April 2019
Blaue Nacht: alles, was das Krimi-Herz begehrt
Typischerweise sind Krimis nicht für ihren Witz bekannt, aber Christopher Brookmyres Detektivromane über den Enthüllungsjournalist Jack Parlabane oder die Privatdetektivin Jasmine Sharp (übersetzt ins Deutsche von Hannes Meyer) trotzen – voll schwarzem Humor – Konventionen auf vielfältige Weise. Zweifelsohne bieten sie alles, was das Krimi-Herz begehrt: faszinierende Rätsel, überzeugend düstere Kulissen (oft in Glasgow oder Edinburgh), viele Wendungen und falsche Fährten und die Sicherheit einer überzeugenden Lösung am Ende des Buches. Erfrischend aber ist, dass Brookmyre – vor allem in den Jasmine Sharp Geschichten – den klischeeartigen Detektiv als zynischen (häufig männlichen) Einzelkämpfer meidet, der sich nur einer einzelnen (häufig weiblichen) Kollegin anvertraut. Was entsteht, ist eine Reihe von geistreichen, rasanten Detektivgeschichten, die auf genau die richtige Art und Weise überraschen.
Wer Brookmyre gerne liest, könnte es schlechter treffen, als mit Simone Buchholz, die zweimal den Deutschen Krimi Preis gewonnen hat und die geschickt von Rachel Ward ins Englische übersetzt wird. 2017 erschien Buchholz zum ersten Mal auf Englisch mit dem Thriller Blaue Nacht, der in Hamburg spielt und der Staatsanwältin Chastity Riley folgt. Die Fortsetzung, Beton Rouge, ist 2019 erschienen. In einem Genre, in dem dicke Wälzer üblich sind, sind beide Romane überraschend kurz, knappe 200 Seiten; beide haben aber komplexe, dichte Handlungen.
Wie auch schon Wo die Leichen liegen (der erste Jasmine Sharp Roman) dreht sich Blaue Nacht um die Drogengeschäfte und die schmutzige Politik der mafiosen Gangs der Stadt. Und genau wie Brookmyres Detektive, kontert Chastity Riley den Stereotyp des abgebrühten und menschenfeindlichen Schnüfflers. Zwar neigt auch sie dazu, ihre Leiden im Alkohol zu ertränken, aber Blaue Nacht wird durch Chastitys Netzwerk an Freundschaften lebendig ausgestaltet: eine Gruppe von Kolleg_innen und Freund_innen, die sich nicht nur um-, sondern auch füreinander sorgen. Auch außerhalb des Krimi-Genres, das immer noch sehr der Holmes' schen Tradition des einsamen Genies folgt, ist es erfrischend, einen Roman zu lesen, der Freundschaften genauso ernst nimmt, wie romantische Beziehungen.
Ebenso eindrucksvoll an Blaue Nacht ist die Sprache: manchmal witzig, häufig umwerfend, immer beeindruckend originell. Rachel Ward vollbringt diese akrobatische Leistung, indem sie beneidenswerte Kreativität spielen lässt, um die Stimme von Buchholz wiederzugeben – und die Übersetzung glänzt. Ward übernimmt gerade genug deutsche Umgangssprache, um ein Gespür des Hamburger Milieus – und vor allem der berüchtigten Reeperbahn – zu geben.
Interessanterweise ist Blaue Nacht das sechste Buch in der Chastity Riley Reihe und wurde dennoch als erstes übersetzt. Ich hoffe sehr, dass auch seine Vorläufer demnächst auf Englisch erscheinen.
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