Augmented Reality
Kinderbücher mit digitalem Mehrwert

Englisch lernen mit Kinderbuchfigur Conni
Englisch lernen mit Kinderbuchfigur Conni | Foto (Ausschnitt): © Carlsen Verlag

Einige Verlage in Deutschland probieren digitale Formate für die ganz jungen Leser aus. Die neuen Produkte bieten viele Lernmöglichkeiten, haben sich bei Eltern und Pädagogen aber noch nicht durchgesetzt.

Augmented Reality: Spätestens seit ein großer Möbelhändler die Technologie der erweiterten Realität in seinen Katalogen nutzt, ist sie in deutschen Wohnzimmern und damit im Bewusstsein der Öffentlichkeit angekommen. Mit einer App zum Katalog lassen sich virtuelle Möbel in realen Räumen platzieren. Doch nicht nur in werblichen Publikationen finden sich Anwendungen von erweiterter Realität: Auch in Kinderbüchern wird sie eingesetzt.
 
Die Technologie ermöglicht es, der sichtbaren Realität virtuelle Zusatzinformationen wie Bilder, Videos, gesprochene Texte oder 3-D-Objekte hinzuzufügen. Der Nutzer richtet einen Sensor, meist eine Kamera oder einen Scanner, auf einen Ausschnitt seiner Umgebung. Ein Ortungsmodul erkennt die Position des Benutzers sowie zwei- und dreidimensionale Strukturen im Raum. Zusätzlich zu dem, was der Nutzer mit eigenen Augen sieht, können dann über ein Display weitere virtuelle Informationen eingeblendet werden.

Die Bilder per App zum Leben erwecken

In der deutschen Verlagslandschaft gibt es einige Vorreiter, die das Kinderbuch mit Hilfe dieser Technik ins digitale Zeitalter führen möchten. Zu ihnen gehören die Verlage Carlsen, Kosmos und Oetinger. Neben Kapital brauchen sie für die neuen Entwicklungen auch kreative Köpfe. Ein solcher ist Markus Dömer. Der Wirtschaftsingenieur und freischaffende Künstler arbeitet seit 2011 für den Carlsen Verlag und leitet dort inzwischen einen neu geschaffenen Bereich für Augmented Reality. Mit der 2014 gestarteten Reihe LeYo! hat der Verlag ein in Deutschland neues Produkt für Kinder im Alter von fünf bis sieben Jahren auf den Markt gebracht.
 
Mit Hilfe eines Smartphones oder Tablet-Computers können die Kinder bestimmte Stellen der bebilderten Sachbücher scannen und sogenannte Hotspots aufrufen. Das sind Elemente einer Abbildung, die als Markierungen für das Bilderkennungsprogramm dienen. Mit dem Aufruf der Hotspots werden Erzähltexte, Stimmen, Geräusche oder Lieder abgespielt und Animationen auf dem Bildschirm eingeblendet. Zudem lassen sich Spiele starten, bei denen die Kinder Objekte erkennen und sammeln oder beispielsweise ein bestimmtes Ei einer Vogelart zuordnen müssen.

Englisch lernen mit Kinderbuchfigur Conni

Die virtuellen Erweiterungen der Bücher bieten auch für den Unterricht viele Möglichkeiten. So ist in der Reihe ein Englischlernbuch mit der beliebten Kinderbuchfigur Conni erschienen. Die Texte und Lieder wurden mit Muttersprachlern aufgenommen, Gedächtnis und Hörverständnis der Englischlerner werden mit Spielen trainiert.
 
Solche neuen Medien für Kinder kämpfen in Deutschland allerdings noch um Akzeptanz. Viele Eltern und Pädagogen tun sich schwer mit digitalen Formaten. Markus Dömer verweist auf asiatische Länder, wo Kinder mobile Geräte bereits früh ganz selbstverständlich besitzen und nutzen. Für Eltern in Deutschland gelte dagegen vor allem das Buch als seriöses Medium. LeYo! scheint hier einen Kompromiss zu bieten: Das Buchformat gibt den Eltern Sicherheit, wenn sie aus der Fülle multimedialer Angebote die „richtigen“ für ihre Kinder auswählen möchten. Die „hybriden Bücher“ kann man unterschiedlich einsetzen, sie eignen sich sowohl zum Anschauen und klassischen Vorlesen als auch zur längeren Beschäftigung des Kindes allein mit Buch und App.

Vorschulkinder als Testnutzer

Carlsen hat für das Projekt ein Team von externen Mitarbeitern aufgebaut. Die Bücher werden von Anfang an im Hinblick auf Augmented Reality konzipiert. Lektor, Autor, Illustrator, Gamedesigner, Programmierer und Produktmanager nutzen in ihrer engen Zusammenarbeit Prozesse und Werkzeuge aus der Gaming- und IT-Branche. Ein wichtiger Schritt in der Produktentwicklung ist der Test durch Vorschulkinder. „Man muss die Kinder einfach machen lassen und zuschauen, was passiert“, sagt Dömer. Schwierigkeiten bei der intuitiven Benutzung können erst durch das Ausprobieren realer Nutzer entdeckt werden. Die Erkenntnisse fließen dann in die weitere Konzeption und Programmierung ein.
 
Auch Tigerbooks Media, eine Tochter der Verlagsgruppe Oetinger, hat den Sprung in die digitale Welt gewagt. Seit 2013 bietet das Hamburger Unternehmen TigerCreate an, eine Software-Lösung, mit der Kinderbuchverlage aus bereits bestehenden Büchern ein interaktives E-Book oder eine App machen können. Damit heben sie bekannte Kinderbuchhelden auf die digitale Bühne. Seit 2015 ermöglicht TigerCreate auch die Nutzung von Augmented Reality. Zudem sorgt Tigerbooks unter dem Etikett SuperBuch für einen gemeinsamen Marketing- und Vertriebsauftritt verschiedener Verlage. Er hilft dabei, Idee und Anwendung der Lese-Innovation zu erklären.
 
Der Buchhandel hofft bei solchen Entwicklungen auf eine Teilhabe am digitalen Wandel. Deshalb sind die meisten Apps kostenlos, der Kunde muss nur das Buch kaufen. Kleine Verlage haben bei der rasanten Entwicklung, die mit hohen Kosten verbunden ist, allerdings vorerst wohl das Nachsehen.
 

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