Lufťáci
Die Sommerfrischler

Lufťáci. Das Wort klingt ein bisschen wie ein Schimpfwort. Es ist altmodisch, aber immer noch modern. Und es ist einer dieser wunderbaren Germanismen, von denen die tschechische Sprache so voll ist. Das Wort klingt: Lufťák, übersetzbar vielleicht mit Sommerfrischler oder Wochenendauslüftler. Im Plural dann: Lufťáci. Und der Plural passt besser, da ein Lufťák selten alleine kommt. Es ist eine regelmäßige all-wochenendliche Sintflut. Nicht nur in der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, sondern überall auf dem tschechischen Lande.
Lufťáci, Sommerfrischler, sind diejenigen, die Freitagnachmittag alle Ausfallstraßen Prags überschwemmen. Sie wollen raus aus der Hauptstadt um frische Luft zu schnappen. Die paar Stunden Staustress, die sie Freitagnachmittag und Sonntagabend beim Zurückfahren verursachen, nehmen sie gern in Kauf. Ab in die Hütte! Wir fahren auf die Datsche! Schnell weg aus der Stadt in die Natur!
Ein weiteres Mal werden Pilze gesucht, es wird Gras gemäht und Holz gehackt und am Lagerfeuer brät man dann Würstchen auf einem Stock, die man bei einer kleinen Metzgerei erworben hat. Die Kinder spielen Indianer, jagen lauthals im Wald die Hasen, bis einer sich das Knie aufschlägt während Mama die Karotten erntet, Johannisbeeren pflückt und super Kuchen bäckt. Papa macht das Handy aus und springt abends noch mal schnell auf ein Bier in die Dorfkneipe, wo er den absolut gewöhnlichen Geschichten der Einheimischen lauscht und niemandem Lebensweisheiten geben muss. Jackett und Krawatte werden gegen zerlumpte Hosen und Stiefel eingetauscht. Allen geht es gut und erst am Sonntagnachmittag kommt die Trauer und Wehmut zurück, weil die Last der kommenden Woche näher rückt.
Die Lufťáci kommen aber nicht nur aus Prag, diese Bezeichnung trifft auch auf die Bewohner anderer tschechischer Großstädte zu, die am Wochenende wie leergefegt scheinen und nur den Touristen und Geistern gehören. Wo sie die Datschen haben? Überall. Ob bei uns im Český ráj (deutsch: Böhmisches Paradies) oder in Posázaví, im Riesen-, Erz-, Lausitzer- und Isergebirge, im tschechischen Hochland, im Böhmerwald oder den Jeseníky.
Was wäre die Grenzregion ohne die Deutschen, die sie bebaut haben und verlassen mussten, sagte ich zu ihr, und ohne die Lufťáci, die die alten Häuser für einen Apfel und ein Ei gekauft, renoviert und in ihren Wochenendsitz umgewandelt haben. Viele der Dörfer im Sudetenland leben so nur am Freitag, Samstag, Sonntag und in den Ferien auf. An manchen Orten in dieser Region wird man unter der Woche keiner Seele begegnen und in den Gärten äsen die Rehe.