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Der etwas andere Trainingsansatz

Im November trafen sich die Teilnehmenden zum dritten und letzten Modul des diesjährigen Projektes „Zivilgesellschaftliche Bildung“.
Goethe-Institut Tunis / Zayene Bechir

Die teilnehmenden Trainerinnen und Trainer des diesjährigen Projektes „Zivilgesellschaftliche Bildung“ trafen sich Anfang November zu ihrem dritten Trainingsmodul. Nachdem die ersten beiden Module des Training-of-Trainers-Programms in Ägypten im Mai und in Bayern im Juni stattfanden, hatten die erfahrenen Teilnehmenden danach rund vier Monate vor dem dritten Modul Zeit, eigene Trainings zu realisieren.

Das Projekt zu Zivilgesellschaftlicher Bildung stärkt die non-formale zivilgesellschaftliche Bildungsarbeit in den Ländern Ägypten, Jordanien, Marokko sowie Tunesien und richtet sich an professionelle Trainerinnen und Trainer im Bereich Civic Education. Die erfahrenen Teilnehmenden fungieren alle bereits als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in NGOs und unabhängigen Initiativen in Ägypten, Jordanien, Marokko und Tunesien. Und sie konnten sich alle mit dem persönlichen Trainingsansatz identifizieren – sie waren bereit, sich auf demokratische Weise miteinander und mit sich selbst auseinanderzusetzen, um dadurch die Themen des Trainings, zum Beispiel Macht, Identität und Konfliktlösung, besser verstehen und über den Tellerrand hinaus lernen zu können. Denn im Gruppenkontext der Workshops werden die Herausforderungen und Chancen demokratischer Prinzipien – wie Toleranz, gesellschaftliche Vielfalt und Menschenrechte – in Entscheidungsprozessen und in Konfliktsituationen konkret erfahrbar und erlebbar gemacht.

Alle Teilnehmenden sind bereits professionelle Trainerinnen und Trainer und arbeiten in NGOs oder unabhängigen Initiativen.Goethe-Institut Tunis / Zayene Bechir
 
Aus ihren vielfältigen Praxiserfahrungen haben die Trainerinnen und Trainer aus Ägypten, Tunesien, Jordanien und Marokko viele Fragen für das dritte Modul mitgebracht – beispielsweise „Wie weit darf ich gehen?“, „Wie schaffe ich es, dass mehr Leute zu meinen Trainings kommen?“ oder „Inwiefern darf ich Jugendliche dazu ermutigen, für ihre eigenen Rechte einzutreten, wenn sie dies womöglich in eine schwierige Situation bringt?“.

Urteils- und wertfreie Reflektion

Der Workshop bot den 15 Teilnehmenden daher viel Raum für Reflektion. Ein wichtiger Anreiz seitens des deutschen Trainerteams – bestehend aus Susanne Ulrich und Florian Wenzel vom Centrum für angewandte Politikforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München (CAP) – ist aber auch, sich im Austausch und der Reflektion nicht zu sehr auf Probleme und Herausforderungen zu beschränken. „Wir wollen versuchen, das Glas halb voll zu sehen, und über Motivation, Ressourcen und Stärken zu reden“, berichtet Florian Wenzel. So hätten die Teilnehmenden die Möglichkeit, die Realität selbst ein Stück weit mit zu kreieren. Dazu wendet das deutsche Trainerteam innovative Methoden an, wie das wertschätzende Interview, das systematische Coaching oder Coaching by Colleagues. Für Susanne Ulrich war dieses Coaching, bei dem sie einfach als eine Kollegin mitmachen konnte, ein echtes Highlight des Workshops. Und laut Florian Wenzel ist genau dies auch Teil des Trainingsansatzes zu zivilgesellschaftlicher Bildung – sich selbst nicht immer als einzige Expertin oder einzigen Experten zu sehen.
Im Verlauf des Projektes sind die Teilnehmenden auch gute Freunde geworden.Goethe-Institut Tunis / Zayene Bechir
 
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des Workshops ist der Austausch über eigene Erfahrungen und Verhaltensmuster – ganz urteilsfrei. „Ich dachte, dass ich einfach ein paar neue Methoden und Menschen kennenlernen würde, aber ich habe während des Trainings auch so viel über meine eigene Persönlichkeit und mein eigenes Verhalten gelernt – und das, ohne dabei verurteilt zu werden“, sagt Teilnehmerin Safa von der ägyptischen Organisation Sofaraa Selmiyah. Vertrauen in die Gruppe zu haben, ist wichtig für den Erfolg des Workshops. In einem weiteren Schritt geht es für die Trainerinnen und Trainer auch darum, ein vertrauensvolles Umfeld in ihren eigenen Trainings zu schaffen.

Intensiver Erfahrungsaustausch

Um diesen Vertrauensaufbau zwischen Trainerin und Trainer auf der einen und den Teilnehmenden auf der anderen Seite weiß auch Shams von der Justice and Peace-Building Organization, der mit syrischen Geflüchteten arbeitet. Bei einem Training ist er nämlich auf Spannungen innerhalb der Gruppe gestoßen. Im Verlauf des Moduls konnte er sich genau darüber, über seine Erfahrungen und Probleme intensiv mit seinen Kolleginnen und Kollegen austauschen. „Wenn wir tief in unsere Gesellschaften blicken, sehen wir, dass jede Gesellschaft aus einer Vielzahl von Gemeinschaften besteht. Jede Gemeinschaft wiederum hat ihre eigene Identität, Traditionen und Kultur“, sagt der Ägypter. „Durch zivilgesellschaftliche Bildung können wir alle lernen, besser zusammenzuleben. Wir können unsere Toleranzgrenzen austesten und neu ausrichten“.

Verschiedene Kontexte aber mit einem gemeinsamen Kern

Auch daher war es für Abderrazak von der marokkanischen Organisation Tizia eine tolle Erfahrung, dass er die Workshops gemeinsam mit Trainerinnen und Trainern aus verschiedenen Ländern der Region erleben konnte. „Das hat das Training zu einem echten Ort von Diversität gemacht – mit verschiedenen Menschen mit verschiedenen Hintergründen, verschiedenen Kulturen und verschiedenen Nationalitäten“, so Abderrazak. Denn Vielfalt zu akzeptieren, ist schließlich wichtig, um Demokratie, gesellschaftliche Teilhabe und Gemeinsinn zu stärken.
Die Trainerinnen und Trainer tauschen sich über ihre Erfahrungen bei der Durchführung eigener Trainings aus. Goethe-Institut Tunis / Zayene Bechir
 
„Auch wenn wir alle in unterschiedlichen Kontexten arbeiten, gibt es etwas, das uns alle verbindet – dieselbe Art und Weise zu denken und unsere Träume für unsere Gemeinschaften“, fügt die Jordanierin Bushra von der NGO NAYA for Training and Community Development hinzu. Jetzt habe sie gute und enge Freunde in Ägypten, Tunesien und Marokko. „Und ich weiß, dass immer jemand für mich da sein wird, wenn ich einmal ein Problem bei einem Training haben sollte”, so Bushra, die als Trainerin zu zivilgesellschaftlicher Bildung nicht nur national sondern auch regional arbeiten möchte, weiter. Die Teilnehmenden des Projektes wissen um die Bedeutung des Netzwerkes, das sie aufgebaut haben – um den Wert, den das Netzwerk für sie persönlich bietet, aber auch um die Stärkung und Verankerung zivilgesellschaftlicher Bildung in der MENA-Region.

Die richtigen Methoden an der Hand

Vor allem die in den ersten beiden Modulen neu erlernten Methoden und Instrumente, wie die „Themenzentrierte Interaktion“, haben die Teilnehmenden bei ihren eigenen Trainings unterstützt. Dem ägyptischen Trainer Basher haben die Methoden zu Vielfalt und Entscheidungsfindung besonders in seiner Arbeit mit Kindern geholfen. „Es ist unglaublich, was passiert, wenn Kinder Entscheidungskompetenz erlernen“, sagt er und lacht. „Denn dann sagen sie nämlich auf einmal, dass sie das Recht haben, eine bestimmte Entscheidung nun selbst zu treffen“, fügt er hinzu. Als nächsten Schritt will er die Fortschritte, die das Training in seinem Sozialunternehmen Greenish gebracht haben, dokumentieren und anschließend ein Trainings-Manual entwickeln, wie zivilgesellschaftliche Bildung in der Erziehung mit Kindern genutzt werden kann.
Eine Portion Spaß darf ebenfalls nicht fehlen.Goethe-Institut Tunis / Zayene Bechir
 
Die tunesische Trainerin Syrine hat in ihrem eigenen Training einige Methoden aus dem Projekt mit Instrumenten, welche sie bereits vorher kannte, kombiniert. Zwischen dem zweiten und dritten Modul bot die Tunesierin, die neben ihrer Arbeit bei der NGO Inno-PEACE auch als Ärztin arbeitet, ein anderthalbtägiges Training zu Identität und Diversität an. Dabei sollten sich die Teilnehmenden selbst besser kennenlernen und hinterfragen. Zusätzlich wurden auch die Identitäten der anderen Teilnehmenden und Diversität thematisiert – beispielsweise unterschiedliche Intelligenzen als ein Aspekt von Diversität. „In einem weiteren Schritt ging es dann auch darum, die Herausforderungen und Dynamiken von Diversität anzusprechen“, berichtet Syrine. „In der Theorie klingt alles einfach. Aber wenn wir praktische Übungen zur Balance von Werten und Dynamiken machen, finden wir uns auf einmal in einem Dilemma wieder“, so die Tunesierin weiter.

Den Trainingsansatz multiplizieren

Die Trainerinnen und Trainer aus Ägypten, Tunesien, Jordanien und Marokko brachten bereits viel Praxiserfahrung mit ins Training. „Trotzdem bleibt es eine Herausforderung“, sagt Susanne Ulrich in Bezug auf die Qualifizierung von Trainerinnen und Trainern zu zivilgesellschaftlicher Bildung. „Denn alle Trainerinnen und Trainer arbeiten in ihren Gesellschaften mit Leuten zusammen, die so eine Art Training nicht erwarten oder nicht gewohnt sind“, erzählt sie weiter.
 
Abderrazak weiß, dass sie alle mehr Menschen zu zivilgesellschaftlicher Bildung fortbilden müssen. Vor allem in Marokko sei dies noch eine neue Erfahrung, die nicht immer auf Akzeptanz stößt. „Wir müssen aber dafür sorgen, dass mehr Menschen über zivilgesellschaftliche Bildung reden“, ist sich der Marokkaner sicher.
Im November trafen sich die Teilnehmenden zum dritten und letzten Modul des diesjährigen Projektes „Zivilgesellschaftliche Bildung“.Goethe-Institut Tunis / Zayene Bechir

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