Immer mehr Menschen legen Wert auf Nachhaltigkeit, wenn sie auf Reisen gehen. Welche Möglichkeiten gibt es in Deutschland, umweltbewusst Urlaub zu machen?
Von Sandro Abbate
Der irische Schriftsteller Oscar Wilde schrieb vor über einhundert Jahren: „Reisen veredelt den Geist und räumt mit unseren Vorurteilen auf.“ Das stimmt sicherlich. Und doch stehen Reisende oftmals vor einem Dilemma: Als weltoffener und verantwortungsbewusster Mensch möchte man so viel wie möglich von der Welt sehen, jedoch möglichst nicht zu deren Zerstörung beitragen. Hat doch der wachsende Tourismus bereits vielerorts zu Umweltschäden geführt oder diese beschleunigt. Dies gilt etwa für Mallorca, wo Strände schrumpfen, weil Touristen für Sandschwund sorgen, oder für Venedig, wo das ökologische Gleichgewicht der Lagune durch die einlaufenden Kreuzfahrtschiffe bedroht ist. Doch es geht auch anders – man kann fremde Länder bereisen, ohne umweltschädliche Spuren zu hinterlassen.
Lust auf Bio-Küche und naturnahe Architektur
Franziska Diallo betreibt gemeinsam mit Judith Hehl das 2016 gegründete Unternehmen Good Travel. Die beiden Berlinerinnen vermitteln Urlaubsreisen in Europa, die sie nach Kriterien wie naturnahe Architektur, regionale und frische Bio-Küche, Sozial- und Umweltverträglichkeit auswählen. Sie sind überzeugt, dass verantwortungsvolles Reisen für die Deutschen immer wichtiger wird: „Man kann die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten in fast jeder Branche beobachten: Energie, Lebensmittel, Fashion, Kosmetik und eben auch Reisen. Bereits 2014 wurde die Nachfrage nach nachhaltigem Reisen vom Bundesumweltministerium auf über 30 Prozent der deutschen Bevölkerung geschätzt. Dieses entspricht ca. 16,5 Millionen Menschen und einem Gesamtumsatz von knapp 13 Milliarden Euro in der Reisebranche.“
Auch die Kölner Reisebloggerin Daniela Klütsch beschäftigt sich seit Jahren mit nachhaltigem Reisen. Auf ihrem Blog Landlinien konnte sie beobachten, wie das Interesse für Nachhaltigkeit bei Urlaubsreisen steigt. Die Beiträge, auf die sie die größte Resonanz erhält, beschäftigen sich fast ausschließlich mit kleinen, bewussten Auszeiten in Deutschland oder dem europäischen Ausland.
Fair reisen und CO2-neutral fliegen
In Deutschland etablieren sich immer mehr Anbieter, die dem Wunsch nach fairem und CO2-neutralem Reisen entsprechen wollen und sich auf ökologisch und sozial verträglichen Tourismus konzentrieren. Einige von ihnen arbeiten schon seit den frühen 1990er-Jahren auf diese Weise. Wer individuell bucht, dem bieten wiederum zahlreiche Zertifizierungen und Siegel Orientierung: Zu den bekanntesten gehören die CSR-Tourismus-Zertifizierung des Forum Anders Reisen, die Stuttgarter TourCert-Zertifizierung, die Auszeichnung für umwelt- und klimafreundliches Reisen von Viabono und die Blaue Flagge, die Sportboothäfen und Strände auszeichnet. Sie evaluieren unter anderem, ob Hotels und Unterkünfte Ökostrom beziehen, Wasser sparen und CO2 vermeiden, ob die Mitarbeiter fair bezahlt werden und freiwillige Sozialleistungen beziehen. Viele Verbände erstellen auch eigene Kriterienkataloge, nach denen sie dann ihre Mitglieder zertifizieren.
Darüber hinaus sind Verkehrsmittel beim Reisen ein wichtiges Thema, haben doch gerade Flugreisen immense negative Klimaauswirkungen. Wer Flugreisen nicht umgehen kann, dem bietet das Berliner Unternehmen atmosfair mit CO2-Kompensationsdienstleistungen eine Möglichkeit, das Gewissen zu beruhigen: Auf der Internetseite kann man den CO2-Fußabdruck der eigenen Reise berechnen und zum Ausgleich einen entsprechenden Geldbetrag an eine Klimaschutzorganisation spenden.
Deutschland ist eine Reise wert
Daniela Klütsch war viel unterwegs, hat Kontakte in die Tourismusbranche und dort vor allem zu Anbietern umweltverträglicher Reisen geknüpft. Dabei stellte sie fest, dass immer mehr Städte und Regionen in Deutschland ihr Angebot an diese Wünsche anpassen. Sie kann Deutschland daher als umweltbewusstes Reiseland wärmstens empfehlen: „Es ist ein wunderbares Wanderland und außerdem – gerade was die Unterkünfte und das Essen angeht – weit vorne in Sachen Umweltbewusstsein. Die Kombination aus beidem, zum Beispiel wandern und Bio-Hotel, ist eine der nachhaltigsten Reiseformen, die ich mir vorstellen kann.“
Auch Franziska Diallo äußert sich anerkennend: „Nachhaltig Reisen ist in Deutschland so einfach. Es gibt eine gute Infrastruktur, so dass man viele Ziele mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Initiativen wie Fahrtziel Natur haben es sich zum Ziel gemacht, die Infrastruktur auch in Großschutzgebieten auszubauen, sodass man auch entlegenere Regionen umweltfreundlich erreichen kann. Generell gründen sich viele spannende Projekte, von nachhaltigen Städteführungen bis hin zum Bio-Hotel, welches das Gemüse selbst anbaut. Man merkt, dass sich mehr und mehr Menschen Gedanken darüber machen. Das motiviert.“
Nachhaltige Ideen als Tourismusattraktion
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Foto: © picture-alliance / Westend61
Ausspannen vom Lärm und Dunst des Stadtlebens - das kann man ideal auf den deutschen Nordseeinseln. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sind dort zumeist nicht erlaubt, und so können Urlauber die Dünenlandschaft des Wattenmeers beim Getrappel von Pferdekutschen und Möwengeschrei genießen. Die Insel Juist will zudem bis zum Jahr 2030 komplett klimaneutral werden. Energie wird mit Wind, Solar und Geothermie gewonnen, die Verwaltung nutzt grüne Server, Gebäude werden saniert und Restaurants bieten Vegetarisches an. Für dieses Engagement hat Juist im Jahr 2015 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten.
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Foto: © picture-alliance / R. Goldmann / dpa
Der Nationalpark Eifel ist eines der wenigen Gebiete in Europa, wo man die Milchstraße noch mit bloßem Auge sehen kann. Diesen Sternenhimmel möchten lokale Initiativen erhalten und touristisch nutzen: Der Nationalpark bietet Sternenführungen und Exkursionen für Hobbyastronomen an. Seit 2016 ist es mit dem Eifel-Trekking zudem möglich, mitten in der Natur zu campen. Aber nur wer eine Übernachtung bucht, erhält die GPS-Koordinaten der Naturlagerplätze, die man ausschließlich zu Fuß erreichen kann. Damit die Urlauber umweltfreundlich anreisen können, hat die Region zudem die Bahnhöfe im Nationalpark ausgebaut und modernisiert.
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Foto (Zuschnitt): © picture-alliance / ZB / dpa
Die Bewohner des einst nahezu verlassenen Schifferdorfs Schmilka im Nationalpark Sächsisch-Böhmische Schweiz wollen in gemeinsamer Anstrengung mehr Touristen in den malerischen Ort locken. Hotels und Pensionen aus der Gründerzeit säumen das Elbeufer und Fachwerkhäuser zieren den Mühlberg. Die Bewohner haben die historischen Gebäude denkmalgeschützt restauriert und nach hohen ökologischen Standards saniert. Dieses Engagement brachte Schmilka 2017 das Prädikat „Schönstes Dorf Sachsens“ ein. Hier gibt es hausgemachtes Bio-Holzofenbrot, Bio-Restaurants und nicht zu vergessen: lokal produziertes Bio-Bier.
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Das weit verzweigte Peene-Flusssystem in Mecklenburg-Vorpommern bietet Touristen authentische Naturerlebnisse zu Fuß, mit dem Rad - oder über Wasser: Lautlos und umweltfreundlich schippern Solarboote mit Platz für elf Personen über die Flüsse. Beim Imbiss mit regionalen Produkten erzählt ein Natur- und Landschaftsführer über Land, Leute, Flora und Fauna. Urlauber und Tourismusanbieter können zudem zum Schutz des Ökosystems beitragen: Über den Erwerb von „Peenetalern“, einer eigens eingeführten Regionalwährung, fließt ein Teil der Umsatzerlöse in Schutzprojekte, für die sonst keine Gelder zur Verfügung stünden.
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Die Alpen gehören zu den beliebtesten Winterurlaubszielen Deutschlands. Doch so schön Skifahren und so gesund Sport an der frischen Luft ist - dass der Bau von Wintersportanlagen und ihr immenser Energieverbrauch der Natur schaden, ist weithin bekannt. Solarstrombetriebene Skianlagen wie in Österreich gibt es in Deutschland bisher nicht. Doch Garmisch-Partenkirchen, ein berühmtes Skigebiet bei München, hat 2016 seine Nachhaltigkeitsstrategie vorgestellt. Man plant erneuerbare Energiequellen, besseren Nahverkehr und Elektromobilität sowie mehr Nachhaltigkeit bei Großevents.
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Ganze 480 denkmalgeschützte Fachwerkhäuser präsentiert die historische Altstadt der Stadt Celle am Rand der Lüneburger Heide in Niedersachsen. Damit bietet sie das größte zusammenhängende Fachwerkensemble Europas. Ein Besuch lohnt sich besonders während der gemütlichen Kunst-, Wein- oder Weihnachtsmärkte. Diese touristischen Events sollen allerdings nicht zu Lasten der Natur gehen: An jedem Stand muss das Bewirtungsmaterial wiederverwendbar sein, die Weihnachtsdekoration ist nur aus echtem Tannengrün erlaubt und alle Waren werden - wenn möglich - regional bezogen.
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Ein Freizeitpark inmitten schönster Natur - das ist der Erlebnispark Tripsdrill in Baden-Württemberg. Achterbahnen, Wildwasserfahrten, Kletterwald und Wildpark sind nur ein kleiner Teil der über 100 Attraktionen, die auf dem Gebiet des Naturparks Stromberg-Heuchelberg Besucher anlocken. Neben dem Abenteuer steht hier die Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. So nutzt der Freizeitpark etwa Ökostrom für seine Attraktionen, und die Riesenachterbahn „Mammut“ wurde vor allem aus Holz gebaut. Übernachten können Besucher in ökologisch erbauten Baumhäusern im Natur-Resort.
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Auf dem Gebiet des einstigen Eisernen Vorhangs ist tatsächlich Gras über Geschichte gewachsen: Dort, wo über Jahrzehnte der Grenzstreifen Ost- und Westdeutschland voneinander trennte, hat sich ein einzigartiges Biotop entwickelt, das von der Ostsee bis zur tschechischen Grenze reicht. 2004 wurde dieses „Grüne Band“ unter besonderen Schutz gestellt und ein rund 1.400 Kilometer langer Radwanderweg gebaut. So wollen Naturschutzverbände den ehemaligen „Todesstreifen in Lebensraum“ umwandeln und mit nachhaltigem Tourismus kombinieren. Der Weg führt durch zahlreiche Naturschutzgebiete, vorbei an Denkmälern und verbliebenen Wachtürmen.
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Foto (Zuschnitt): © picture-alliance / Uli Deck / dpa
Damit Besucher die einzigartige Natur im Naturpark Schwarzwald nicht nur per Rad und zu Fuß erkunden können, sondern auch von oben, bietet der Baumwipfelpfad in Bad Wildbad eine gänzlich neue Perspektive: Er schlängelt sich spiralförmig in die Höhe und endet in einem fast 40 Meter hohen Turm mit Aussichtsplattform. Der 1250 Meter lange und komplett barrierefreie Weg hält nicht nur Kletter- und Balancierstationen bereit, sondern auch Informationen über Flora und Fauna. Das größte Abenteuer erwartet die Besucher jedoch zum Schluss: Hinab zum Ausgang führt eine 55 Meter lange Tunnelrutsche.
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