Gaby Leib, die sich selbst als Weltbürgerin bezeichnet, ist eine der wenigen klassischen Agentinnen Rio de Janeiros, der Stadt des Sambas. Sie hat unter anderem deutsche Musik nach Brasilien gebracht, brasilianische Musik nach Deutschland und Musikproduktionen gemacht, und das fast alles auch zusammen mit dem Goethe-Institut Rio. Genregrenzen kennt Leib dabei trotz des Fokus auf Klassik nicht. Für sie gibt es nur gute oder schlechte Musik. Das Goethe-Institut schätzt sie wegen seiner Präsenz und Kontinuität.
Wie hat ihre Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut angefangen?
Die Verbindung zum Goethe-Institut ist sehr stark. Ich hatte aus verschiedenen Gründen immer Kontakt mit dem Institut, wie dass ich übrigens in Rio de Janeiro fast genauso lang, seit 1959, mit Kultur und Musik arbeite. Wo mich das Institut sehr unterstützt hat, waren die deutsch-brasilianischen Wochen, die wir in der “Sala Cecília Meirelles”, veranstaltet haben – ein Musikfestival in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Karlsruhe, deren Rektorin Fany Solter Brasilianerin war. Ich habe aus Karlsruhe mit der Unterstützung des Goethe-Instituts auch Opern nach Rio geholt, hier verschiedene deutsche Chöre präsentiert, sogar als Benefizveranstaltung, für die ich einmal im Jahr eine Institution zum Spenden ausgesucht habe.
Also besteht Ihre Idee darin, deutsche Musik aus Deutschland zu holen oder machen Sie auch kulturelle Produktionen in Rio?
Ich arbeite in verschiedenen Richtungen. Einmal habe ich eine Einladung des Berliner Senats bekommen, das war in den 1980er Jahren. Man hat mir ein großzügiges Budget gegeben, um drei Gruppen nach Berlin zu bringen. Da habe ich eine Gruppe aus dem Nordosten mitgenommen, eine Gruppe aus São Paulo mit Gilberto Gil, der damals in São Paulo wohnte und eine Gruppe aus Rio Grande do Sul, die ihre kleine Stadt noch nie verlassen hatte. Für ihre Mitglieder war das natürlich eine ganz neue Erfahrung, im Ausland und in einer Großstadt wie Berlin zu sein, das damals auch noch getrennt war.
Das heißt, Sie arbeiten in alle Richtungen und produzieren auch Veranstaltungen.
Genau. Beispielsweise bei der Einweihung des “Centro Cultural Banco do Brasil” (CCBB). Über Jahre hinweg hatte ich dort Projekte. Ich habe einen Mozart-, einen Beethoven-, einen Strauß-Zyklus gemacht. Kammermusik für das kleine Theater der CCBB. Damals gab es auch einen Beethoven-Klub, der musikalische Abende veranstaltet hat. Das waren Treffen von Leuten, die Musik wirklich gemocht haben, Musik gehört, sich unterhalten, Tee getrunken haben.
Ihr Fokus ist die klassische Musik, nicht wahr? Haben Sie eine persönliche Vorliebe?
Was ich wirklich sehr gerne mag, ist Barockmusik. Aber ich habe auch sehr viele Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker wie Ella Fitzgerald oder Duke Ellington nach Brasilien geholt. Ich kenne da keine Genregrenzen. Für mich gibt es nur gute oder schlechte Musik. Mittelmäßige Musik ist die schlechteste von allen.
Worin besteht die Herausforderung, diese Art von Musikproduktionen in Rio zu machen?
Jetzt kann ich das eigentlich nur mit einem Schimpfwort beschreiben. Aber das werde ich nicht machen. Ich suche nicht mal mehr Sponsoren, denn um mir ein “Nein” einzuholen, gehe ich lieber nicht aus dem Haus. Es ist sehr, sehr schwer. Ich arbeite mit einigen wenigen Künstlerinnen und Künstlern, ich hatte bei “Jenufa” im Teatro Municipal Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne, also ich bin noch im Geschäft. Aber früher hatte ich 30 Veranstaltungen oder Aufnahmen im Monat, jetzt sind es zwei.
Wie sehen Sie da die kommenden 60 Jahre für Ihre Kunst und für die deutsch-brasilianische Zusammenarbeit?
Für Brasilien und Rio bete ich, dass es eine Kehrtwende gibt. Im Moment schließen wir die Türen. Das Panorama ist entmutigend. Ich sehe nicht sehr viel Licht am Ende des Tunnels. Das Goethe-Institut war immer großer Mutmacher. Nicht, dass es das Geld in den Rachen der Leute schmeißen würde. Aber es unterstützt und ist immer präsent. Ich finde das sehr wichtig, weil die deutsche Kultur eine sehr große Kraft der europäischen und der westlichen Welt ist. Das Goethe-Institut ist eines der ausländischen Kulturinstitute, das am präsentesten ist. Und es gibt Kontinuität.
Kontinuität ist eine deutsche Eigenschaft.
Meine Familie ist deutschen Ursprung, wobei es etwas schwer ist, von Ursprung zu sprechen. Ich bin Brasilianerin, meine Eltern waren Deutsche und meine acht Urgroßeltern haben sechs verschiedene Nationalitäten. Das ist eine sehr interessante Mischung. Ich bin blond wie eine Nordeuropäerin, meine Schwester sieht aus wie eine Italienerin. Ich habe nie in Deutschland gelebt. In diesem Sinne bin ich keine Deutsche. Aber ich habe in der Schweiz studiert und verschiedene Reisen nach Deutschland gemacht. Wenn man mich nach meiner Nationalität fragt, dann sage ich zum Spaß, ich bin Weltbürgerin. Aber Brasilianer sind gerne Brasilianer. Ich bin hier geboren, ich wohne hier, ich bin von hier, das ist meine Heimat.
Wie ist ihr Interesse für die klassische Musik entstanden?
Mein Vater hatte eine schöne Tenorstimme und hat sehr gut Klavier gespielt. Es gab immer Musik zu Hause und ich hatte seit ich klein war Klavierunterricht. Ich hätte nach Wien zum Studieren gehen können, ich hatte sehr viel Talent. Aber das ist dann anders gekommen.