Band des Monats
Sookee - Sukini

Frau, die einen Schnurrbart mit ihren Haaren formt
© TeresaNanni

Nach über zehn Jahren als Galionsfigur des linken und feministischen Rap kündigt die Aktivistin und Rapperin Sookee im Jahr 2019 an, nicht mehr weiter als Rapperin zu arbeiten. Stattdessen singt sie als „Sukini“ Kinderlieder und lässt sie so schon an philosophischen Fragen und dem großen Ganzen teilhaben. Die Musikindustrie habe ihr viel Energie abverlangt, und sie wolle sich nun auf andere Dinge konzentrieren.

Von Johanna Heeg

Nicht die erste Systemkritikerin der Familie

Sookee wird 1983 unter dem Namen Nora Hantzsch in Mecklenburg-Vorpommern in der damaligen DDR geboren. Drei Jahre später flüchten jedoch ihre Eltern als politische Dissidenten mit ihr und ihrer Schwester nach Westberlin. Sie studiert später Gender Studies und Linguistik, fängt aber schon während ihres Studiums an zu rappen. Mit ihrer Musik stellt sie sich dem deutschen Gangsterrap entgegen, der vor Rassismus und Sexismus nur so trieft und mit der Zeit wird sie zu DER deutschen feministischen Rapperin. Auf dem Höhepunkt ihrer musikalischen Karriere spielt sie sogar auf großen Festivals wie „Deichbrand“ oder „Southside“. Im Jahr 2019 steht ihre Entscheidung aber fest: Viel zu lange hat sie sich dem Performancedruck gebeugt und ihre Bedürfnisse ignoriert, sie möchte nicht mehr als Sookee performen. Für sie ist klar: Die Musikindustrie hat sie als feministische Künstlerin zu sehr kapitalistisch vereinnahmt. Ganz raus dem Musikbusiness möchte sie aber doch nicht: Sie fängt 2019 an, unter dem neuen Namen „Sukini“ Musik zu machen, die zum Nachdenken anregen soll – für Kinder, aber auch Erwachsene. Seit 2020 ist Hantzsch die Gastgeberin der Gesprächsreihe „Abends warm“ in der Kultur- und Begegnungsstätte „Urania“ in Berlin. Mit ihren Gästen möchte sie Gespräche zwischen den Generationen ermöglichen und so die vermeintlich existierenden Gräben zwischen der jungen und der älteren Generation beheben. Die Themen waren zum Beispiel Privilegien, Leistungsgesellschaft oder auch Rassismus.

Erste Töne

In ihren ersten Tracks rappt sie auf einen schweren Bass und synthetische Klänge. Die Lieder handeln von der Macht der Sprache und dem Konflikt, als Frau in einer patriarchalen Gesellschaft zu leben. In „Einige meiner besten Freunde sind Männer“ aus dem Album „Bitches Butches Dykes & Divas“ kritisiert sie das Verhalten einiger linker Männer. Diese bezeichnen sich zwar als machtkritisch und feministisch, erklären dann doch vielen Frauen die Welt: „ungefragt erklärt er dominantes Redeverhalten / und merkt nicht: niemand hat ihn gebeten, ne Rede zu halten“. Lange bevor der Begriff „Mansplaining“ für viele Menschen ein Begriff wird, hinterfragt sie dieses Verhalten.
 

Nachbar, Freund, Feind?

Der Song „Hüpfburg“ aus dem 2017 erschienenen Album „Mortem & Make up“ hat einen Monolog eines Jungen in einer nationalsozialistischen Familie als Inhalt. Sookee rappt da auf einen harten Bass, im Hintergrund ist Gesang in hohen Tönen zu hören. Er erzählt von seinem türkischen Banknachbar Yüksel. Mit ihm hatte er Spaß, aber wegen seinem Anders-Sein möchte er nicht mehr neben ihm sitzen. Nach einem Dorffest träumt er von Yüksel: „In meinem Traum war ich türkisch, er deutsch / und als er sagt, er würde mich nicht mögen / war ich ziemlich enttäuscht. Er war auf der Hüpfburg, er war ganz allein / irgendwie tat er mir leid“. Es wird klar: Herkunft ist ein Konstrukt und Herkunft ist Zufall.
 

„Weiße Deutsche entscheiden über Identitäten, über Leben, über Überleben – Spuck auf rechts! “ 

Wer auf eine Demonstration gegen rechte Ideologien geht, wird um diese Zeilen nicht umhinkommen. Man hört Sookee auf harte Bässe und treibende synthetische Klänge rappen. In dem Track „Zusammenhänge“ prangert die Rapperin bestehende Zusammenhänge zwischen staatlichen Institutionen und Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung an. Aber auch den strukturelle Sexismus der Gesellschaft kritisiert sie, sie rappt: „Warum hat denn niemand dieses Patriarchat zerbombt? Sexism sells – Männlichkeit darf nicht zu Schaden komm‘, Frauen kriegen Kinder, Männer kriegen Anerkennung.“ Manche würden ihre Texte als extrem bezeichnen, und tatsächlich wird „Zusammenhänge“ von Youtube vorübergehend entfernt wegen angeblicher Hassrede. Doch legt sie tatsächlich einfach den Finger in die Wunde: Die Anstrengung, soziale Ungerechtigkeiten zu beheben, sind nicht nur Sache des Individuums. Es ist vor allem die Verantwortung und Aufgabe des Staates, allen ein gleichberechtigtes und faires Leben zu ermöglichen.
 

Alles neu?

Als Sukini haben ihre Lieder ein wenig weniger Bass und sind nicht ganz so schnell, sind aber trotzdem nicht weniger auf den Punkt. So singt sie in einem Lied von zwei Mamas und zeigt so, dass es nicht nur „Mamas“ und „Papas“ gibt. Ein anderes Lied handelt von Prinzessin Peach, die keinen Prinz braucht, um cool zu werden, sondern auch so schon sehr autonom, stark und cool ist. „Peach cruist mit dem Jetpack durchs Pilzkönigreich / Oder näht für Elsa ein silbernes Kleid / Nebenbei leitet sie einen Tierschutzverein / das Getrampel auf die Schildkröten findet sie gemein.“ Neben der Aufzählung, was Prinzessin Peach alles kann und macht, geht vor allem der Refrain in die Ohren: „Prinzessin Peach Peach / so süß so lieb lieb / in echt hat sie es faustdick hinter den Ohren / um gerettet zu werden ist ne Prinzessin nicht geboren.“ Sie schreibt den Märchenklassiker „Dornröschen“ um: Die Prinzessin schläft nicht und wartet nicht auf die Erlösung durch den Kuss des Prinzen, sondern lebt einfach ihr Leben und macht, worauf sie Lust hat. Hätten wir nicht alle so eine Heldin gebraucht als Kinder?



 

Diskographie:

Alben

2006 : Kopf Herz Arsch
2010 : Quing
2010 : Deine Elstern
2011: Bitches Butches Dykes & Divas
2013: Parole Brückenbau
2013: Viel gemeinsam
2014: Lila Samt
2017: Mortem & Makeup
2019: Schmetterlingskacke (unter dem neuen Künstlerinnennamen Sukini)

 

Band des Monats auf Spotify

Jeden Monat stellen wir euch eine Band oder eine*n Sänger*in aus einem deutschsprachigen Land vor – den Musikstilen sind keine Grenzen gesetzt. Mit dieser Playlist könnt ihr in die Musik der vorgestellten Künstler*innen hineinschnuppern.

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