Der Debütfilm des Filmemachers wurde 2020 auf der Berlinale gezeigt und basiert auf dessen Erfahrungen als Deutsch-Iraner der zweiten Generation.
Von Miguel Muñoz Garnica
Die autobiografischen Wurzeln von Futur Drei, dem Spielfilmdebüt des Regisseurs Faraz Shariat, kommen gleich in der Eröffnungseinstellung zum Vorschein. In einer Heimvideoaufnahme erscheint Shariat selbst als Kind, er ist verkleidet als Sailor Moon und tanzt für die Kamera. So zeigt der Filmemacher eine kindliche Version seines Protagonisten Parvis, dieser wiederum eine fiktionalisierte Version von ihm selbst, gespielt von dem Schauspieler Benjamin Radjaipour. Parvis ist ein junger deutscher Sohn iranischer Flüchtlinge, der seine Zeit mit sporadischen Grindr-Beziehungen und langen Partynächten totschlägt. Bis er zu mehreren Tagen gemeinnütziger Arbeit verurteilt wird und daurch die Notlage vieler Migrant*innen kennenlernt, die um ihren Aufenthaltsstatus in Deutschland kämpfen. Die Erzählung bis hierher ist, in den Worten des Regisseurs, seine eigene Geschichte. Diese wird allerdings fiktional erweitert durch die Perspektiven der Migrant*innen, denen Parvis begegnet, die von den zahlreichen Interviews inspiriert sind, die der Filmemacher während einer anderthalbjährigen Recherche geführt hat.
Genre-Mix
Die Erzählung von Futur Drei ist eine Mischung aus Elementen des Coming-of-Age-Films, romantischem Drama und einem gelegentlichen Aufblitzen von Dokumentarischem. Aktuelle Themen wie die Schwierigkeiten von Migrant*innen oder die Akzeptanz von Homosexualität werden miteinander verwoben und ergeben ein Bild, das, wie Shariat sagt, darauf abzielt, sich auf die Seite derjenigen zu stellen, die tagtäglich unter Rassismus oder Ausgrenzung zu leiden haben. Ein Film, der all jenen eine Stimme geben will, die sich nicht der Norm anpassen. Der Fokus ist ambitioniert: Shariat verknüpft die Perspektive von Parvis als Deutsch-Iraner der zweiten Generation mit derjenigen der kürzlich angekommenen jungen Migrant*innen und mit der Erfahrung seiner aus dem Iran geflohenen Eltern. Diese haben es nicht geschafft, Deutschland als ihre Heimat wahrzunehmen, obwohl sie seit dreißig Jahren dort leben – auch hier spielt die autobiografische Komponente eine entscheidende Rolle, denn die Darsteller*innen von Parvis‘ Eltern sind die wirklichen Eltern des Regisseurs.
Flüchtige Zeit
Stilistisch zeigt sich Futur Drei eklektisch. Die Montage reiht Bilder aneinander, besteht eher aus flüchtigen Schnipseln als aus vollständigen Szenen, verwischt die zeitliche Kontinuität und verwandelt die Geschichte in eine Art Gedankenfluss, über Tage, Wochen oder Monate; Zeit, die uns durch die Finger gleitet. Diesen fragmentarischen Stil ergänzt Shariat durch einige eher kontemplative Zwischenspiele, die das Verhältnis von Wort und Bild in so einprägsamen Sequenzen wie der Schlusssequenz auseinander klaffen lassen. Die Off-Stimme einer der Protagonistinnen erzählt über aneinandergereihte Nahaufnahmen von Pflanzen von ihren Erlebnissen nach der Abschiebung aus Deutschland. Der Regisseur testet stetig verschiedene Mittel aus, um seinen eigenen Stil zu finden: den einer Chronik des neuen Europas, das wir gerade erst kennen lernen.