Autobiografische Comics
Charmant & ehrlich – Mawil
Dem Berliner Comic-Zeichner Markus Witzel alias Mawil ist gelungen, was bisher nur wenigen geglückt ist. Innerhalb kürzester Zeit und gleich mit seinen ersten Werken hat er in Windeseile die Herzen der comiclesenden Gemeinde erobert und die Kritiker auf ganzer Linie überzeugt. Einer der Gründe dafür liegt sicherlich in seiner charmanten und ehrlichen Art, mit der er seine autobiografischen Erlebnisse erzählt.
Nachdem Mawil seine Geschichten äußerst umtriebig in Fanzines und Kleinstverlagen veröffentlicht hat, entschied er sich zu einem Studium in Kommunikationsdesign an der Kunsthochschule Weißensee. Dort gründete er mit gleichgesinnten Kommilitonen die Comic-Gruppe Monogatari, was japanisch ist und „Geschichten erzählen“ heißt. Als Ateliergemeinschaft veröffentlichten die glorreichen Sechs ihre Comics im Eigenverlag und loteten neue narrative Möglichkeiten des Comic-Mediums aus. Für das Themen-Album Alltagsspionage (2001) produzierte ein jeder seine ganz persönliche Berliner Comic-Reportage in Wort und Bild. Mawils Erzählung darüber „Wie wir uns mal ’ne 3er-WG suchen wollten“ gefiel seinem damaligen Professor so gut, dass er einen Comic als anstehende Diplomarbeit ohne Weiteres akzeptierte. Wir können ja Freunde bleiben (2003) bedeutete für Mawil das Ende des Studiums und läutete zugleich seine Zukunft als Comic-Zeichner ein. In vier Episoden erzählt er humorvoll und selbstironisch von seinen unglücklichen, unerwiderten Lieben, die ihn von Kindesbeinen an begleiten. Seine extrem persönlichen Geschichten inszeniert er kunstfertig und flüssig in virtuosen Seitenlayouts, die er geschickt mit wechselnden Perspektiven arrangiert.
Mawils alltägliche Adoleszenzgeschichten sind das Porträt einer Generation von Anfangzwanzigjährigen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind. In seinem Comic Die Band (2004) erzählt er von seinen jugendlichen Musikerfahrungen als Bassist in diversen Schülerbands. Schnodderig unterhaltsam und auf charmante Art und Weise schildert er, zwischen Proberaum und Jugendclub, den Traum vom Independent-Pop-Star. In seinen Comics thematisiert Mawil fernerhin seine Kindheit in der ehemaligen DDR und wie er als Jugendlicher die Wende erlebt hat. Action Sorgenkind (2007) erzählt in mehreren Episoden davon, wie Mawil nach dem Mauerfall westlichen Jugendlichen nacheifert und versucht, sich mit Tags und Graffitis in den Straßen von Berlin zu verewigen. Weitere Episoden erzählen von seinen Reisen durch ganz Europa, zu Comicfestivals und Hippiekolonien, ob in seinem türkisenen Skoda-Kombi oder per Autostopp.
Immer wieder lässt sich der Comiczeichner auch für ungewöhnliche Aktionen gewinnen: Mal beteiligt er sich an einem 24-Stunden-Comicprojekt, mal reist er ins Ausland, um Workshops zu geben, oder er tritt bei einer „Comic-Battle“ auf – und zeichnet am Overhead-Projektor mit anderen Künstlern um die Wette.
Beim Comicsalon Erlangen 2014 wurde Mawil für seine Graphic Novel Kinderland mit dem renommierten Max-und-Moritz-Preis ausgezeichnet. Ein Jahr später ist The Singles Collection erschienen, eine Sammlung der Comic-Kolumnen, die Mawil seit 2006 für die Sonntags-Beilage des Berliner „Tagesspiegel“ gezeichnet hat.