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Band des Monats - Sonderausgabe
Techno: Vom Underground zum globalen Phänomen

Menschenmenge vor einer Bühne
Festival Nuits Sonores 2024 | © Virgile Darrouzet

Techno entstand in den 1980er Jahren in Detroit, USA, mit der Unterstützung mehrerer Bands wie A Number of Names und begann, sich gleichzeitig auch in Europa zu entwickeln. In den europäischen Ländern wurden ähnliche Gesetze verabschiedet, um dem neuen Massenphänomen zu begegnen, und diese beeinflussten wiederum die Art und Weise, wie es sich entwickelte.

Von Virgile Darrouzet

Die Geburt der techno-Kultur

In Frankreich explodiert die Rave-Kultur und wird von den Medien sehr breit behandelt. Als Reaktion darauf stellt das Rundschreiben des Ministeriums für Inneres aus dem Jahr 1995 Rave-Partys als Risikofaktor dar und setzt die Szene in ein gefährliches Licht für diejenigen, die ein Teil von ihr sind.
 


In Deutschland ist Berlin ein Ort, an dem die Underground-Kultur sehr präsent ist, mit bereits starken alternativen Musikströmungen. Als 1989 die Mauer fiel, wirkten diese wie ein Katalysator und ermöglichten es der Techno-Musik, sich in der Berliner Kulturszene zu etablieren und einen Aufschwung zu erleben, der weitaus größer war als in anderen europäischen Ländern.
Die Hauptstadt wurde zu einem internationalen Zentrum für elektronische Musik. Zahlreiche Labels wurden im Land gegründet und tragen zur Verbreitung von Techno in ganz Europa bei.

Die Verbreitung verschiedener Stile der Elektronischen musik

All diese Faktoren tragen dazu bei, dass Elektro-Musik, einschließlich Techno, in Europa und auf der ganzen Welt populär wird. In der Elektro-Musik gibt es viele verschiedene Genres, die sich in identifizierbare Subgenres unterteilen lassen.

Manche Stile werden mit einem bestimmten Beat pro Minute (bpm) assoziiert, andere mit einer bestimmten Art von Kick, manche mit einem Ort, an dem ein bestimmter Stil vorherrscht, und wieder andere wurden von Musiker*innen mit ihrer einzigartigen künstlerischen Handschrift entwickelt. Oft wird gesagt, dass es so viele Genres in der Elektro-Musik gibt, wie es Künstler*innen gibt.
 

Die Unterscheidung von Musikstilen: das Beispiel von Gabber und Frenchcore

Ein Beispiel hierfür ist der Gabber, der in den 1990er Jahren in Rotterdam entstand. Damals sehr populär, erlebte er einen starken Popularitätsrückgang, vor allem aufgrund neofaschistischer Einflüsse in der Szene, und wurde dann in einer dunkleren und langsameren Form wiedergeboren, die sich Künstler*innen aus den verschiedensten Bereichen abermals aneignen.
 

Dies ist ein Beispiel für die Aneignung eines Stils, der ursprünglich aus einem anderen Land stammt, durch Künstler*innen mit einer völlig anderen Musikkultur. Beispielsweise hat das französische Hardcore-Techno-Label Casual Gabberz, das gelegentlich Rap in seine Kompositionen mischt, den neuen Gabber-Stil in seine Identität mit aufgenommen.
 

Parallel dazu taucht Frenchcore in Frankreich zur gleichen Zeit wie Gabber auf. Wie letzterer wird Frenchcore seit seiner Neuerfindung in den 2010er Jahren weltweit populär, vor allem in den Niederlanden.

Diese beiden anfangs getrennten Subgenres des sogenannten Hardcore-Techno tendieren dazu, sich zu überschneiden, und die Unterscheidung der Sounds wird immer komplizierter. Die Künstler der Gruppe Casual Gabberz werden gleichermaßen mit Gabber wie mit Frenchcore in Verbindung gebracht.
 
 

Formen des Zusammenkommens rund um die Musik als Faktor der musikalischen Vielfalt

Je nach Ort werden unterschiedliche Arten, Techno-Musik zu erleben, angenommen. Dennoch bleibt die Partykultur im Untergrund, entweder im wörtlichen oder zumindest im übertragenen Sinne des Wortes.
Das Ziel dieser Zusammenkünfte war es, Musik auf eine alternativere Weise als an den klassischen Orten zu hören, und frei zu sein in einem Umfeld, in dem oftmals Repression herrschte.
Aus diesem Grund wurden oftmals abgelegene Orte gewählt, damit der Lärmpegel der Musik keine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Vor allem in ganz Europa werden Free Partys organisiert. In ländlichen Gegenden wird eher auf unberührten Flächen wie Feldern gefeiert, während in städtischen Gegenden Lagerhallen und andere leerstehende Gebäude in Industriegebieten bevorzugt werden. Diese Orts- und Wetterfaktoren begünstigen das Hören eines bestimmten Stils und damit auch das Aufkommen neuer Künstler*innen, die mit einem bestimmten Stil in Verbindung gebracht werden.

Ein Beispiel dafür ist Psytrance, ein Subgenre des Trance, das in Europa, insbesondere in Frankfurt, neben Techno und House populär geworden ist. Diese Art von Musik wird eher im Freien genossen. Sie entwickelte sich in Goa in Indien, vor allem aufgrund des Zustroms von Touristen aus Europa und Israel. Heute ist sie weltweit in den Vordergrund gerückt.
 

Die bekannteste Technoszene ist jedoch nach wie vor die in Berlin ansässige. Die deutsche Hauptstadt ist einer der wichtigsten Orte für den weltweiten Musiktourismus und wird sogar als die wichtigste Techno-Hauptstadt der Welt angesehen. Viele internationale Künstler ziehen dorthin, um sich weiterzuentwickeln, wodurch ein positiver Kreislauf für die Entwicklung der Szene entsteht. Dies lässt sich auch in Paris oder Amsterdam beobachten, wenn auch auf einem anderen Niveau.

Auch wenn sich die Stile schon immer gegenseitig beeinflusst haben, kann man eine Region oder sogar eine Stadt mit einem bestimmten Musikstil in Verbindung bringen. Man hört zum Beispiel oft von "Pariser" oder "Berliner" Techno.
 
 

Heutzutage kann man trotz alledem eine Art Vereinheitlichung der Welt der Technomusik beobachten, die vor allem auf ihre große Popularität zurückzuführen ist.

Auf dem Weg zu einer neuen Uniformität des Techno?

Die Globalisierung und die Geschwindigkeit der Informationsübertragung begünstigen das Aufkommen von Künstler*innen mit ähnlichen Musikrichtungen. Das kann man auf TikTok sehen, wo Videos von Festivals Millionen von Aufrufen verzeichnen. Ein von Techno_style im Dezember 2023 veröffentlichtes Video mit einem Remix des Popsongs Paper Planes von Sara Landry in einem Boiler Room verzeichnet mehr als 3,7 Millionen Aufrufe und darunter auch ein Zehntel "Gefällt mir"-Angaben.
 

Die beliebten Konzepte des Boiler Room und von Hör stellen den DJ in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der Menge. Alle Sets werden aufgezeichnet und anschließend über soziale Netzwerke verbreitet, wodurch sie für das Publikum leichter zugänglich sind.
 
 

Mit dem Aufkommen solcher Veranstaltungen und dem unaufhörlichen Informationsfluss, in dem sich jede*r Einzelne bewegt, ist es als Künstler*in kompliziert, eine große Anhängerschaft aufzubauen, ohne auf innovative Kommunikationstechniken zurückzugreifen, die sich oftmals auf Inhalte beziehen, die bereits bei anderen Künstler*innen vorhanden sind. Dadurch wird der/die Künstler*in für möglichst viele Menschen sichtbar.
Dies lässt sich auch bei Festivals oder bestimmten Clubs beobachten, wo sehr oft bekannte Namen auftauchen. Dies ist zum Beispiel bei dem 2017 gegründeten britischen Kollektiv Teletech der Fall, das immer häufiger und in immer mehr Ländern Veranstaltungen organisiert.

All das muss mit Vorsicht betrachtet werden, denn die Geschwindigkeit, mit der sich die Technokultur ausbreitet, kann sich ebenso rasch wieder verlangsamen, wie sie angewachsen ist.
Die Sichtbarkeit der Technowelt durch die neuen Kommunikationsmittel hat in jüngster Zeit zu einer exponentiellen Popularisierung des Musikstils geführt. Dies trägt dazu bei, die Teilnahme der Öffentlichkeit an solchen Veranstaltungen zu legitimieren und Klassenvorurteile zu dekonstruieren, die oft von rechtsextremen Politiker*innen vorgebracht werden.

Jordan Bardella bezeichnete beispielsweise 2.500 Teilnehmer*innen einer Rave-Party in Rennes am 2. Januar 2021 als "Hundepunks". Oder die Regierung von Giorgia Meloni erließ Ende 2022 ein sogenanntes "Anti-Rave"-Gesetz. Der neue Artikel 633-bis des italienischen Strafgesetzbuchs stuft die Durchführung von Rave-Partys als Verstoß gegen das Recht auf Eigentum und nicht als Störung der öffentlichen Ordnung ein. Das Gesetz sieht für Organisator*innen und Werbetreibende von Rave-Partys eine Haftstrafe von 3 bis 6 Jahren und eine Geldstrafe von 1.000 bis 10.000 Euro vor.

Man kann trotz allem relativieren, da einige Politiker*innen, vor allem auf lokaler Ebene, nichts gegen die Organisation von sogenannten "wilden" Partys haben, egal ob sie in ländlicher Gegend oder in Berliner Parks stattfinden.
Diesen Sommer jedenfalls, zwischen Festivals und improvisierten Partys, wird die Stimmung mit Sicherheit elektronisch sein!


 

Band des Monats auf Spotify

Hände und Gitarre © Colourbox.com, ldutko Jeden Monat stellen wir euch eine Band oder eine*n Sänger*in aus einem deutschsprachigen Land vor – den Musikstilen sind keine Grenzen gesetzt. Mit dieser Playlist könnt ihr in die Musik der vorgestellten Künstler*innen hineinschnuppern.

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