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Nicht nur Emil

Emil
Emil © Galina Miklíková

Wie sieht die tschechische Rezeption von Erich Kästner unter Berücksichtigung seiner Kinder- und Jugendliteratur aus?

Von Radek Malý

Der deutsche Schriftsteller Erich Kästner (1889-1974) wurde zunächst als satirischer Dichter und Journalist bekannt. Seine Lyrik in gebundenen Versen, die manchmal als "angewandte Lyrik" bezeichnet wird, ist von Pessimismus, aber auch von bitterem Humor im Geiste der künstlerischen Bewegung der Neuen Sachlichkeit geprägt. Diese ist dem tschechischen Leser vielleicht aus seinen Sammlungen Z malých dějin (1963, übersetzt von Jitka Bodláková und Josef Hiršal, auf Deutsch etwa Kurze Geschichten aus der Geschichte, Auswahl von Gedichten), Německé kolečko (1966, übersetzt von Jitka Bodláková und Josef Hiršal, auf Deutsch etwa Der deutsche Ring, Auswahl von Gedichten und Kurzgeschichten), Sólo pro mužský hlas (1988, übersetzt von Jindřich Flusser, auf Deutsch etwa Solo für eine Männerstimme, Auswahl von Gedichten) und Třináctý měsíc (2006, übersetzt von Radek Malý, auf Deutsch etwa Der dreizehnte Monat, Auswahl von Gedichten) bekannt.

Kästners einziger Roman Fabian wurde 1933 erstmals in tschechischer Übersetzung von Miloš Hlávka veröffentlicht, zwei Jahre nach seinem Erscheinen in Deutschland. Eine zweite Übersetzung erfolgte 1968 von Rudolf Toman. Kästners Memoiren Als ich ein kleiner Junge war (Když jsem byl malý kluk, 1966, übersetzt von Jitka Fučíková) wurden ebenfalls in tschechischer Übersetzung veröffentlicht. Und dank der hervorragenden Arbeit tschechischer Übersetzer können tschechische Leser auch Kästners humorvolle Prosagedichte Die verschwundene Miniatur (Honba za miniaturou), Drei Männer im Schnee (Tři muži ve sněhu) und Der kleine Grenzverkehr (Malý pohraniční styk) lesen, die in einer Sammelausgabe unter dem Titel Veselá trilogie (1982, übersetzt von Jana Pecharová und Jaroslav Simonides, auf Deutsch etwa Die lustige Trilogie) erschienen sind.

Ab Ende der 1920er Jahre, als sein erstes Kinderbuch erschien, begann sein erfolgreicher Weg zu einem Kinderpublikum und zu weltweiter Bekanntheit in diesem Bereich. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete er sich praktisch ausschließlich diesem Bereich. Die Richtigkeit seiner Entscheidung wird unter anderem durch den Hans-Christian-Andersen-Preis, die wichtigste internationale Auszeichnung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbücher bestätigt, der ihm 1960 verliehen wurde.

Kästners berühmtestes Buch ist zweifellos sein Erstlingswerk auf dem Gebiet der Kinderliteratur - Emil und die Detektive (1929). In der Geschichte fährt der zwölfjährige Emil Tischbein, Sohn einer armen Witwe aus Dresden, zum ersten Mal zu Verwandten nach Berlin. Seine Mutter vertraut ihm Geld für seine Großmutter an, aber Emil schläft im Zug ein und stellt beim Aufwachen fest, dass er beraubt wurde. Er beschließt den Verdächtigen, einen Mitreisenden, zu verfolgen. In der Stadt trifft er Gustav, den Anführer der örtlichen Bande, und es beginnt eine dramatische Verfolgungsjagd quer durch die Stadt nach dem Dieb. Bald schließt sich Emils siebzehnjährige Cousine Pony der Gruppe an. Der Dieb, der von einer Gruppe von Kindern umringt ist, versucht das gestohlene Geld in einer Bank zu wechseln, wird jedoch gefasst und der Polizei übergeben. Am Ende stellt sich heraus, dass er ein gesuchter Bankräuber ist. Emil wird im Polizeipräsidium geehrt, erhält eine Belohnung und wird in ganz Berlin berühmt.

Das Buch entstand innerhalb weniger Wochen auf Veranlassung der Verlegerin Edith Jacobsohn für den Berliner Verlag Williams & Co. Der Autor, welcher mit vollem Namen Emil Erich Kästner heißt, ließ sich von seiner eigenen Biografie und der Figur seiner Mutter inspirieren: Er selbst folgte als Junge in Dresden einmal einer Frau, welche seine Mutter, eine Friseurin, betrog. Darüber hinaus bezieht sich der Autor selbst in den Roman ein, mithilfe der Figur des Journalisten Kästner, welcher einen Bericht über Emils Ermittlungen schreibt. Zudem zeigt das unkonventionelle Vorwort "Dies ist noch nicht seine eigene Geschichte" seine Motivation für das Verfassen des Buches. Kästners Kinderkrimis standen unter dem Einfluss der so genannten Neuen Sachlichkeit und brachten einen bis dahin nicht gekannten Ton in die Kinder- und Jugendliteratur: Humor, Abenteuer und die Kunst, sich in die kindlichen Helden einzufühlen, im Gegensatz zum traditionellen Moralisieren oder der Einbeziehung übernatürlicher Elemente.

Emil und die Detektive ist das einzige Buch von Kästner, das der öffentlichen Bücherverbrennung in Deutschland 1933 entging, jedoch wurde es 1936 von den Nationalsozialisten verboten. 1931 wurde das Buch erstmals verfilmt und 1934 schrieb Kästner die Fortsetzung: Emil und die drei Zwillinge. Die jüngste Verfilmung von Franziska Buch aus dem Jahr 2001, welche in der Gegenwart spielt, brachte einige neue Elemente in die Geschichte ein: Emil lebt allein mit seinem arbeitslosen Vater, weil seine Mutter die Familie verlassen hat, und der Anführer der Kinderbande ist nicht Gustav mit dem Megaphon, sondern die emanzipierte Pony. Kästner selbst ist der Autor einer Theateradaption des Romans von 1930, die 2001 auch als gleichnamiges Erfolgsmusical verfilmt wurde.

Im tschechischen Milieu ist das Buch fest mit den Originalillustrationen von Walter Trier verbunden, aber es wurde auch auf alternative Weise veröffentlicht, zum Beispiel mit Illustrationen von Galina Miklínová. Das Buch wurde erstmals 1934 in der Übersetzung von Jarmila Hašková in tschechischer Sprache publiziert, doch die bekannteste Übersetzung bleibt die von Jitka Fučíková. Sie war auch Kästners Stammübersetzerin für seine anderen Kinderbücher, was dazu beitrug, dass der Stil des Autors in der tschechischen Sprache erhalten bleibt.

Das weltweit wohl zweitbekannteste Kinderbuch Kästners ist Das doppelte Lottchen (Luisa a Lotka, 1949), das von Hana Žantovská ins Tschechische übersetzt wurde. Erich Kästner erhebt in diesem Buch das beliebte Motiv des Zwillingstausches zu einem zeitgenössischen Sozialdrama mit einem Happy End. Die zahlreichen tschechischen Ausgaben dieses Buches zeugen nicht nur von seiner anhaltenden Popularität, sondern können auch als Galerie illustrativer Praktiken und Stile aus fast sieben Jahrzehnten dienen. Von Kästners anderen Kinderbüchern ist nur eines bis weit ins 21. Jahrhundert hinein auf Englisch erschienen - Der 35. Mai (1931), eine humorvolle, fast überdrehte Geschichte des zwölfjährigen Konrad und seines Onkels und ihrer wundersamen Reise zur Südsee. Das Buch, in dem Kästner seine blühende Fantasie unter Beweis stellt, wurde von Jitka Fučíková erneut übersetzt und erschien 2001 in der vierten Auflage. Die tschechischen Ausgaben dieses Buches zeichnen sich durch die Illustrationen von Václav Kabát aus.

Von Kästners zweitem Kinderbuch, Pünktchen und Anton (Kulička a Toník, 1931), erschienen nur zwei tschechische Ausgaben. Darin veränderte der Autor sein erfolgreiches Narrativ der Detektivgeschichte zu einer Sensibilisierung für soziale Ungleichheit. Es wurde erstmals 1934 in der Übersetzung von Marta Třísková und 1958 in der Übersetzung von Jitka Fučíková veröffentlicht. Das fliegende Klassenzimmer (Létající třída, 1933), in dem der Autor seine Erfahrungen als Student und seinen Antimilitarismus verarbeitete, wurde ebenfalls zweimal veröffentlicht und zweimal übersetzt. Das erste Mal wurde das Buch 1935 in der Übersetzung von Marta Třísková auf Tschechisch veröffentlicht, das zweite Mal 1958 in der Übersetzung von Jitka Fučíková.

Sie ist auch für die Übersetzung des Buches Der kleine Mann und die kleine Miss (Matýsek z krabičky od zapalek, 1963) verantwortlich, welches 1972 mit Illustrationen von Miroslav Jágr veröffentlicht wurde. Mäxchen – im Tschechischen Matýsek – ist ein Zirkuszwerg, der so klein ist, dass er sogar in einer Streichholzschachtel schläft. Mit Hilfe eines gütigen Zauberers erreicht er sein Ziel, ein berühmter Artist zu werden. Eine Ausnahme bilden in diesem Zusammenhang Neuvěřitelné příběhy (auf Deutsche etwa Unglaubliche Geschichten), die 1970 in einer tschechischen Nacherzählung von Josef Brukner veröffentlicht und von Alena Ladová illustriert wurden. Es handelt sich dabei um drei humorvolle und zugleich lehrreiche Geschichten über Kinder in Versform, die ursprünglich Anfang der 1930er Jahre separat veröffentlicht wurden.

Es mag seltsam erscheinen, dass Kästners Buch Die Konferenz der Tiere (1949), das z. B. ins Slowakische übersetzt wurde, weder damals noch später eine tschechische Ausgabe erhalten hat. Es ist sicherlich das gesellschaftskritischste von Kästners Büchern. In gewisser Weise ist dieser Titel eine Antwort auf die spezifische zeitgenössische Situation der territorialen Verhandlungen im Nachkriegseuropa. Alle Tiere der Welt beschließen, die Frage des Weltfriedens in die Hand zu nehmen und begehen um die Zukunft der Menschheit willen sogar die vorübergehende Entführung von Menschenkindern. Der Antimilitarismus und die Skepsis des Autors gegenüber der politischen Entwicklung in Europa kommen in dieser Prosa deutlich zum Ausdruck.

Fast alle wichtigen Kinderbücher von Erich Kästner sind ins Tschechische übersetzt worden. Lediglich die Sammlung von Kurzgeschichten und Gedichten Das Schwein beim Friseur und andere Geschichten, die hauptsächlich veröffentlichte Werke aus den 1930er Jahren enthält, ist nicht übersetzt worden. Nicht zu vergessen ist Kästners Arbeit als Adapteur der Klassiker, da er Münchhausen, Gullivers Reisen, Don Quijote, Schildbürger Geschichten und Till Eulenspiegel für Jugendliche neu erzählte. Bis zu einem gewissen Grad hat Erich Kästner mit seinem ersten Buch auch die tschechische Literaturszene beeinflusst - die Geschichte des furchtlosen Emil inspirierte beispielsweise Václav Řezáč in Poplach v kovářské uličce (1934, auf Deutsch etwa Alarm in der Schmiedgasse) oder František Langer in Bratrstvo bílého klíče (1934, auf Deutsch etwa Die Bande des weißen Schlüssels).

Einige Merkmale sind typisch für Kästners Kinderliteratur - soziale Sensibilität, Optimismus, Verspieltheit, scharfer Humor und die Tatsache, dass Erwachsene nicht besonders gut aus ihnen herauskommen. Kästner stellte sich immer auf die Seite der Kinder, in denen er das Gute sah. Kinder sind für ihn die Zukunft und eine mögliche Hoffnung für die Welt. Und vielleicht ist das der Grund für die anhaltende Beliebtheit seiner Bücher.

 

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