Welterbe Bauhaus
Gelbe Klinker, Stahl und Glas
Klassische Moderne im Kiefernwald: Die 1930 eröffnete Bundesschule Bernau nördlich von Berlin ist eines der wichtigsten Werke des Bauhauses. Seit Juli 2017 gehört es zum UNESCO-Welterbe.
Von Elisabeth Schwiontek
Hannes Meyer, von 1928 bis 1930 Direktor der einflussreichen Architektur-, Kunst- und Designschule Bauhaus, entwarf das Gebäude in Bernau zusammen mit Hans Wittwer. Ihr Auftraggeber war der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB), der in der Schule mehrwöchige Lehrgänge für engagierte Gewerkschafter durchführte. Sozial- und Wirtschaftspolitik standen ebenso auf dem Programm wie Sport und Kultur. Gleichzeitig waren die Kurse eine praktische Übung in gemeinschaftlichem Leben und Arbeiten.
Für dieses sozialpädagogische Programm gestalteten die Architekten Meyer und Wittwer eine Raumkomposition mit fünf gestaffelten Schülerwohnhäusern, die an der einen Seite von Foyer und Aula, an der anderen von Bibliothek, Seminarräumen und Turnhalle eingefasst werden. Ein eindrucksvoller langer verglaster Gang verbindet alle Teile des Gebäudes, das an einem Hang gelegen ist. Gelbe Klinker, Glas und rote Stahlprofile setzen Akzente, ein geschwungener Wintergarten bricht die rechtwinklige Strenge der Wohnhäuser auf.
Die besondere Qualität des Entwurfs sind die vielfältigen Beziehungen, die zwischen dem Innenraum und der märkischen Landschaft mit Wald und See entstehen. Hannes Meyer beteiligte auch Bauhausschüler an der Planung und Umsetzung und machte die Baustelle in Bernau so zu einem Studienprojekt für das gesamte Bauhaus. Ob Heizungsrohre oder Deckenträger aus Stahlbeton: „Das Material, mit dem gearbeitet wurde, muss sichtbar bleiben“, lautete eines der Prinzipien, die in Bernau konsequent umgesetzt wurden.
Vergessener Bauhaus-Klassiker
Seit 1977 steht der Bauhausklassiker im Bernauer Forst unter Denkmalschutz. Er ist jedoch längst nicht so bekannt wie die weltberühmten Bauhausgebäude in Dessau. „Fast 60 Jahre lang, von 1933 bis 1989, war die Bundesschule nicht öffentlich zugänglich und verschwand so aus dem Bewusstsein. Die Folgen sind bis heute spürbar“, sagt der Historiker Peter Steininger, Vorstandsmitglied im 1990 gegründeten Verein „baudenkmal bundesschule bernau (bbb)“. 1933 besetzten die Nationalsozialisten das Gebäude und nutzten es bis 1945 unter anderem für die Ausbildung von SS- und Gestapomitgliedern. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB), Dachverband der staatlich gesteuerten DDR-Gewerkschaften, die Schule und erweiterte das Ensemble in den 1950er-Jahren um rote Klinkerbauten. Nach dem Ende der DDR und der Auflösung des FDGB wurde die Schule 1990 geschlossen.Der Denkmalschutzverein, zu dessen Gründungsmitgliedern der Künstler und Bauhausschüler Max Bill (1908–1994) gehörte, kämpfte zunächst gegen Leerstand und Verfall des Gebäudes. Schnell wurden die Vereinsmitglieder zur treibenden Kraft für eine denkmalgerechte Sanierung. Diese erfolgte 2003 bis 2007 unter Leitung der Architekten Winfried Brenne und Franz Jaschke, preisgekrönten Experten für Bauten der Moderne. „MeyerWittwerBau“ steht über dem neu gestalteten Haupteingang, der die in roten Klinkern ausgeführte Überbauung der 1950er Jahre mit einbezieht. Ansonsten zeigt sich das Schulgebäude weitgehend im wiederhergestellten Zustand des Originalentwurfs. Abgehängte Decken sind entfernt, Stahlbetonträger und -pfeiler von der DDR-Gipsummantelung befreit. Der Speisesaal ist lichtdurchflutet, der Glasgang hat wieder raumhohe, durchgehende Fenster und verbindet als Ort der Kommunikation und Begegnung alle Internatshäuser.
Originalsprossenwand von 1930
2001 hat die Handwerkskammer Berlin die Bundesschule übernommen und nutzt sie als Internat für Auszubildende. So liest man zum Beispiel die Ankündigung „Sport für Gerüstbauer“ an der Tür zur Turnhalle, in der noch die Originalsprossenwand von 1930 steht. Zurzeit werden die Außenanlagen mit Hilfe von Bundesmitteln denkmalgerecht gestaltet. Dazu gehört unter anderem, die historische Blickachse zwischen dem Schulgebäude und dem nahen See wiederherzustellen und eine ursprünglich vorhandene Pergola neu anzulegen.Die Bauhausstätten Dessau und Weimar sind UNESCO-Welterbe. Seit Juli 2017 gehört auch die Bundesschule Bernau dazu. „Eine Sternstunde für die Wertschätzung dieses einmaligen Bauwerks“, sagt Peter Steininger. Aber sicher nicht das Ende der engagierten Vereinsarbeit. So entwickeln die international vernetzten Bauhausenthusiasten in Bernau Ideen für ein Besucherzentrum. Sie unterstützen Pläne für kreative Sommerschulen oder diskutieren die Frage, ob auch Teile des baulichen DDR-Erbes, darunter Wachhäuschen und Straßenleuchte, zur erhaltenswerten Geschichte der Bundesschule gehören.
Deutsch für Jugendliche: Bernau bei Berlin