Walter Womacka
Der omnipräsente Maler der DDR

Walter Womacka: Am Strand II, 1962, Ausschnitt
Walter Womacka: Am Strand II, 1962 | Walter Womacka

Gigantische Mosaike im Zentrum von Ost-Berlin, Auftragsarbeiten von Ministerien und ein Bild, das Schätzungen zufolge millionenfach reproduziert wurde: Der Maler Walter Womacka, gebürtig aus Nordböhmen und Lieblingsmaler des führenden Kommunisten Walter Ulbricht, hat das Gesicht der Deutschen Demokratischen Republik maßgeblich mitgestaltet.
 

Von Matěj Forejt

Kontakte und Konflikte

Die Lebensgeschichte von Walter Womacka nahm am 22. Dezember 1925 im nordböhmischen Ober Georgenthal (heute Horní Jiřetín) bei Most ihren Anfang. Bereits sein Nachname, den die Familie bis zum Jahr 1945 sogar mit dem tschechischen „č“ schrieb, spiegelt die Geschichte vom Zusammenleben zweier Ethnien und Sprachen im böhmischen Grenzraum, das sich aufgrund des wachsenden tschechischen und deutschen Nationalismus gerade zur Zeit von Womackas Geburt immer komplizierter gestaltete. Und obwohl er später in der sozialistischen DDR ein prominentes Mitglied der regierenden sozialistischen Einheitspartei SED war, die bestrebt war, die Erinnerungen der dort ansässigen Deutschböhmen an die alte Heimat zu unterdrücken, beschreibt Womacka selbst in seinen Memoiren Farbe bekennen treffend einige der Faktoren, die auch heutige Historiker als ausschlaggebend für die Verschärfung der Beziehungen zwischen den Einwohnern tschechischer und deutscher Nationalität im Grenzgebiet betrachten.

Zu diesen Faktoren zählten die Wirtschaftskrise, die sich im Grenzgebiet noch stärker auswirkte als im Landesinneren der Tschechoslowakei, und die Arbeitslosigkeit. Sie traf auch Familie Womacka, die wegen der Arbeit von Walters Vater erst von Ober Georgenthal nach Brüx (tschechisch Most), dann ins benachbarte Rudelsdorf (tschechisch Rudolice) zog, heute ein Stadtteil von Most. Das Leben in Rudelsdorf beschrieb Walter Womacka folgendermaßen: „Unserer Familie ging es schlecht wie den meisten dort lebenden Menschen. Wir waren arm und hatten keine Aussicht auf einen wirtschaftlichen Aufstieg. Die Wohnung in Rudelsdorf war eng, sie bestand aus einem Zimmer, in dem wir schliefen, und einer Küche, in der das Familienleben spielte. Die Toiletten befanden sich auf dem Hof. Im Winter bedeckte Raureif den Sitzbereich, im Sommer umschwirrten uns die Fliegen.“

Womacka erinnerte sich auch, wie die Deutschböhmen sich allmählich dem Deutschen Reich zuwandten. Im Rückblick versuchte er jedoch, dies von der politischen Ideologie zu trennen, deren Ablehnung eine wichtige ideologische Säule der DDR war, der er als Erwachsener sein künstlerisch-politisches Schaffen widmete: „Wir fühlten uns damals dem Deutschen Reich näher als der Tschechoslowakischen Republik. Deutschland war in unseren Augen jedoch nicht die politische Institution der Nationalsozialisten, sondern das wirtschaftlich erblühende Mutterland.“ In gewisser Weise war Womacka im Rückblick auch neidisch auf Willi Sitte, einen anderen politisch exponierten DDR-Maler, der aus Chrastava (deutsch Kratzau) stammte. Sittes Vater war Sozialdemokrat und später Kommunist, und damit aus Womackas Sicht politisch besser positioniert als seine eigene Familie, die einer politisch nicht engagierten Schicht angehörte.
Wandbild "Arbeit für das Glück des Menschen" von Walter Womacka in Berlin-Marzahn (Marzahner Promenade 40), 1989

Wandbild "Arbeit für das Glück des Menschen" von Walter Womacka in Berlin-Marzahn (Marzahner Promenade 40), 1989 | Foto: Tomáš Moravec

Wege zur sozialistischen Kunst

Auch wenn Walter Womacka erst in Deutschland die Laufbahn zum professionellen Maler einschlug, reichen die Anfänge zurück bis in seine alte Heimat im böhmischen Grenzgebiet. Ab dem Jahr 1940 besuchte er die Fachschule für Keramik in Teplitz-Schönau (heute Teplíce), wo vier Jahrzehnte zuvor auch der aus Most stammende Wenzel Hablik, ein wichtiger Vertreter der deutschen Moderne, seine künstlerische Laufbahn begonnen hatte. Nach seinem Dienst in der Wehrmacht gegen Ende des Zweiten Weltkriegs studierte Womacka an den Kunsthochschulen in Braunschweig, Weimar und Dresden.

Im Jahr 1953 ging Walter Womacka an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo er zunächst als Assistent, ab 1963 als Leiter der Abteilung Malerei tätig war. Später erhielt er dort eine Professur und wurde 1968 zum Rektor der Hochschule ernannt, eine Position, die er bis 1988 innehatte. Unter Womackas Schülern der 1950er Jahre findet sich auch der Name des späteren westdeutschen Kunst-Superstars Georg Baselitz, der jedoch von der Hochschule verwiesen wurde.

Regimetreuer Künstler

Während Baselitz' Unwillen, sich der politischen und künstlerischen Doktrin der DDR zu fügen, zu seiner Übersiedlung in den Westteil Berlins führte, gilt Walter Womacka bis heute als Künstler, der es schaffte, den Anforderungen des ostdeutschen Staates und der regierenden Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vollauf zu entsprechen. Einer der unseligen Anlässe, bei denen er seine Loyalität gegenüber dem ostdeutschen Regime unter Beweis stellte, datiert auf das Jahr 1968, als er mit seinem Artikel Meine volle Zustimmung am 27. August in der Zeitung Neues Deutschland die Besetzung der Tschechoslowakei befürwortete.

Unter Womackas Studenten an der Kunsthochschule Weißensee war zu dieser Zeit ein weiterer vertriebener Deutschböhme – Hans Ticha. Dabei stand es auch um dessen Studium aus politischen Gründen kritisch, als er im Rahmen einer Schulaufgabe eine angeblich verunglimpfende Darstellung von Lenin anfertigte, die bei den ostdeutschen Polit-Funktionären für Empörung sorgte. Im Unterschied zu anderen Studenten, die Womacka wegen ihrer Einstellung zur Niederschlagung des Prager Frühlings missfielen, wurde Ticha am Ende jedoch nicht von der Hochschule verwiesen. Wie dieser vermutete, lag dies wohl daran, dass Womacka seine starke Machtposition an der Hochschule nicht dadurch schwächen wollte, indem er politischen Forderungen von außerhalb der Hochschule nachkam und Ticha zusammen mit weiteren Studenten von der Hochschule ausschloss.

Womackas politische Position war außerordentlich stark – nicht nur an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee. Der Künstler hatte (ähnlich wie andere wichtige Repräsentanten der offiziellen Kunstszene) weitere bedeutende Funktionen inne. In erster Linie gehörte er zu den Spitzenvertretern des Verbandes Bildender Künstler der DDR. Eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielte jedoch auch die Tatsache, dass Walter Ulbricht persönlich an Womackas Kunst Gefallen fand – der Politiker war von 1950 bis 1971 Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED, von 1960 bis 1973 schließlich Vorsitzender des Staatsrates, der als kollektives Gremium das in der DDR abgeschaffte Amt des Staatspräsidenten in der DDR ersetzte.
alter Womacka: Mosaik "Unser Leben". Haus des Lehrers, Berlin

Walter Womacka: Mosaik "Unser Leben". Haus des Lehrers, Berlin | Foto: George Rex, CC BY-NC-SA 2.0

Womackas Ost-Berlin

Es war auch während der Amtszeit von Walter Ulbricht, als Ost-Berlin nach der Aufgabe der Doktrin des realistischen Sozialismus langsam die Gestalt einer modernistischen Stadt der Zukunft annahm – und Walter Womacka sollte einen ganz wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung ihres urbanistischen Mittelpunktes, den Alexanderplatz, ausüben. Bereits zu Beginn der 60er Jahre wurde auf diesem Platz in Richtung Karl-Marx-Allee ein erstes Hochhaus errichtet, das Haus des Lehrers. Dieses sollte als Lehrervereinshaus den zerstörten Vorgängerbau ersetzen, der sich in der Nähe befunden hatte. Das gesamte dritte und vierte Stockwerk, in dem sich die pädagogische Bibliothek befand, ist umlaufend mit einem Mosaikband von Walter Womacka mit dem Titel Unser Leben bedeckt. Es ist 125 Meter lang, 7 Meter hoch und besteht aus mehr als 800.000 farbigen Mosaiksteinen.

Direkt gegenüber, an der neu entstandenen Ecke des Platzes angrenzend an die Hans-Beimler-Straße (heute Otto-Braun-Straße), entstand in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren ein weiteres Hochhaus, das Haus des Reisens. Es war für die Leitung der staatlichen Reiseagentur und die Zentrale der Fluggesellschaft Interflug bestimmt. Auf der Ebene der ersten Etage komplettierte Womackas Relief Der Mensch überwindet Zeit und Raum die technizistisch anmutende Architektur des Hauses samt seiner aufgesetzten Alukonstruktion. Im künstlerischen Ausdruck weicht das Relief nicht von Womackas im Sozialistischen Realismus verhafteten Stil ab, technisch unterscheidet es sich jedoch deutlich von der vorherigen Arbeit für den Alexanderplatz. Im Gegensatz zum traditionalistischen, farbenreichen Mosaik für das Haus des Lehrers handelt es sich hier um ein monochromes Kupferrelief, das dem progressiven Entwurf des Hauses mit Elementen des Brutalismus entspricht.

Zeitgleich mit dem Bau des Haus des Reisens vollendete Womacka das imaginäre Dreieck seiner Werke auf dem Alexanderplatz – er entwarf für dessen Zentrum den sogenannten Brunnen der Völkerfreundschaft. Alle drei Realisierungen prägen bis heute den Charakter eines der wichtigsten öffentlichen Plätze der deutschen Hauptstadt und wurden der Reihe nach unter Denkmalschutz gestellt.

Das Gesicht der DDR-Hauptstadt beeinflusste Walter Womacka mit der Ausführung weiterer Staatsaufträge: Für den Neubau des Staatsratsgebäudes (heute die European School of Management and Technology) schuf er das großformatige Glasfenster Darstellungen aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. In den 1960er Jahren war er auch an der Ausgestaltung der neuen Gebäude des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (auf dem Areal des ehemaligen Schinkelplatzes und der Bauakademie) und des nahe gelegenen Bauministeriums in der Breiten Straße beteiligt. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten wurde bereits in den 1990er Jahren abgerissen und mit ihm veerschwanden auch die großformatigen Wandgemälde im Innenraum von Womacka, die sich im Unterschied zu manch anderen Auftragsarbeiten des Künstlers im Bereich der Architektur durch einen leichteren, modernistischeren Ausdruck auszeichneten, ohne dabei jedoch seine typische Handschrift in den figürlichen Teilen zu verleugnen. Ihr Verlust ist daher aus heutiger Sicht umso bedauerlicher.

Etwas mehr Glück hatte das 15 Meter lange Gemälde Der Mensch, das Maß aller Dinge, das aus 360 mit Emaille bemalten Kupferplatten besteht und für die Fassade des Bauministeriums geschaffen wurde. Es wurde bei kürzlich durchgeführten Abbrucharbeiten im Zusammenhang mit der Umsetzung des neuen städtebaulichen Konzepts für die Breite Straße demontiert und ist nun in der Nähe an der Fassade eines Wohnhauses am Ufer der Friedrichsgracht zu sehen. Natürlich durfte Womackas Kunst auch im emblematischen Bau Ost-Berlins, dem Palast der Republik aus den 1970er Jahren, nicht fehlen, für den er das Ölgemälde Wenn Kommunisten träumen schuf. Auch dieses Gebäude wurde Anfang des neuen Jahrtausends abgerissen. An seiner Stelle steht heute eine Replik des Stadtschlosses, das Gemälde Womackas befindet sich in der Sammlung des Deutschen Historischen Museums.
Walter Womacka: Der Mensch überwindet Zeit und Raum, Berlin, 1971

Walter Womacka: Der Mensch überwindet Zeit und Raum, Berlin, 1971 | Foto: Fredi Kaiser, CC BY-SA 3.0

Von Eisenhüttenstadt an den Strand

Walter Womacka prägte mit seinen Gemälden, Mosaiken und Glasfenstern für staatliche Einrichtungen und öffentliche Räume nicht nur in Berlin das alltägliche Gesicht der DDR, sondern auch andernorts – in Eisenhüttenstadt, Bad Elster oder Magdeburg. Zur Vorstellung, wie die DDR aussah, hat er auch mit seinem Schaffen als freier Maler beigetragen, insbesondere mit einem Gemälde.

Womackas berühmtestes Bild trägt den Namen Am Strand. Erstmals ausgestellt wurde es in den Jahren 1962/1963 auf der traditionsreichen Dresdner Deutschen Kunstausstellung, die jeweils im Abstand einiger Jahre unter großem Publikumsinteresse das neueste Kunstschaffen der DDR präsentierte –  genauer gesagt, den vom Regime anerkannten Teil davon. Nur wenige Monate nach Abschluss der Ausstellung, im Juni 1963, schenkte  das SED-Politbüro das Bild Walter Ulbricht zum 70. Geburtstag, der es wiederum als Dauerleihgabe zurück nach Dresden in die Galerie Neue Meister schickte. Gleichzeitig setzte eine massive Reproduktion des Bildes ein. Am Strand erschien auf der Titelseite der Neuen Berliner Illustrierten, wurde als Postkarte und Plakat gedruckt und auf einer Briefmarke abgebildet. In vielen ostdeutschen Wohnungen und Schulen hingen Kartonabzüge des Bildes, die auch ins Ausland verkauft wurden – in die USA, nach Großbritannien und Belgien.
Walter Womacka: Arbeit für den Frieden. Eisenhüttenstadt, 1965

Walter Womacka: Arbeit für den Frieden. Eisenhüttenstadt, 1965 | Foto Tomáš Moravec / Goethe-Institut

Das Erbe des omnipräsentesten Künstlers der DDR

In einer Zeit, in der die offizielle Kunst (Womacka nicht ausgenommen) voll von Arbeitern, Kosmonauten und Friedenstauben war, vermochte das Gemälde eines der prominentesten Künstler der DDR mit seiner beschaulichen Zivilität zu bestechen. Bemerkenswert ist auch, dass der junge Gerhard Richter, der damals noch in der DDR lebte, im Jahr 1960 zeitgleich mit Womackas ersten Studien für das Gemälde ein sehr ähnlich anmutendes Bild mit dem Titel Lesende am Strand malte. Womacka wollte mit seinem Bild, für das ihm seine Tochter Uta und sein Bruder Rüdiger Modell saßen, das Publikum ansprechen, indem er Menschen zeigte, die nicht nur nicht arbeiten, sondern auch träumen können. Selbst schrieb er dazu: „Es war eine Zeit des Aufstiegs. Die Grenzen wurden geschlossen und die DDR war vor direkten Eingriffen ihrer westlichen Nachbarn sicher. Geschützt durch die Mauer konnte sich das Land nun nach eigenen Vorstellungen entwickeln.“

Die Standpunkte von Walter Womacka, die er auch noch nach dem Jahr 2000 vertrat, zeigen deutlich, dass er sich mit der politischen Entwicklung nach 1990 nicht identifizierte, ähnlich wie es beim dem erwähnten Maler und ebenfalls überzeugten Kommunisten und gebürtigen Nordböhmen Willi Sitte der Fall war. Die Berliner Mauer, deren Bau sein einflussreichster Bewunderer Walter Ulbricht beschlossen hatte, bewertete Womacka im Rückblick als „hässlich, aber notwendig“. Und weiter, so der Maler: „Sie sorgte auf ihre Weise mit dafür, dass Frieden war.“ In seinem Werk flüchtete sich Womacka nach 1990 in surrealistische Visionen, denen er sich in seinem freien Schaffen bereits in den vorherigen Jahrzehnten gewidmet hatte.

Wie Womackas politische Ansichten bis heute umstritten sind, so ist es auch sein umfangreiches Werk, das er nach seinem Tod im Jahr 2010 hinterließ. Es finden sich darin unverhohlen politische Themen voller direkter Bezüge zur offiziellen DDR-Propaganda, aber auch Szenen, die reich an menschlichen Emotionen sind und ein Interesse an der vergänglichen Atmosphäre vorübergehender Augenblicke erkennen lassen. Zugleich sind diese Werke in ihrem künstlerischen Ausdruck manchmal zu starr in der Tradition des Sozialistischen Realismus verhaftet. An anderen Stellen aber hat Womacka diese Tradition verlassen, um stilistischen Freiheiten Raum zu geben oder sich Vorläufern der Moderne zuzuwenden. Der aus Ober Georgenthal/Horní Jiřetín in Nordböhmen stammende Walter Womacka kann jedoch zweifellos als der „sichtbarste“ unter den ostdeutschen Künstler bezeichnet werden, der das Gesicht der DDR und die Bildsprache, die wir noch heute mit ihr verbinden, maßgeblich mitgestaltet hat.

Die Zitate von Walter Womacka stammen aus seinem Buch Farbe bekennen: Erinnerungen eines Malers
Walter Womacka: Am Strand 1961 (Staatliche Kunstsammlungen Dresden)

Walter Womacka: Am Strand 1961 (Staatliche Kunstsammlungen Dresden) | Foto CC BY-SA 4.0

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