Die Retrospektive „Selbstbestimmt. Perspektiven von Filmemacherinnen“ zeigt deutsche Filme aus den Jahren 1968 bis 1999.
Von Philipp Bühler
2016 präsentierte die Berlinale eine Retrospektive zum deutschen Film des Jahres 1966 in Ost und West – wunderbar, aber eine fast reine Männerveranstaltung. Das Jahr 2019 nun steht ganz im Zeichen der Frauen. Der Umbruch, wenn schon nicht der Durchbruch weiblicher Filmemacherinnen hat eben wie so vieles mit dem Jahr 1968 zu tun. Präsentiert werden 28 Langfilme, wiederum aus Ost und West. Nur wenige sind so bekannt wie Katja von Garniers Musik-Komödie Bandits (1997) oder Margarethe von Trottas Klassiker Die bleierne Zeit (1981), die hier ganz selbstverständlich nebeneinander stehen. Zum Publikumsrenner wird vermutlich Zur Sache, Schätzchen (1968) von May Spils, den nun wirklich jede(r) kennt. Die anarchische Flirtkomödie ist und bleibt ein Highlight, auch wenn darin ein Mann die besten Sprüche von sich gibt.
Porträts von Außenseiterinnen
Mit oft kleinem Budget entstanden Filme, die nach den Bedingungen der eigenen Lebenswelt fragen und den Stand der Emanzipation abklopfen. Die war im Osten, wie das Filmemachen, eigentlich Staatsaufgabe, wie man im herrlich didaktischen Lehrkurzfilm
Sie (1970, von der „Künstlerischen Arbeitsgruppe Effekt“) sehen kann. Die raue Wirklichkeit zeigen Filme wie
Die Taube auf dem Dach (1973, Iris Gusner) und
Das Fahrrad (1982, Evelyn Schmidt). Wegen eines angeblich verzerrten Blicks auf die sozialistische Arbeitswelt wurde Schmidts Porträt einer Außenseiterin heftig kritisiert, Gusners Films sogar verboten. Aus dem Westen kommen Jutta Brückners
Tue recht und scheue niemand –
Das Leben der Gerda Siepenbrink (1975), ein in Fotos erzählter Dokumentarfilm über die eigene Mutter, oder Marianne Rosenbaums
Peppermint Frieden (1983). Dieser Film handelt von der Begegnung eines Kindes aus einem kleinen bayerischen Dorf mit einem US-Soldaten, gespielt von Peter Fonda. Individuelles und biografisches Erleben stehen hier etwas stärker im Vordergrund, freilich im Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen.
MÄnnerfreie Zone
Gelacht werden darf auch, etwa in Hermine Huntgeburths Frühwerk
Im Kreise der Lieben (1991), über eine männerfreie Zone mit Heiratsschwindlerinnenplot und viel schwarzem Humor. Besonders gespannt bin ich auf Ulrike Ottingers
Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse (1984), mit Supermodel Veruschka von Lehndorff als Dorian Gray und Delphine Seyrig als Frau Dr. Mabuse! Werktreue sollte man nicht erwarten, aber viele starke Frauen.