Podiumsdiskussion
GDR revisited: new narratives about a vanished state
Ein Gespräch zwischen drei Frauen der nächsten Generation, moderiert von John Kampfner
Historikerin Katja Hoyer, Filmemacherin Eva Weber und Architektur-Theoretikerin Ines Weizman, drei Frauen aus Ost- und Westdeutschland, alle ansässig in London, sprechen über ihre Sicht auf das andere Deutschland, 33 Jahre nach dem Ende der DDR. Moderator John Kampfner, preisgekrönter Autor, Broadcaster und außenpolitischen Kommentator, begann seine journalistische Karriere in Ost-Berlin während des Mauerfalls.
Das Erscheinen des Buches Beyond the Wall: East Germany, 1949-1990 der Londoner Historikerin Katja Hoyer im März dieses Jahres hat breite Reaktionen hervorgerufen, sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland. Neben Zustimmung und Lob („overturning cliches of East Germany“ The Guardian) gab es auch harsche Kritik, vor allem aus Deutschland. Die Rede war von „Verniedlichung einer Diktatur“ und Geschichtsklitterung („Einseitig, grotesk verkürzt, faktische Fehler – dieses DDR-Buch ist ein Ärgernis“ Der Spiegel).
Die Emotionen schlugen Wellen, denn das Narrativ zur DDR schien doch langsam auserzählt, der Diskurs abgeschlossen, das Urteil gesprochen. Im Osten anders als im Westen, ohne Frage. Aber dennoch galten die Claims als überwiegend abgesteckt. Woher also plötzlich diese Debatte, warum all die Bücher, und warum jetzt? Die Frage, die sich dabei in den Vordergrund drängt, ist die Frage der Diskurshoheit. Wer ist eigentlich befugt, ihre oder seine Meinung zum ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden zu äußern? Als glaubwürdig galten bis jetzt wohl vor allem diejenigen, die aus erster Hand erzählen konnten. Die Zeitzeugen, die gelernten DDR-BürgerInnen jenseits oder DDR-BeobachterInnen diesseits der Mauer. Also alle diejenigen, die die DDR, je nach Sichtweise, selbst erlebt, erlitten oder ertragen haben.
Doch die Zeit schreitet voran, und es ist nur natürlich, dass die jüngere Generation eigene Fragen stellt, die mit zeitlichem Abstand weniger ideologisch, weniger von der „Sieger/Verlierer der Geschichte“-Position aus diskutiert werden. Menschen wie Katja Hoyer, Eva Weber oder Ines Weizman, die die DDR höchstens als Kinder oder Jugendliche persönlich erlebt haben, oder gar nur aus der späteren beruflichen Beschäftigung mit dem zweiten deutschen Staat.
Moderator John Kampfner, Bestsellerautor von Warum Deutschland es besser macht, ist einer der führenden Intellektuellen Europas, der das einst geteilte Deutschland und seine neue und alte Hauptstadt gut kennt und eine langjährige, persönliche Beziehung dazu hat. Sein neues Buch In Search of Berlin ist ein Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Es eröffnet neue Sichtweisen auf diese turbulente und faszinierende Stadt, die sich immer wieder neu erfindet.
Es dürfte also spannend werden im Goethe-Institut London am Abend des 3. Oktober 2023, dem „Tag der Deutschen Einheit“, von der viele im Westen, aber mehr noch im Osten behaupten, dass sie noch längst nicht verwirklicht ist. Nicht, solange die Mauer in den Köpfen vieler Deutscher weiter besteht, und die Spirale aus gegenseitigen Missverständnissen, Unterstellungen und Voreingenommenheit die Diskurse bestimmen. Darum brauchen wir neue Narrative über die DDR! Seien Sie dabei, hören Sie zu und reden Sie mit.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion findet ein Stehempfang in der Bibliothek des Goethe-Instituts statt.
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Katja Hoyer ist eine deutsch-britische Historikerin, Journalistin und Autorin des viel beachteten Buches Blut und Eisen. Sie ist Gastwissenschaftlerin am King's College London und Fellow der Royal Historical Society. Sie ist Kolumnistin für die Washington Post und moderiert zusammen mit Oliver Moody den Podcast The New Germany. Sie wurde in Ostdeutschland geboren und lebt heute in Großbritannien.
Eva Weber ist eine Regisseurin, die mit Filmen wie dem Dokumentarfilm Merkel ("Ein aufschlussreiches Porträt einer Frau, die 'ohne Ego' führte" - IndieWire), dem 27-minütigen Dokumentarfilm The Solitary Life of Cranes ("einer der fesselndsten Dokumentarfilme des Jahres" - Observer), dem Dokumentarfilm Black Out ("Augenöffnend... bewegt sich nahtlos zwischen dem Geradlinigen und dem Poetischen" - Hollywood Reporter) und dem Kurzfilm Field Study, der für den Europäischen Filmpreis nominiert wurde, große Anerkennung gefunden hat. Ihre mehrfach preisgekrönten Filme wurden auf zahlreichen Festivals gezeigt, darunter Sundance, Telluride, London, Sheffield und IDFA. Sie wurde mit dem Sundance Institute Global Filmmaking Award ausgezeichnet und war Stipendiatin des Sundance Screenwriters and Directors Lab.
Ines Weizman (1973, Leipzig) ist Head of PhD an der School of Architecture, Royal College of Art und Professorin für Architekturtheorie und Design an der Akademie der bildenden Künste, Wien. Als ausgebildete Architektin wird ihre Forschung oft durch architektonische Interventionen, Filmessays und Ausstellungen katalysiert. In ihren Veröffentlichungen über Vorher-Nachher-Fotografie untersuchte sie die veränderte Wahrnehmung ostdeutscher Städte nach der deutschen Wiedervereinigung. In ihren Büchern Documentary Architecture: Dissidence through Architecture (Santiago de Chile: ARQ Editiones, 2020) und Architecture and the Paradox of Dissidence (London: Routledge, 2013) befasste sie sich mit alternativen architektonischen Praktiken im Ostblock in den Jahren des Zusammenbruchs des Kalten Krieges. Zu ihren jüngsten Büchern gehören Dust and Data. Traces of the Bauhaus across 100 Years. (Spector Books, 2019). Ihre Installation über Josephine Baker und moderne Architektur in der kolonialisierten arabischen Welt wurde 2023 auf der Biennale von Venedig gezeigt.
John Kampfner ist ein preisgekrönter Autor, Broadcaster und außenpolitischer Kommentator. Er begann seine Karriere als Reporter aus Ost-Berlin (während des Mauerfalls) und Moskau (während des Zusammenbruchs des Kommunismus) für den Telegraph. Nachdem er für die Financial Times und die BBC über britische Politik berichtet hatte, war er Herausgeber des New Statesman. Er ist regelmäßig zu Gast in Radio und Fernsehen, macht Dokumentarfilme und verfasste bisher sechs Bücher. Sein jüngster Titel Warum Deutschland es besser macht war ein Top-Ten-Bestseller und Buch des Jahres im Guardian, Economist und New Statesman und verkaufte sich über 100.000 Mal.
Sein neues Buch In Search of Berlin: The Story of a Reinvented City, das am 5. Oktober erscheint, ist eine umfassende Geschichte Berlins, der Stadt des Himmels und der Hölle, der Katastrophe und der Neuerfindung. Seit John Kampfner als junger Journalist im kommunistischen Ost-Berlin war, geht ihm die Stadt nicht mehr aus dem Kopf. Berlin war eine Militärkaserne, ein industrielles Kraftzentrum, ein Zentrum der Bildung, eine Brutstätte der Dekadenz - und das Labor für das schlimmste Horrorexperiment, das der Menschheit bekannt ist.
Details
Goethe-Institut London
Bibliothek des Goethe-Instituts (1. Stock)
50 Princes Gate
Exhibition Road
London
SW72PH
Vereinigtes Königreich
Sprache: Englisch
Preis: Gratis (Vorbuchung notwendig)
+44 20 7596 4000