Filmvorführung
Off to take Care: Programm 2 - Unterschiede Heraushören

Afroamerikansiche Krankeschwestern in einem Protestmarsch. Eine hält ein Schild: I am sick of tired of being sick and tired.
Madeline Anderson: I am Sombody ©Icarus Film

The March | I am Somebody | Street 66 | Terminal Norte | Scuola Sensa Fine

Zuhören als affizierende Tätigkeit, die es ermöglicht, Nuancen wahrzunehmen und Vielfältigkeit zu wertschätzen. Als Voraussetzung dafür, noch nicht Bekanntes responsiv zur Kenntnis zu nehmen, anstatt allzu Bekanntes affirmierend herauszufiltern und zu wiederholen. Die Filme in diesem Programm, in Betonung der Tonebene, befassen sich mit den fragilen Prozessen, eine Gemeinschaft zu bilden und zu erhalten. Eine soziale Realität herzustellen, die Unterschiede ermöglicht, und mit der Entwicklung einer Pädagogik, die einen Unterschied macht. Diese verschiedenen Formen der Sorge, der Hinwendung, des sich Kümmerns lassen sich nicht festhalten. Es ist eher ein vibrierendes Echo, das uns daran erinnert, wie sich die Dinge zu bestimmten Momenten verändert haben und sich jederzeit verändern lassen.

18.30 Uhr: Begrüßung + Einführung in The March, 15 min
18.45 Uhr: The March, Abraham Ravett, USA, 1999, 25 min 
19.10 Uhr: Einführung in die folgenden Filme, 15 Min. 
19.30 Uhr: I am Somebody, Madeline Anderson, USA, 1970, 30 min
20.00 Uhr: Street 66, Ayo Akingbade, UK, 2018, 13 min
20.15 Uhr: Terminal Norte, Lucrecia Martel, Argentinien, 2021, 37 min
20.55 Uhr:  Scuola Senza Fine, Adriana Monti, Italien, 1983, 40 min
21.35 Uhr:  Diskussion

Bitte scrollen Sie nach unten, um weitere Informationen zu den Filmen zu erhalten.

Wir freuen uns, dass die Teilnehmer des Waiting Times Project während des gesamten Festivals ihre Antworten mitteilen und an unseren Diskussionen über die Filme teilnehmen werden.

Das vom Wellcome Trust geförderte Waiting Times Project beleuchtet die Beziehung zwischen Zeit und Pflege und erforscht, wie gelebte Erfahrungen, Darstellungen und Geschichten von verzögerter und behinderter Zeit die Erfahrungen von Pflege, einschließlich Gesundheitsversorgung, formen und schaffen.

Bitte beachten Sie, dass wir keine Werbung zeigen und das Programm pünktlich beginnen wird. Die Anfangszeiten können sich im Laufe des Programms leicht verschieben. Alle Filme, die nicht auf Englisch sind, werden mit englischen Untertiteln gezeigt. Sie benötigen nur eine Eintrittskarte für das gesamte Programm.
 


The March, Abraham Ravett,  USA, 1999, 24 min  

Beharrliches Nachfragen, immer wieder, über dreizehn Jahre hinweg. Freundlich insistierend. Der Filmemacher als Sohn, der seine Mutter als Zeitzeugin befragt. Sie möge sich doch erinnern. An Details. Dieselbe Geschichte, die sich jedoch über die Jahre, als Erinnerung, immer wieder anders darstellt. An den Anfang des Films setzt Ravett ein Zitat aus The Holocaust des Historikers Martin Gilbert. Dessen Haltung gegenüber Geschichte findet Resonanz in der Haltung des Filmemachers. Sie muss in der Gegenwart als Erinnerung immer wieder neu hergestellt werden. Dies als die Bedeutung wertzuschätzen, dafür die Zeit und die Mittel aufzutreiben, auch das ist Care-Arbeit. Als filmisches Fragment und Erinnerungslücke.


I am somebody, Madeline Anderson, USA, 1970, 30 min

“Während ich beim National Education Television (NET) als Redakteurin arbeitete, begann der Streik in Charleston mit etwa 400 schwarzen Arbeiterinnen im Medical College Hospital der Universität von South Carolina. Ich dachte mir: ‘Oh, ich muss diesen Film machen.’ Ich ging wie üblich zu den Sendern, und sie sagten mir: ‘Wir haben Leute, die etwas einschicken werden, aber ... es ist nicht für ein breites Publikum, wir haben nicht das Geld…'. Aber ich begann zu recherchieren.
Dann bekam ich einen Anruf von der lokalen Gewerkschaft 1199. Sie suchten nach einer Filmemacherin, weil sie einen Film über den Streik machen wollten. Yeah! Ich hatte schon so viel recherchiert, und ich wusste, was in den Bibliotheken vorhanden war. Ich war überglücklich. Ich hätte den Film auch umsonst gedreht, aber das war das erste Mal, dass ich ein richtiges Budget hatte. Sie gaben mir Geld, Zeit, alles, was ich brauchte. Ich sah diese Frauen an, als wären sie meine Schwestern, weil ich die gleichen Erfahrungen gemacht hatte.” (Madeline Anderson im Gespräch mit Ashley Clark, März 2017 für Metrograph, siehe Link rechts auf dieser Webseite) 
https://metrograph.com/i-am-somebody-an-interview-with-madeline-anderson/

Street 66, Ayo Akingbade, UK 2018, 13 min

Die aus Ghana eingewanderte Dora Boatemah führte einen zehnjährigen Kampf mit Bauunternehmern und Gemeinderäten, um lokalen Anwohnern das Mitspracherecht bei der Neugestaltung der Angell Town-Siedlung in Brixton zu sichern.  Die Künstlerin Ayo Akingbade schreibt: "Als ich von einem Film-Shoot im Brockwell Park nach Hause kam, stolperte ich zum ersten Mal über ein schwarz-weißes Miniaturbild der verstorbenen Theodora Boatemah MBE (auch bekannt als Dora) in einem Artikel über die Siedlung im Evening Standard. Ich verkündete: "Ich werde einen Film über diese Frau machen", und zwei Jahre später habe ich genau das getan! (...) Ich würde sagen, dass sich meine künstlerische Praxis stark mit den alltäglichen Erfahrungen der Menschen und ihren Beziehungen zu ihrer Umwelt beschäftigt. Ich bin ein große Bewunderin der nie genannten Juwelen, der Menschen, die es schaffen, sich gegen Widrigkeiten und Unruhen zu behaupten. Als junge schwarze Frau denke ich, dass viele der Themen in diesem Film, wie Verdrängung, Gentrifizierung und Gemeinschaftsaktionen, universell sind. Wer wird unsere Geschichten erzählen?" (https://www.newcontemporaries.org.uk/news/blog-post-ayo-akingbade)



Terminal Norte, Lucrecia Martel, Argentinien, 2021, 37 min

Ein Refugium in der Musik, im Sound, der Stimme, dem Gesungenen. Von der Gewalt, die eine Gesellschaft gegenüber Lebensformen ausübt, die von den ihr gesetzten Normen abweichen, davon lässt sich oft leichter singen oder rappen, als darüber zu sprechen. Die Tonebene, die Musik als Ort der Subsistenz, als Fluchtlinie, aber auch als Versammlungsort. Sich zu regenerieren. Um in all der Differenz etwas Gemeinsames zu finden. Lucrecia Martel bildet und zeigt diese andere Gesellschaft in der Abstraktion. Während der COVID-19 Hochphase 2020 ist Martel in ihre Heimat Salta zurückgekehrt, einem Ort, eine Provinz im Landesinnern von Argentinien, von der es heißt, es sei die konservativste Region in Argentinien. Dort begann sie vor mehr als zwanzig Jahren mit La Cienaga, La niña santa und La mujer sin cabeza, die als "Salta-Trilogie" zusammenhingen. Mit Terminal Norte verzichtet sie auf einen ausgefeilten Plot, als ob sie care zum Leitfaden macht und dem Potenzial der Figuren vertraut, ihre eigene Erzählung zu entfalten.


Scuola Senza Fine, Adriana Monti, Italien, 1983, 40 min

Auf der Tonebene beginnt ein Akkordeon, verbreitet einen ausgelassenen vibe, und ein auf den Rhythmus abgestimmter Schnitt läßt die ersten Minuten von Scuola Senza Fine (Schule ohne Ende) wie die Choreographie einer Feier aussehen. Schwarzweiß-Bilder der Frauen die sich begrüßen, verabschieden, umarmen, auf die Wange küssen; im Hintergrund, quasi als grauer Kontrast, die Wohnblocks von Affori, im Außenbezirk von Mailand. Die Gruppe hatte sich 1976/77 bei einem der 150 Stunden-Kurse für Erwachsenenbildung kennengelernt, ein Weiterbildungsprogramm für Fabrikarbeiter*innen, Hausfrauen, Bauern, das Mitte der 1970er in ganz Italien von den Gewerkschaften gefördert worden war.
“Du kommst in ein Klassenzimmer und bist inmitten einer lebhaften Diskussion, zwanzig Frauen debattieren über Stadtplanung.” Zu reden, zu diskutieren, und dass einem jemand zuhöre, war für die Frauen der ausschlaggebende Erfolg dieser späten Schulzeit. Ihr ganzes Leben hatten sie sich um andere gekümmert, aber kaum um sich selbst. Das wollte sie nicht mehr aufgeben, weder die gemeinsamen Treffen noch das gemeinsame Lernen. Die Filmemacherin Adriana Monti kommt in dieser Nach-Phase dazu, über die feministische Journalistin und Lehrerin Lea Melandri. Sie bringt immer wieder ihre Kamera mit, es gibt das Interesse an einem kollektiven Filmprojekt, das Interesse verflüchtigt sich. Monti lässt das Material zwei Jahre lang liegen. Bevor sie es wieder sichtet, strukturiert, ihm eine Form gibt. Darin liegt eine große Verantwortung, wie das gemeinsam Gelebte, Erlernte durch einen Film lebendig halten und nicht zu fixieren, zu vereinnahmen. Sich darum zu kümmern, sowohl um das Material, die Form, als auch um die Leute. Was dabei aufscheint, ist die Möglichkeit, wie care als Haltung auf verschiedenen Ebenen ineinandergreift, und was das für eine power haben kann.
 

Details



Preis: Preis: £5, Ermäßigt: £3 / Frei für SprachkursteilnehmerInnen und Bibliotheksmitglieder des Goethe-Instituts. Reservierung erforderlich.

+44 20 75964000 info-london@goethe.de
Diese Veranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe Off To Take Care.