Von und über Jan Assmann
Jan Assmann, 1938 in Langelsheim im Harz geboren, lehrt seit 1976 Ägyptologie an der Universität Heidelberg. Als Gastprofessor lehrte er daneben u. a. in Paris, an der Yale University und in Jerusalem. Seit 1978 leitet er ein Forschungsprojekt in Luxor, Oberägypten und nahm auch an den Ausgrabungen in West-Theben teil. Er ist Autor zahlreicher Bücher und Artikel über ägyptische Religion, Geschichte, Literatur und Kunst und hat auch den möglichen Einfluss der Reformen von Pharao Echnaton auf andere Religionen erforscht. Zusammen mit seiner Frau Aleida Assmann ist er der Autor der Theorie des kulturellen Gedächtnisses. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Deutschen Historikerpreis, den Thomas-Mann-Preis und den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa.
Das Buch erschien im Jahr 2020 bei Malvern in einer Übersetzung von Martin Pokorný dank der Unterstützung des Kulturministeriums der Tschechischen Republik und des Goethe-Instituts Tschechien.
Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Die Zauberflöte wurde am 30. September 1791, also nur drei Monate vor Mozarts Tod, im Theater im Freihaus auf der Wieden uraufgeführt. Der Komponist schuf die Oper zur gleichen Zeit wie sein berühmtes Requiem, eine von romantischen Legenden umwobene Komposition. Der Titel von Assmanns Buch ließe zwar auf den ersten Blick vermuten, dass es lediglich die Palette von lesenswerten Thrillern erweitert, die in den Regalen der Buchhandlungen zu finden sind und in denen ein bisher übersehenes oder nicht wahrgenommenes Geheimnis aufgedeckt wird, aber hierbei handelt es sich um eine seriöse Fachpublikation.
Jeder von uns nimmt die Kunst anders wahr, den einzig richtigen Schlüssel dazu gibt es nicht. Wir können zuhören, wie ein Werk zu uns spricht und was es über seinen Autor aussagt. Wenn wir wollen, genügt es, „der Geschichte zu folgen“, die durch das Werk präsentiert wird, oder sich bloß mit der oberflächlichen Wirklichkeit zu begnügen, die darin dargestellt wird. Im Fall der Zauberflöte ist die Situation in diesem Sinne jedoch nicht ganz einfach, wie nicht nur der spezifische Inhalt der Oper selbst, sondern auch die zahlreichen Abhandlungen, die diesem Werk gewidmet wurden, zeigen. „Zwischen den Zeilen“ zu lesen und andere im Werk enthaltene Ebenen zu entdecken (Metaphern, Symbole, Gleichnisse...), das Werk in den Kontext der Entstehungszeit und künstlerischen Entwicklung (des Schöpfers sowie der historischen Epoche) einzuordnen, darin Details zu entdecken, deren Existenz (und mögliche Veränderungen) als Attribute der Tiefe des künstlerischen Ausdrucks verstanden werden können, die mögliche Intentionen des Schöpfers andeuten – all das bietet einen verlockenden Raum für alle nachdenklichen Rezipienten und Diskutierenden. Wichtig ist, dass jedes Kunstwerk ein authentisches Zeugnis seiner Zeit ist, mit dem der Künstler auf besondere Weise auf lebendige Themen seiner Zeit reagiert. Wir können die Kunst immer nur dann verstehen, wenn wir im Werk Antworten auf die Fragen finden, die wir uns beim Betrachten des Artefakts stellen, wenn wir den inhaltlichen und strukturellen Sinn des Werkes aufdecken – wenn wir unseren eigenen Weg zu der Botschaft finden, die wir im Werk entdecken.
Jan Assmann, ein deutscher Ägyptologe und Religionswissenschaftler, Professor an der Universität Heidelberg, ist auf dem tschechischen Buchmarkt bereits ein bekannter Autor. Gemeinsam mit seiner Frau hat er an der Entwicklung des Konzepts des kulturellen Gedächtnisses mitgearbeitet, und auch seine eigenen Arbeiten auf dem Gebiet der Kultur- und Religionswissenschaft sowie der Ägyptologie stehen in den Regalen tschechischer Buchhandlungen und öffentlicher Bibliotheken. Darüber hinaus beschäftigt sich Assmann auch mit Ägyptenbildern in der europäischen Kultur der Nachrenaissance – in der Literatur und in musikalisch-dramatischen Werken. Mit seiner Schrift über Mozarts Zauberflöte bietet ein so qualifizierter Autor den Lesern einen Inhalts- und Genreschlüssel zur scheinbar wirren Opernhandlung. Denn mit der Zauberflöte ist die Erinnerung an Ägypten in der europäischen Kultur – den Worten des Autors zufolge – wieder auf die Opernbühne zurückgekehrt. Und das obwohl der Schauplatz der Oper gar nicht das alte Ägypten ist, denn seine konkreten Gegebenheiten gibt es in der Oper nicht.
Es ist bekannt, dass Die Zauberflöte zu einem sehr beliebten Werk Mozarts wurde. Der Grund für den Erfolg dieser Oper waren wahrscheinlich nicht nur die darin enthaltenen Märchenmotive. Eine gewisse Rätselhaftigkeit motivierte bisher zahlreiche Autoren zu Kommentaren und anderen Texten, deren gemeinsames Ziel es war, sich zur Stellung der Oper in Mozarts kompositorischem Vermächtnis, zum Inhalt, der Konzeption, der Bedeutung oder zumindest einigen Teilaspekten der Oper zu äußern. Jan Assmann trug in seinem Buch eine umfangreiche Argumentation zusammen, um der Interpretation der Oper eine neue Dimension zu verleihen und das Werk vor dem ideengeschichtlichen Hintergrund vom Wien der 1780er Jahre zu beleuchten – und er tat das gründlich und sehr sorgfältig. Seine Arbeit baut auf der Voraussetzung auf, dass der Text des Librettos und die Musik, d. h. alles in der Oper, ein untrennbares Ganzes bilden, und dass Die Zauberflöte nicht nur wegen Mozarts hervorragender Musik von Bedeutung ist. Der Autor versucht, die Frage zu beantworten, welches Publikum der Komponist und der Librettist im Sinn hatten, d. h. für welche Zuschauer die Oper geschrieben wurde und wie die ersten Zuschauer die Oper verstanden haben... Er ist sich dessen bewusst, dass ein Werk in der heutigen Zeit originalgetreu aufgeführt werden kann und dass wir die damalige Aufführungspraxis rekonstruieren können, dass wir jedoch nicht in der Lage sind, es auch originalgetreu („zeitgemäß“) wahrzunehmen, wenn wir den Kontext, in dem es entstanden ist, nicht verstehen und wenn wir nicht verstehen, warum es gerade auf diese Art und Weise aufgebaut wurde. Gleichzeitig beschäftigt er sich mit dem Titel der Oper (er erwähnt die in den Quellen vorkommenden „ägyptischen Geheimnisse“) und mit der Bedeutung der Flöte als „Heldin“ der Oper, erörtert die Handlung einzelner Figuren und weist auf Parallelen zur Literatur sowie z. B. zum Orpheus-Mythos (dem Mythos von der verwandelnden Macht der Musik) hin. Er versucht, die Oper als Ganzes zu interpretieren, und geht dabei mit unbestreitbarer Sorgfältigkeit, gründlich und buchstäblich Schritt für Schritt vor, wobei er jedes einzelne Moment des Werkes behandelt.
Jan Assmann, der in seiner Arbeit detaillierte Vergleiche zwischen Mozarts Korrespondenz, der handschriftlichen Partitur, der Erstausgabe des Klavierauszugs und des Librettos, den Regieanweisungen und der Entwicklung der Bühnenentwürfe aus der Zeit zwischen 1791 und 1816 vorgenommen hat, kommt zu dem Schluss, dass Die Zauberflöte Zeichen einer engen Verwandtschaft mit den Ritualen für Eingeweihte aufweist – jenes „Mysterium“ im Buchtitel ist also eher eine „geheime Lehre“, und die Oper wird im gewissen Sinne als ästhetisiertes Ritual in Form eines Kunstwerks entdeckt. Die Einzigartigkeit der Oper liegt unter anderem darin, dass es in der gesamten Opern- und Theatergeschichte kaum eine Parallele gibt – Assmann hat weder Vorgänger noch Nachfolger entdeckt. Er erinnert daran, dass Wolfgang Amadeus Mozart selbst im Dezember 1784 in die Freimaurerloge „Zur Wohltätigkeit“ eintrat und nach dem Freimaurerpatent Josephs II. vom Dezember 1785 in die Loge „Zur neu gekrönten Hoffnung“ (bzw. nach 1788 „Zur gekrönten Hoffnung“) überging und sogar mit dem Gedanken spielte, eine eigene Loge zu gründen. Durch ein detailliertes Studium der Geschichte der Wiener Freimaurerei gewinnt Assmann weitere Argumente für seine eindrucksvoll formulierten Schlussfolgerungen. Der Kern der ästhetischen Idee der Zauberflöte, auf der die gesamte Oper beruht und aus der sich die gesamte sprachliche und musikalische Dramaturgie des Werkes ergibt, liegt nach Jan Assmann in der Absicht, ein Ritual auf die Bühne zu bringen, das sich nicht nur vor den Zuschauern entfaltet, sondern sie auch allmählich in das rituelle Geschehen hineinzieht. Die Oper entwickelt sich zum Mysterium, von einer magischen Oper für Kinder zu einer Initiationsfeier auf der Bühne.
Gleich zu Beginn des Vorworts schickt Jan Assmann voraus, dass Die Zauberflöte zumindest im deutschen Sprachraum nicht nur die meistgespielte, sondern auch die meistkommentierte Oper ist. Anschließend bietet er seinen Lesern ein Buch mit einer bisher vernachlässigten Perspektive, denn seiner Interpretation liegen Kenntnisse der Optik der Mysterienlehre des 18. Jahrhunderts zugrunde. Am Anfang von Assmanns Arbeit stand die Bemühung, die Geschichte der Isis-Mysterien zu verstehen; er wollte den Zusammenhang zwischen diesem Ritual und Mozarts Oper untersuchen. Er beabsichtigte, Die Zauberflöte, die er als ein freimaurerisches Mysterienspiel in der Art des barocken Theatrum mundi verstand, in ihrer ästhetischen (musikalischen, sprachlichen und dramatischen) Form zu beschreiben und dabei das geistige Umfeld des Werks zu berücksichtigen. Zum Abschluss formuliert er auf der Grundlage seiner Feststellungen sogar die spezifischen musikalischen Idiome der Mozart-Oper, mit denen der Komponist mehrere gegensätzliche Ebenen zu einem einzigartigen, zusammenhaltenden Ganzen zu vereinen vermochte, und er hebt auch die Qualitäten des Librettos (das Ähnlichkeiten mit dem antiken Liebesroman aufweist) und die Effekte der Bühnentechnik hervor. Am Ende seiner Arbeit erklärt Assmann den Verlust des Bewusstseins für den rituellen Rahmen der Oper als Folge der Französischen Revolution, durch die die europäische Kultur bürgerlicher wurde und die Geheimbünde des 18. Jahrhunderts mit dem Fall des aufgeklärten Absolutismus ihre zentrale politische Rolle verloren. Die Folge war, so der Autor, dass das mysteriöse Thema seine aktuelle politische Bedeutung verlor und zu einem rein historischen Thema wurde. Die Zauberflöte wurde zu einem Rätsel, für das es viele Interpretationen und Lösungsvorschläge gab. Sie wurde als Märchenspiel wahrgenommen, weil magische Märchen und mysteriöse Rituale einen gemeinsamen Ursprung in archaischen Initiationszeremonien haben.
Ein unbestreitbar tiefes Eintauchen des Autors in die Problematik und ein breites Spektrum an verglichenen Informationsquellen, einschließlich der Überlegungen zu deren Auswirkungen, machen das Buch Die Zauberflöte – Oper und Mysterium zu einer bemerkenswerten Arbeit. Dem Leser wird eine umfassende Behandlung des Themas geboten, die sachkundig, aber auch zugänglich und literarisch wertvoll präsentiert wird. Es besteht kein Zweifel daran, dass das Buch großes Interesse weckt und seinen Weg zu den Lesern finden wird.
© Petr Bajer
Übersetzung: Yvona Vašíčková
Wolfgang Amadeus Mozarts Oper Die Zauberflöte wurde am 30. September 1791, also nur drei Monate vor Mozarts Tod, im Theater im Freihaus auf der Wieden uraufgeführt. Der Komponist schuf die Oper zur gleichen Zeit wie sein berühmtes Requiem, eine von romantischen Legenden umwobene Komposition. Der Titel von Assmanns Buch ließe zwar auf den ersten Blick vermuten, dass es lediglich die Palette von lesenswerten Thrillern erweitert, die in den Regalen der Buchhandlungen zu finden sind und in denen ein bisher übersehenes oder nicht wahrgenommenes Geheimnis aufgedeckt wird, aber hierbei handelt es sich um eine seriöse Fachpublikation.
Jeder von uns nimmt die Kunst anders wahr, den einzig richtigen Schlüssel dazu gibt es nicht. Wir können zuhören, wie ein Werk zu uns spricht und was es über seinen Autor aussagt. Wenn wir wollen, genügt es, „der Geschichte zu folgen“, die durch das Werk präsentiert wird, oder sich bloß mit der oberflächlichen Wirklichkeit zu begnügen, die darin dargestellt wird. Im Fall der Zauberflöte ist die Situation in diesem Sinne jedoch nicht ganz einfach, wie nicht nur der spezifische Inhalt der Oper selbst, sondern auch die zahlreichen Abhandlungen, die diesem Werk gewidmet wurden, zeigen. „Zwischen den Zeilen“ zu lesen und andere im Werk enthaltene Ebenen zu entdecken (Metaphern, Symbole, Gleichnisse...), das Werk in den Kontext der Entstehungszeit und künstlerischen Entwicklung (des Schöpfers sowie der historischen Epoche) einzuordnen, darin Details zu entdecken, deren Existenz (und mögliche Veränderungen) als Attribute der Tiefe des künstlerischen Ausdrucks verstanden werden können, die mögliche Intentionen des Schöpfers andeuten – all das bietet einen verlockenden Raum für alle nachdenklichen Rezipienten und Diskutierenden. Wichtig ist, dass jedes Kunstwerk ein authentisches Zeugnis seiner Zeit ist, mit dem der Künstler auf besondere Weise auf lebendige Themen seiner Zeit reagiert. Wir können die Kunst immer nur dann verstehen, wenn wir im Werk Antworten auf die Fragen finden, die wir uns beim Betrachten des Artefakts stellen, wenn wir den inhaltlichen und strukturellen Sinn des Werkes aufdecken – wenn wir unseren eigenen Weg zu der Botschaft finden, die wir im Werk entdecken.
Jan Assmann, ein deutscher Ägyptologe und Religionswissenschaftler, Professor an der Universität Heidelberg, ist auf dem tschechischen Buchmarkt bereits ein bekannter Autor. Gemeinsam mit seiner Frau hat er an der Entwicklung des Konzepts des kulturellen Gedächtnisses mitgearbeitet, und auch seine eigenen Arbeiten auf dem Gebiet der Kultur- und Religionswissenschaft sowie der Ägyptologie stehen in den Regalen tschechischer Buchhandlungen und öffentlicher Bibliotheken. Darüber hinaus beschäftigt sich Assmann auch mit Ägyptenbildern in der europäischen Kultur der Nachrenaissance – in der Literatur und in musikalisch-dramatischen Werken. Mit seiner Schrift über Mozarts Zauberflöte bietet ein so qualifizierter Autor den Lesern einen Inhalts- und Genreschlüssel zur scheinbar wirren Opernhandlung. Denn mit der Zauberflöte ist die Erinnerung an Ägypten in der europäischen Kultur – den Worten des Autors zufolge – wieder auf die Opernbühne zurückgekehrt. Und das obwohl der Schauplatz der Oper gar nicht das alte Ägypten ist, denn seine konkreten Gegebenheiten gibt es in der Oper nicht.
Es ist bekannt, dass Die Zauberflöte zu einem sehr beliebten Werk Mozarts wurde. Der Grund für den Erfolg dieser Oper waren wahrscheinlich nicht nur die darin enthaltenen Märchenmotive. Eine gewisse Rätselhaftigkeit motivierte bisher zahlreiche Autoren zu Kommentaren und anderen Texten, deren gemeinsames Ziel es war, sich zur Stellung der Oper in Mozarts kompositorischem Vermächtnis, zum Inhalt, der Konzeption, der Bedeutung oder zumindest einigen Teilaspekten der Oper zu äußern. Jan Assmann trug in seinem Buch eine umfangreiche Argumentation zusammen, um der Interpretation der Oper eine neue Dimension zu verleihen und das Werk vor dem ideengeschichtlichen Hintergrund vom Wien der 1780er Jahre zu beleuchten – und er tat das gründlich und sehr sorgfältig. Seine Arbeit baut auf der Voraussetzung auf, dass der Text des Librettos und die Musik, d. h. alles in der Oper, ein untrennbares Ganzes bilden, und dass Die Zauberflöte nicht nur wegen Mozarts hervorragender Musik von Bedeutung ist. Der Autor versucht, die Frage zu beantworten, welches Publikum der Komponist und der Librettist im Sinn hatten, d. h. für welche Zuschauer die Oper geschrieben wurde und wie die ersten Zuschauer die Oper verstanden haben... Er ist sich dessen bewusst, dass ein Werk in der heutigen Zeit originalgetreu aufgeführt werden kann und dass wir die damalige Aufführungspraxis rekonstruieren können, dass wir jedoch nicht in der Lage sind, es auch originalgetreu („zeitgemäß“) wahrzunehmen, wenn wir den Kontext, in dem es entstanden ist, nicht verstehen und wenn wir nicht verstehen, warum es gerade auf diese Art und Weise aufgebaut wurde. Gleichzeitig beschäftigt er sich mit dem Titel der Oper (er erwähnt die in den Quellen vorkommenden „ägyptischen Geheimnisse“) und mit der Bedeutung der Flöte als „Heldin“ der Oper, erörtert die Handlung einzelner Figuren und weist auf Parallelen zur Literatur sowie z. B. zum Orpheus-Mythos (dem Mythos von der verwandelnden Macht der Musik) hin. Er versucht, die Oper als Ganzes zu interpretieren, und geht dabei mit unbestreitbarer Sorgfältigkeit, gründlich und buchstäblich Schritt für Schritt vor, wobei er jedes einzelne Moment des Werkes behandelt.
Jan Assmann, der in seiner Arbeit detaillierte Vergleiche zwischen Mozarts Korrespondenz, der handschriftlichen Partitur, der Erstausgabe des Klavierauszugs und des Librettos, den Regieanweisungen und der Entwicklung der Bühnenentwürfe aus der Zeit zwischen 1791 und 1816 vorgenommen hat, kommt zu dem Schluss, dass Die Zauberflöte Zeichen einer engen Verwandtschaft mit den Ritualen für Eingeweihte aufweist – jenes „Mysterium“ im Buchtitel ist also eher eine „geheime Lehre“, und die Oper wird im gewissen Sinne als ästhetisiertes Ritual in Form eines Kunstwerks entdeckt. Die Einzigartigkeit der Oper liegt unter anderem darin, dass es in der gesamten Opern- und Theatergeschichte kaum eine Parallele gibt – Assmann hat weder Vorgänger noch Nachfolger entdeckt. Er erinnert daran, dass Wolfgang Amadeus Mozart selbst im Dezember 1784 in die Freimaurerloge „Zur Wohltätigkeit“ eintrat und nach dem Freimaurerpatent Josephs II. vom Dezember 1785 in die Loge „Zur neu gekrönten Hoffnung“ (bzw. nach 1788 „Zur gekrönten Hoffnung“) überging und sogar mit dem Gedanken spielte, eine eigene Loge zu gründen. Durch ein detailliertes Studium der Geschichte der Wiener Freimaurerei gewinnt Assmann weitere Argumente für seine eindrucksvoll formulierten Schlussfolgerungen. Der Kern der ästhetischen Idee der Zauberflöte, auf der die gesamte Oper beruht und aus der sich die gesamte sprachliche und musikalische Dramaturgie des Werkes ergibt, liegt nach Jan Assmann in der Absicht, ein Ritual auf die Bühne zu bringen, das sich nicht nur vor den Zuschauern entfaltet, sondern sie auch allmählich in das rituelle Geschehen hineinzieht. Die Oper entwickelt sich zum Mysterium, von einer magischen Oper für Kinder zu einer Initiationsfeier auf der Bühne.
Gleich zu Beginn des Vorworts schickt Jan Assmann voraus, dass Die Zauberflöte zumindest im deutschen Sprachraum nicht nur die meistgespielte, sondern auch die meistkommentierte Oper ist. Anschließend bietet er seinen Lesern ein Buch mit einer bisher vernachlässigten Perspektive, denn seiner Interpretation liegen Kenntnisse der Optik der Mysterienlehre des 18. Jahrhunderts zugrunde. Am Anfang von Assmanns Arbeit stand die Bemühung, die Geschichte der Isis-Mysterien zu verstehen; er wollte den Zusammenhang zwischen diesem Ritual und Mozarts Oper untersuchen. Er beabsichtigte, Die Zauberflöte, die er als ein freimaurerisches Mysterienspiel in der Art des barocken Theatrum mundi verstand, in ihrer ästhetischen (musikalischen, sprachlichen und dramatischen) Form zu beschreiben und dabei das geistige Umfeld des Werks zu berücksichtigen. Zum Abschluss formuliert er auf der Grundlage seiner Feststellungen sogar die spezifischen musikalischen Idiome der Mozart-Oper, mit denen der Komponist mehrere gegensätzliche Ebenen zu einem einzigartigen, zusammenhaltenden Ganzen zu vereinen vermochte, und er hebt auch die Qualitäten des Librettos (das Ähnlichkeiten mit dem antiken Liebesroman aufweist) und die Effekte der Bühnentechnik hervor. Am Ende seiner Arbeit erklärt Assmann den Verlust des Bewusstseins für den rituellen Rahmen der Oper als Folge der Französischen Revolution, durch die die europäische Kultur bürgerlicher wurde und die Geheimbünde des 18. Jahrhunderts mit dem Fall des aufgeklärten Absolutismus ihre zentrale politische Rolle verloren. Die Folge war, so der Autor, dass das mysteriöse Thema seine aktuelle politische Bedeutung verlor und zu einem rein historischen Thema wurde. Die Zauberflöte wurde zu einem Rätsel, für das es viele Interpretationen und Lösungsvorschläge gab. Sie wurde als Märchenspiel wahrgenommen, weil magische Märchen und mysteriöse Rituale einen gemeinsamen Ursprung in archaischen Initiationszeremonien haben.
Ein unbestreitbar tiefes Eintauchen des Autors in die Problematik und ein breites Spektrum an verglichenen Informationsquellen, einschließlich der Überlegungen zu deren Auswirkungen, machen das Buch Die Zauberflöte – Oper und Mysterium zu einer bemerkenswerten Arbeit. Dem Leser wird eine umfassende Behandlung des Themas geboten, die sachkundig, aber auch zugänglich und literarisch wertvoll präsentiert wird. Es besteht kein Zweifel daran, dass das Buch großes Interesse weckt und seinen Weg zu den Lesern finden wird.
© Petr Bajer
Übersetzung: Yvona Vašíčková
Werk (Auswahl)
– Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, Beck 1992. Tschechisch: Kultura a paměť – Písmo, vzpomínka a politická identita v rozvinutých kulturách starověku. Übersetzt von Martin Pokorný, Prostor 2001
– Ägypten. Theologie und Frömmigkeit einer früheren Hochkultur, Kohlhammer 1984. Tschechisch: Egypt. Theologie a zbožnost rané civilizace. Übersetzt von Barbora Krumphanzlová und Ladislav Bareš, Oikoymenh 2002
– Der Tod als Thema der Kulturtheorie. Todesbilder und Totenriten im Alten Ägypten. Suhrkamp, 2001. Tschechisch: Smrt jako fenomén kulturní teorie. Übersetzt von Radka Fialová, Vyšehrad 2003
– Herrschaft und Heil: Politische Theologie in Ägypten, Israel und Europa. Hanser 2000. Tschechisch: Panství a spása. Politická theologie ve starověkém Egyptě, Izraeli a Evropě. Übersetzt von Otakar Vochoč, Oikoymenh 2012
– Die Zauberflöte: Oper und Mysterium. Hanser 2005. Tschechisch: Kouzelná flétna: Opera a mystérium. Übersetzt von Martin Pokorný, Malvern 2020
– Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, Beck 1992. Tschechisch: Kultura a paměť – Písmo, vzpomínka a politická identita v rozvinutých kulturách starověku. Übersetzt von Martin Pokorný, Prostor 2001
– Ägypten. Theologie und Frömmigkeit einer früheren Hochkultur, Kohlhammer 1984. Tschechisch: Egypt. Theologie a zbožnost rané civilizace. Übersetzt von Barbora Krumphanzlová und Ladislav Bareš, Oikoymenh 2002
– Der Tod als Thema der Kulturtheorie. Todesbilder und Totenriten im Alten Ägypten. Suhrkamp, 2001. Tschechisch: Smrt jako fenomén kulturní teorie. Übersetzt von Radka Fialová, Vyšehrad 2003
– Herrschaft und Heil: Politische Theologie in Ägypten, Israel und Europa. Hanser 2000. Tschechisch: Panství a spása. Politická theologie ve starověkém Egyptě, Izraeli a Evropě. Übersetzt von Otakar Vochoč, Oikoymenh 2012
– Die Zauberflöte: Oper und Mysterium. Hanser 2005. Tschechisch: Kouzelná flétna: Opera a mystérium. Übersetzt von Martin Pokorný, Malvern 2020
Martin Pokorný übersetzt Belletristik (V. Woolf, F. O'Brien, D. Thomas, F. S. Fitzgerald, E. Hemingway, D. F. Wallace, M. Spark, J. Didion, usw.) und Fachtexte aus den Bereichen Philosophie, Politikwissenschaft, Geschichte und Literaturwissenschaft. Für den Malvern Verlag übersetzte er W. Benjamins klassisches Werk Ursprung des deutschen Trauerspiels und interpretierende Essays über Kafka, Goethe und R. Musil (M. Mayer: Kafkas Litotes; J. Anderegg: Transformationen. Ueber Himmlisches und Teuflisches in Goethes „Faust“; R. Willemsen: Robert Musil. Vom intellektuellen Eros).