Überwachung
Die Kunst der Unsichtbarkeit
Netzwerke und Datenströme sind zunehmend Ziel von Überwachung und Kontrolle. Wie sich Fotokünstler in Deutschland mit dem Thema Überwachung auseinandersetzen, zeigen drei Ausstellungen in München und Berlin.
Berlin ist wahrscheinlich die einzige Stadt der Welt, die gleich zwei Museen zum Thema Überwachung und Spionage hat. Am Leipziger Platz findet sich das Deutsche Spionage-Museum, das Touristen mit aufwendigen Multimedia-Installationen nahebringen will, wie während der Kalten Krieges Deutsche und Alliierte einander bespitzelten. Aber auch wie in Deutschland die Regierungen ihr Volk ausforschten – sowohl unter den Nationalsozialisten wie auch in der DDR. Und in der Normannenstraße in Lichtenberg kann man die Zentrale der Stasi besuchen, die eine bemerkenswerte Innenperspektive des Geheimdienstes erlaubt.
Der Kontinuität der Überwachung in verschiedenen Perioden der deutschen Geschichte ist es auch zu verdanken, dass dem Schutz der Privatsphäre in Deutschland immer noch eine besondere Bedeutung beigemessen wird und die NSA-Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden mit besonderer Empörung aufgenommen wurden. Auch eine Reihe von Kunstinstitutionen hat sich des Themas angenommen. Nach der Ausstellung Global Control and Censorship am Zentrum für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe im Jahr 2016 sind 2017, unter anderem am Berliner Museum für Fotografie und im Münchner Stadtmuseum, Ausstellungen zu sehen. Sie zeigen, wie Künstler darauf reagieren, dass sich die Welt zielstrebig in einen riesiges, digitales Panoptikum zu verwandeln scheint und berichten über den Reiz und die Gefahr der digitalen Selbstüberwachung durch die Benutzung von Internet, Smartphones und Soziale Medien.
Die Ausstellung Watching You, Watching Me im Museum für Fotografie, die vom Open Society Institute des US-amerikanischen Investors George Soros organisiert wurde und schon in New York und Budapest zu sehen war, versammelt vor allem Arbeiten, die sich mit gefundenem Bildmaterial aus Archiven oder dem Internet auseinandersetzen. Fast zeitgleich zeigt das Münchner Stadtmuseum die Ausstellung No secrets! – Bilder der Überwachung. Dort sind Arbeiten zeitgenössischer Künstler zu – auch historischen – Aspekten von Überwachung zu sehen.
Mit der deutschen Tradition der Überwachung beschäftigt sich der deutsche Künstler Simon Menner, der Bilder aus dem Archiv der Staatssicherheit der DDR vollkommen unbearbeitet an die Wände gehängt hat. Dass man mit den Relikten der Arbeit eines Geheimdienstes so unbehelligt arbeiten kann, ist wohl eine weitere deutsche Besonderheit: Nach dem Untergang der DDR wurde die Arbeit der Stasi von einer eigenen Behörde aufgearbeitet.
Der westdeutsche Bundesnachrichtendienst (BND), der bis heute existiert, ist wesentlich weniger entgegenkommend, wenn es um Einblicke in sein Innenleben geht. Blicke hinter seine Kulissen gewährt der BND so gut wie nie. Erst der geplante Umzug der Zentrale von Pullach in Bayern in die Bundeshauptstadt Berlin ermöglichte es der Fotografin Alessandra Schellnegger 2013 die bereits weitgehend leeren Büros mit der Kamera zu erkunden. Ihre Fotos sind in einer Einzelausstellung mit dem Titel Einblicke. Hinter den Mauern des BND in Pullach im Münchner Stadtmuseum zu sehen und erlauben einen gleichzeitig ersten und letzten Blick hinter die vier Kilometer lange Mauer, hinter der deutsche Spione ihrer Arbeit nachgingen.
Über den Bildern liegt eine gewisse Patina, die Gebäude und ihre Ausstattung wirken altmodisch und melancholisch. In ihrer Antiquiertheit erinnern sie erstaunlicherweise an die in der Ausstellung Watching You, Watching Me gezeigten Büros des libyschen Geheimdienstes, die der deutsche Fotograf Edu Bayer 2011 nach der Absetzung des Diktators Muammar al-Gaddafi dokumentieren konnte. Die Geheimdienstler des libyschen Machthabers benutzen noch Telefone mit Wählscheiben bei der Ausforschung ihrer Untertanen. Der Militär-Attacke der USA im Jahr 2011 konnten sie nichts mehr entgegensetzen und von ihren Aktivitäten blieb nichts außer zertrümmerten Möbeln und Kabelsalat auf dem Fußboden.
Die Banalität der heutigen Hightech-Überwachung an der europäischen Außengrenze demonstrieren die Fotos von Julian Roeder. Er zeigt, ebenfalls in der Ausstellung Watching You, Watching Me, die polnischen Frontex-Einheiten mit Thermokameras oder französische Polizisten mit Radargeräten, mit denen Geflüchtete aufgespürt werden sollen. Aber in seiner Serie Mission and Task ist auch eine eine Hochleistungs-Kamera zu sehen, die mit Laser und Infrarot arbeitet. Die alte Logik von Grenzen, Mauern und Zäunen ist durch eine digitale Durchdringung von Grenzgebieten ersetzt worden. Und die beginnt, sich der visuellen Dokumentation zu entziehen: Die Funktion der Kamera erschließt sich nur durch die erläuternde Bildunterschrift und ihre technische Matrix, die Flüchtlinge an der Grenze aufhalten soll, ist gänzlich körperlos, unsichtbar und darum auch unfotografierbar.
Mit dem Thema Überwachung setzen sich auch zwei internationale Projekte des Goethe-Instituts auseinander.
Sensible Daten – Die Kunst der Überwachung entstand in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung, den Münchner Kammerspielen und dem Bard College.Global Control and Censorship wurde ursprünglich von 2015 bis 2016 im ZKM im Rahmen der Globale gezeigt. In Zusammenarbeit mit dem ZKM, Zentrum für Kunst und Medien und lokalen Ausstellungspartnern wie die Tallinner Kunsthalle oder die Nová synagóga Žilina sowie lokalen und deutschen Bildungs- und Kulturpartnern wurde sie neu kuratiert und tourt 2017 und 2018 durch acht osteuropäische Städte.