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Hey guten Morgen, wie geht es dir?, scheint Martina Hefter uns alle mit dem Titel ihres Romans zu fragen. Die Autorin selbst dürfte diese Frage am Abend des 14. Oktobers mit „sehr gut“ beantwortet haben: sie ist die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2024.
Das im Klett-Cotta-Verlag erschienene Buch, das ihr zu diesem Preis verholfen hat, handelt von einer Flucht aus dem Alltag in Form von Internetromanzen, auf die auch der Titel anspielt. Martina Hefter nutzte die Gelegenheit der Preisverleihung, um die Mitte der Gesellschaft als einen Ort für alle abzustecken und für Achtsamkeit zu plädieren. Zuletzt hob die Autorin auch die entstandenen Bande zwischen den Nominierten der Shortlist hervor, deren Romane ebenfalls im Rennen um den Buchpreis waren: darunter Geschichten über die Gefahr gewaltvoll verfolgter politischer Ideologien, von bedeutungsvollen Reisen und denkwürdigen Kreuzungen verschiedener Lebenswege.
Den Roman der Gewinnerin Martina Hefter sowie jene der anderen Finalist*innen Maren Kames, Clemens Meyer, Ronya Othmann, Markus Thielemann und Iris Wolff stellen wir Ihnen im Folgenden vor. Ebenso finden Sie einen Überblick über einige weitere neuerschienene Romane und französische Übersetzungen.
Viel Spaß beim Lesen und Entdecken!
Fokus: Deutscher Buchpreis 2024
Martina Hefter
Die 1965 in Pfronten geborene Autorin widmete sich wie auch ihre Figur Juno schon früh dem Tanzen. Nach einer Ausbildung zur Gymnastiklehrerin zog sie nach Leipzig, wo sie am Deutschen Literaturinstitut studierte und seitdem als Performancekünstlerin und Schriftstellerin arbeitet. Immer wieder verbindet sie Tanz und Dichtung in Projekten. Für ihre Lyrik wurde Martina Hefter mit den Lyrikpreisen Merans und Münchens ausgezeichnet. 2024 folgten der Große Preis des Deutschen Literaturfonds sowie nun der Deutsche Buchpreis für Hey guten Morgen, wie geht es dir?, ihren ersten Roman nach 16 Jahren. Die Geschichte weist einige Parallelen zu Martina Hefters Leben auf und beweist die Kunstfertigkeit der Autorin, bedrückende Themen leicht zu erzählen.
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Klett-Cotta, Juli 2024
Martina Hefters Roman Hey guten Morgen, wie geht es dir? erzählt von den zwei nebeneinander existierenden Realitäten der Performancekünstlerin Juno. Ihre langen Tage verbringt sie damit, sich um ihren an multipler Sklerose erkrankten Mann Jupiter zu kümmern. Um sich von diesem Alltag zu befreien, beginnt sie nachts online mit Männern zu schreiben, die Liebe vortäuschen, um an Geld zu gelangen. Anstatt auf die Lügen hereinzufallen, spielt Juno kurzerhand dieselben Spielchen – bis sie einen Betrüger kennenlernt, der sie durchschaut. Benu lebt in Nigeria und scheint ernsthaft an Junos Leben interessiert. Bald schon entsteht ein Austausch, der immer mehr Grenzen überschreitet und doch nichts mit Begehren zu tun hat. Martina Hefter gelingt ein poetisches Miteinander der Magie einzigartiger Beziehungen und einer Prise Humor, aber auch des tiefen Nachdenkens und der Sehnsucht nach Freiheit.
Maren Kames, Suhrkamp, März 2024 Nominiert für den Deutschen Buchpreis
Mit einem Hasen als Begleiter macht sich die Hauptfigur auf eine Reise durch Zeit und Universum, Erinnerungen und Träume. Kames schreibt eine lyrisch geprägte Coming-of-Age-Geschichte, die sich auf außergewöhnliche Weise mit Empfindungen und Eindrücken, mit der Familie der Erzählerin und der Magie von Klangwelten auseinandersetzt.
Clemens Meyer, S. Fischer, August 2024 Nominiert für den Deutschen Buchpreis
In diesem Roman verweben sich Geschehnisse, die Jahrzehnte und Kilometer auseinanderliegen. Vom kroatischen Drehort der Karl-May-Filme aus, der gleichzeitig Schauplatz des Jugoslawienkriegs ist, entspinnt sich eine ereignisvolle Geschichte, die nicht zuletzt den verschwundenen Klinikmitbewohner ebendiesen Karl Mays einschließt.
Ronya Othmann, Rowohlt, März 2024 Nominiert für den Deutschen Buchpreis
Der 74. Massenmord an den Jesiden, die Auslöschung ganzer Dörfer, Verschleppungen und Vergewaltigungen: Ungeschönt präzise erzählt Othmann von der Verfolgung der Jesiden durch den IS. Es gelingt ihr, die unsäglichen Schicksale Betroffener in Worte zu fassen und einen eindrücklichen Bericht über die brandaktuellen Verbrechen des IS zu erstellen.
Markus Thielemann, C.H. Beck, Juli 2024 Nominiert für den Deutschen Buchpreis
Als eine Reihe von Schafsrissen ein Dorf erschüttert, kommt es zu politischen Auseinandersetzungen. Jannes sieht sich mit völkischen Ideologien und lauter Verschwiegenheit konfrontiert. Erst die wiederholte Begegnung mit einer geheimnisvollen Frau lässt ihn unter dem Deckmantel der Idylle die Gefahren einer ideologisch-verklärenden Haltung erkennen.
Iris Wolff, Klett-Cotta, Januar 2024 Nominiert für den Deutschen Buchpreis
Lev und Kato – ein ungleiches Paar. Während es Kato in den Westen zieht, lebt Lev weiterhin Rumänien – der einzige Kontakt besteht im Schreiben von Postkarten. Auf einer rückwärtsgerichteten Reise erzählt Wolff von Brüchen und Gemeinsamkeiten und führt zwei unterschiedliche Lebensentwürfe, die einer gemeinsamen Kindheit entspringen, kunstvoll zusammen
Mithu Sanyal, Hanser, September 2024 Nominiert für den Deutschen Buchpreis
Die Drehbuchautorin Durga, die Agatha Christies Romane neu verfilmen soll, springt von der Beerdigung der Queen 2022 ins Jahr 1906. Dort begegnet sie im Körper eines jungen Inders verschiedenen Freiheitskämpfern. Sanyals Roman verbindet geschickt Vergangenheit und Gegenwart und widmet sich den Themen Kolonialismus, Widerstandskampf und Popkultur.
Katja Lange-Müller, Kiepenheuer & Witsch, September 2024 Nominiert für den Deutschen Buchpreis
Der autistische Ole wird von seiner Großmutter Elvira und bald auch von deren Bekannter Ida betreut. Nach einem einschneidenden Ereignis kommt Oles Mutter Manuela ins Spiel. Langsam offenbaren sich seelische Wunden und die Abgründe fehlender Mutterliebe. Ein trauriger Roman über die Auseinandersetzung mit Hilflosigkeit und Verdrängung.
David Wagner, Rowohlt, September 2024 Nominiert für den Deutschen Buchpreis
Ich-Erzähler David Wagner begegnet in Istanbul der 70-jährigen armenisch-türkisch-stämmigen Verkin. Im Gespräch mit ihr entsteht ein eindrucksvolles Portrait der Frau: Sie erzählt vom Genozid an ihrem Volk, vom Werdegang ihrer Familie, von persönlichen Erlebnissen und von ihrem politischen Engagement. Die Geschichte einer besonderen Freundschaft.
Nino Haratischwili, Gallimard, September 2024
Übersetzung von Barbara Fontaine
Originaltitel: Das mangelnde Licht
Keto, Nene, Ira und Dina verbindet eine Freundschaft im chaotischen jungen Georgien der 1980er Jahre. Die gespaltene Gesellschaft ist geprägt von Gewalt und Mängeln. Nach einem Streit treffen sich drei von ihnen aus einem traurigen Anlass erst Jahre später wieder bei einer Fotoausstellung und rekapitulieren ihre eigene sowie die Geschichte ihres Landes.
Esther Kinsky, Bourgois, Oktober 2024 Übersetzung von Cécile Wajsbrot
Originaltitel: Weiter sehen
Die Kino-Liebhaberin und Erzählerin dieses Romans widmet sich einem verfallenen Kino in Ungarn. Sie möchte das „Mozi“ wieder in den Mittelpunkt des Dorfes rücken und eine Antwort auf die Frage finden, wie es gelingt, Gemeinsamkeit zu schaffen, wenn Orte kultureller Begegnung bedroht sind. Ein prosaischer Romanessay über die Kunst des (Hin-)Sehens.
Shelly Kupferberg, Belfond, September 2024
Übersetzung von Matthieu Dumont
Originaltitel: Isidor. Ein jüdisches Leben
Isidors Weg führt ihn aus seiner ärmlichen Heimat Galizien bis ganz nach oben: er erkämpft sich einen Doktortitel, politische Ämter und einen sozialen Rang. Doch als sich die politischen Machtverhältnisse ändern, wird ihm und seiner jüdischen Familie ihr bisheriges Leben entrissen. Der Roman schildert Auf- und Niedergang einer schillernden Persönlichkeit.
Katja Schönherr, Zoé, August 2024
Übersetzung von Barbara Fontaine
Originaltitel: Alles ist noch zu wenig
Als drei Generationen aufeinandertreffen, tun sich Kommunikationsprobleme auf – Inges Sohn Carsten und dessen Tochter Lissa haben ganz unterschiedliche Ein- und Vorstellungen. Situationsbedingt müssen sie sich aufeinander einlassen, Schwächen eingestehen und Wege finden, ihr Zusammenleben zu gestalten. Ein Roman über den Mut zur Akzeptanz.
Peter Stamm, Bourgois, August 2024
Übersetzung von Pierre Deshusses
Originaltitel: In einer dunkelblauen Stunde
In Peter Stamms neuem Roman wird der Autor selbst zur Romanfigur. Die Filmemacherin Andrea soll ein Filmporträt über den Schriftsteller drehen, was jedoch scheitert. Dennoch geht Andrea in Wechslers Heimatstadt auf Spurensuche und stößt auf eine vergangene Liebesgeschichte. Ein spielerischer Roman, selbstironisch, locker, aber trotzdem tiefsinnig.
Antje Ràvik Strubel, Edi8/Les Escales, September 2024
Übersetzung von Rose Labourie
Originaltitel: Blaue Frau
Adinas lang ersehntes Leben in Deutschland wird von einem sexuellen Gewaltakt überschattet. Im Gespräch mit der fiktiven blauen Frau versucht sie ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Die Flucht vor ihrem Schmerz führt sie nach Finnland, wo sie die Zuneigung eines Mannes zunächst auffängt. Doch kann Adina ihr seelisches Gefängnis jemals verlassen?
Josef Winkler, Verdier, September 2024
Übersetzung von Bernard Banoun
Originaltitel: Laß dich heimgeigen, Vater, oder Den Tod ins Herz mir schreibe
Josef Winkler erzählt autobiografisch die nationalsozialistische Geschichte Österreichs, indem er die Leiche eines SS-Massenmörders auf dem landwirtschaftlich bewirteten Grund seiner Familie ausgräbt. Der Text gibt einen neuen Blick auf das Dorf Kamering frei, enthüllt verschwiegene Wahrheiten und wird durch seine aktuelle Relevanz zur Warnung.
Unica Zürn, Ypsilon Verlag, Oktober 2024
Übersetzung von Lucie Taïeb
Originaltitel: Dunkler Frühling
Durch früh erfahrene sexuelle Gewalt wird ein junges Mädchen des familiären Halts beraubt. Von einer starken Abneigung gegenüber Männern geprägt, erfährt sie die Welt als feindlichen Ort voller Bitterkeit, vor dem sie nur ihre Träume zeitweise retten. Der bereits 1969 erschienene, autobiografisch anmutende Roman erzählt von einer verlorenen Jugend.
Hier finden Sie Übersetzungen von Werken deutschsprachiger Literatur, die vor Kurzem auf dem französischen Markt erschienen sind oder in den kommenden Monaten erscheinen werden.