Europa sind Menschen sind Europa
Rob, Elisabeth oder Antonello: Die Europäische Union besteht aus Menschen, nicht aus bürokratischen Institutionen. Wir haben uns umgeschaut und Ausländer angesprochen, die unter uns leben und aus EU-Staaten stammen. Wie gefällt es ihnen in Deutschland und in Tschechien? Was kochen sie, wenn sie Heimweh haben? Welche Unterschiede haben sie wahrgenommen, als sie hergekommen sind? Welche Musik aus ihrer Heimat empfehlen sie uns? Klickt auf der Karte auf die EU-Länder und findet es heraus! Vielleicht erfahrt ihr etwas über jemanden, der bei Euch um die Ecke wohnt. Unter der Karte könnt Ihr zwischen den Europäern in Deutschland und Tschechien umschalten.
Alter: 35 Jahre |
Beruf: freischaffender Komponist |
Kommt aus: London, Großbritannien |
Wohnort: Berlin |
Ich bekomme eigentlich kein Heimweh. Aber ich koche gerne Würstchen mit Kartoffelpüree (nach englischer Art, nicht nach deutscher). Ich bin immer noch der Meinung, dass die englischen Würstchen besser sind… (und grüner Spargel besser als weißer).
Ich vermisse eigentlich nichts zu Hause, aber einer meiner Lieblingsorte in Großbritannien sind die schottischen Highlands um die Trossachs herum. Ich nehme an, dass ich vielleicht einige Aspekte des Lebens in London vermisse: die Schnelligkeit, die vielen Leute, das Stadtpanorama entlang der Themse, die multikulturelle Dichte. Auf der anderen Seite würde ich aber viele Dinge in Berlin vermissen, wenn ich wieder zurück in London wäre.
Der größte Unterschied zwischen dem Leben in Berlin und London ist der Raum, den ich hier habe, auch in emotionaler und intellektueller Hinsicht. Ich habe in Berlin mehr Freizeit und Muße und ein wesentlich produktiveres und kreativeres Arbeitsleben. Allgemein habe ich das Gefühl, dass ich mehr Wahlmöglichkeiten habe mein Leben zu gestalten, was in London nicht der Fall war.
Musiktipp von Philip: Die besten britischen Musikkünstler sind meiner Meinung nach Goldfrapp, Tori Amos, Radiohead, The Irrepressibles, Orbital. |
Das Interview führte Tereza Semotamová.
Alter: 25 Jahre |
Beruf: Studiert Finnougristik |
Kommt aus: Helsinki, Finnland |
Wohnort: Göttingen |
Viele Leute kennen Finnland, aber aber nur wenige wissen, dass Finnland eigentlich Suomi auf finnisch heißt - für uns ist Finnland Suomi, und dieses Wort hat für alle Finnen eine wichtige Bedeutung. Die Wissenschaftler streiten sich bis heute, wie das Wort entstanden ist und was es genau bedeutet.
Wenn ich Heimweh habe, koche ich gerne Kiisseli, finnischer Pudding – mit Vanille- oder Rhabarbergeschmack. Man kocht es aus Wasser oder Saft, Kartoffelmehl, Zucker und Beeren oder was man eben gerne hat. Man kann es auch im Supermarkt kaufen, aber selbstgemacht schmeckt es immer besser.
Ich vermisse das Archipel in West-Finnland. Da ist die Natur meiner Meinung nach am schönsten. Es handelt sich um einen Gebiet voll mit ungefähr 50 000 kleinen Inseln!
Für mich sind Finnland und Deutschland relativ ähnlich. In Deutschland ist es aber schon ein bisschen wärmer bestimmt als in Finnland. Das Essen ist in Deutschland auch viel billiger! In Finnland ist es beispielsweise an der Uni ganz üblich, dass die Studenten die Lehrer duzen. Siezen ist allgemein ist in Finnland nicht so üblich, auch außerhalb der Uni.
Und was noch anders ist, ist die Saunakultur! In Finnland gibt es fast keine Saunen, in denen Männer und Frauen zusammen (nackt) saunieren würden. Das macht man in Finnland nur mit Familie oder Freunden. Mit fremden Leuten saunieren wir normalerweise im Badeanzug oder Männer und Frauen separat.
Musiktipp von Mari: Pikkuveli von der Musikgruppe Noitalinna huraa!. Das Lied ist zwar alt, aber sehr gut. |
Das Interview führte Tereza Semotamová.
Alter: 29 Jahre |
Beruf: Lehrerin für Deutsch und Schwedisch, Masterstudentin Deutsch als Fremdsprache |
Kommt aus: Söderhamm, Schweden |
Wohnort: München |
Grund des Aufenthalts in Deutschland: Liebe |
Wenn ich Heimweh habe, mache ich mir morgens einen Haferbrei mit Omas hausgemachter lingonsylt (Preiselbeermarmelade) oben drauf. Das habe ich fast mein ganzes Leben lang zum Frühstück gegessen.
Das Wort lingon ist meiner Meinung nach eines der schönsten Wörter in der schwedischen Sprache. Es klingt schön, schmeckt süß-säuerlich und nach Heimat. Die Preiselbeeren in Omas Preiselbeermarmelade sind in den Wäldern Hälsinglands gesammelt worden.
Ich bin im Juli 2013 wegen der Liebe nach Deutschland gekommen. Ich habe viel Zeit in Wartezimmern verschiedener Ämter verbracht, was in Schweden nicht so üblich ist. In Schweden kann man viel übers Telefon regeln. In Deutschland muss man oft persönlich hingehen. Zum Glück gibt es aber oft schöne Zimmerpflanzen, die ich anschaue, wenn ich warte.
Musiktipp von Sara: Tomas Andersson Wij |
Das Interview führte Magdalena Schluckhuber.
Alter: 23 Jahre |
Beruf: Studentin der Filmkunst |
Kommt aus: Tallinn, Estland |
Wohnort: Köln |
Am liebsten würde ich den ganzen Tag kohuke (Quarkriegel) essen. Die kann man leider nicht selbst zubereiten. Aber eine traditionelle Erbsensuppe tut's manchmal bei Heimweh auch.
Am meisten vermisse ich Tallinn - einfach als Stadt: Die Cafés, die Straßen, aber auch die Trams.
Die Menschen in Estland sind für mich ganz anders als in Deutschland. Auch wenn ich mich in Deutschland sehr wohl fühle, empfinde ich die Kommunikation, vor allem unter Freunden und Bekannten in Estland als ehrlicher und lockerer. Mir gefällt auch, dass Esten einen Sinn haben für die Unterscheidung zwischen Distanz und Freundlichkeit.
Mir gefällt der Gedanke, dass man auf Estnisch Kunst als Wesensausdruck, als etwas Natürliches versteht. Aus dem Wortstamm loom (auf Deutsch Tier, aber auch Wesen) folgen Worte wie looming, loominguline, loomulik (Kunst, künstlerisch, natürlich).
Musiktipp von Leri: Die Esten sind ein tanzendes und singendes Volk. Kommt einfach nach Tallinn, zum Beispiel zum Liederfest (Laulupidu) - das könnte wirklich jeden begeistern! |
Das Interview führte Patrick Hamouz.
Alter: 31 Jahre |
Beruf: Juristin – Arbeitet als Projektmanagerin / Consultant in der Energiewirtschaft |
Kommt aus: Jelgava, Lettland |
Wohnort: Karlsruhe |
Jūrmala (Rigastrand) ist ein wundervoller Ort, an den ich immer wieder zurückkehren möchte. Oft vermisse ich auch das Geräusch der Natur, das in Lettland so besonders ist: der Wald, Ostsee, die Felder… Und natürlich mein Zuhause bei den Eltern, weil ich meine Familie sehr vermisse.
Aber wenn ich zu Hause ein wenig lettische Atmosphäre schaffen möchte, öffne ich eine Dose lettischer Sprotten, die man im russischen Laden kaufen kann. Dann bin ich zufrieden. Ansonsten koche ich einfach Kartoffeln und dazu Hering mit Quark. Den Quark kaufe ich auch im russischen Laden ein, da der deutsche Quark ganz anders schmeckt.
Da ich sehr viel mit Menschen aus verschiedenen Ländern mit sehr unterschiedlichen sozialen, kulturellen und religiösen Hintergründen zu tun habe, ist für mich persönlich der größte Unterschied zu Lettland die Multikulturalität in Deutschland, was ich hier sehr positiv finde. Ansonsten fühle ich mich in Deutschland irgendwie sicherer, was natürlich auch im Licht der neusten Ereignisse in Ukraine zu sehen ist. Aber auch die soziale Sicherheit ist Deutschland größer als in Lettland.
Musiktipp von Zanda: Saule, Pērkons, Daugava ist das bedeutendste und beliebteste Lied auf dem lettischen Lieder-und Tanzfest, das seit 1873 alle fünf Jahre stattfindet und ist auf der UNESCO-Liste des immateriellen Erbes der Menschheit steht. Das Lied wird im Chor am Abschlussabend der Veranstaltung gesungen. Wenn ich das Lied höre, kommen mir fast immer Tränen in die Augen. |
Das Interview führte Patrick Hamouz.
Alter: 27 Jahre |
Beruf: Studiert Konservierung und Restaurierung |
Kommt aus: Riga, Lettland |
Wohnort: Hildesheim |
Ich bemühe mich nicht dem Heimweh zu verfallen, aber manchmal vermisse ich das lettische Essen. In Deutschland kann man fast alles kaufen, als koche ich hier oft lettische Gerichte, um mich gemütlicher zu fühlen. Ich mache oft Salat oder verschiedene Gemüsesuppen und gebe türkischen oder griechischen Joghurt dazu. Den kann man hier gut kaufen. Ich vermisse hier in Deutschland die saure Sahne, die wir in Lettland viel essen, ich kann hier nichts Ähnliches finden. Ich mag Süsses sehr und in Deutschland bekommt man tolles Eis. Aber vor allem gutes Fleisch und Fisch, sind hier sehr teuer.
Ich vermisse das Übliche: meine Familie und meine Katze. Aber mir fehlen auch Orte, die ich gut kenne: die Stille, die Natur, die Wälder. Aber ich versuche nicht so viel daran denken und mich darauf zu konzentrieren, hier in Deutschland die Zeit zu geniessen.
In Deutschland hat alles ein System und eine Ordnung. Wenn ich mich zum Beispiel schnell mit jemandem verabreden will – mit einem Beamten oder Professoren, dauert es immer sehr lange. Man kann nichts spontan machen. Auch mit meinen Kommilitonen müssen wir alles ganz lange im Voraus planen, damit alle teilnehmen können. Die Beziehungen hier funktionieren hauptsächlich über das Internet.
Musiktipp von Jūlija: Viņi Dejoja Vienu Vasaru |
Das Interview führte Tereza Semotamová.
Alter: 22 Jahre |
Beruf: Studentin (Law in Context) |
Kommt aus: Vilnius, Litauen |
Wohnort: Dresden |
Grund des Aufenthaltes in Deutschland: Kam wegen des Studiums. Nach ihrem Abschluss will Jelizaveta Deutschland wieder verlassen. |
Ich habe lange überlegt, welches Wort aus meiner Muttersprache eine besondere Bedeutung für mich hat. Zuvor musste ich mir die Frage stellen, welche Sprache überhaupt für mich die „Muttersprache“ ist. Ich bin in einer mehrsprachigen Umgebung aufgewachsen. Meine Mama ist Polin, mein Papa ist Russe. Wir sind in Litauen geboren und aufgewachsen. Ich kann mich nicht entscheiden, „was“ ich bin.
Trotzdem habe ich ein Wort aus dem Litauischen ausgewählt: Gimtinė. Das Wort könnte man als Heimat oder Zuhause übersetzen, aber das trifft es nicht vollkommen. Gimtinė ist ein Ort, an dem man geboren ist, abgeleitet vom litauischen Wort gimti (geboren). Gimtinė kann ein Land, eine Stadt, ein Dorf sein. Es ist nicht zu verwechseln mit dem offiziellen Geburtsort.
Gimtinė beschreibt das Gefühl, eine besondere Liebe für den Ort, an dem man geboren und aufgewachsen ist. Ich bin halb Russin und halb Polin, meine Traditionen und Denkweisen ähneln eher denen des russischen oder polnischen Volkes. Aber in Russland oder Polen würde ich mich trotzdem fremd fühlen, weil Litauen das Land ist, wo ich geboren bin. Abgesehen vom kulturellen, politischen, sprachlichen oder geschichtlichen Unterschieden, wird Litauen immer meine Gimtinė sein. Das Wort ist besonders wichtig, weil es weiter reicht als die offiziellen Zugehörigkeiten.
Musiktipp von Jelizaveta: Ein typisches litauisches Lied, ganz eng mit dem Wort Gimtinė verbunden. Der Musikstil heißt „gesungene Poesie“ und ist eigentlich nur in Osteuropa verbreitet, aber sehr beliebt in Litauen. |
Das Interview führte Ines Herrmann.
Alter: 28 Jahre |
Beruf: Physiotherapeutin |
Kommt aus: Jemielnica , Polen |
Wohnort: Neckarsulm |
Nach meinem Abi in Polen bin ich nach Erfurt gezogen um dort die Internationale Fachhochschule für Physiotherapie zu besuchen. Danach bekam ich einen Job als Physiotherapeutin in Baden-Baden, war dort drei Jahre. Dann kam mein (inzwischen) Mann dazu und wegen ihm lebe ich jetzt in Neckarsulm.
Durch die technische Entwicklung ist das Leben in Europa sehr frei und grenzenzlos geworden ist. Für junge Leute ist der Unterschied zwischen den Ländern im Allgemeinen nicht mehr so groß. Allerdings ist das Leben in Polen noch stark von der Tradition geprägt, was in Deutschland schon längst vergessen wurde. Ich finde es auch sehr gut, dass die Eltern in Polen so großen Wert auf Traditionen legen und das konsequent an ihre Kinder weiter geben.
Musiktipp von Karina |
Das Interview führte Jana Pecikiewicz.
Alter: 29 Jahre |
Beruf: Shop and Sales Managerin bei der deutschen Vertretung einer tschechischen Firma |
Kommt aus: Prag, Tschechien |
Wohnort: Berlin |
Im Deutschen habe ich bis jetzt keinen passenden Ausdruck für pohoda gefunden. Das Wort beschreibt das Gefühl, dass man sich einfach wohl fühlt. Wenn ich zum Beispiel mit Leuten bei den ersten Sonnenstrahlen auf der Sonne sitze, dann habe ich oft Lust, es zu sagen.
Wenn ich Heimweh nach Tschechien habe mache ich mir smaženky (in Rührei getränktes angebratenes Brot). Zu Hause habe ich das kaum gegessen, aber in Berlin habe das schon mehrmals gemacht. Natürlich habe ich dazu ein tschechisches Bier getrunken, das man hier überall kaufen kann. Irgendwie erinnern mich smaženky an meine Studentenzeiten, wo ich das an der Uni im Bufet u Platona (Cafe bei Plato) immer gesehen, aber nie bestellt habe.
Ein großer Unterschied zwischen Deutschland und Tschechien ist Qualität der Lebensmittel, die in Tschechien erst jetzt langsam ein Thema wird. Bio-Produkte sind in Deutschland fast in jedem Supermarkt zu kaufen und die Preisunterschiede zwischen den Bio- und Nichtbio-Produkten sind hier nicht so groß wie in Tschechien. Den größten Unterschied sehe ich aber in der Lebensqualität. In Deutschland schaut man nicht nur darauf, wie viel man verdient, es geht immer auch irgendwie darum, wie es demjenigen dabei geht.
Wenn ich in Berlin bin, vermisse ich den Prager Bezirk Vršovice, den ich mit vielen Freunden und schönen Erinnerungen verbinde. Und auch die Prager Uferpromenade Náplavka, die im Sommer einfach toll ist.
Musiktipp von Renata: Dieses Lied höre ich mir immer an, wenn ich Heimweh habe. Die Musik ist super und außerdem sieht man in dem Video fast alle meine Lieblingsorte in Prag. |
Das Interview führte Patrick Hamouz.
Alter: 33 Jahre |
Beruf: Übersetzer |
Kommt aus: Bratislava, Slowakei |
Wohnort: Leipzig |
Grund für den Aufenthalt in Deutschland: Liebe |
Aus meinem Land vermisse ich klassische bryndzové halušky (Brimsennocken) die ich aber hier nicht kochen kann, da es Brimsen (Frischkäse aus Schafsmilch) nicht zu kaufen gibt. Ich vermisse auch dünne Kartoffelfladen, die Zubereitung finde ich aber zu schwierig. Deshalb bin ich froh, dass mich meine Oma damit versorgt, die eine wahre Expertin auf diesem Gebiet ist.
Ich wohne in Leipzig, wo die Landschaft ziemlich eben ist. Die kleinen Hügel, an die ich aus Bratislava gewöhnt bin, fehlen mir hier: die Kleinen Karpaten. Am Fuße der Hänge gibt es Weingärten und höhere Buchenwuchse, in denen man hier und da auch eine kleine Insel mit Esskastanien finden kann. Und ganz oben, auf den Gipfeln der zahlreichen Hügel war ich immer gewohnt mich an den Haufen weißer Steine, verkümmerter Eichen, duftender Quendel und der tollen Aussichten auf das Donautiefland zu erfreuen.
Der größte Unterschied zwischen Leben in der Slowakei und in Deutschland besteht darin, dass in Deutschland alles organisiert ist und in der Slowakei gar nichts. Das verstärkt sich sogar meiner Meinung nach immer mehr. Es spiegelt sich beispielsweise darin wider, wie die öffentlichen Räume aussehen. In Deutschland renoviert man meistens ganze Gebäuden, beziehungsweise ganze Gebäudeblöcke, in der Slowakei renoviert jeder nur das seine und wie er will, und das dazwischen verfällt meistens.
Filmtipp von Juraj:
Ich mag am liebsten Filme und Bücher über konkrete Landschaften, Orte, Städte. Ich kann den Film Felvidék / Horná zem empfehlen. Ansonsten empfehle ich den Roman Marmorpalast von Kay Zeisberg. Er bietet eine deutsche Perspektive auf die Geschichte der Stadt Piešťany. Ich hab es ins Slowakische übersetzt, auch deshalb ist das Buch wichtig für mich. |
Das Interview führte Tereza Semotamová.
Alter: 34 Jahre |
Beruf: Betreibt einen Second-Hand-Laden |
Kommt aus: Námestovo bei Orava, Slowakei |
Wohnort: Berlin |
Ich bin wegen der Arbeit nach Berlin gekommen, aber jetzt arbeite ich hier nicht nur, sondern lebe hier auch. Ich habe hier eine sehr gute Freundin aus Tschechien, wir kennen uns, seitdem ich hier in Berlin bin, wir sind beste Freundinnen und man kann sogar sagen, dass sie wie mein „Schatten“ ist. Sie ist immer bei mir, egal ob ich lache oder weine. Sie ist ein unersetzlicher Mensch für mich.
Ich kenne kein slowakisches Wort, das die Deutschen kennen sollten. Aber ich denke, dass alle Menschen dieser Welt versuchen sollten die anderen zu verstehen und vor allem einander zu helfen.
Das slowakische Essen vermisse ich nicht, da ich hier immer slowakische Gerichte koche, aber ehrlich gesagt: Lendenbraten mit Rahmsosse und Knödel esse ich gerne. Das kann nicht jeder kochen. Aber ich fahre deswegen lieber nach Tschechien.
Das Einzige, was ich hier in Berlin vermissen, sind die Berge und die Natur des Ortes, wo ich aufgewachsen bin. Ich liebe die Natur, ich liebe es, wenn die Vögel singen und die ruhige Atmosphäre – Berlin ist im Gegensatz dazu hektisch. Richtige Natur gibt es hier nicht und das Leben ist sehr beschleunigt. Oft hab ich keine Zeit für mich selbst. Aber momentan habe ich eine Arbeit, die ich mir immer gewünscht habe und die mich erfüllt – ich habe eine Second Hand Boutique geöffnet und verkaufe Frauen- und Kinderkleidung.
Das Leben hier in Deutschland und in der Slowakei ist anders: Ich kann mir zwar alles leisten, aber meine Seele ist hier ein bisschen leer und vor allem vermisse ich meine Familie sehr.
Das Interview führte Tereza Semotamová.
Alter: 29 Jahre |
Beruf: Linda hat kürzlich ihren Mastertitel in Ost-West-Studien mit den Schwerpunkten Kultur- und Rechtswissenschaften in Regensburg erworben. |
Kommt aus: Budapest, Ungarn |
Wohnort: Regensburg |
Seit Kurzem bin ich mit dem Studium fertig und deshalb auf Jobsuche beziehungsweise auf Suche nach einem Praktikumsplatz. Die Liebe und das Studium haben mich nach Regensburg verschlagen. Aber auch in Zukunft würde ich gerne in Deutschland und insbesondere in Regensburg leben, weil ich Großstädte mittlerweile nur noch auf Reisen angenehm empfinde und nicht mehr meinen Alltag dort verbringen will.
Aber Budapest vermisse ich, weil es eine wunderschöne Stadt ist, in der man sehr viel Spaß haben kann – sowohl kulinarisch, kulturell, einfach in jeder Hinsicht. Außerdem habe ich dort viele Freunde, die ich gerne besuche.
Die ungarische Mentalität ist eine andere. Die Leute sind meiner Ansicht nach insgesamt netter, offener und lockerer. Allerdings sind die Infrastruktur und Wirtschaft in Deutschland stärker. Meine Freunde erzählen mir, dass es in Ungarn viel weniger Arbeitsplätze gibt. Auch das politische und das Rechtssystem sind trotz der Mitgliedschaft in der EU anders aufgebaut. Zum Beispiel gibt es in Ungarn nicht wirklich getrennte Verwaltungsgerichte und auch keine richtige Opposition im Parlament, die gegen Orban eine Chance hat. Aber dafür das Wetter ist in Ungarn besser.
Musiktipp von Linda: Das Lied kennt in Ungarn jeder. Der Titel bedeutet so viel wie „Flieg los kleiner Vogel“. |
Das Interview führte Magdalena Wagner.
Alter: 29 Jahre |
Beruf: Violinistin, Masterstudentin in Business Administration |
Kommt aus: Bukarest, Rumänien |
Wohnort: Heilbronn |
Grund des Aufenthaltes in Deutschland: Ana-Maria kam bereits im Alter von fünf Jahren nach Deutschland. |
Te iubesc heißt auf Rumänisch Ich liebe Dich. Das sagt man aber nicht nur unter Verliebten, sondern es gilt auch für Freunde und Familie. Ein wichtiges Rumänisches Wort ist für mich auch muzica, also die Musik. Zum einen finde ich es immer wichtig den Wert einer zwischenmenschlichen Beziehung hervorzuheben oder menschlich Gefühle zu zeigen. Zum anderen geht es auch in der Musik um Gefühle, es gibt Traurigkeit, Melancholie. Aber Liebe heilt alles und ist mir sehr wichtig.
Ich vermisse verschiedene Orte in Bukarest, die großen Parks, die Gastronomie in den Parks oder mitten in der Altstadt, das Leben darin, das Temperament der Menschen und die Offenheit Neues kennenzulernen. Wenn ich Heimweh habe, esse ich gerne salata de vinete, Auberginensalat. Das ist ein typisch rumänisches Gericht. Es erinnert mich an die Zeit, die ich in Rumänien mit meinen Bekannten, Freunden oder der Familie verbracht habe.
Der größte Unterschied, der für Deutschland spricht, sind die Ordnung, die Regeln und die Sicherheit. Bei uns ist der Rechtsstaat noch nicht so ausgebaut. Für Rumänien spricht wiederum die menschliche Neigung sich eher um die Person als um die Position zu kümmern, das Temperament und die Offenheit, ehrlich und direkt zu sein, ohne jemanden zu beleidigen. Außerdem die Eleganz in der Mode, Erziehung und das Verhalten in einer Freundschaft.
Das Interview führte Jana Pecikiewicz.
Alter: 30 Jahre |
Beruf: Theoretischer Physiker an der Humboldt-Universität Berlin |
Kommt aus: Sofia, Bulgarien |
Wohnort: Berlin |
Ich bin kein guter Koch und esse eher einfache Gerichte. Ein Gericht, das ich aus Nostalgie mache, heißt Panagjurischte Ei. Das ist ein Omelette, bei dem die Eier nicht gebraten, sondern in Wasser gekocht werden. Und dann werden sie mit Feta-Käse, Paprika und Olivenöl bedeckt. Wenn ich dekadent bin, tue ich noch Cashew-Nüsse dazu.
Ich vermisse das Haus, wo ich mit meinen Großeltern die Sommerferien verbracht habe. Es liegt in einem kleinen Dorf im Nordosten Bulgariens. Der Ort ist jetzt verlassen, das Haus eine Ruine. Ich war dort seit 18 Jahren nicht. Manchmal vermisse ich auch die Stadt Neuchâtel in der Schweiz, wo meine Eltern mit mir hingezogen sind als ich 11 Jahre alt war und wo sie immer noch leben. Neuchâtel besuche ich hingegen relativ oft.
Deutschland hat im Gegensatz zu Bulgarien ein funktionierendes politischen und rechtliches System, in dem Politiker nicht allein aus dem Motiv handeln, persönliche Vorteile zu erzielen.
Musiktipp von Vladimir: Der israelische Musiker Avi Avital spielt seine Version eines bulgarischen Volkstanzes auf der Mandoline. Es ist meine Lieblingsversion dieser Melodie. Avi Avital habe ich zufällig vor einigen Monaten auf einem Konzert in Berlin erlebt. |
Das Interview führte Nancy Waldmann.
Alter: 33 Jahre |
Beruf: Physikerin |
Kommt aus: Athen, Griechenland |
Wohnort: Hamburg / Berlin |
Grund des Aufenthaltes in Deutschland: Arbeit |
Am meisten vermisse ich den griechischen Sandstrand und das Wasser. Die Dimensionen der Natur sind in Griechenland menschenfreundlicher als in Deutschland oder in den USA, wo ich auch sechs Jahre gelebt habe. In Griechenland sind die Bäume kleiner, der Sand fühlt sich gut an auf der Haut, das Wasser ist warm, so dass man bequem zwei Stunden darin baden kann. Das geht hier in Deutschland nicht.
In Mittelmeerländern handeln die Menschen emotionaler. Hier nehmen die Leute Logik zu ernst. Sie vergöttern sie. Die Physiker in Deutschland sind auch so. Aber man kann die Welt nicht nur mit dem Verstand erfassen. Und auch in der Physik hilft nicht nur der Verstand. Man braucht auch Intuition.
Musiktipp von Elli |
Das Interview führte Nancy Waldmann.
Alter: 30 Jahre |
Beruf: Masterstudent Integrated Design Engineering |
Kommt aus: Bayreuth, Deutschland |
Wohnort: Magdeburg |
Grund des Aufenthaltes in Deutschland: Filips Eltern kamen bereits vor 42 Jahren als Gastarbeiter nach Bayreuth. |
Geboren und aufgewachsen bin ich in Deutschland, genauer gesagt in Bayreuth. Meine Eltern kamen vor 42 Jahren nach Deutschland als Gastarbeiter. So wie viele Gastarbeiter auch, leben meine Eltern zwischen zwei Ländern und haben den Großteil der Familie in der heimischen Ferne gelassen. Zum Studium bin ich nach Magdeburg gegangen.
In Kroatien vermisse ich den Schoß meines Opas Slavko. Er ist zwar vor 12 Jahren verstorben, aber es gibt keinen anderen Ort, den ich mehr vermisse, als bei ihm zu sein und ihm zuzuhören. Meine Ohren klebten an seinen Worten, meine Augen sahen auf seine Erscheinung.
Was mich aber schon sehr an „zu Hause“ erinnert sind Mlinci mit Fleisch, Soße und Feldsalat. Mlinci ist eine Art Nudelteig, der nach dem Aufkochen in die Pfanne oder den Ofen kommt und kurz beidseitig angebraten wird. Dazu gehört saftiges Maisbrot, aber nur das von meiner Tante aus Kroatien. Das habe ich nicht immer da, aber wenn es da ist, ist es gleich wieder weg. Den Weg ins Tiefkühlfach hat es bisher jedenfalls noch nicht gefunden.
Musiktipp von Filip: Crvena Jabuka & Kemal Monteno mit dem Lied Nekako s proljeca (Roter Apfel – Irgendwie durch den Frühling). Die Rock/Pop-Band Crvena Jabuka kommt aus Sarajewo im heutigen Bosnien-Herzegowina. Der Sänger Kemal Monteno ist der Sohn eines Italieners und einer Bosnierin. Diese Kombination spricht auch für das Multikulti-Wesen der Region. |
Das Interview führte Magdalena Wagner.
Alter: 29 Jahre |
Beruf: Fotografin |
Kommt aus: Iz-Zejtun, Malta |
Wohnort: Plzeň (Pilsen) |
Grund des Aufenthalts in Tschechien: Andere Kulturen entdecken und Inspiration suchen. |
Das Leben auf Malta ist ruhiger und lockerer als in Tschechien, die Menschen genießen dort das Leben mehr – das Essen, das Wetter, den Strand. Alles ist entspannter. In meiner Stadt gibt es eine Bäckerei, da führt eine enge Gasse hin, wo keine zwei Autos nebeneinander passen. Da hält dann immer ein Auto, der Fahrer steigt aus und geht einkaufen. Hinter ihm bildet sich eine Schlange. Alle warten aber ganz ruhig ab, bis sie an der Reihe sind, keiner hupt oder macht Stress. Das würde in Tschechien nicht passieren.
Grazzi sagt man auf Malta, wenn man sich bedanken will. Es ist ein einfaches, aber sehr wichtiges Wort, mit dem man den Menschen zu verstehen gibt, dass man ihre Hilfe zu schätzen weiß. Ich koche nicht viel, aber hin und wieder bereite ich Bragoli zu; das sind Fleischrouladen und gemeinsam mit Kaninchengulasch unser Nationalgericht.
Manchmal erinnere ich mich an eine schöne, ruhige Stadt mit einer unglaublichen Geschichte Mdina. Die dortigen Bewohner betrachten die Schönheit der Stadt als etwas Selbstverständliches, weil sie daran gewöhnt sind. Aber ich fühle mich dort jedes Mal gut.
Musiktipp von Christabelle: Meiner Meinung nach eines der besten maltesischen Lieder! |
Das Interview führte Daniela Esnerová.
Alter: 28 Jahre |
Beruf: arbeitet in einem Call-Center |
Kommt aus: Slowenien |
Wohnort: Wilhelmshaven |
Sauerkraut mit Krainer Wurst ist auch in Slowenien ein traditionelles Gericht und als ich mich schon sehr jung entschieden habe kein Fleisch zu essen, habe ich das ganz oft zum Essen bekommen. Damals habe ich es gehasst, aber bei Heimweh koche ich das gerne. Ich kaufe aber Sauerkraut auf dem Markt, weil die Deutschen sonst nur Weinsauerkraut essen.
Das Leben in Slowenien ist nicht so schnell, es muss nicht alles in Eile erledigt werden. Die Leute nehmen sich mehr Zeit für die Familie Es ist auch nicht so wichtig gut gekleidet zu sein. Mit anderen Worten: Es geht lockerer zu.
Dafür ist die deutsche Bürokratie effektiv: Man muss sich durch unglaublich viel Papierkram wühlen, aber wenn man wirklich alles ausgefüllt und abgegeben hat, kriegt man am Ende auch eine Antwort. Falls es keine Genehmigung ist, wird wenigstens erklärt wieso. In Slowenien wissen auch die Behörden manchmal nicht, was gemacht werden könnte und selbst wenn man alles richtig gemacht hat, gehen die Unterlagen viel zu oft verloren
In Slowenien vermisse ich Radovna am meisten, weil da unsere Hütte ist. Dort gibt es keine Elektrizität, keinen Handyempfang und keinen Wasseranschluss. Radovna liegt im Nationalpark Triglav (Triglav ist der höchste Berg Sloweniens). Radovna heißt aber auch der Fluss, der durch den das gleichnamige Tal an unserer Hütte vorbeifließt. Die reine Natur, die man heutzutage kaum noch finden kann, die Ruhe, die frische Luft, die Abwesenheit von Technologie... Deshalb vermisse ich Radovna.
Musiktipp von Rada |
Das Interview führte Tereza Semotamová.
Alter: 32 Jahre |
Beruf: Regieassistentin |
Kommt aus: Aspang Markt, Österreich |
Wohnort: Berlin |
Ich vermisse das Gartenbankerl von meinen Eltern. Von dort kann man den ganzen Garten überblicken, es scheint den ganzen Tag die Sonne, abends kommen die Fledermäuse, tagsüber unsere Katze und die Vögel. Egal ob Winter oder Sommer, der Blick, die Ruhe und das Tummeln der Natur ist wunderschön und erdet.
Wenn ich morgens Heimweh habe, mache ich Palatschinken (mit Marillenmarmelade). Das hat nichts mit Schinken zu tun und ist lecker! Das Wort sollte man kennen. Es ist peinlich, wenn man sich das erklären lassen muss. Bei Mittagsheimweh gibt es Zwetschkenknödel, bei Abendsheimweh Schnitzel, aber niemals alles auf einmal.
Der größte Unterschied zu Deutschland ist die Tradition. In Österreich soll im besten Fall alles beim guten Alten bleiben. Tradition ist dort sehr wichtig. Die Kaiserzeit wird gelobt und – wenn es möglich wäre – gewünscht. In Deutschland, besonders Berlin, kann die Erneuerung und Innovation nicht schnell genug gehen. Man muss immer die Nummer 1 sein, der/die Erste, etwas erfunden oder ausprobiert zu haben.
Nützliche österreichische Wörter: Heuseltschick (ein Schimpfwort, ich finde es gibt nichts Schlimmeres) und zum Angeben: owi, eini, ummi, aufi, do (hinunter, hinein, hinüber, hinauf, hier).
Musiktipp von Daniela: russkaja - Eine Ska Gruppe, die super Shows und Lust auf Tanzen macht. Sie sind in Österreich sehr gefragt. |
Das Interview führte Patrick Hamouz.
Alter: 30 Jahre |
Beruf: Rezeptionist in einem Hotel |
Kommt aus: Mailand, Italien |
Wohnort: Köln |
Grund des Aufenthaltes in Deutschland: Marco kam, um Deutsch zu lernen und einen Job zu finden. Beides hat er geschafft. |
Es gibt viele italienische Worte, die schön sind, aber keine direkte Übersetzung ins Deutsche haben, zum Beispiel allegria. Man kann es in etwa mit Fröhlichkeit übersetzen aber die Bedeutung verliert auf Deutsch etwas, was auf Italienisch ganz klar ist. Ein anderes Wort ist mangiare. Das ist sehr wichtig und schön. Es bedeutet nämlich Essen. Die Italiener sind in der ganzen Welt sehr bekannt für ihr Essen und natürlich ist Essen ein sehr wichtiger Teil des italienischen Lebens.
Ich bin ein sehr guter Koch. Die meisten Italiener würden sagen, wir lieben vor allem Pasta und Pizza. Das trifft aber auf mich nicht zu, da ich lieber Fleisch und Fisch mag. Meine Spezialität ist italienisches Gulasch und das Rezept kommt von meiner Oma. Um ehrlich zu sein, habe ich kein großes Heimweh, aber meine Freundin liebt das italienische Essen und manchmal kochen wir zusammen. Ich habe ihr schon beigebracht, wie man eine „echte“ Tomatensauce zubereitet.
Die Deutschen sind präzise, ganz klar und sehr zuverlässig. Die Italiener haben immer Chaos im Kopf und sie sind sehr faul. Im Gegensatz dazu sind die Deutschen sehr kalt und manchmal ist es wirklich schwierig sie zu verstehen oder sie kennenzulernen. Die Italiener sind spontaner. Sie haben gerne Spaß und machen gerne Scherze. Ich mag lieber die deutsche Stimmung, vielleicht weil ich aus Mailand komme und wir Mailänder in Italien sehr bekannt sind für unsere kalte Art. Aber ich bin kein typischer Mailänder.
Musiktipp von Marco: Italien ist sehr bekannt für seine Schauspieler und Sänger. Die italienischen Leute lieben einfach Musik, vor allem im Süden. Jeden Tag gibt es eine Party irgendwo am Strand mit Livemusik und Feuerwerk. Ein sehr schöner Tanz aus Apulien heißt Pizzica. Außerdem gibt es noch den Tarantella aus Neapel, der schneller und rhythmischer ist. |
Das Interview führte Franziska Herz.
Alter: 35 Jahre |
Beruf: freiberufliche Übersetzerin |
Kommt aus: Metz, Frankreich |
Wohnort: Berlin |
Grund für den Aufenthalt in Deutschland: Ich wohne seit zehn Jahren in Berlin. weil es hier schön ist! Als freiberufliche Übersetzerin kann ich mir meinen Wohnort frei aussuchen. |
Meine eigentliche Heimat Lothringen vermisse ich nicht so sehr, dafür Orte im Süden Frankreichs, an denen ich öfter mal war, wie Arles oder Antibes. Dort gibt es ein besonderes Licht und eine Vegetation, die ganz anders ist als hier.
Ich glaube, die deutsche Gesellschaft ist offener, weniger elitär als die französische. Als ich zum ersten Mal in Deutschland gelebt habe, in Leipzig (1999), bin ich als Studentin aufgeblüht. Plötzlich durfte ich meine Kurse selber auswählen, und die Studenten durften auch mal ein Semester Pause machen, was bei mir undenkbar war.
Musiktipp von Stéphanie: Eine leichte Ballade aus dem letzten Album von Benjamin Biolay. |
Das Interview führte Tereza Semotamová.
Alter: 28 Jahre |
Beruf: Community Managerin für ein internationales Online Netzwerk für Expats |
Wohnort: München |
Staatsbürgerschaften: Britisch und Tschechisch (Migrantin zweiter Generation in Deutschland) |
Wenn ich Heimweh nach Tschechien habe, mache ich diverse Obstknödel Varianten oder wenn ich ganz nostalgisch bin krupicová kaše (Grießbrei mit Butter und Zimtzucker) – mein comfort food schlechthin. Aus der walisischen Küche: Bara Brith (Früchtebrot aus Hefeteig und schwarzem Tee).
In Böhmen vermisse ich die chalupa (Landhaus) im Kraj Vysočina (Böhmisch-Mährische Höhe). Dort habe ich gefühlt meine Kindheit verbracht, die schönsten Tage überhaupt. In Wales sehne ich mich manchmal nach the tank, eine winzige Aushöhlung in einer Klippenbucht auf der Insel Anglesey (Ynys Môn), die eine Art Pool bildet. Dort sah ich meinem Großvater bei Sonnenschein und Unwetter beim Schwimmen zu. Die Erinnerung daran hat fast schon etwas Spirituelles.
In Tschechien habe ich letztendlich auch den Umbruch mitbekommen und wie sich das Land und sein Erscheinungsbild bis zum heutigen Tage stetig verändert. Meine Sichtweise ist aber ebenso durch die Distanz und einer Art Nostalgie der Generationen vor mir geprägt. Ich nehme auch wahr, dass das Leben in Tschechien wirtschaftlich und sozial betrachtet viel härter ist als in Deutschland.
In Großbritannien bin ich jedes Mal aufs Neue inspiriert vom Optimismus beziehungsweise der Fähigkeit, in jeder Lebenslage ein Lachen und Humor hervorzubringen, besonders auch Fremden gegenüber. Es ist meiner Meinung nach besonders die Lebensart und soziale Kultur, welche das Leben dort so anders erscheinen lässt.
Film- und Musiktipp von Adela: The Snowman (1982, 26 Minuten; ein Zeichentrickfilm ohne Worte, produziert von Raymond Briggs, Musik von Howard Blake) |
Das Interview führte Patrick Hamouz.
Alter: 33 Jahre |
Beruf: Architekt |
Kommt aus: Gouda, Niederlande |
Wohnort: Berlin |
Grund des Aufenthaltes in Deutschland: Victor kam wegen seiner damaligen Freundin, jetzt Frau. |
Ich vermisse am meisten Randstad, also die Metropolregion Amsterdam - Rotterdam - Den Haag. Da sind die meisten meiner Freunde und die schönsten Städte. Und ich bin ein Stadtmensch. Es sind ziemlich verschiedene Orte, Den Haag zum Beispiel ist wie ein Megadorf am Strand. Und trotzdem ist es eine Stadt. 24 Stunden am Tag kann man mit dem Zug hin- und herfahren.
In Deutschland wird mehr abstrahiert als in Holland. Zum Beispiel argumentiert man in politischen Gesprächen immer schnell mit Gesetzen. Warum man jemandem nicht ins Gesicht spucken darf, ist in Deutschland eine Frage der Menschenwürde. Für die Deutschen ist das ein konkreter Wert. In Holland würde man wohl sagen: „Man darf nicht spucken, weil es scheiße ist.“ Das ist eher ein kleiner Unterschied, den man erst mit den Jahren mitkriegt. Ich mag diese Art des Abstrahierens und in Holland bin ich da auch eher „der Deutsche“.
Wenn ich holländisch essen will, gehe ich zur holländischen Snackbar und esse Pommes mit Erdnusssoße und rohen Zwiebelstückchen oder paniertes und frittiertes Fleischragout. Wenn ich sowas wie Heimweh habe, dann koche ich nicht. Dann rede ich mit Leuten auf Holländisch, diese Gespräche laufen etwas anders. Am meisten Heimweh kriege ich, wenn ich in Holland bin und quatschend mit Freunden Fahrrad fahre.
Musiktipp von Victor: Spinvis |
Das Interview führte Nancy Waldmann.
Alter: 25 Jahre |
Beruf: Doktorandin |
Kommt aus: Brüssel, Belgien |
Wohnort: Berlin |
Brüssel ist sehr viel kleiner als Berlin und ich kenne dort viel mehr Leute. In Berlin bin ich nicht aufgewachsen. Mein soziales Netz ist viel begrenzter als in Brüssel. Deswegen habe ich hier mehr Zeit für mich und mein Projekt, bin aber auch weniger mit Freunden unterwegs.
Ich vermisse keinen bestimmten Ort in Belgien. Ich vermisse die Leute, die Partys und den Humor, die Herzlichkeit. Ich kann überall sein, mir ist es nur wichtig, mit wem.
Musiktipp von Yasmina |
Das Interview führte Isabelle Daniel.
Alter: 29 Jahre |
Beruf: Softwareentwickler |
Kommt aus: Mersch, Luxemburg |
Wohnort: Bad Bertrich und Köln |
Köln und Umgebung sind meine Wahlheimat seit 2006 - die Entfaltungsmöglichkeiten sind deutlich größer als ich dies je in Luxemburg hätte haben können, ich möchte diese tolle Stadt nicht missen. Ich erlebe meine Wahlheimat als deutlich offener, deutlich weniger befangen von Dogmen. Trotz der kurzen Distanz von unter 200 Kilometern, ist die Essenskultur eine andere. es gibt verschiedene traditionelle Lebensmittel nicht oder nur abgewandelt in Deutschland, so dass man einige Gewohnheiten anpassen muss. Wenn ich Heimweh habe mache ich entweder gegrillte luxemburgische Mettwurst mit luxemburgischem Senf im Baguettebrötchen oder Sauerampfersuppe mit Rahm.
In einem Land von der Größe Luxemburgs stößt man sehr schnell vom Zentrum an die Landesgrenzen. Trier ist ein beliebter Shoppingort für Luxemburger, dieser war in meiner Kindheit immer noch mit Grenzkontrollen verbunden, Natürlich mit der entsprechenden Wartezeit an der Grenzkontrolle. Ständig musste man in drei Währungen Geld dabei haben: Luxemburgische Francs, Französische Francs sowie die Deutsche Mark. Ich empfand es damals bereits sehr komfortabel, dass es durch die Währungsunion mit Belgien zumindest dort diese Einschränkungen nicht gab. Heute kann an einem Tag in Metz (Frankreich) auf den Flohmarkt gehen, in Trier einkaufen, in Luxemburg Stadt essen und in Bastogne (Belgien) eine Gauffre essen. Dabei kann ich überall mit einer Währung zahlen und alles ganz ohne Grenzkontrollen. Für mich ist das Freiheit.
Musiktipp von Alain: Thierry van Werveke weitere Tipps:Serge Tonnar: Maach wéi d'Leit, da geet et der wéi de Schwäin! |
Das Interview führte Janna Degener.
Alter: 24 Jahre |
Beruf: Journalist |
Kommt aus: Barcelona, Spanien |
Wohnort: Dresden |
Grund des Aufenthaltes in Deutschland: Aitor will Deutsch lernen und dann in Deutschland seinen Master machen. |
In Spanien sagt man „Hallo“ wenn man ein Lokal betritt. Man fühlt sich dann wie zu Hause. In Deutschland ist es ganz anders. Dort fühlt man sich nicht gleich wie zu Hause. Man sagt „Hallo“, aber mehr passiert erstmal nicht. In Spanien haben die Plätze eine angenehmere Atmosphäre. Die Leute dort reden miteinander über alles. Sie sprechen sogar über persönliche Themen. Das gibt einem dieses Gefühl, dass man an diesem Ort schon oft gewesen ist, obwohl es eigentlich das erste Mal ist.
Wenn ich Heimweh habe, esse ich eine tortilla. Das ist eine Torte aus Kartoffeln, die sehr typisch für Spanien ist. Meine Oma machte sie immer, weil sie auch ein sehr billiges Essen sind. Die Kartoffeln, aus denen sie bestehen, sind nicht teuer. Meine Oma sagte auch immer, dass eine tortilla wie eine Sonne scheint, und als ich ein Kind war, musste ich immer darüber lachen.
Musiktipp von Aitor: Lluis Llach, ein katalanischer Sänger. Katalanische Musik hören ist eine der Sachen, die ich mache, wenn ich meine Heimat vermisse. Das gibt mir Frieden. |
Das Interview führte Franziska Herz.
Alter: 31 Jahre |
Beruf: Umweltingenieur |
Kommt aus: Vila Real, Portugal |
Wohnort: Potsdam |
Grund des Aufenthaltes in Deutschland: Arbeit am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung |
Saudade ist ein Wort, das man nicht ins Deutsche übersetzen kann. Es bedeutet, einen Ort, einen Gegenstand oder eine Person zu vermissen. Am nächsten kommt dem Wort noch das deutsche Heimweh, aber Saudade ist allgemeiner, es ist nicht nur ortsbezogen. Es ist mehr so wie der „-weh“-Teil von Heimweh.
Meine Heimatstadt ist Vila Real. Dort habe ich 23 Jahre lang gelebt. Vila Real hat zwar nur 25.000 Einwohner, doch für portugiesische Verhältnisse ist das eine Stadt mittlerer Größenordnung. Deshalb gibt es dort auch eine kleine Universität, an der ich studiert habe. Es ist einfach ein sehr ruhiger und ländlicher Ort. Ich mag es, dort hinzugehen, weil es gemütlich ist.
Wenn es hier nicht so unglaublich teuer wäre, würde ich ziemlich oft Tintenfisch mit Reis kochen. Tintenfisch ist ein sehr typisches Gericht in Portugal, das in verschiedenen Variationen daherkommt. Mir schmeckt es am besten in der Reiszubereitung.
Ich glaube nicht, dass es den einen größten Unterschied zwischen Portugal und Deutschland gibt. Die Leute denken immer, die Temperatur wäre der größte Unterschied, aber das ist gar nicht das Problem. Das Schlimme ist, dass es im Winter den ganzen Tag dunkel ist. Ich würde sofort noch mehr Kälte gegen mehr Licht tauschen.
Musiktipp von Luís: Canção de Madrugar - Susana Félix |
Das Interview führte Isabelle Daniel.
Alter: 26 Jahre |
Beruf: Arzt |
Kommt aus: Costa de Caparica , Portugal |
Wohnort: Wilhelmshaven |
Grund des Aufenthaltes in Deutschland: Nach dem Abschluss seines Medizinstudiums, beginnt Pedro in Deutschland als Arzt zu arbeiten. |
Wenn ich mal als Abwechslung zur relativ fantasiearmen deutschen Küche was richtig Leckeres essen will, mache ich Bacalhau à Brás (Kabeljau mit Zwiebeln, Kartoffeln, Oliven). Außerdem ist das sowieso die Visitenkarte jedes Portugiesen im Ausland. An einem heißen Tag draußen sitzend und mit einem kalten Bier auf der Hand mag ich auch Tremoços (Lupinen).
In Portugal wird kaum etwas geplannt. Wenn man sich an die deutsche Struktur gewöhnt (verwöhnt?) hat, kann dies schwierig zu überwinden sein, wenn man zurückkehrt.
Musiktipp von Pedro: Fado ist eine traditionelle Musik, die von allen Generationen im Land gespielt, gesungen und gehört wird, was ja in Europa ein ziemlich isoliertes Beispiel für kulturelles Erbtum ist. Das Lied unserer Generation ist Parva que Sou (Wie blöd ich bin) von der Gruppe Deolinda. |
Das Interview führte Tereza Semotamová.
Alter: 35 Jahre |
Beruf: Sprachlehrer |
Kommt aus: Cork, Irland |
Wohnort: Köln |
Grund des Aufenthalts in Deutschland: Leben! |
Ein Leben im Ausland bringt eine gewisse „Bezugsfreiheit“ mit sich. Ich verbinde mit vielen Dingen so gut wie gar nichts. In Irland verbinde ich mit vielen Dingen unterschiedlichste Erfahrungen, Meinungen, alte Sichtweisen. So etwas kann man nicht ersetzen. Es macht aber auch befangener beziehungsweise man merkt wie befangen man manchmal ist.
In Irland vermisse ich das Meer, weil man an der Atlantikküste quasi am Ende der Welt ist. Wenn ich Heimweh habe koche ich Salzkartoffeln mit Wirsing. Ich glaube nicht mal, dass das besonders irisch ist, aber das gab es bei uns immer samstags. Dazu corned beef, aber das lasse ich weg, weil ich Vegetarier bin. Ich mag das sehr gern. esse aber nur die ganz grünen Blätter und tue viel Butter drauf! Es schmeckt aber nicht genauso gut wie in Irland, da irische Kartoffeln anders schmecken finde ich.
Musiktipp von Tim: Ein Geheimtipp... Im Ausland ist Christy Hennessy weniger erfolgreich, weil er nicht rothaarig ist. |
Das Interview führte Patrick Hamouz.
Alter: 29 Jahre |
Beruf: Bildende Künstlerin |
Kommt aus: Famagusta, Zypern |
Wohnort: Berlin |
Meine Mutter ist türkische Zypriotin, mein Vater Türke. Ich bin in Istanbul geboren, habe aber meine Kindheit in Zypern verbracht. Wir sprechen also türkisch aber mit Akzent. Türkische Zyprioten sprechen mit griechischem Einschlag. Sie sagen zum Beispiel Napan?, um zu fragen „Wie geht’s?“. Türken sagen stattdessen Nasilsin?. Ein Wort, dass mich an meine Kindheit erinnert ist garavolli. Meine Oma nannte mich so, wenn sie mich aufziehen wollte. Es bedeutet Schnecke.
Ich vermisse meine Heimatstadt Famagusta, meine Familie und damit verbundene Erinnerungen. Etwa das Schwimmen und Tauchen nach Patronenhülsen aus dem Bürgerkrieg am Rande der so genannten Geisterstadt. [So wird Varosia genannt, ein Vorort von Famagusta, der am Meer liegt und der seit der türkischen Invasion 1974 militärisches Sperrgebiet ist. Die Gebäude verfallen seit der türkischen Besetzung, und die Natur erobert das Gebiet allmählich wieder zurück. Der Strand ist inzwischen eine wichtige Brutstätte für die bedrohte Suppenschildkröte. Quelle: Wikipedia]
Negative Unterschiede zu Zypern gibt es in Deutschland einige: das Wetter, Regeln. Aber natürlich sind da auch positive Unterschiede, wie die Freiheit, die sozialen Zustände, das multikulturelle Umfeld.
Musiktipp von Begum: Es gibt viele patriotische türkisch-zypriotische Lieder, aber auch gemeinsame Produktionen von Griechen und Türken, wie zum Beispiel diese hier. |
Das Interview führte Patrick Hamouz.
Alter: 31 Jahre |
Beruf: Software-Entwickler |
Kommt aus: Kopenhagen, Dänemark |
Wohnort: Berlin |
Ihr solltet alle das Wort Hygge üben. Die Dänen benutzen es, um etwas als gemütlich zu beschreiben. In Dänemark geht es immer darum, sich wohl zu fühlen. Wenn man an einem verschneiten Wintertag vor einem Kamin sitzt, ist das hygge. Wenn wir am Sonntagabend unser Tatort-Äquivalent mit Freunden schauen, ist das unglaublich hygge. Fangt an zu hyggen.
In Dänemark ist es unmöglich, weiter als drei Stunden vom Meer entfernt zu sein. In Berlin vermisse ich es, dass ich mich nicht einfach aufs Fahrrad schwingen kann und innerhalb einer halben Stunde an den Strand fahren kann.
Ich lebe erst seit einem halben Jahr in Deutschland und hatte bisher noch kein Heimweh. Aber wenn ich welches bekäme, würde ich Risalamande machen, eines der besten Desserts aller Zeiten. In Dänemark isst man es normalerweise zu Heiligabend. Es ist sehr fettig und sahnig, aber außerordentlich lecker.
Ehrlich gesagt gibt es gar keine großen Unterschiede zwischen Deutschland und Dänemark. Unsere Kulturen sind sich sehr ähnlich. Allerdings muss ich zugeben, dass mir die Berliner Tradition des Feierabendbiers ganz gut gefällt.
Das Interview führte Isabelle Daniel.
Europäer in Tschechien | Europäer in Deutschland
Sabir Agalarov, Lucie Barbapostolosová, Isabelle Daniel, Janna Degener, Irena Dudová, Daniela Esnerová, Patrick Hamouz, Ines Herrmann, Franziska Herz, Zuzana Horáková, Olga Lukešová, Martin Melichar, Dragan Milojevic, Jana Pecikiewicz, Bára Procházková, Magdalena Schluckhuber, Tereza Semotamová, Alžběta Šemrová, Magdalena Wagner, Nancy Waldmann
Übersetzungen:
Ivan Dramlitsch, Martina Fejfarová, Hanna Sedláček, Tereza Semotamová, Martina Stejskalová, Yvona Vašíčková
Copyright: jádu / Goethe-Institut Prag
Mai 2014