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Schwärmen für Schwärme

Uwe Marth, ehrenamtlicher Imker für Berlin summt!, und Lars-Gunnar Ziel, Geschäftsführer des Berliner Doms.
Uwe Marth, ehrenamtlicher Imker für Berlin summt!, und Lars-Gunnar Ziel, Geschäftsführer des Berliner Doms. | Foto (CC BY-NC-ND 3.0 DE): Michael Schrenk/FUTURZWEI

Bienen sind akut bedroht; in ländlichen Monokulturen finden sie kaum noch Nahrung. Großstadt-Imker des Netzwerks Berlin summt! verschaffen den Bienen eine Heimat in der Stadtnatur.

Der Berliner Dom auf der Spree-Insel bietet auf jedem Geschoss royale Besonderheiten. In der unterirdischen Gruft ruhen die ehrwürdigen Gebeine des Königsgeschlechts der Hohenzollern. Ein Stockwerk höher beten Gläubige im wuchtigen Kirchenschiff den Himmelskönig an. Noch weiter oben, auf dem knapp 30 Meter hohen Dach über dem Altar, wächst königlicher Nachwuchs heran. Hobby-Imker Uwe Marth, assistiert von Dom-Geschäftsführer Lars-Gunnar Ziel, zieht mit bloßen Händen einen Rahmen mit Honigwaben aus dem Bienenkasten. „Alles in Ordnung“, stellt er fest und steckt ihn zurück in einen der vier Bienenstöcke, in denen sich jeweils etwa 200.000 kleine Tiere tummeln. Immer mittendrin und mit einem farbigen Punkt gekennzeichnet: die Königin.

Seine Bienen lassen sich diese Störung gefallen, ohne zu stechen. „Das ist ein friedliches Völkchen“, befindet Marth, der keinen schützenden Imkerhut braucht. Nur auf weiße oder gelbe Kleidung legt er Wert. „Wenn jemand schwarz trägt oder dunkle Haare hat, wird das im Bienenhirn in das Millionen Jahre alte Bären-Feindschema sortiert“, erklärt er. „Bären klauen Honig – und Bienen verteidigen den Honig mit ihrem Stachel.“

Uwe Marth, im Hauptberuf Lehrer, gehört zu jenem Dutzend Hobby-Imkern, die im Rahmen der Initiative Berlin summt! auf die prekäre Situation ihrer Schützlinge aufmerksam machen. Die Blütenbestäuber sind einerseits immens wichtig für das Fortbestehen des Lebens auf der Erde – ohne sie könnten zahlreiche Sorten Obst, Gemüse und Nüsse keine Früchte tragen. Ihre Gratisleistungen für Natur und Mensch erfahren andererseits so wenig Unterstützung, dass die Bienen stark bedroht sind. Jährlich stirbt in Deutschland durchschnittlich ein Drittel des Bestands, in manchen Ländern und Regionen sogar noch mehr. Verantwortlich dafür ist eine Kombination von verschiedenen Ursachen: Parasiten, Pestizide, chemisch behandeltes Saatgut, Elektrosmog, Flächenversiegelungen, die agroindustriellen Monokulturen auf dem Land und das damit verbundene Artensterben. Vielfach verhungern die Insekten mitten im schönsten Sommer: Sie finden keine neue Nahrung mehr, wenn etwa die Raps-Monokultur verblüht ist.

Eine bedrohte Art hegen und pflegen

Deshalb geht es Bienen – wie auch vielen anderen Tier- und Pflanzenarten – in Städten inzwischen besser als auf dem Land. Die Baum- und Blumenvielfalt ist im urbanen Raum viel größer, und Pflanzen werden seltener chemisch behandelt. In Berlin haben 298 von 560 deutschlandweit vorkommenden Arten von Wildbienen ein Asyl gefunden, und etwa 700 Freizeitimker kümmern sich um die 3200 Völker der Stadt. Auf den Straßenbäumen der Metropole – etwa 154.000 Linden, 80.000 Ahornbäumen, 21.000 Kastanien, 14.000 Robinien – finden die Bienen mehr Nahrung als auf den Monokulturen Brandenburgs. Um die neuen Einwanderer wertzuschätzen, hat Berlin summt! ihnen Unterkünfte an herausragenden Orten besorgt: auf dem Abgeordnetenhaus, dem Planetarium, dem Haus der Kulturen der Welt oder eben in knapp 30 Meter Höhe auf dem Kupferdach des Doms.

Uwe Marth deutet von der Kuppel hinunter auf die blühenden Kastanien im benachbarten Park: „Bis dahin sind es nur ein paar Hundert Meter. Kein Problem für eine Biene. Sie fliegt mehrere Kilometer bis zu einer Nahrungsquelle, verbraucht dabei allerdings zwei Drittel ihrer Ernte für den Eigenbedarf. Hier, probieren Sie mal!“ Er überreicht eine stecknadelkopfgroße goldgelbe Kugel. „Dieses Pollenklößchen“, sagt der Imker, „besteht aus Millionen mikroskopisch kleiner Pollen.“ Die Probe schmeckt so paradiesisch, als sei sie aus dem Land, wo Milch und Honig fließen.

Der Imker freut sich schon auf eine Honigernte von 25 Kilo oder mehr pro Bienenvolk. 2013 hat Dom-Geschäftsführer Ziel rund 200 Gläser „Domhonig“ à 250 Gramm verkauft; pro Glas geht ein Euro an die Dach-Initiative Berlin summt! Auch Lars-Gunnar Ziel hat sich anstecken lassen und ist nun selbst Besitzer eines Bienenvolkes: „Ich hab im Sommer bis zu 50.000 Haustiere“, lacht er und ergänzt ernst: „Der Honig ist eigentlich sekundär. Bienen sind bedroht, sie müssen gehegt und gepflegt werden. Ich find’ es einfach schön, wenn man der Natur etwas zurückgeben kann.“

Der Schwarm ist der Organismus

Beide Männer sind sichtlich fasziniert von der einmaligen Schwarmintelligenz und sprudeln nur so vor Informationen über die Insekten. Ein Volk mit etwa 20.000 Flugbienen, berichtet Marth, besuche von Mai bis Juli täglich 20 bis 100 Millionen Blüten. Die je nach Entfernung der Nahrungsquelle durch Rund- oder Schwänzeltanz der Spurbienen informierten Sammlerinnen bräuchten „nie länger als eine halbe Stunde, um einen blühenden Baum abzuräumen“. Für die Produktion eines einzigen Kilos Honig müssten sie eine Gesamtstrecke von 40.000 bis 140.000 Kilometern zurücklegen, „das entspricht dem einfachen bis dreifachen Erdumfang!“ Eine kostbare Kostbarkeit.

Eine einzelne Biene, fährt Uwe Marth fort, spiele überhaupt keine Rolle. „Der Schwarm ist der wirkliche Organismus. Ein echtes Faszinosum.“ Das Kollektiv der Bienen lege etwa fest, wie viele männliche Tiere schlüpfen sollen. Vor der Ei-Ablage in eine Wabe messe die Königin mit ihrem Fühler, wie groß eine Wabe ist, und je nach Größe lege sie ein unbefruchtetes Ei, aus dem eine Drohne wird, oder ein befruchtetes, aus dem später eine Arbeitsbiene schlüpft. Die Königin produziere bis zu 3300 Eier am Tag, „das ist fast das Doppelte ihres eigenen Körpergewichts“.


Jeder kann etwas für den Schutz von Bienen tun

Szenenwechsel. Mitten im Wald, beim Jugendimkerstand im Stadtteil Zehlendorf, kontrolliert Wolfgang Friedrichowitz die Beute, wie so ein Bienenkasten in der Fachsprache heißt. Vor seinem Ruhestand hat er technische Anlagen verkauft, nun betreut er hier vier Bienenvölker und ein halbes Dutzend minderjährige Bienenfans. Zum Beispiel den 14-jährigen Paul. Der war als kleines Kind einfach nur Honigliebhaber und entdeckt nun, dass ein Bienenleben nicht nur Zuckerschlecken ist. Paul lernt hier auch, wie man die Varroamilbe, eine der schlimmsten Bienenfeinde, mit Ameisen- oder Oxalsäure bekämpft. Der Nachwuchsimker bringt ein Kästchen, das im Herbst auf die Beute gestellt wird. Die Ausdunstung der Säure töte die Schmarotzer, lasse aber die Bienen leben, erklärt sein Mentor Friedrichowitz. Ohne ständige Pflege durch den Menschen, fügt der Ruheständler hinzu, wäre die Honigbiene seit der Invasion der Varroamilbe in den 1980er-Jahren wohl schon ausgestorben.

Auch wenn nicht alle Imker sein können oder wollen: Jeder Kulturschaffende, jede Wissenschaftlerin, jeder Unternehmer könne etwas für den Schutz von Bienen tun, betont die Initiative Berlin summt! Garten- und Balkonbesitzende könnten Nisthilfen für Wildbienen aufstellen und für bienenfreundliche Blütenpflanzen sorgen. Neben der Unterstützung der Bienenvölker gehe es, so die Initiatoren Corinna Hölzer und Cornelis Hemmer, um „die Erhaltung einer intakten Stadtnatur“.

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