Berlinale-Blogger 2019
Eine australische Dynastie

Freda und Erica Glynn.
Freda und Erica Glynn. | Foto (Ausschnitt): © Tanith Glynn-Maloney / Since1788 Productions

Ohne Freda Glynn sähe die indigene australische Medienlandschaft womöglich genauso ausgedörrt aus wie die sonnenverbrannte Erde des Landes. „She Who Must Be Loved“, ein Film ihrer Tochter Erica Glynn, zeichnet nun das beeindruckende Leben der Mutter nach.

Von Sarah Ward

Während ihrer gesamten Karriere hat Freda Glynn in zwei der wichtigsten Organisationen des Landes indigene Talente gefördert. Die Central Australian Aboriginal Media Association (Zentralaustralischer Aborigine-Medienverbund), die indigene Musik und Kultur präsentiert, wurde im 1980 als Radiosender unter Leitung und mit Schwerpunkt auf der indigenen Gemeinde gegründet, während Imparja Television 1988 das Aufgabengebiet der Einrichtung ausweitete. Auch im Privatleben ist Freda die Matriarchin einer Familie von Regisseurinnen und Regisseuren, die heute die australische Filmlandschaft des 21. Jahrhunderts prägen. Ihr Sohn Warwick Thornton schuf namhafte Filme wie Samson & Delilah und Sweet Country, Enkel Dylan River war verantwortlich für die Dokumentarfilme Buckskin und Finke: There and Back, Enkelin Tanith Glynn-Maloney macht sich einen Namen als Produzentin. Schließlich führte Tochter Erica Glynn bei Black Comedy Regie, produzierte die Fernsehserie Redfern Now und war federführend bei dieser Hommage an ihre Mutter.

Eine Wegbereiterin wird gefeiert

Man merkt: Über das Leben von Mutter Glynn gibt es viel zu sagen – genug für mehrere Filme. Zu ihrer Geschichte gehört nicht nur das Engagement für eine eigene Stimme der australischen Ureinwohner, sondern auch, wie sich der historische Umgang der Nation mit ihren indigenen Einwohnern ausgewirkt hat. Und so gestaltet Tochter Erica She Who Must Be Loved als Hommage an eine politische Vorreiterin und ebenso als Chronik einer Gesellschaft, die das Leben der Mutter bestimmte. Der Film ist im wahrsten Sinne des Wortes das Dokument eines Lebens, indem er Geschichten und Details erfasst, die geradezu danach verlangen, aufgezeichnet, geteilt und erinnert zu werden.
Freda Glynn.
Freda Glynn. | © Kathryn Mills
Erica wählte in ihrem liebevoll gestalteten und gleichzeitig aufschlussreichen Film die perfekte Herangehensweise an eine Geschichte, die sowohl positive als auch negative Aspekte birgt. Dabei schuf sie einen der wichtigsten australischen Dokumentarfilme der letzten Jahre. Zuletzt beeindruckte im Jahr 2018 Gurrumul, ein Film, ebenfalls über eine zentrale indigene Persönlichkeit, der auch auf der Berlinale gezeigt wurde. She Who Must Be Loved wirkt auf der Leinwand wie eine Sammlung von Erinnerungen. Manche werden in Fredas Haus in Cooktown direkt in die Kamera erzählt; andere beleuchtet der Film über Interviews mit Familienangehörigen, Freundinnen und Freunden sowie Kolleginnen und Kollegen; und manche wiederum werden von Glynn heraufbeschworen, indem sie Orte ihrer Kindheit aufsucht.

Ein Film ohne Wut

Freda hatte keine Scheu, Chancen, die sich ihr boten, auch zu ergreifen – wozu etwa ein Universitätsstudium als alleinerziehende Mutter von fünf Kindern gehörte. Im Umgang mit ihren Kindern und Enkeln ist sie lebhaft und freut sich von Herzen mit ihnen über ihre Erfolge. Und sie zeigt sich nachdenklich, wenn sie auf ihre Kindheit und Jugend zurückblickt, wenn sie beispielsweise versucht, herauszufinden, was mit ihrer Großmutter passierte. Wie über der gesamten indigenen Bevölkerung Australiens liegt auch über Fredas Familiengeschichte der dunkle Schatten von Vorurteilen und Verfolgung. Dennoch ist She Who Must Be Loved ein Film ohne Wut. Er ist vielmehr eine nachdenkliche Ode — die dem, was Freda erreicht hat, ebenso Anerkennung zollt wie allem, was ihren Weg beeinflusst hat: hart erkämpfte Triumphe und aufwühlende Hindernisse.

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