Victor Klagsbrunn ist als Stipendiat in Deutschland gewesen, wo er in Politik und Wirtschaft promovierte. Heute ist er Präsident der “Associação Fluminense dos Ex-Bolsistas da Alemanha” (AFEBA) und bemüht sich, Interesse an Deutschland zu wecken und zu stillen, so wie er sich um akademischen Austausch bemüht hat. Die Herausforderung: einen Bezug zu Deutschland herzustellen, Sprachbarrieren überwinden und Kreativität fördern.
Herr Klagsbrunn, wie war Ihre erste Begegnung mit dem Goethe-Institut Rio de Janeiro?
Das erste Mal, dass ich Kontakt zum Goethe-Institut Rio de Janeiro hatte, war Ende der 1990er Jahre. Ich war Präsident der “Associação Fluminense dos Ex-Bolsistas da Alemanha” (AFEBA). Damals haben wir Kontakt mit dem Institut aufgenommen, weil die AFEBA schon davor mit dem Institut zusammengearbeitet hatte. Sie hat ein Seminar im Jahr mit dem Institut veranstaltet, in manchen Jahren sogar zwei Seminare, wobei uns das Institut finanziell und konzeptionell unterstützt hat.
Worum ging es bei den Seminaren?
Das waren Seminare mit Deutschen und Brasilianern zu Themen wie Stadtentwicklung, Frauen in Brasilien, Migration von Türken in Deutschland, Brasilianern nach Deutschland oder allgemein ins Ausland, Umweltschutz und ähnlichem. Vor zwei Jahren haben wir zu 450 Jahre Rio ein Seminar zu den Beziehungen Deutschland-Brasilien im Bereich der klassischen Musik veranstaltet. Daran haben Musikwissenschaftler und Musiker von der Hochschule für Musik Karlsruhe und dem Ibero-Amerikanischen Institut Berlin und von der Universidade Federal do Rio de Janeiro (UFRJ) teilgenommen. Wir haben zu den Seminaren mit Unterstützung des Instituts auch ein Buch herausgebracht.
Sie sind Professor für Wirtschaftswissenschaften und Internationale Beziehungen, aber machen Veranstaltungen zu klassischer Musik?
Wir machen Veranstaltungen, die die Mitglieder der AFEBA interessieren. Am Anfang lag der Schwerpunkt vielmehr im Bereich Ingenieurswissenschaften, auch etwas im Bereich der Sozialwissenschaften, jetzt ist es eben viel Musik, auch weil die klassische Musik ja sehr deutsch geprägt ist. Viele Kolleginnen und Kollegen von der UFRJ und der UniRio haben in Deutschland studiert. Die meisten waren Stipendiaten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD).
Sie selbst waren Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung und haben in Berlin in Politik und Wirtschaft promoviert. Wie ist jetzt Ihr Bezug zu Deutschland?
Ich habe weiterhin Freunde von der Universität. Meine Tochter lebt in Karlsruhe. Eine Zeit war ich Übersetzer für die Friedrich-Ebert-Stiftung in São Paulo und Rio. Deutsch ist bei mir Familienerbe.
Wenn Sie Bilanz ziehen und auf die kommenden 60 Jahre vorausblicken – worin sehen Sie da die Herausforderungen für den deutsch-brasilianischen Austausch und die Rolle des Goethe-Instituts Rio de Janeiro?
Ich habe mich sehr bemüht, um akademischen Austausch mit Deutschland herzustellen und zu vermitteln. Die Universidade Federal Fluminense (UFF) hat eine Kooperation mit Tübingen. Sie hat jedes Jahr zwischen fünf und zehn Studenten aus Deutschland bekommen, die über den DAAD kamen. Die deutsche Sprache an der UFF ist in Verbindung mit Johannes Kretschmer und in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut sehr wichtig. Das ist ein Austausch, der nicht nur auf Papier besteht. Da passiert immer etwas, auch weil Johannes sehr aktiv ist.
Aus welchen Fachrichtungen kommen da die Studentinnen und Studenten?
In der Wirtschaft ist erstens die Sprache eine Hürde und zweitens der Einfluss Deutschlands in brasilianischen Universitäten klein. Wo eben das Interesse an Deutschland besteht, das sind Ingenieurswissenschaften, Musik und Sozialwissenschaften. Das Interesse der Studenten, nach Deutschland zu gehen, ist geringer als in die Vereinigten Staaten, nach England, Frankreich oder Portugal. Die Herausforderung ist, einen Bezug zu Deutschland herzustellen. Das Institut kann helfen die Sprachbarriere als Hürde etwas abzubauen.
Inzwischen bieten auch viele Universitäten in Deutschland ihre Postgraduierten- Studiengänge auf Englisch an.
Ich halte es für zweischneidig, weil man auf der einen Seite dann nicht viel von der deutschen Sprache und Kultur mitbekommt, aber eben dem Unterricht auch mit wenig Deutsch folgen kann. Die Universitäten in Deutschland stehen eben im Konkurrenzkampf zu den englischsprachigen Universitäten. Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass man bei der Verbreitung der deutschen Kultur im Ausland seitens der deutschen Behörden beim Gewohnten bleibt und nicht viel Geld ausgeben möchte. Da könnte man mit mehr Mut und einem anderen Ansätzen herangehen. Mehr Kreativität muss nicht immer teurer sein.