Deutschland in den 1970ern: Autoritätenhörigkeit, Alltagsrassismus, Unter-den-Teppich-Kehren, Die-Fassade-wahren, Nach-oben-buckeln-nach-unten-treten. Der 12-jährige Magdi kennt das alles nur zu gut aus eigenem Erleben. Zuhause prügelt sein Vater, die Mutter deckt ihn und lebt nach der Devise „nur nicht auffallen“. Doch die Kinder sind nicht gewillt, sich das länger gefallen zu lassen und setzen sich mit verschiedenen Mitteln zur Wehr. Davon, aber auch von allem anderen, was er erlebt und was ihn bewegt, erzählt Magdi in seinen „Berichten“ (so nennt er sein Tagebuch) – und zwar so, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. So kommen die Texte locker daher, doch in ihnen tun sich Abgründe auf. Magdi ist ein sprachmächtiger und kluger Kopf, der sich durchs Schreiben seine innere Freiheit bewahrt und sein Selbst behauptet – und so ist Christian Duda mit Gar nichts von allem ein herausragender Text gelungen, sowohl psychologische Studie als auch gesellschaftskritischer Roman: Denn als brillanter Beobachter und Erzähler enttarnt Magdi die Erwachsenen als jämmerliche Wichte, die aus lauter Angst ein Gefängnis aus Konventionen errichtet haben. Von Kontroll- und Machtverlust fühlen sie sich dennoch bedroht, weshalb sie ihre in Wut transformierte Unsicherheit an Schwächeren auslassen.
Ab 10 Jahren
Duda, Christian (Text)
Friese, Julia (Ill.) Gar nichts von allem
Beltz & Gelberg, Weinheim/Basel, 2017
ISBN 978-3-407-82213-0
158 Seiten
Der Titel im Katalog der Bibliothek des Goethe-Instituts in Prag und in der Onleihe