Band des Monats
Acht Eimer Hühnerherzen

Drei Personen in schwarz-weiß
© Bruno Jubin

Acht Eimer Hühnerherzen sind Apocalypse Vega, Herr Bottrop und Bene Diktator. Sie machen sogenannten Nylonsaitenpunk für Alleinerziehende, Alleinerzogene und Allergiker. Ironie verbinden sie in ihren Texten mit einem tatsächlichen Inhalt. Erklären wollen sie den in Interviews allerdings meist nicht.

Von Milena Leisenheimer

Drei Wahlkreuzberger*innen auf einer Trauerfeier

Die drei in Kreuzberg lebenden Musiker*innen hatten einen recht untypischen Start in ihr Konzertleben: Eins ihrer ersten Konzerte war auf der Beerdigung eines Theaterschauspielers, der wollte, dass eine Punkband diese begleitet. Das hat anscheinend gut funktioniert, denn der Bestatter fragte die Band danach, ob sie sich nicht auf Trauerfeiern spezialisieren wollten.

Bevor sie sich 2018 zu dritt zusammengetan haben, hatten sie bereits eigene Kunst- und Musikprojekte: Apocalypse Vega ist Künstlerin und in Königs Wusterhausen in Brandenburg aufgewachsen. Neben performativer Kunst, Kurzfilmen und Malerei hat sie auch Philosophie studiert und ist alleinerziehender Elternteil. Bene Diktator ist nicht nur der Schlagzeuger von Acht Eimer Hühnerherzen sondern auch der von The Incredible Herrengedeck und kommt aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis. Herr Bottrop – auch genannt Johnny Bottrop oder Jacho – ist fast 20 Jahre älter als die anderen beiden und war seit den 1990ern bei der Band Terrorgruppe und bei The Bottrops dabei. Herr Bottrop kommt aus dem Ruhrgebiet.

2018, irgendwo zwischen Oberbaumbrücke und Künstlerhaus Bethanien in Berlin, gründeten die drei ihre Band und nannten sie Acht Eimer Hühnerherzen. Wie es zu diesem Namen kam, ist nicht so ganz klar. Manche schreiben, er gehe auf eine Performance von Apocalypse Vega zurück. Ein andermal kommentiert eines der Bandmitglieder, dass sie einfach nur weit vorne in alphabetisch sortierten Plattenregalen stehen wollen und wieder eine andere Aussage war, dass sie sich alle ein Wort ausgesucht haben und diese drei eben die waren, die ihnen bei einer Autofahrt als erstes in den Sinn kamen.

Sprachaffiner Nylonpunk

Die Musik der drei wird irgendwo zwischen Indie-Punk und Power Pop verortet. Sie selbst bezeichnen sich als Nylon(saiten)punk, weil sie auf ihren ersten zwei Alben ohne E-Gitarren, aber auf Akustikgitarre mit Nylonsaiten gespielt haben. Für eine Band, die in Richtung Punk geht, ist das eher ungewöhnlich. Manche vergleichen ihre Songs auch mit denen der Pop-Rock-Band Wir sind Helden. Für Apocalypse Vega bedeutete diese nicht ganz klare Zuordnung zum Punk allerdings bereits Angstschweiß auf der Bühne: Bei einem Auftritt auf einem reinen Punkfestival war sie besorgt, wie sie ankommen könnten. Manche finden ihre Musik kitschig und das Publikum war sehr betrunken. Schließlich wurde es allerdings ein gutes Konzert. Mit ihrem Stil sprechen sie unterschiedliche Altersgruppen an: Von Studierenden bis Altpunks sind alle auf ihren Konzerten zu finden.

Bei Acht Eimer Hühnerherzen ist es wichtig, auf die Texte zu achten. Sie sind eine sprachaffine Gruppe, die absurde, (selbst-)ironische, aber auch emotionale Songs schreibt. Zu ihren eigenen Lieblingszeilen des zweiten Albums „album“ gehören Textteile wie „Soll ich heute schon entscheiden, was ich gestern machen wollte, kann ich morgen ja mal schaun“ oder „Wer pennt kommt in Zement“. Auf ihrem dritten Album musik erweiterten sie sich nicht nur musikalisch mit Posaune, Cello, Klavier, Glockenspiel und der bereits erwähnten E-Gitarre, sondern auch ihre Texte wurden etwas ernsthafter. Dabei befassen sie sich zum Beispiel mit Themen wie Tod, Bipolarität und Beziehungen. Apocalypse Vega beschrieb die Texte bereits vor dem dritten Album als ernst, aber die Band lacht auch bei solchen Themen oft, was sich in ihren Liedern wiederfindet.

Falls ich mal nicht zurück ruf'
Und stundenlang die Wohnung such'
Falls ich mich im Wald verlauf'
Im Späti mein Gehirn verkauf'

Dann gehts mir gut
Und wie geht's dir?
Sicher nicht so gut wie mir
Es ist egal was mir passiert
Wichtiges steht auf Papier

(Patientenverfügung, Acht Eimer Hühnerherzen, 2022)

Für das Album musik, das 2022 erschien, hat die Band das erste Mal mit einem Produzenten zusammengearbeitet. Apocalypse Vega hat ihre Tonspur am Ende dann aber noch einmal ohne ihn aufgenommen, weil sie nicht dafür kritisiert werden möchte, wenn sie Töne nicht trifft. Acht Eimer Hühnerherzen braucht keine perfekten Töne, sondern viel mehr „Berliner Schnoddrigkeit“ (Johnny Bottrop im Tagesspiegel). Zu den unperfekten Tönen gesellt sich Vegas eigene Einschätzung, dass sie nicht gut Gitarre spielen kann. Ihrer Musik tut dies allerdings keinen Abbruch, sondern passt sich an ihre ironischen und amüsanten Texte an.

Immerhin Eisenhüttenstadt

Zu den bekanntesten Liedern von Acht Eimer Hühnerherzen gehört Eisenhüttenstadt.
Eisenhüttenstadt ist eine Stadt im Osten Brandenburgs, die etwa eine Stunde entfernt von Königs Wusterhausen liegt, wo Apocalypse Vega aufwuchs. In dem Song distanziert sich die Band gekonnt von weit gereisten Personen, die sich mit ihren erreichten Reisezielen profilieren.

Du warst in Moskau und Miami
In Mailand, Tokio und Neu Delhi
In Phnom Penh und Angkor Wat
Und wo war ich? – In Eisenhüttenstadt
So 'ne Scheiße

(Eisenhüttenstadt, Acht Eimer Hühnerherzen, 2018)

Während das lyrische Du die ganze Welt bereist, schafft es das lyrische Ich mit Eisenhüttenstadt, Falkensee, Rathenow und Neuruppin nicht einmal aus Brandenburg heraus. In dem Song wird das folgendermaßen quittiert: „Immerhin. Du Angeber!

Ihre Verbundenheit zu Eisenhüttenstadt zeigte sich auch in ihrer Tour 2023, die no sleep ‘til ironhüttenstadt hieß und deren Abschlusskonzert dementsprechend in Eisenhüttenstadt stattfand.

Acht Eimer Hühnerherzen kommt aber in jedem Fall aus Berlin und Brandenburg raus. Auch in diesem Jahr sind sie auf Tour und kommen dabei sogar bis nach Wien und in die Schweiz. Dass sie sich deswegen wichtig nehmen, ist bei ihrer selbstironischen Haltung allerdings nicht zu erwarten.


 

Diskografie:

Alben
2022: „musik“
2020: „album“
2018: „s/t“

Singles
2024: Nicht schlafen
2022: Futur 25
2021: Farben
2021: Straße der Gewalt
2020: Gesellschaftstanz
2020: Somnambulismus
2018: Eis auf Ex
2018: Neu in Dur

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Jeden Monat stellen wir euch eine Band oder eine*n Sänger*in aus einem deutschsprachigen Land vor – den Musikstilen sind keine Grenzen gesetzt. Mit dieser Playlist könnt ihr in die Musik der vorgestellten Künstler*innen hineinschnuppern.

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