Kurorte und Spas
Manche mochten’s heiß
Schon die alten Römer setzten auf die heilende Kraft des Wassers, später entstanden Kurorte in ganz Europa: Menschen reisten für die heißen Bäder nach England, Deutschland, Tschechien – und nach Belgien, in die Stadt Spa. Ihr Name ging, dank britischer Touristen, als Synonym für Mineralbäder in die englische Sprache ein.
Von Sarah Klein
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Foto (Ausschnitt): Fabrice Michaudeau © picture alliance / PantherMedia
Heute vor allem als Wellness-Oasen bekannt, mit denen Hotels für sich werben, bezeichnete der Begriff „Spa“ ursprünglich Kurorte an Mineralwasserquellen. Im Deutschen wird Kurorten bis heute der Zusatz „Bad“ vorangestellt – ein Hinweis darauf, dass diese Orte aufgrund ihres Klimas, der Bodenmineralien oder eben ihrer Quellen medizinisch wertvoll sind.
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Schon in der Antike glaubten Menschen an den medizinischen Nutzen von Heilbädern: Römer, Griechen, Ägypter und Babylonier etablierten eine regelrechte Badekultur. Die Römer errichteten in ihrem ganzen Herrschaftsgebiet Thermen, selbst im heutigen Libyen lassen sich Überreste finden. Die Hadrianischen Thermen in Leptis Magna (Foto) sind neben den Badeeinrichtungen in Karthago die größten römischen Thermen auf afrikanischem Boden.
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Foto (Ausschnitt): Achim Bednorz © picture alliance/Bildarchiv Monheim
Zu den größten Badeanlagen des alten Roms zählten die Carcalla-Thermen, die mit allen Anbauten und Dekorationen im Jahre 235 fertiggestellt wurden. Zwischen 6.000 und 8.000 Besucher konnten hier täglich der antiken Wellness frönen. Zum Angebot gehörten neben Warm- und Kaltwasserbecken auch Massagen, Maniküren und Friseure, zahlreiche Getränke- und Essensstände und sogar eine Bibliothek.
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Foto (Ausschnitt): O. Protze © picture alliance / Arco Images GmbH
Auch viele der heute noch bekannten Kur- und Heilbäder gehen auf römische Zeiten zurück. So zum Beispiel Bath im englischen Somerset, das bis heute für seine römischen Badeanlagen bekannt ist. Als die Angelsachsen im 5. Jahrhundert das Territorium eroberten, tauften sie den Ort „Hat Batha“ („heiße Bäder“), wovon sich das heutige „Bath“ ableitet. Die Weltkulturerbestätte war im 16. und 17. Jahrhundert der Hotspot unter den Kurbadeorten, erst im Laufe des 19. Jahrhunderts liefen andere Bäder ihm den Rang ab.
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Foto (Ausschnitt): © Public Domain via Wikimedia Commons
Wer im 18. Jahrhundert etwas auf sich hielt, kurte in der Kaiserbad-Therme in Aachen, seinerzeit eines der großen Modebäder schlechthin. Die Stadt konnte im Laufe der Jahrhunderte viele „Kaiserbäder“ ihr Eigen nennen, wurden über der 52 Grad Celsius heißen Quelle doch immer wieder neue Badeanstalten errichtet. Wenig überraschend: Auch hier gingen die ersten Thermalbauten auf die Römer zurück.
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Foto (Ausschnitt): © picture alliance/akg-images
Ab dem beginnenden 19. Jahrhundert wurden Kuraufenthalte so beliebt, dass prächtige Bäder in ganz Europa entstanden, die miteinander konkurrierten. Besonders beliebt waren beispielsweise die im heutigen Tschechien gelegenen Bäder Karlsbad (Foto), Marienbad und Franzensbad. Für seine heißen Thermalmineralquellen von bis zu 73 Grad Celsius ist das böhmische Bäderdreieck bis heute weltberühmt.
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Foto (Ausschnitt): Fishman © dpa - Bildarchiv
Auch in Belgien kehrte die High Society ein – zum Treffpunkt für Monarchen wurde im 19. Jahrhundert das Kurbad Spa in Belgien, welches Adlige und Industrielle aus ganz Europa und Russland anzog. Dies führte dazu, dass Spa bald den klangvollen Beinamen „Café de l’Europe“ erhielt. Britischen Touristen des 16. Jahrhunderts haben wir es übrigens zu verdanken, dass der Begriff „Spa“ im Englischen zum Synonym für Heilbäder und namentlicher Pate für alle folgenden Wellnessoasen wurde.
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Foto (Ausschnitt): Calle Hesslefors © picture alliance/ullstein bild
„Sommerhauptstadt Europas“ nannte sich im 19. Jahrhundert die Kurstadt Baden-Baden im Schwarzwald. Solche Namenszusätze – wie auch „Café de l’Europe“ für Spa in Belgien – sollten die europaweite Bedeutung der Kurorte betonen. Ebenfalls eine Thermalanlage mit römischer Geschichte, verdankte Baden-Baden dem Wirtschaftswunder der 1950er- und 1960er-Jahre einen Aufschwung zu alter Pracht. Selbst der persische Schah Reza Pahlavi kehrte hier samt Gattin Kaiserin Soraya 1955 ein. Das Foto zeigt Kurgäste bei einer Trinkkur in Baden-Baden.
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Foto (Ausschnitt): Schoening © picture alliance/Bildagentur-online
Das flächenmäßig größte Heilbad in Europa, das Széchenyi-Bad in Ungarns Hauptstadt Budapest, wurde erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts, im Jahr 1881, eröffnet. Um an die Thermalquellen heranzukommen, mussten Bohrungen bis in 970 Meter Tiefe durchgeführt werden – eine Mühe, die sich gelohnt hat: Ab 1904 durfte sich das Széchenyi-Bad mit dem Titel „Heilbad“ schmücken. Heute umfasst die Anlage ein Volksbad, ein Strandbad und ein Tageskrankenhaus.
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Foto (Ausschnitt): W. Dieterich © picture alliance / Arco Images GmbH
Die Kur- und Badekultur des 19. und 20. Jahrhunderts und der dadurch entstandene Tourismus in Mitteleuropa sollen nun offiziell Weltkulturerbe werden. Seit 2010 bereitet ein Zusammenschluss von mehreren historischen Badeorten unter dem Titel „The Great Spas of Europe“ die Bewerbung vor, darunter unter anderem: Baden-Baden (Deutschland), Baden (Österreich), Vichy (Frankreich), Spa (Belgien), Bath (Großbritannien), Franzensbad, Marienbad und Karlsbad (Tschechien). Das Bündnis will 2019 gemeinsam einen Antrag einreichen. Die Caracalla-Therme (Foto) in Baden-Baden, Deutschland, wurde übrigens nach dem römischen Vorbild benannt.
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Foto (Ausschnitt): Rainer Hackenberg © picture alliance
Auch die Terme Tettuccio in Montecatini, Italien (Foto), steht auf der Liste der „Great Spas of Europe“. Eine solch transnationale serielle Bewerbung ist bisher übrigens einzigartig in der Geschichte des UNESCO-Weltkulturerbes – und gilt als einer der kompliziertesten Anträge. Mehrmals wurde bereits die Zahl der teilnehmenden Orte reduziert, da sie alle auch einzeln Welterbe-tauglich sein müssen. Ob das Projekt von Erfolg gekrönt sein wird, wird sich erst zeigen.
Ein Beitrag aus Deutschland
mit Bezug zu Tschechien, Belgien,
England, Ungarn