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Esther Becker
Wie die Gorillas

Esther Becker
© Nane Diehl

Der Debütroman der preisausgezeichneten Dramatikerin Esther Becker (geb. 1980) ist leicht lesbar, erfrischend und wütend. Eine Coming-of-Age Erzählung mit einer ebenso starken wie verletzlichen Ich-Erzählerin, die aus dem zu gleichen Teilen geborgenem wie leerem Raum zwischen den Freundinnen Svenja und Olga berichtet.

Von Ditte Hermansen




Ich bin Beckers leichtsinnigem Ernst schnell erlegen, als ich sie in ihrem ehemaligen Literaturinstitut in Leipzig aus dem Debütroman Wie die Gorillas (2021) lesen hörte. Esther Becker wurde 1980 geboren, räumt schon seit einiger Zeit diverse Preise und Stipendien ab und hat bis jetzt vor allem Dramen mit so versprechenden Titeln wie Das Leben ist ein Wunschkonzert und Cowboy ohne Pferd geschrieben. Dieser Roman erschien im unabhängigen Verbrecher Verlag, einem jungen, mutigen Verlag, den man übrigens auf jeden Fall im Auge behalten sollte - das ist gar nicht mal schwer, weil die uniformen Buchcover in der anonymen Menge schillernder Einbände nicht zu übersehen sind. 

Beckers Roman ist leicht zu lesen, erfrischend und wütend. Eine Coming-of-Age-Geschichte mit einer ebenso starken wie verletzlichen Ich-Erzählerin, berichtet aus dem ebenso zu gleichen Teilen geborgenem wie leeren Raum zwischen den beiden besten Freundinnen Svenja und Olga: Sie sind Alpha und Omega. Ich bin irgendwas in der Mitte. Wir nähern uns den Hauptfiguren durch kurze, gut erzählte Szenen aus den dramatischen Höhepunkten des Alltags wie der ersten Pille danach oder Svenjas peinigendem Weg zur Schauspielerin, der bandagierte Brüste und ein fleckenloses Gemüt erfordert.

Was-soll-nur-aus-mir-werden


Esther Becker: Wie die Gorillas © Ditte Hermansen In poetischen Ausbrechern aus der leichten Prosa wendet sich Becker direkt an ausgewählte Leser*innen, z.B. Väter, die von einem ausgesprochenen Alptraum geplagt werden: Der Körper deiner kleinen Tochter wächst. Was machst du, wenn ihnen das über die trotzigen Köpfe wächst und sie weinend heimkommen - Ein Beharren darauf, den unperfekten Körper zu thematisieren, dass wir im Moment bestimmt nicht selten sehen - im Gegenteil, und dass doch in der Popkultur durch Abwesenheit glänzt.

Beckers Buch ist bedrückend, der Ich-Erzählerin wird schwindelig vor Hunger und Selbsthass, alles schmerzt überall und das Versprechen, dass man alles kann, was man will, hält keinen Meter: Die Was-soll-nur-aus-mir-werden-Frage lässt sich nicht ewig vor mir herschieben. Die Sentimentalität des Romans wird stellenweise von Beckers Gefühl für Gegensätze in der Sprache sowie im jugendlichen Alltag sabotiert; beispielsweise in dieser nüchternen Beschreibung einer nicht sonderlich romantischen, erwachenden Sexualität: Von der vernünftigen Verhütung, die mir verschrieben wurde, habe ich Kopfschmerzen bekommen.

Man kann auf jeden Fall für eine gewisse Verwandtschaft zwischen Wie die Gorillas und Jovanna Reisingers Spitzenreiterinnen argumentieren, und beide Romane sind verhältnismäßig leicht zu lesen. Beckers Roman hat deutliche Schmerzpunkte, einen direkten, humorvollen Ton und besteht aus vielen kurzen Hauptsätzen, die Widersprüche enthalten und satirisch sind. Nebenfiguren sind oft ein bisschen karikiert dargestellt und fungieren vor allem als Statist*innen; distanzierte Beobachtungen eines selbstzentrierten jugendlichen Egos, dass jedoch mit Zärtlichkeit und Wärme porträtiert wird. 

Für die Lebenskrise des Vaters hat die Ich-Erzählerin beispielsweise nicht viel mehr übrig als folgenden Kommentar: Mein Vater führt ein Doppelleben. Ein Agent ist er nicht. Er ist schwul. Das ist alles. Der Ton verleiht dem Roman eine Naivität, die schuldtragende Instanz dafür wird allerdings außerhalb der Romanhandlung platziert, nämlich in einer auf Perfektion fixierten Gesellschaft, der seine eigenen Kinder (sprich: Mädchen) und ihre Körper auffrisst, die sich immer irgendwie verkehrt anfühlen.


 

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