem 24. Geburtstag promovierte sie an der Universität Heidelberg zum Doktor der Philosophie. Zur gleichen Zeit veröffentlichte sie die ersten Erzählungen und lernte sie den ungarischen Intellektuellen László Radványi, den sie 1925 heiratete, wodurch sie nicht nur die ungarische Staatsbürgerschaft, sondern auch eine starke Politisierung und einen engen Kontakt zu sozialistischen Bewegung erhielt. Die neuen intellektuellen Anstöße die sie aus ihrer Studienzeit, ihren Freundschaften und ihrer Ehe mitnahm, waren ausschlaggebend dafür, dass sie 1925 aus der jüdischen Gemeinde ausstieg und 1928 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) beitrat.
Mit Aufstand der Fischer von Santa Barbara (Kiepenheuer, 1928) gelang ihr der literarische Durchbruch, für den sie als Anna Seghers den renommierten Kleistpreis erhielt. Doch die Machtergreifung Hitlers beeinflusste ihre Laufbahn einschlägig – ihre Bücher wurden von den Faschisten verboten und verbrannt, sie selbst wurde vorrübergehend von der Gestapo inhaftiert. Nach dem Reichstagbrand erkannte sie die Gefahr und floh zunächst über Zürich nach Paris und später über Marseille, die Karibik und New York nach Mexico. Ihre Fluchterfahrung verarbeitete Seghers in dem Roman Transit (Little, Brown & Co., Boston 1944), der 2019 vom deutschen Regisseur Christian Petzold zu einem Kinofilm verarbeitet wurde, und auf ergreifende Weise zeigt, wie relevant der Stoff Seghers, angesichts der anschwellenden Zahl von Flüchtenden, auch heute noch ist.
Die Vertreibung aus ihrer Heimat führte für Anna Seghers zu einer vertieften „Vaterlandsliebe“, worauf sie 1935 in einer Rede am 1. Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur genauer einging. Die Rede gilt noch heute als wichtiges Dokument über die viel diskutierten Spannungen zwischen Widerstand und Patriotismus im Dritten Reich. Zusammen mit Heinrich Mann und anderen einflussreichen Autoren war Seghers auch an der Gründung des Pariser Lutetia-Kreises beteiligt, ein Ausschuss zur Vorbereitung der Widerstandsgruppe Deutsche Volksfront, die alle Hitlergegner zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten und zur Wiederherstellung der Demokratie und Freiheit in Deutschland aufrief.
Im Exil schrieb Seghers ihre erfolgreichsten Werke, darunter der Roman Die Rettung (Querido Verlag, Amsterdam 1937), Transit (Little, Brown & Co., Boston 1944), Der Ausflug der toten Mädchen und andere Erzählungen (Aurora, New York 1946) und der weltweit erfolgreiche Roman Das siebte Kreuz (Aurora, 1942), der 1944 in Hollywood mit Spencer Staci in der Hauptrolle verfilmt wurde und ihr während ihrer Zeit im Exil ein stetiges Einkommen sicherte.
Trotz dieser weltweiten Anerkennung blieb Anna Seghers im ehemaligen West-Deutschland relativ ungelesen, was oft mit der kulturellen Kluft zwischen Ost und West begründet wird. Sie selbst teilte die Ansicht vieler Genossen, dass die westliche BRD ihre faschistische Vergangenheit nicht ausreichend bewältigt hätte, während die DDR im Osten das einzig wahre antifaschistische Erbe repräsentierte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sie sich nach ihrer Rückkehr aus dem Exil in Ost-Berlin nieder lies, von wo aus sie den Kampf für eine gerechtere Gesellschaft weiter führen wollte. In den 60er Jahren bereiste sie widerholt die Amerikas, zweimal kam sie auch nach Brasilien, Reisen die unter anderem den Roman Überfahrt. Eine Liebesgeschichte (Aufbau, 1971) inspirierte.
Sie erhielt zahlreiche politische Ehrentitel und –Ämter und wurde zu einer Ikone des DDR-Literaturbetriebs, doch über die Jahre hinweg äußerten sich einige ihrer Leser und Kollegen enttäuscht darüber, dass sie sich in der Öffentlichkeit nie kritisch gegenüber dem zunehmend autoritären DDR Regime äußerte und so zu einer Art Aushängeschild ohne wahren politischen Einfluss wurde. Über ihre Beweggründe für dieses Schweigen wird viel spekuliert, es ist wahrscheinlich, dass ihre Prominenz erhöhte Aufmerksamkeit und Überwachung durch die Stasi mit sich brachten und sie sich gezwungen sah sich zu schützen. Fest steht, dass dieser Zwiespalt zwischen ihrem Streben eine gerechte Gesellschaft zu schaffen und ihrem Überlebenswillen für sie eine große Herausforderung war, was sie in einigen ihrer späteren Erzählung wiederholt andeutet. Als sie 1983 im Alter von 82 Jahren starb, war sie längst zu einer Legende der deutschen Geschichte geworden, ein Synonym für Widerstand und Kampf gegen Unterdrückung.
„In dieser Stadt, in der ich meine Kindheit verbrachte, empfing ich, was Goethe den Original-eindruck nennt: den ersten Eindruck, den ein Mensch von einem Teil der Wirklichkeit in sich aufnimmt, ob es der Fluss ist, oder der Wald, die Sterne, die Menschen. Ich habe versucht in vielen meiner Bücher festzuhalten, was ich hier erfuhr und erlebte.“
„Welchen Zweck soll das haben, Menschen zurückzuhalten, die doch nichts sehnlicher wünschen, als ein Land zu verlassen, in dem man sie einsperrt, wenn sie bleiben?“
“Wenn ein noch so winziger Streich gelang gegen die Allmacht des Feindes, dann war schon alles gelungen.”
„Wir fühlen alle, wie tief und furchtbar die äußeren Mächte in den Menschen hineingreifen können bis in sein Innerstes; aber wir fühlen auch, dass es im Innersten etwas gibt, was unangreifbar ist und unverletzbar.“
„Man ist manchmal schrecklich allein, aber wenn ich arbeite, wenn ich meine Erzählungen und meine Romane schreibe, bleibe ich ruhig und tapfer und fröhlich.“
„Als wir drei unzertrennliche Freunde waren, Ilya Ehrenburg, Pablo Neruda und ich, betrachteten wir Anna Seghers die ganze Zeit über als unsere Schwester, unsere Fee. Sie sagte, wir wären die drei Bären - und niemand auf der Welt hatte so viel Charme und Phantasie wie Anna - so viel, so viel! Anna konnte ungeheure Einsamkeit schmecken und das Banner des Lebens und der Hoffnung wecken.” - Jorge Amado, 1983
Anna Seghers wurde als Annette (Netti) Reiling in eine jüdische Kaufmannsfamilie geboren und genoss in ihrer Jugend ein gutbürgerliches Leben in der Rheinstadt Mainz. Sie wurde zu einer der bekanntesten Stimmen des Widerstands und der Exilliteratur. Nach ihrer Re-Migration war sie viele Jahre in der Friedensbewegung und im Vorstand des Schriftstellerverbandes der DDR aktiv. Sie selbst identifizierte „zwei Linien“ die durchgehend in ihrem Werk auftauchen: zum einen Mythen und Legenden und zum anderen das, was sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ihres Lebens besonders wahrnahm und beeinflusste; den von Goethe benannten Originaleindruck. In ihrem späteren Werken reifte dies zu einer erweiterten Wirklichkeitsauffassung.
Ihr erzählerisches und lyrisches Talent wurde bereits sehr früh von ihren Lehrern entdeckt und gefördert. Kurz vor ihrem 24. Geburtstag promovierte sie an der Universität Heidelberg zum Doktor der Philosophie. Zur gleichen Zeit veröffentlichte sie die ersten Erzählungen und lernte sie den ungarischen Intellektuellen László Radványi, den sie 1925 heiratete, wodurch sie nicht nur die ungarische Staatsbürgerschaft, sondern auch eine starke Politisierung und einen engen Kontakt zu sozialistischen Bewegung erhielt. Die neuen intellektuellen Anstöße die sie aus ihrer Studienzeit, ihren Freundschaften und ihrer Ehe mitnahm, waren ausschlaggebend dafür, dass sie 1925 aus der jüdischen Gemeinde ausstieg und 1928 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) beitrat.
Mit Aufstand der Fischer von Santa Barbara (Kiepenheuer, 1928) gelang ihr der literarische Durchbruch, für den sie als Anna Seghers den renommierten Kleistpreis erhielt. Doch die Machtergreifung Hitlers beeinflusste ihre Laufbahn einschlägig – ihre Bücher wurden von den Faschisten verboten und verbrannt, sie selbst wurde vorrübergehend von der Gestapo inhaftiert. Nach dem Reichstagbrand erkannte sie die Gefahr und floh zunächst über Zürich nach Paris und später über Marseille, die Karibik und New York nach Mexico. Ihre Fluchterfahrung verarbeitete Seghers in dem Roman Transit (Little, Brown & Co., Boston 1944), der 2019 vom deutschen Regisseur Christian Petzold zu einem Kinofilm verarbeitet wurde, und auf ergreifende Weise zeigt, wie relevant der Stoff Seghers, angesichts der anschwellenden Zahl von Flüchtenden, auch heute noch ist.
Die Vertreibung aus ihrer Heimat führte für Anna Seghers zu einer vertieften „Vaterlandsliebe“, worauf sie 1935 in einer Rede am 1. Internationalen Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur genauer einging. Die Rede gilt noch heute als wichtiges Dokument über die viel diskutierten Spannungen zwischen Widerstand und Patriotismus im Dritten Reich. Zusammen mit Heinrich Mann und anderen einflussreichen Autoren war Seghers auch an der Gründung des Pariser Lutetia-Kreises beteiligt, ein Ausschuss zur Vorbereitung der Widerstandsgruppe Deutsche Volksfront, die alle Hitlergegner zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten und zur Wiederherstellung der Demokratie und Freiheit in Deutschland aufrief.
Im Exil schrieb Seghers ihre erfolgreichsten Werke, darunter der Roman Die Rettung (Querido Verlag, Amsterdam 1937), Transit (Little, Brown & Co., Boston 1944), Der Ausflug der toten Mädchen und andere Erzählungen (Aurora, New York 1946) und der weltweit erfolgreiche Roman Das siebte Kreuz (Aurora, 1942), der 1944 in Hollywood mit Spencer Staci in der Hauptrolle verfilmt wurde und ihr während ihrer Zeit im Exil ein stetiges Einkommen sicherte.
Trotz dieser weltweiten Anerkennung blieb Anna Seghers im ehemaligen West-Deutschland relativ ungelesen, was oft mit der kulturellen Kluft zwischen Ost und West begründet wird. Sie selbst teilte die Ansicht vieler Genossen, dass die westliche BRD ihre faschistische Vergangenheit nicht ausreichend bewältigt hätte, während die DDR im Osten das einzig wahre antifaschistische Erbe repräsentierte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sie sich nach ihrer Rückkehr aus dem Exil in Ost-Berlin nieder lies, von wo aus sie den Kampf für eine gerechtere Gesellschaft weiter führen wollte. In den 60er Jahren bereiste sie widerholt die Amerikas, zweimal kam sie auch nach Brasilien, Reisen die unter anderem den Roman Überfahrt. Eine Liebesgeschichte (Aufbau, 1971) inspirierte.
Sie erhielt zahlreiche politische Ehrentitel und –Ämter und wurde zu einer Ikone des DDR-Literaturbetriebs, doch über die Jahre hinweg äußerten sich einige ihrer Leser und Kollegen enttäuscht darüber, dass sie sich in der Öffentlichkeit nie kritisch gegenüber dem zunehmend autoritären DDR Regime äußerte und so zu einer Art Aushängeschild ohne wahren politischen Einfluss wurde. Über ihre Beweggründe für dieses Schweigen wird viel spekuliert, es ist wahrscheinlich, dass ihre Prominenz erhöhte Aufmerksamkeit und Überwachung durch die Stasi mit sich brachten und sie sich gezwungen sah sich zu schützen. Fest steht, dass dieser Zwiespalt zwischen ihrem Streben eine gerechte Gesellschaft zu schaffen und ihrem Überlebenswillen für sie eine große Herausforderung war, was sie in einigen ihrer späteren Erzählung wiederholt andeutet. Als sie 1983 im Alter von 82 Jahren starb, war sie längst zu einer Legende der deutschen Geschichte geworden, ein Synonym für Widerstand und Kampf gegen Unterdrückung.
„In dieser Stadt, in der ich meine Kindheit verbrachte, empfing ich, was Goethe den Original-eindruck nennt: den ersten Eindruck, den ein Mensch von einem Teil der Wirklichkeit in sich aufnimmt, ob es der Fluss ist, oder der Wald, die Sterne, die Menschen. Ich habe versucht in vielen meiner Bücher festzuhalten, was ich hier erfuhr und erlebte.“
„Welchen Zweck soll das haben, Menschen zurückzuhalten, die doch nichts sehnlicher wünschen, als ein Land zu verlassen, in dem man sie einsperrt, wenn sie bleiben?“
“Wenn ein noch so winziger Streich gelang gegen die Allmacht des Feindes, dann war schon alles gelungen.”
„Wir fühlen alle, wie tief und furchtbar die äußeren Mächte in den Menschen hineingreifen können bis in sein Innerstes; aber wir fühlen auch, dass es im Innersten etwas gibt, was unangreifbar ist und unverletzbar.“
„Man ist manchmal schrecklich allein, aber wenn ich arbeite, wenn ich meine Erzählungen und meine Romane schreibe, bleibe ich ruhig und tapfer und fröhlich.“
* 7. März 1978, Višegrad, ehemaliges Jugoslawien
„Im Erzählen entwickelt Stanišić eine ungeheure Brillanz: Er ist kein ironisch-distanzierter Spötter, sondern szenenweise ein begnadeter Komiker. Und er bedenkt jede seiner Figuren mit unbedingter Sympathie. Er nimmt sie ernst, aber er beschreibt sie mit Humor. Das findet man selten.“ Christoph Schröder
Saša Stanišić ist heute einer der erfolgreichsten jungen Schriftsteller Deutschlands, herausragend nicht nur auf Grund der Anzahl seiner literarischen Auszeichnungen, der Tatsache, dass sein Werk in über 30 Sprachen weltweit übersetzt wurde, sondern in erster Linie durch seinen markanten Schreibstil – poetisch, deskriptiv und clever kreiert er Charaktere und Szenarien mit einer solchen Sorgfalt, dass die Linie zwischen Realität und Fiktion verschwinden.
Stanišić wuchs in einer kleinen Stadt östlich von Sarajevo auf, von wo seine Familie durch den bosnischen Bürgerkrieg vertrieben wurde. Seit 1992 lebt er in Deutschland, wo er mit 14 begann die deutsche Sprache zu lernen und bereits 1997 sein Abitur absolvierte, mit der Absicht nach einem absolvierten Slawistik und Deutsch als Fremdsprache Studium in Heidelberg, anderen Neuankömmlingen zu helfen Deutsch zu lernen. Dazu kam es zwar nicht, denn schon im Gymnasium machte sich sein Talent für Dichtung und Erzählungen bemerkbar und von seinem Lehrer ermutigt und gefördert entschied er sich nach dem Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig einzuschreiben.
In den folgenden Jahren machte er sich einen Namen als Journalist, Dozent für literarisches Schreiben und Autor. Sein erster Roman Wie der Soldat das Grammofon repariert (Luchterhand, 2006), indem er seine Erinnerungen als Kind einer bosnischen Mutter und eines serbischen Vaters im ehemaligen Jugoslawien, seine Beobachtungen über den ausbrechenden Krieg, der mehr als 2 Mio. Menschen aus seinem Land vertrieb, und seine Erfahrungen bei der Flucht nach Deutschland verarbeitet, war ein einschlagender Erfolg, erhielt diverse Auszeichnungen und schaffte es auf die Kurzliste des Deutschen Buchpreises. (Wer mehr über dieses Buch wissen möchte, kann auf unserem YouTube-Kanal GoeTube einige ausgezeichnete Videos mit Zusammenfassungen und Beurteilungen finden.)
Sein zweiter Roman Vor dem Fest (Luchterhand, 2014) befasst sich mit den Geschichten und Charakteren eines kleinen Dorfes in der Uckermark und lädt den Leser ein die Stimmungen eines ländlichen Mikrokosmos auf tragisch komische Weise mitzuerleben. Hierfür gewann er bereits vor der Veröffentlichung den angesehenen Alfred-Döblin-Preis, den Hohenemser Literaturpreis und schließlich den Preis der Leipziger Buchmesse 2014. Anfang dieses Jahres prämierte es in Hamburg zum Auftakt der Lessingtage vom Thalia Theater als Bühnenstück.
In seinem darauf folgenden Roman Fallensteller (Luchterhand, 2016), sowie in den von ihm veröffentlichten Erzählungen, setzt er die Geschichte des Dorfes fort und malt sie weiter aus. Stanišić setzt seither seine unglaubliche Aufmerksamkeit zum Detail und clevere Ausdrucksweise fort, die den Leser selbst in melancholischen und morbiden Stimmungen immer wieder zum Schmunzeln bringen. Als ein Autor, der Deutsch als Zweitsprache erlernt hat, nutzt er dies als Vorteil um seine eigenen Sprache zu gestalten, die dem Leser auf raffinierte Weise neue Perspektiven und Blickwinkel eröffnet. Sein märchenhafter Stil macht ihn unverwechselbar und wird heute sogar als Abiturstoff in deutschen Gymnasien bearbeitet, womit er direkten Einfluss auf die literarische Bildung einer ganzen Generation junger Deutscher Leser erreicht.
Sein neuester Roman Herkunft (Luchterhand) wird ab März 2019 auf dem deutschen Markt erhältlich sein.
„Jemanden zu vermissen, sagt man, ist egoistisch. Ich egoistische dich mehr als je zuvor.“
"Ich bin gegen das Finale. Ich bin gegen das Ende der Dinge. Fertig sein sollte gestoppt werden! Ich bin der Hauptkamerad, um fortzufahren. Ich unterstütze Zusatz und ähnliches!"
„Auf so einen bist du nie vorbereitet, mit seinem Gepäck voll Allerlei: Sprache, Mut und Zauberei.“
„Über das öde Land, querfeldein, marschiert durch die Dunkelheit einer, verwegen muss er sein, strauchdiebisch oder verwirrt, sonst ginge er nicht unbeirrt, hätte überm Kopf ein Dach, nicht Sterne, miede nicht die Dörfer, ach, jede Laterne, schliche nicht geduckt jenseits unserer weltlichen Wacht.“
„Was wir feiern, weiß niemand so recht. Nichts jährt sich, nichts endet oder hat genau an diesem Tag begonnen. Die Heilige Anna ist irgendwann im Sommer, und die Heiligen sind uns heilig nicht mehr. Vielleicht feiern wir einfach, dass es das gibt: Fürstenfelde. Und was wir uns davon erzählen.“
„Merk dir das, und denk dir die Welt schöner aus.“
„Im Erzählen entwickelt Stanišić eine ungeheure Brillanz: Er ist kein ironisch-distanzierter Spötter, sondern szenenweise ein begnadeter Komiker. Und er bedenkt jede seiner Figuren mit unbedingter Sympathie. Er nimmt sie ernst, aber er beschreibt sie mit Humor. Das findet man selten.“ Christoph Schröder
Saša Stanišić ist heute einer der erfolgreichsten jungen Schriftsteller Deutschlands, herausragend nicht nur auf Grund der Anzahl seiner literarischen Auszeichnungen, der Tatsache, dass sein Werk in über 30 Sprachen weltweit übersetzt wurde, sondern in erster Linie durch seinen markanten Schreibstil – poetisch, deskriptiv und clever kreiert er Charaktere und Szenarien mit einer solchen Sorgfalt, dass die Linie zwischen Realität und Fiktion verschwinden.
Stanišić wuchs in einer kleinen Stadt östlich von Sarajevo auf, von wo seine Familie durch den bosnischen Bürgerkrieg vertrieben wurde. Seit 1992 lebt er in Deutschland, wo er mit 14 begann die deutsche Sprache zu lernen und bereits 1997 sein Abitur absolvierte, mit der Absicht nach einem absolvierten Slawistik und Deutsch als Fremdsprache Studium in Heidelberg, anderen Neuankömmlingen zu helfen Deutsch zu lernen. Dazu kam es zwar nicht, denn schon im Gymnasium machte sich sein Talent für Dichtung und Erzählungen bemerkbar und von seinem Lehrer ermutigt und gefördert entschied er sich nach dem Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig einzuschreiben.
In den folgenden Jahren machte er sich einen Namen als Journalist, Dozent für literarisches Schreiben und Autor. Sein erster Roman Wie der Soldat das Grammofon repariert (Luchterhand, 2006), indem er seine Erinnerungen als Kind einer bosnischen Mutter und eines serbischen Vaters im ehemaligen Jugoslawien, seine Beobachtungen über den ausbrechenden Krieg, der mehr als 2 Mio. Menschen aus seinem Land vertrieb, und seine Erfahrungen bei der Flucht nach Deutschland verarbeitet, war ein einschlagender Erfolg, erhielt diverse Auszeichnungen und schaffte es auf die Kurzliste des Deutschen Buchpreises. (Wer mehr über dieses Buch wissen möchte, kann auf unserem YouTube-Kanal GoeTube einige ausgezeichnete Videos mit Zusammenfassungen und Beurteilungen finden.)
Sein zweiter Roman Vor dem Fest (Luchterhand, 2014) befasst sich mit den Geschichten und Charakteren eines kleinen Dorfes in der Uckermark und lädt den Leser ein die Stimmungen eines ländlichen Mikrokosmos auf tragisch komische Weise mitzuerleben. Hierfür gewann er bereits vor der Veröffentlichung den angesehenen Alfred-Döblin-Preis, den Hohenemser Literaturpreis und schließlich den Preis der Leipziger Buchmesse 2014. Anfang dieses Jahres prämierte es in Hamburg zum Auftakt der Lessingtage vom Thalia Theater als Bühnenstück.
In seinem darauf folgenden Roman Fallensteller (Luchterhand, 2016), sowie in den von ihm veröffentlichten Erzählungen, setzt er die Geschichte des Dorfes fort und malt sie weiter aus. Stanišić setzt seither seine unglaubliche Aufmerksamkeit zum Detail und clevere Ausdrucksweise fort, die den Leser selbst in melancholischen und morbiden Stimmungen immer wieder zum Schmunzeln bringen. Als ein Autor, der Deutsch als Zweitsprache erlernt hat, nutzt er dies als Vorteil um seine eigenen Sprache zu gestalten, die dem Leser auf raffinierte Weise neue Perspektiven und Blickwinkel eröffnet. Sein märchenhafter Stil macht ihn unverwechselbar und wird heute sogar als Abiturstoff in deutschen Gymnasien bearbeitet, womit er direkten Einfluss auf die literarische Bildung einer ganzen Generation junger Deutscher Leser erreicht.
Sein neuester Roman Herkunft (Luchterhand) wird ab März 2019 auf dem deutschen Markt erhältlich sein.
„Jemanden zu vermissen, sagt man, ist egoistisch. Ich egoistische dich mehr als je zuvor.“
"Ich bin gegen das Finale. Ich bin gegen das Ende der Dinge. Fertig sein sollte gestoppt werden! Ich bin der Hauptkamerad, um fortzufahren. Ich unterstütze Zusatz und ähnliches!"
„Auf so einen bist du nie vorbereitet, mit seinem Gepäck voll Allerlei: Sprache, Mut und Zauberei.“
„Über das öde Land, querfeldein, marschiert durch die Dunkelheit einer, verwegen muss er sein, strauchdiebisch oder verwirrt, sonst ginge er nicht unbeirrt, hätte überm Kopf ein Dach, nicht Sterne, miede nicht die Dörfer, ach, jede Laterne, schliche nicht geduckt jenseits unserer weltlichen Wacht.“
„Was wir feiern, weiß niemand so recht. Nichts jährt sich, nichts endet oder hat genau an diesem Tag begonnen. Die Heilige Anna ist irgendwann im Sommer, und die Heiligen sind uns heilig nicht mehr. Vielleicht feiern wir einfach, dass es das gibt: Fürstenfelde. Und was wir uns davon erzählen.“
„Merk dir das, und denk dir die Welt schöner aus.“
* 14. September 1817 in Husum - † 4. Juli 1888 in Hanerau-Hademarschen
War ein deutscher Schriftsteller, der als Lyriker und als Autor von Novellen des deutschen Realismus mit norddeutscher Prägung bedeutend war. Im bürgerlichen Beruf war Storm Jurist. Mit Theodor Fontane und Gottfried Keller gehört er heute zu den wichtigsten Vertretern des Realismus.
Er wuchst in einer patriarchalisch geordneten Welt als Sohn eines Advokaten auf. Auch Storm folgte zunächst einer Juristenkarriere und studierte Jura in Kiel und Berlin, doch schon während des Studiums brachte er zusammen mit Freunden erste Schriften heraus (Liederbuch dreier Freunde, 1843). Aufgrund seines Engagements gegen die Dänische Herrschaft wurde ihm 1852 die Advokatur entzogen und Storm musste 12 Jahre ins Exil. In dieser Zeit entstanden patriotisch-politische Gedichte. Erst 1864, nach dem Abzug der Dänen konnte Storm in seine Heimatstadt Husum zurückkehren. Vor allem schrieb er Lyrik, obwohl er zeitweise vorwiegend Prosa produzierte, worauf auch sein Ruhm beruht. Er verstand sich jedoch immer sehr gut darin verschiedene Genres zu vereinen, wie sein Buch Sommergeschichten und Lieder (1851), eine Mischung aus Prosastücken, Märchen und Gedichten, zeigt. Sein letztes Werk Der Schimmelreiter (1880), wurde zu seinem bekanntesten Roman und ist bis heute gängige Schullektüre.
Was für Fontane die märkischen Dörfer und der preußische Adel, für Keller die Alpen und der Oberrhein, die Handwerker und Landbewohner waren, das sind für Storm die Nordseeküste, die Kleinstadt mit ihren Fischern, Gewerbetreibenden, Handelsleuten und Beamten. Fast immer spielen die Hauptszenarien in seiner Heimatstadt Husum an der Nordseeküste. Orte, die er, ganz im Charakter des poetische Realismus, stets malerisch und detailliert genau beschreibt. Er verfasst Familiengeschichten, Geschichten von beginnender Liebe oder lebenslanger herzlicher Gemeinschaft. Der Fokus liegt meistens auf Themen wie Heimat, Familie und Liebe. Manchmal autobiographisch, meistens Neuigkeiten: Gehörtes, Gelesenes, Fälle aus seiner Tätigkeit als Richter. Gescheitertes Leben, gescheiterte Liebe: Darum dreht sich das kreative Zentrum seines Denkens, Fühlens, Schreibens.
Vertraut mit der materialistischen Popularsphilosophie und als Gegner von Adelsprevilegien und theologischer Orthodoxie, schreibt Storm aus dem Widerspruch zwischen intensiver Lebensbejahung und dem Gefühl der Bedrohung seines Ideals vom harmonischen Menschen. In manchen Gedichten stellt er idyllische Zustände bedroht oder vergangen dar.
Trotz seiner politischen Gedichte erschien Storm nach 1945 eher als unpolitischer Dichter zeitloser Schicksalsnovellen und stimmungshafter Naturlyrik. Aufgrund der Einschränkung auf seine Heimatregion Husum, wird Theodor Storm als Autor der Heimatkunst klassifiziert. Seine Heimatstadt Husum ist bis heute bekannt als Graue Stadt am Meer, ganz nach seinem Gedicht Die Stadt.
"O bleibe treu den Toten, die lebend Du betrübt;
O bleibe treu den Toten, die lebend dich geliebt!"
"Hin gen Norden zieht die Möwe,
Hin gen Norden zieht mein Herz;[…]
Fliegen beide heimatwärts."
"Zu Zeiten sind erfrischend wie Gewitter goldne Rücksichtslosigkeiten."
War ein deutscher Schriftsteller, der als Lyriker und als Autor von Novellen des deutschen Realismus mit norddeutscher Prägung bedeutend war. Im bürgerlichen Beruf war Storm Jurist. Mit Theodor Fontane und Gottfried Keller gehört er heute zu den wichtigsten Vertretern des Realismus.
Er wuchst in einer patriarchalisch geordneten Welt als Sohn eines Advokaten auf. Auch Storm folgte zunächst einer Juristenkarriere und studierte Jura in Kiel und Berlin, doch schon während des Studiums brachte er zusammen mit Freunden erste Schriften heraus (Liederbuch dreier Freunde, 1843). Aufgrund seines Engagements gegen die Dänische Herrschaft wurde ihm 1852 die Advokatur entzogen und Storm musste 12 Jahre ins Exil. In dieser Zeit entstanden patriotisch-politische Gedichte. Erst 1864, nach dem Abzug der Dänen konnte Storm in seine Heimatstadt Husum zurückkehren. Vor allem schrieb er Lyrik, obwohl er zeitweise vorwiegend Prosa produzierte, worauf auch sein Ruhm beruht. Er verstand sich jedoch immer sehr gut darin verschiedene Genres zu vereinen, wie sein Buch Sommergeschichten und Lieder (1851), eine Mischung aus Prosastücken, Märchen und Gedichten, zeigt. Sein letztes Werk Der Schimmelreiter (1880), wurde zu seinem bekanntesten Roman und ist bis heute gängige Schullektüre.
Was für Fontane die märkischen Dörfer und der preußische Adel, für Keller die Alpen und der Oberrhein, die Handwerker und Landbewohner waren, das sind für Storm die Nordseeküste, die Kleinstadt mit ihren Fischern, Gewerbetreibenden, Handelsleuten und Beamten. Fast immer spielen die Hauptszenarien in seiner Heimatstadt Husum an der Nordseeküste. Orte, die er, ganz im Charakter des poetische Realismus, stets malerisch und detailliert genau beschreibt. Er verfasst Familiengeschichten, Geschichten von beginnender Liebe oder lebenslanger herzlicher Gemeinschaft. Der Fokus liegt meistens auf Themen wie Heimat, Familie und Liebe. Manchmal autobiographisch, meistens Neuigkeiten: Gehörtes, Gelesenes, Fälle aus seiner Tätigkeit als Richter. Gescheitertes Leben, gescheiterte Liebe: Darum dreht sich das kreative Zentrum seines Denkens, Fühlens, Schreibens.
Vertraut mit der materialistischen Popularsphilosophie und als Gegner von Adelsprevilegien und theologischer Orthodoxie, schreibt Storm aus dem Widerspruch zwischen intensiver Lebensbejahung und dem Gefühl der Bedrohung seines Ideals vom harmonischen Menschen. In manchen Gedichten stellt er idyllische Zustände bedroht oder vergangen dar.
Trotz seiner politischen Gedichte erschien Storm nach 1945 eher als unpolitischer Dichter zeitloser Schicksalsnovellen und stimmungshafter Naturlyrik. Aufgrund der Einschränkung auf seine Heimatregion Husum, wird Theodor Storm als Autor der Heimatkunst klassifiziert. Seine Heimatstadt Husum ist bis heute bekannt als Graue Stadt am Meer, ganz nach seinem Gedicht Die Stadt.
"O bleibe treu den Toten, die lebend Du betrübt;
O bleibe treu den Toten, die lebend dich geliebt!"
"Hin gen Norden zieht die Möwe,
Hin gen Norden zieht mein Herz;[…]
Fliegen beide heimatwärts."
"Zu Zeiten sind erfrischend wie Gewitter goldne Rücksichtslosigkeiten."
* 15. April 1878, Biel (Schweiz) | † 25. Dezember 1956, nähe Herisau (Schweiz)
"Marionettenstimmung, romantische Ironie, dass das keine Spielerei sei, möchte ich eigentlich gar nicht behaupten, aber es ist jedenfalls keine schriftstellerische Spielerei, sondern eine menschliche, mit viel Weichheit, Träumerei, Freiheit und moralischem Reichtum." Robert Musil, 1914
Der Schweizer Robert Otto Walser gehört zu den bedeutendsten Stimmen deutschsprachige Literatur der Moderne. Der erwiesene Einfluss, den er auf das Werk von berühmten Autoren wie Franz Kafka, Hermann Hesse und Robert Musil, als auch Peter Handke und Elfriede Jelinek ausübte, machte ihn zu einer Schlüsselfigur der literarischen Geschichte. Nachdem er in den 20er Jahren viel Aufmerksamkeit gewann, rückte er in den 30er und 40er Jahren in den Hintergrund, doch spätestens seit den 70er Jahren werden sein Talent, sein Werk und sein Einfluss wieder zunehmend studiert und anerkannt. Die Herausgabe der mysteriösen Texte Aus dem Bleistiftgebiet (Suhrkamp, 1985), schürte zusätzliches Interesse an der einzigartigen Geschichte dieses hochsensiblen und geistreichen Dichters.
Walser wuchs zweisprachig in der deutsch/französischen Sprachgrenze im Kanton Bern auf. Bereits mit 14 Jahren begann er eine Lehre in der Schweizer Kantonbank, was nur die erste Station auf einen Achterbahnfahrt gleichenden Werdegang sein sollte. Von nun an wechselte häufig Wohnort und Beschäftigung – so arbeitete er als Schreibkraft und Büroangestellter, versuchte sich als Theaterschauspieler, war zeitweilig in der Schweizer Armee beschäftigt, trat in den Dienst als „Gehilfe“ eines Ingenieurs und machte dann eine Ausbildung zum Diener, woraufhin er eine vorübergehende Anstellung als solcher im Schloss Dambrau annahm.
Auch wenn er neben diesen Tätigkeiten ständig auch Gedichte und andere Texte verfasste, und er bereits 1904 sein erstes Buch, Fritz Kocher Aufsätze (Insel Verlag) veröffentlichte, nahm seine Schriftstellerkarriere erst dann an Form an, als er 1905/06 in Berlin durch seinen Bruder, den Maler Karl Walser, die Bekanntschaft mit verschiedenen Künstlern, Autoren und Verlagern machte, darunter Frank Wedekind, Christian Morgenstern, Bruno Cassirers und Samuel Fischer.
In den folgenden Jahren produziert er seine ersten Romane Die Geschwister Tanner (B. Cassirers, 1906), Der Gefühle (Cassirers, 1908) und Jakob von Gunten (B. Cassirers, 1909), die sowohl autobiografische Elemente aufweisen, als auch typische Merkmale der Moderne, wie die Thematik des Angestellten Daseins und Großstadtlebens. Nach einem Bruch mit Berlin, kehrt Walser 1913 zurück in seine Heimat Biel, seine Texte verändern sich und Themen wie Natur und Idylle gewinnen an Stellenwert. Hier entsteht eines seiner bekanntesten Stücke Der Spaziergang (Huber Verlag, 1917), aber auch die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs finden in verschiedenen Erzählungen und Prosastücken Ausdruck.
Als Walser 1921 nach Bern umsiedelt werden erneut Veränderungen in seinem Stil erkennbar, er studiert nun mit Aufmerksamkeit sein Umfeld und schreibt reflektiert und analytisch über seine Beobachtungen. In dieser Zeit wurde er zum prominenten Autor der Feuilletons-Literatur und verfasste Texte für viele bedeutende Tageszeitungen, darunter die Frankfurter Allgemeine und das Berliner Tagesblatt.
Auch während seiner Zeit in Bern wechselte er in der Regel alle paar Monate seine Adresse. Diese Freiheit, und von ihr ausgehende Unruhe, kamen für den Dichter zu einem hohen Preis, er flüchtete sich immer weiter in die Fantasie hinein und begann an den mysteriösen Mikrogrammen Aus dem Bleistiftgebiete zu arbeiten, die aus insgesamt 523 Seiten Millimeter kleiner handschriftlicher Stenografie bestehende Sammlung von Prosastücken, konnte erst 2001 vollständig entziffert werden und wurde ab 1985 von Bernhard Echte und Werner Morlang in 6 Bänden herausgegeben. Nachdem psychische Krankheiten in seiner Familie keine Neuheit waren, erlitt Robert Walser 1929 einen gravierenden Anfall von Schizophrenie, nachdem seine Schwester ihn in einem verwahrlosten Zustand in seinem Apartment auffand.
Walser fand erst dann Ruhe, als ihm jene Freiheit, von der er so oft in seinen Texten schrieb, abgenommen wurde und er für die letzten 23 Jahre seines Lebens in der Heilanstalt Herisau verblieb. Die Routine und ständige Beobachtung, welche ausschließlich von den regelmäßigen Wanderungen in der Begleitung seines Schriftstellerkollegen und Journalisten Carl Seelig unterbrochen wurde, erlaubten es ihm einen geregelten Alltag zu führen. Die außergewöhnliche Beziehung zwischen den beiden Männern lieferte das Material für den Film Der Vormund und sein Dichter (1978) unter der Regie von Percy Adlon.
Zu dieser Zeit, verweigerte er alle Angebote und Unterstützung, um sein literarische Arbeit weiter zu führen, mit der Begründung, dass er zum Schreiben, Freiheit benötige – diese Freiheit schien für ihn jedoch von nun an etwas beängstigendes zu haben; einmal äußerte er sich dazu mit „Was mich erschreckt, ist der Gedanke, dass ich in dieser Welt erfolgreich sein könnte.“ Und so entschied er sich dazu, bis zu seinem Tod von der Öffentlichkeit, der Freiheit und weitgehend auch von der Wirklichkeit zurückgezogen, in Herisau zu leben.
Er starb im Alter von 78 Jahren ganz so, wie er es sich oft ausgemalt hatte – auf einem seiner langen Winterspaziergänge erlitt er einen Herzanfall und wurde tot in der Schneelandschaft aufgefunden.
• • •
„Es gibt Bücher, ... die sinken allmählich in uns hinein und hören und hören nicht auf, in uns hineinzusinken, und wir hören nicht auf, uns darüber zu wundern, dass Bücher ein so unendliches und sanftes Gewicht haben können und dass in uns solche Tiefen zu wecken sind. Was man dabei empfindet, grenzt an Glück.“
• • •
„Die Wahrheit ist oft phantastischer als die Phantasie der Dichter.“
• • •
„Was kann uns glücklicher machen, als das Glück, das wir anderen schenken?“
• • •
„Die Natur braucht sich nicht anzustrengen, bedeutend zu sein. Sie ist es.“
• • •
„Der Mensch ist ein feinfühliges Wesen. Er hat nur zwei Beine, aber ein Herz, worin sich ein Heer von Gedanken und Empfindungen wohlgefällt. Man könnte den Menschen mit einem wohlangelegten Lustgarten vergleichen.“„Liebe ist ein zu schönes Wort, als dass ich es leichtsinnig in den Mund nähme; ich möchte - was es bedeutet - lieber nur empfinden.“
* 13. November 1964, Offenbach
„Schriftsteller, die mit mehreren Sprachen arbeiten, sind wie Wandler zwischen den Welten." Tanya Lieske
Anne Weber, im örtlichen Offenbach in Deutschland geboren und aufgewachsen, als junge Frau von Abenteuerlust und Fernweh ins Ausland gezogen, reiht sich in die Liste der mehrsprachigen deutschen Schriftsteller ein – und so verleihen Globalisierung und Migrationswellen der zeitgenössischen deutschen Literatur eine gewisse Poetik und Farbenreichtum, die es auf diese Weise vorher nicht gab.
Nach ihrem Studium an der Sorbonne, wo sie Kurse in französischer Literatur und Komparatistik belegte, war sie in verschiedenen Verlagen in Paris tätig und begann schließlich als literarische Übersetzerin zu arbeiten. Nach 35 Jahren in Frankreich beherrscht sie beide Sprachen in einem Maße, welches ihr erlaubt in beide Richtungen zu übersetzten, und so hat sie die Deutschen unter anderem mit Werken von Marguerite Duras und Pierre Michon bereichert, und den Franzosen Zugang zu Wilhelm Genazino und Peter Handke gewährt. Ihre Übersetzungen erhielten unter anderem den renommierten Europäischen Übersetzerpreis (2008), den Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung (2016) als auch den Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis (2016).
Ihren ersten Roman, Ida erfindet das Schießpulver (S. Fischer Verlag, 1999), schrieb sie zunächst auf Französisch und übersetzte ihn dann auf Deutsch. Für ihre späteren Romane, wie Luft und Liebe (S. Fischer Verlag, 2010) und Tal der Herrlichkeiten (S. Fischer Verlag, 2012) drehte sie den Spieß um, schrieb das Original auf Deutsch und übersetzt ihre eigenen Arbeit ins Französische, wodurch sie lernte, dass das Beherrschen einer Sprache einen sowohl an die Grenzen der Fremdsprache bringt, als auch an die Grenzen der Muttersprache.
Nicht nur in Sachen Sprache sitzt die Autorin zwischen - um nicht zu sagen auf - den sprichwörtlichen zwei Stühlen, sondern auch kulturell gesteht sie „eine leichte Fremdheit, und doch Vertrautheit. Wenn ich aber wieder in Deutschland bin für eine Weile, dann habe ich noch so eine alte Vertrautheit von früher, aber ich fühle mich auch fremd. Das ist für das Schreiben eigentlich gar nicht so hinderlich, es ist sogar eher förderlich.“
In ihrem Roman Ahnen. Ein Zeitreisetagebuch (S. Fischer Verlag, 2015) konfrontiert Anne Weber die Problematik der deutschen Vergangenheit, und das eng damit verbundenen Erlebnis deutsch zu sein, im Ausland. Dabei bricht sie aus dem Genre der Nazi-Großvater Romane aus, überspringt eine Generation und macht sich zusammen mit dem Leser auf den Spuren ihres Ur-Großvaters auf eine intellektuelle und emotionale Zeitreise, wobei ihr zahlreiche epochale, fast philosophische Konzepte begegnen. So zum Beispiel die Idee der „Zeitmauer“, die wie unüberwindbar zwischen dem Denken und Handeln ihres Urgroßvaters und ihrer eigenen Realität steht, und sie dadurch immer wieder zu kritischem Denken auffordert, indem sie das was sie denkt verstanden zu haben, sofort wieder in Frage stellt.
In Auseinandersetzung mit ihrer Zweisprachigkeit im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte, bekennt sie so etwas wie Sprachscham zu empfinden – wie zum Beispiel bei dem Wort Jude, welches in der deutschen Sprache aus geschichtlichen Gründen ein sehr geladenes Wort ist, und reflektiert darüber, dass diese Scham augenblicklich überwunden werden kann, wenn man die Sprache wechselt.
Ihr letzter Roman, Kirio (Suhrkamp, 2017), mit dem sie 2017 auf der Shortlist Belletristik des Preises der Leipziger Buchmesse stand, ist eine heitere Lektüre, die uns anhand verschiedener Erzähler einen Menschen ohne Arg vorstellt. Der Roman entstand aus einem gewissen Frust der Autorin darüber, dass sie in der Literatur eine Faszination für das Böse beobachtete und daran glaubt, dass das Gute viel mehr bieten kann. Obwohl sie mit Kirio auch über Beweggründe für gutes oder böses Handeln reflektiert, und damit aktuelle politische Situationen anspricht, kommen politische Themen in ihren Büchern generell nur in dem Sinne vor, wie sie im Alltag der Schriftstellerin auftauchen, werden aber nicht als Schwerpunkt der Narrative bearbeitet.
Mit ihrer Arbeit gelingt es Anne Weber nicht nur die sprachliche Hindernisse und Dissonanzen zwischen Frankreich und Deutschland zu überbrücken, sondern auch scheinbar spielerisch über die kulturelle und politische Spaltung, die als Folge der polemischen Geschichte die von beiden Staaten geteilt wird entstanden ist, hinweg zuspringen, indem sie sie durch ein außergewöhnliches Feingefühl und Verständnis für Unterschiede und Kontraste gegenseitig näher bringt.
„Wir vermeiden alles, was schlimme, schmerzliche Folgen für uns haben könnte. Und hinterher stellt sich heraus, dass gerade das Schlimme, Schmerzliche, was wir erlebt haben, uns zu besseren, klügeren, achtsameren Menschen gemacht hat, ja, dass in manchen Fällen sogar etwas Schöpferisches daraus entstanden ist.“
„Der Übersetzer ist in mancher Hinsicht vergleichbar mit einem Schauspieler, insofern er ein fremdes Werk verkörpert, ihm einen neuen Sprachkörper verleiht.“
„Zur Zeit des kleinen Schnurbartmenschen war uns jeglicher Sinn für die eigene Lächerlichkeit abgestorben. Dabei war jede der selbstgefälligen Gesten dieses Mannes,… jedes Handschlenkern, jede böse Miene die Lächerlichkeit selbst. Und wäre es auch ohne Chaplin gewesen. Auf jedem seiner rollenden >r<s hätten wir ihn jederzeit ausrutschen und der Länge nach die Podest-Treppe heruntersegeln lassen können. Stattdessen haben wir ihm ernst, ja, ehrfürchtig gelauscht.“
„Es sind die anderen, die bestimmen ob man einer Gemeinschaft angehört, und wenn ja, welcher, und es ist dabei völlig gleichgültig, ob man nun deren Zuordnung anerkennt oder sich dagegen sträubt. Die anderen sind stärker.“
* 30. Juni 1974 in Bonn
Sie schreibt im „Guardian“ über die Euro-Krise und die Zukunft der Bundeswehr, im „Focus“ über die Entmachtung der europäischen Parlamente, in der „Sonntagszeitung“, über das Urheberrecht, spricht im „Tagesspiegel“ über Gesundheitszwang, und in Fernsehtalkshows erklärt sie ihre Sympathien für die Piratenpartei. Sie ist engagiert, kennt sich aus, vertritt klare Positionen, ist niemals zynisch.
(Volker Weidermann)
Die junge deutsche Buchautorin hat keineswegs das klassische Schriftsteller-Profil. Denn durch ihre Juristenkarriere und ihre öffentliche Einflussnahme auf das politische Leben, sowie ihre mediale Präsenz würde man kaum glauben, dass sie abgesehen von ihren unzähligen Zeitungsartikeln auch literarisch aktiv ist. Damit erzielte sie sogar nennenswerte Erfolge: Ihre Romane wurden auf 35 Sprachen übersetzt.
Juli Zeh machte ihr Jurastudium in Passau und Leipzig, danach promovierte sie im Bereich Europa- und Völkerrecht. Sie hielt sich eine Zeit in New York und Krakau auf. Schon ihr Debütroman Adler und Engel (2001), der inhaltlich noch klar von ihrem juristischen Berufshintergrund gekennzeichnet ist, wurde zu einem Welterfolg. Ihr politisches Engagement spiegelt sich unter anderem in einem Reisetagebuch Die Stille ist ein Geräusch wieder, das sie 2003 veröffentlichte. Nachdem sie von der fehlenden Berichterstattung in Europa über den Bosnienkrieg Kenntnis nahm, reiste sie selbst nach Bosnien um sich ein eigenes Bild von den dortigen Umständen zu machen und mit den Bosniern zu sprechen. Auch mehr als zwanzig Jahre nach Kriegsende sterben jährlich weitere Menschen an den Kriegsfolgen. Nach dem Ende des Bosnienkrieges 1995 kamen über 600 Menschen durch Minenexplosionen ums Leben. Mit dem Werk Die Stille ist ein Geräusch trug sie diese und andere Fakten an die Öffentlichkeit.
Auch setzte sie sich gegen die Erfassung von Biometrischen Reisepässen ein und nannte diesen einen sinnlosen Grundrechteingriff. 2009 kritisierte sie zusammen mit Ilja Trojanow bei einer Buchvorstellung öffentlich, dass der Staat unter dem Deckmantel der Terrorabwehr immer tiefer in die Privatsphäre des Volkes eindringenden würde. Später schrieb sie einen offenen Brief an Angela Merkel in dem sie mehr Transparenz in Bezug auf die Spähangriffe in Deutschland forderte. Im Jahr 2013 reichte sie ihn, zusammen mit 20 weiteren Schriftsteller-Kollegen und 67 Tausend Unterschriften, ein. Auch wenn dieser Einsatz ohne Folgen blieb, hat sich Juli Zeh das längst verloren geglaubte Image des Schriftstellers als politisch aktive Akteure zumindest für sich und einige Kollegen wieder zurückholen können.
Juli Zeh zog 2007 von der Großstadt Leipzig zum ersten Mal in eine Provinz nach Brandenburg und lebt dort bis heute mit ihren zwei Kindern und ihrem Ehemann. Das neue Dorfleben war die Grundlage für ihren aktuellsten Gesellschafts- beziehungsweise Dorfromans Unterleuten (2016). Das 640-seitige Werk handelt von Gerüchteküchen eines Brandenburger Dorfes sowie Interessenkonflikten zwischen Dorfbewohnern und Investoren, als in der Nähe ein Windpark gebaut werden soll. Es kommt zum brutalen Crash zwischen Menschen- und Tierschützern und denen, die mit der Energiewende-Infrastruktur Geld verdienen wollen. Der Roman ist in sechs Teile geteilt in denen immer eine andere Perspektive über dieselben Umstände geschildert werden. Die große Umstellung vom Stadt- ins Landleben faszinierte Juli Zeh schon seit ihrem Umzug. In einem Interview sagte sie, dass die meisten Bürgerkriege auf der Welt zwischen der Stadt- und der Landbevölkerung entstünden. Oft ginge die Politik, die in ländlichen Gebieten ausgetragen würde von den Stadtgebieten aus. Landbewohner würden selten miteinbezogen, würden aber am häufigsten unter Armut leiden.
Sie schrieb in einem Zeit-Artikel, dass sie keiner Partei angehört und sich weder als links noch als rechts bezeichnen könnte. Trotzdem wird sie stets zu diversen politischen Debatten eingeladen und um ihre Meinung zu politischen Fragen gebeten. Ihre Motivation zum literarischen Schreiben ist es, den Lesern keine Meinungen, sondern Ideen vermitteln zu können und den Zugang zu einem nichtjournalistischen und trotzdem politischen Blick auf die Welt zu eröffnen, schrieb sie im selben Artikel. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Hildegard-von-Bingen-Preis (2015).
"Demokratie ist kein Verfahren, um wirklich ein gutes Ziel zu erreichen. […] Demokratie ist nicht die Methode zum Ermitteln des besten Ergebnisses, sondern nur eine Methode, um Macht zu zerstreuen."[1]
"Nicht einmal die Wahrheit höchstpersönlich ist so überzeugend wie ein gut zementiertes Vorurteil."[2]
"Um politisch zu sein, braucht man keine Partei; und man braucht vor allem kein staatlich anerkanntes Expertentum. Vielmehr braucht man zweierlei: gesunden Menschenverstand und ein Herz im Leib."[3]
"Democracia não é um meio para conquistar um bom objetivo [...]. Democracia não é o método para a investigação do melhor resultado, mas sim um método para espalhar o poder."
[1] Juli Zeh im Mai 2011 in der Sendung Philosophisches Quartett zum Thema „Sind Gesellschaften lernfähig?“
[2] Kleines Konversationslexikon für Haushunde, Schöffling, Frankfurt am Main 2005
[3] http://www.zeit.de/2004/11/L-Preisverleihung/seite-2
Sie schreibt im „Guardian“ über die Euro-Krise und die Zukunft der Bundeswehr, im „Focus“ über die Entmachtung der europäischen Parlamente, in der „Sonntagszeitung“, über das Urheberrecht, spricht im „Tagesspiegel“ über Gesundheitszwang, und in Fernsehtalkshows erklärt sie ihre Sympathien für die Piratenpartei. Sie ist engagiert, kennt sich aus, vertritt klare Positionen, ist niemals zynisch.
(Volker Weidermann)
Die junge deutsche Buchautorin hat keineswegs das klassische Schriftsteller-Profil. Denn durch ihre Juristenkarriere und ihre öffentliche Einflussnahme auf das politische Leben, sowie ihre mediale Präsenz würde man kaum glauben, dass sie abgesehen von ihren unzähligen Zeitungsartikeln auch literarisch aktiv ist. Damit erzielte sie sogar nennenswerte Erfolge: Ihre Romane wurden auf 35 Sprachen übersetzt.
Juli Zeh machte ihr Jurastudium in Passau und Leipzig, danach promovierte sie im Bereich Europa- und Völkerrecht. Sie hielt sich eine Zeit in New York und Krakau auf. Schon ihr Debütroman Adler und Engel (2001), der inhaltlich noch klar von ihrem juristischen Berufshintergrund gekennzeichnet ist, wurde zu einem Welterfolg. Ihr politisches Engagement spiegelt sich unter anderem in einem Reisetagebuch Die Stille ist ein Geräusch wieder, das sie 2003 veröffentlichte. Nachdem sie von der fehlenden Berichterstattung in Europa über den Bosnienkrieg Kenntnis nahm, reiste sie selbst nach Bosnien um sich ein eigenes Bild von den dortigen Umständen zu machen und mit den Bosniern zu sprechen. Auch mehr als zwanzig Jahre nach Kriegsende sterben jährlich weitere Menschen an den Kriegsfolgen. Nach dem Ende des Bosnienkrieges 1995 kamen über 600 Menschen durch Minenexplosionen ums Leben. Mit dem Werk Die Stille ist ein Geräusch trug sie diese und andere Fakten an die Öffentlichkeit.
Auch setzte sie sich gegen die Erfassung von Biometrischen Reisepässen ein und nannte diesen einen sinnlosen Grundrechteingriff. 2009 kritisierte sie zusammen mit Ilja Trojanow bei einer Buchvorstellung öffentlich, dass der Staat unter dem Deckmantel der Terrorabwehr immer tiefer in die Privatsphäre des Volkes eindringenden würde. Später schrieb sie einen offenen Brief an Angela Merkel in dem sie mehr Transparenz in Bezug auf die Spähangriffe in Deutschland forderte. Im Jahr 2013 reichte sie ihn, zusammen mit 20 weiteren Schriftsteller-Kollegen und 67 Tausend Unterschriften, ein. Auch wenn dieser Einsatz ohne Folgen blieb, hat sich Juli Zeh das längst verloren geglaubte Image des Schriftstellers als politisch aktive Akteure zumindest für sich und einige Kollegen wieder zurückholen können.
Juli Zeh zog 2007 von der Großstadt Leipzig zum ersten Mal in eine Provinz nach Brandenburg und lebt dort bis heute mit ihren zwei Kindern und ihrem Ehemann. Das neue Dorfleben war die Grundlage für ihren aktuellsten Gesellschafts- beziehungsweise Dorfromans Unterleuten (2016). Das 640-seitige Werk handelt von Gerüchteküchen eines Brandenburger Dorfes sowie Interessenkonflikten zwischen Dorfbewohnern und Investoren, als in der Nähe ein Windpark gebaut werden soll. Es kommt zum brutalen Crash zwischen Menschen- und Tierschützern und denen, die mit der Energiewende-Infrastruktur Geld verdienen wollen. Der Roman ist in sechs Teile geteilt in denen immer eine andere Perspektive über dieselben Umstände geschildert werden. Die große Umstellung vom Stadt- ins Landleben faszinierte Juli Zeh schon seit ihrem Umzug. In einem Interview sagte sie, dass die meisten Bürgerkriege auf der Welt zwischen der Stadt- und der Landbevölkerung entstünden. Oft ginge die Politik, die in ländlichen Gebieten ausgetragen würde von den Stadtgebieten aus. Landbewohner würden selten miteinbezogen, würden aber am häufigsten unter Armut leiden.
Sie schrieb in einem Zeit-Artikel, dass sie keiner Partei angehört und sich weder als links noch als rechts bezeichnen könnte. Trotzdem wird sie stets zu diversen politischen Debatten eingeladen und um ihre Meinung zu politischen Fragen gebeten. Ihre Motivation zum literarischen Schreiben ist es, den Lesern keine Meinungen, sondern Ideen vermitteln zu können und den Zugang zu einem nichtjournalistischen und trotzdem politischen Blick auf die Welt zu eröffnen, schrieb sie im selben Artikel. Juli Zeh wurde für ihr Werk vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Thomas-Mann-Preis (2013) und dem Hildegard-von-Bingen-Preis (2015).
"Demokratie ist kein Verfahren, um wirklich ein gutes Ziel zu erreichen. […] Demokratie ist nicht die Methode zum Ermitteln des besten Ergebnisses, sondern nur eine Methode, um Macht zu zerstreuen."[1]
"Nicht einmal die Wahrheit höchstpersönlich ist so überzeugend wie ein gut zementiertes Vorurteil."[2]
"Um politisch zu sein, braucht man keine Partei; und man braucht vor allem kein staatlich anerkanntes Expertentum. Vielmehr braucht man zweierlei: gesunden Menschenverstand und ein Herz im Leib."[3]
"Democracia não é um meio para conquistar um bom objetivo [...]. Democracia não é o método para a investigação do melhor resultado, mas sim um método para espalhar o poder."
[1] Juli Zeh im Mai 2011 in der Sendung Philosophisches Quartett zum Thema „Sind Gesellschaften lernfähig?“
[2] Kleines Konversationslexikon für Haushunde, Schöffling, Frankfurt am Main 2005
[3] http://www.zeit.de/2004/11/L-Preisverleihung/seite-2
* 28. November 1881 in Wien - † 22. Februar 1942 in Petrópolis
„Zweig meint oder hofft nicht, die Welt mit seinen Schriften ändern zu können; sein einziger Ehrgeiz ist es die Bitternis menschlichen Leidens lindern zu helfen, indem er uns dessen Wurzeln und Ursachen genauer kennen lehrt. Seine Methodik der Wirklichkeit gegenüber ist weder idealistisch noch materialistisch im marxistischen Sinn. Er kennt überhaupt keine Methode, mittels deren der Mensch beurteilt und eingeordnet werden könnte. Was er einzig fordert und anerkennt, ist die Zivilisation, die dem Menschen zu dienen hat.“ (KLAUS MANN)
Stefan Zweig war ein jüdisch-österreichischer Sohn eines Industriellen, der in Wien und in Berlin Germanistik und Romanistik studierte und die Welt bereiste. Im Ersten Weltkrieg zog er in die Schweiz, ließ sich später in Salzburg nieder, und musste anschließend vor Hitler nach London, dann nach New York und am Ende nach Brasilien flüchten. Zu Lebzeiten war er der meistübersetzte deutschsprachige Autor und trotzdem stand sein Name im Dritten Reich auf der „Liste verbotener Autoren“. Er war im Ausland berühmt und geschätzt, führte eine harmonische Ehe und konnte im Exil als Schriftsteller erfolgreich weiter arbeiten - was bei politisch verfolgten Autoren eher selten möglich war. Trotzdem entschied er sich 1942 auf seiner letzten Station Brasilien für den Freitod. Seine Beweggründe bleiben bis heute aufgrund seines scheinbar guten Lebens im Exil rätselhaft. Ob der Krieg und die geistige Zerstörung Europas eine unstillbare Schwermut in dem überzeugten Pazifisten und Humanist auslösten und ihn in den Freitod trieben oder andere Faktoren eine Rolle spielten, darüber kann heute nur spekuliert werden.
Er schrieb Essays, arbeitete als Übersetzer der Werke Verlaines, Baudelaires und insbesondere Émile Verhaerens. Auch als Journalist war er tätig. Als engagierter Intellektueller trat Zweig vehement gegen Nationalismus und Revanchismus ein und warb für die Idee eines geistig geeinten Europas, Grund genug für die Nazis, ihn in die Liste der Autoren aufzunehmen, deren Bücher öffentlich verbrannt wurden. Sein Heimatland Österreich war mit dem Anschluss im Jahr 1938 ein Teil des Deutschen Reiches geworden. Somit waren seine Bücher in beiden Ländern verboten.
Man spricht von drei Leben Stefan Zweigs: Zum einen die „scheinbar sichere Welt des Bürgertums“, in welcher er aufwuchs, sein Leben in der Wahlheimat Salzburg und sein drittes Leben im Exil. In seinem Werk Die Welt von Gestern (1944) erzählt er rückblickend von diesen drei Leben.
Charakteristisch für Zweigs Schreibstil war der Einfluss der Psychoanalyse. Er wurde praktisch gleichzeitig mit dieser geboren und führte regen Briefkontakt mit Sigmund Freud, woraus eine innige Freundschaft erwuchs. Viele seiner Werke sind von Freuds Psychoanalyse geprägt: Brennendes Geheimnis (1914), Amok (1922), Schachnovelle (1941) und Verwirrung der Gefühle (1962). In seinem einzigen vollendeten Roman Ungeduld des Herzens (1939) schuf er beinahe eine Kunstgattung, die man als „psychoanalytischen Naturalismus“ oder „Realismus der Seele“ bezeichnen könnte. Das Streben nach einer psychologischen Sichtweise der Dinge spiegelte sich in Zweigs Umgang mit seinen Mitmenschen wieder. Freunde wie Bekannte beschrieben ihn als einfühlsamen und äußerst höflichen Menschen.
Was ihn zu einer Art Helden macht, ist die Tatsache dass er im Gegensatz zu seinen zeitgenössischen jüdischen Autoren-Kollegen nicht erst nach seinem Tod bekannt wurde, sondern trotz Zensur und Bücherverbrennung während seiner gesamten Lebenszeit im Ausland hochangesehen war. Die brasilianische Regierung bestand sogar nach seinem Tod auf einem Staatsbegräbnis und benannte eine Straße in Rio de Janeiro nach ihm. Sein letztes Haus in Petrópolis ist heute das Museum „Casa Stefan Zweig“. Im laufenden Jahr 2016 wurde sein Leben verfilmt. Der Filmtitel Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika, von Maria Schrader beruht auf einem Satz seines Abschiedsbriefes.
"Ich glaube, dass Pässe und Grenzen eines Tages der Vergangenheit angehören werden. Ich bezweifle allerdings, dass wir das noch erleben werden."
"Das Fremdeste zu verstehen, immer Völker und Zeiten, Gestalten und Werke nur in ihrem positiven, ihrem schöpferischen Sinne zu bewerten und durch solches Verstehenwollen und Verstehenmachen demütig, aber treu unserem unzerstörbaren Ideal zu dienen: der humanen Verständigung zwischen Menschen, Gesinnungen, Kulturen und Nationen."
"Alles was man aus seinem eigenen Leben vergisst, war eigentlich von einem inneren Instinkt längst schon dazu verurteilt gewesen, vergessen zu werden."
„Zweig meint oder hofft nicht, die Welt mit seinen Schriften ändern zu können; sein einziger Ehrgeiz ist es die Bitternis menschlichen Leidens lindern zu helfen, indem er uns dessen Wurzeln und Ursachen genauer kennen lehrt. Seine Methodik der Wirklichkeit gegenüber ist weder idealistisch noch materialistisch im marxistischen Sinn. Er kennt überhaupt keine Methode, mittels deren der Mensch beurteilt und eingeordnet werden könnte. Was er einzig fordert und anerkennt, ist die Zivilisation, die dem Menschen zu dienen hat.“ (KLAUS MANN)
Stefan Zweig war ein jüdisch-österreichischer Sohn eines Industriellen, der in Wien und in Berlin Germanistik und Romanistik studierte und die Welt bereiste. Im Ersten Weltkrieg zog er in die Schweiz, ließ sich später in Salzburg nieder, und musste anschließend vor Hitler nach London, dann nach New York und am Ende nach Brasilien flüchten. Zu Lebzeiten war er der meistübersetzte deutschsprachige Autor und trotzdem stand sein Name im Dritten Reich auf der „Liste verbotener Autoren“. Er war im Ausland berühmt und geschätzt, führte eine harmonische Ehe und konnte im Exil als Schriftsteller erfolgreich weiter arbeiten - was bei politisch verfolgten Autoren eher selten möglich war. Trotzdem entschied er sich 1942 auf seiner letzten Station Brasilien für den Freitod. Seine Beweggründe bleiben bis heute aufgrund seines scheinbar guten Lebens im Exil rätselhaft. Ob der Krieg und die geistige Zerstörung Europas eine unstillbare Schwermut in dem überzeugten Pazifisten und Humanist auslösten und ihn in den Freitod trieben oder andere Faktoren eine Rolle spielten, darüber kann heute nur spekuliert werden.
Er schrieb Essays, arbeitete als Übersetzer der Werke Verlaines, Baudelaires und insbesondere Émile Verhaerens. Auch als Journalist war er tätig. Als engagierter Intellektueller trat Zweig vehement gegen Nationalismus und Revanchismus ein und warb für die Idee eines geistig geeinten Europas, Grund genug für die Nazis, ihn in die Liste der Autoren aufzunehmen, deren Bücher öffentlich verbrannt wurden. Sein Heimatland Österreich war mit dem Anschluss im Jahr 1938 ein Teil des Deutschen Reiches geworden. Somit waren seine Bücher in beiden Ländern verboten.
Man spricht von drei Leben Stefan Zweigs: Zum einen die „scheinbar sichere Welt des Bürgertums“, in welcher er aufwuchs, sein Leben in der Wahlheimat Salzburg und sein drittes Leben im Exil. In seinem Werk Die Welt von Gestern (1944) erzählt er rückblickend von diesen drei Leben.
Charakteristisch für Zweigs Schreibstil war der Einfluss der Psychoanalyse. Er wurde praktisch gleichzeitig mit dieser geboren und führte regen Briefkontakt mit Sigmund Freud, woraus eine innige Freundschaft erwuchs. Viele seiner Werke sind von Freuds Psychoanalyse geprägt: Brennendes Geheimnis (1914), Amok (1922), Schachnovelle (1941) und Verwirrung der Gefühle (1962). In seinem einzigen vollendeten Roman Ungeduld des Herzens (1939) schuf er beinahe eine Kunstgattung, die man als „psychoanalytischen Naturalismus“ oder „Realismus der Seele“ bezeichnen könnte. Das Streben nach einer psychologischen Sichtweise der Dinge spiegelte sich in Zweigs Umgang mit seinen Mitmenschen wieder. Freunde wie Bekannte beschrieben ihn als einfühlsamen und äußerst höflichen Menschen.
Was ihn zu einer Art Helden macht, ist die Tatsache dass er im Gegensatz zu seinen zeitgenössischen jüdischen Autoren-Kollegen nicht erst nach seinem Tod bekannt wurde, sondern trotz Zensur und Bücherverbrennung während seiner gesamten Lebenszeit im Ausland hochangesehen war. Die brasilianische Regierung bestand sogar nach seinem Tod auf einem Staatsbegräbnis und benannte eine Straße in Rio de Janeiro nach ihm. Sein letztes Haus in Petrópolis ist heute das Museum „Casa Stefan Zweig“. Im laufenden Jahr 2016 wurde sein Leben verfilmt. Der Filmtitel Vor der Morgenröte – Stefan Zweig in Amerika, von Maria Schrader beruht auf einem Satz seines Abschiedsbriefes.
"Ich glaube, dass Pässe und Grenzen eines Tages der Vergangenheit angehören werden. Ich bezweifle allerdings, dass wir das noch erleben werden."
"Das Fremdeste zu verstehen, immer Völker und Zeiten, Gestalten und Werke nur in ihrem positiven, ihrem schöpferischen Sinne zu bewerten und durch solches Verstehenwollen und Verstehenmachen demütig, aber treu unserem unzerstörbaren Ideal zu dienen: der humanen Verständigung zwischen Menschen, Gesinnungen, Kulturen und Nationen."
"Alles was man aus seinem eigenen Leben vergisst, war eigentlich von einem inneren Instinkt längst schon dazu verurteilt gewesen, vergessen zu werden."