Jens Harder begann erst als Erwachsener, Comics zu zeichnen. Das prägt sein Werk: Statt herkömmlicher Erzählstrukturen erweitert er mit assoziativem Erzählen die Vorstellung des Mediums – am stärksten in seiner mehrbändigen Geschichte des Universums.
Von Stefan Pannor
Auf einen Blick
Jens Harder wurde 1970 in Weißwasser (DDR) geboren. Ab 1996 studierte er Kommunikationsdesign an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Dort kam er erstmals enger in Kontakt mit dem Medium Comic, insbesondere mit den stark abstrahierenden und experimentellen Arbeiten etwa von Chris Ware und Richard McGuire. „Ich wollte Ähnliches erreichen, den Blick des Lesers weiten, die Narration dadurch auch zum Teil an ihn delegieren.“
Die kleine Form
1999 war Harder Mitbegründer der Zeichnergruppe Monogatari, der auch Ulli Lust angehörte, und die bis 2005 existierte. Mit der Gruppe entstanden Alltagsbeobachtungen genannte Comicreportagen aus Berlin, Basel und Israel, weil für Harder „stets Relevanz und Realitätsbezogenheit im Vordergrund stehen“. Schon dort zeigte sich eine hochassoziative Erzählweise: Die meist weniger als zwanzig Seiten umfassenden Beobachtungen sind aus vielen einzelnen Bildern zusammengesetzt. Diese zeigen keinen stetigen Erzählfluss, sondern stellen verschiedene Einzelereignisse dar, die nicht kontinuierlich verknüpft sind, sondern durch kommentierende Abschweifungen unterbrochen.
Die größte Geschichte
Alpha, Harders erster Band der Geschichte des Universums, griff dieses Vorgehen auf und erweiterte es um gewaltige, kaum vorstellbare Zeiträume: 14 Milliarden Jahre umfasst das Buch vom Urknall bis zum ersten Auftreten des Menschen. „Mich fasziniert der Umgang mit Zeit im Comic, und zwar der Umgang mit viel Zeit.“ In Alpha illustriert Harder bestehende Forschungsergebnisse von Stern- und Planetenentstehung und Lebensgenese auf der Erde. Er stellt diesen Bildzitate aus der Kunstgeschichte gegenüber, von Michelangelo bis Donald Duck. „Ich wollte und will alles verschmelzen, was unser Bild vom Dasein prägt.“
In seiner Graphic Novel „Alpha: …directions“ schildert Jens Harder die Entstehung des Universums und der Erde. Er illustriert aktuelle Forschungsergebnisse etwa der Kontinentalentstehung …
... über die Entstehung der Schriftkultur bis zur Moderne.
Visuelle Brücken
„Das Bauen visueller Brücken“ nennt Harder seine Vorgehensweise, die über bisher existierende Bücher zum Thema hinausgeht. Denn der Zeichner verknüpft die Geschichte der Welt mit der Geschichte von der Darstellung der Welt – „Motive aus Tausenden Jahren menschlichen Schaffens einarbeitend“. Vier Bände sind geplant, deren letzter bis 2030 abgeschlossen sein soll.
In eigenen Worten
„Ich habe kein allzu großes Interesse an Ausgedachtem. Die Welt ist so großartig und reich – an Geschichten, Schicksalen, Eindrücken, Zusammenhängen, Rätseln. Für mich ist das immer ein Schatz, der gehoben und untersucht werden muss.“