Leipziger Buchmesse
Wie die Buchmesse deutsche Geschichte erzählt
Die Buchmesse in Leipzig ist jedes Jahr der erste große Treff der Buchbranche in Deutschland. Jeden März werden hier die Neuerscheinungen des Literaturfrühlings präsentiert – und das mit jahrhundertelanger Tradition.
Marcus Brandis, Konrad Kachelofen, Melchior Lotter der Ältere und Hans Lufft: Wie gerne würde man die großen Buchdrucker des Mittelalters und der Reformation mit auf eine Zeitreise nehmen, mitten ins Leipzig des Jahres 2019. Auf die große Buchmesse, die in der Stadt an der Pleiße alljährlich im März ihre Tore für die internationale Buchbranche und hunderttausende Leseratten öffnet. Wie würden sie staunen über die Besucherströme in den Messehallen, über mehr als zweitausend Buchhändler und Buchhändlerinnen aus aller Welt, über Teilnehmende in Cosplay-Kostümen und über Audiobooks. Immerhin waren sie es, die den Grundstein zu der Großveranstaltung legten, die heute neben der Frankfurter Buchmesse die wichtigste in Deutschland ist.
Mittelalterliches Zentrum des Buchhandels
Leipzigs Bedeutung als Buchmessestandort ist eng mit dem Aufschwung des Buchdrucks, der Buchherstellung und -gestaltung im Mittelalter verknüpft. Bereits im 16. Jahrhundert wurde die Pleißestadt, Heimat der weltweit ersten Tageszeitung und der Reclam Universalbibliothek, neben Venedig, Paris und Basel zu einem der wichtigsten Druckorte Europas. Auch die Ansiedlung von Verlagen trug zu ihrem Stellenwert bei.
In Deutschland war dennoch zunächst Frankfurt die führende Buchmessestadt. Im 15. Jahrhundert hatte Johannes von Gutenberg in Mainz den modernen Buchdruck erfunden und so wurde die Frankfurter Messe zum ersten zentralen Treffpunkt des Verlagsbuchhandels. Doch Leipzig sollte bald aufholen: 1632 wurden hier erstmals mehr Bücher ausgestellt als in Frankfurt. Um 1730 führte der Frankfurter Messekatalog gerade mal 100 Buchtitel, der Leipziger dagegen 700.
Gründung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels
Um den florierenden Buchhandel besser regeln zu können, gründeten 1825 sechs Leipziger und 95 auswärtige Firmen den Börsenverein der deutschen Buchhändler. Er setzte sich für das Urheberrecht und gegen die Zensur ein, später auch für feste Buchpreise. Aus ihm entstand der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die heute wichtigste Interessensvertretung des deutschen Buchhandels, Veranstalter der Frankfurter Buchmesse und auch ideeller Träger der Leipziger Buchmesse. Seiner eigenen Geschichte steht der Verband kritisch gegenüber, denn im Nationalsozialismus kooperierte er mit den Machthabern und unterstützte die Bücherverbrennungen um den 10. Mai 1933. Unter anderem veröffentlichte der Vorstand damals eine Liste unerwünschter jüdischer Schriftsteller und Schriftstellerinnen.
Verständigung zwischen Ost und West
Nach dem Zweiten Weltkrieg lief die Frankfurter Buchmesse der Leipziger Messe wieder den Rang ab. Letztere war aber für lesehungrige und wissensdurstige DDR-Bürgerinnen und -Bürger mit bis zu tausend ausstellenden Verlagen aus aller Welt weiterhin ein wichtiges Ereignis. Hier gab es sogar Bücher, die als geheime Verschlusssache galten. Besucherinnen und Besucher lasen die Ausstellungsstücke, die nicht gekauft werden konnten, gleich im Stehen oder schrieben sie ab. Auf der Messe fanden sie außerdem viele begehrte Bücher westlicher Autoren. Für Westverlage wie Suhrkamp, Rowohlt und S. Fischer galt die DDR als wichtiger Markt. Werke wie die von Heinrich Böll und Wolf Biermann wurden auf der Messe nicht selten Opfer von Bücherklau, was als Ausdruck ihres großen Marktwertes galt.
Heute dehnt die Leipziger Buchmesse den Dialog zwischen Ost und West auf Europa aus: Der Programmschwerpunkt „Tranzyt“ präsentiert alljährlich Bücher aus Polen, der Ukraine und Belarus. Seit 1994 wird der Buchpreis zur Europäischen Verständigung verliehen, ein Pendant zum Frankfurter Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er ist Autoren und Autorinnen gewidmet, die sich um das West-Ost-Verständnis in Europa verdient gemacht haben.
Familiäre Publikumsmesse
Der Mauerfall setzte der Leipziger Buchmesse zu, denn die Verlage der ehemaligen DDR kämpften nun ums Überleben. Dennoch öffnete schon 1991 die erste Nachwendemesse ihre Tore und die Veranstaltung gewann schrittweise ihr heutiges Profil. Anders als die Frankfurter Buchmesse, wo bestimmte Messetage allein Fachbesuchern und
Zu dieser Ausstrahlung hat auch das Literaturfestival „Leipzig liest“ beigetragen, das seit 1991 als Rahmenveranstaltung zur Buchmesse stattfindet. Das größte europäische Lesefest ist Alleinstellungsmerkmal der Leipziger Messe und in der ganzen Stadt erlebbar: Deutsche und internationale Autoren und Autorinnen, Schauspielerinnen und Schauspieler sowie andere Prominente lesen in Buchhandlungen, Kneipen, Museen, Kirchen und Galerien, aber auch in Friseursalons, im Landgericht und auf dem Friedhof.In Buchwelten eintauchen, Diskussionen führen, miteinander ins Gespräch kommen: 2018 fanden 3.600 Veranstaltungen rund um das geschriebene Wort statt. Insgesamt haben mehr als 3.000 Autorinnen, Autoren und Mitwirkende daran teilgenommen.
Gastland Tschechien
Nach 1995 ist Tschechien unter dem Motto Ahoj Leipzig 2019 erneut Gastland der Leipziger Buchmesse. 60 tschechische Autorinnen und Autoren werden ihre Neuerscheinungen auf der Messe präsentieren. Zu den in Deutschland bereits bekannten Schriftstellern und Schriftstellerinnen zählt etwa Jaroslav Rudiš mit seinem erstmals auf Deutsch verfassten Roman Winterbergs letzte Reise. Eine Neuentdeckung ist Iva Pekárková, die in ihrem Buch Noch so einer eigene Fluchterfahrungen thematisiert. Der Buchmesse-Auftritt ist in ein tschechisches Kulturjahr eingebettet, das von Oktober 2018 bis November 2019 den Fokus auf tschechische Literatur, Film, Fotografie, Musik, Comic und Designkunst legt.