Filmvorführung
Off to take Care: Programm 3 - Care fictions, Nursing Realities

Links Info text über Bild: Arbitration Decision Made in June 1986 Results in Downgrading of Thousands of Nurses / rechts: 2 Krankenschwestern unterhalten sich
S. Rothman_The Student Nurses_©Shout Factory Out of Patience_ & ©Chris Brown, Serena Everill

Assisted Living | Iranian Women's Liberation Movement, Year Zero | Running out of Patience | The Student Nurses

Filme über Krankenschwestern als Heldinnen des Alltags könnten, mit ihrer Vielzahl von Klischee- und Antiklischee-Bildern, ein eigenes Genre bilden. Die beiden Spielfilme des Programms bieten dahingehend eine ironisch-ernsthafte Bandbreite. In The Student Nurses (1970) hadern vier adrette, unterschiedlich ambitionierte junge Krankenschwestern damit, das Pflegen zu ihrem zukünftigen Beruf zu machen, und in Assisted Living (2003) stellt eine Reinigungskraft herkömmliche Formen der Pflege auf den Kopf. Klischees werden in Running Out of Patience (1987) als Collage humorvoll gegen die Entwicklung eines erfolgreichen Krankenschwestern-Streiks montiert, und in Mouvement de libération des femmes iraniennes, Année Zéro (1979) tauchen Krankenschwestern an Balkongeländern auf, winkend senden sie Zeichen ihrer Solidarität…
Wir freuen uns, dass Selina Roberston von Club des Femmes und die Filmwissenschaftlerin und Filmemacherin Bev Zalcock The Student Nurses einführen werden.

18.00 Uhr: Begrüßung + Einführung in das Assisted Living
18.15 Uhr: Assisted Living, Elliot Greenebaum, USA 2003, 77 min
19.45 Uhr: Einführung in die folgenden Filme
20.00 Uhr: Mouvement de libération des femmes iraniennes, Année Zéro, Iran/Frankeich, 1979, 13 min
20.15 Uhr: Running Out of Patience, Serena Everill & Chris Brown, Australien, 1987, 40 min
21.00 Uhr: Einführung in The Student Nurses von S. Robertson & Bev Zalcock
21.15 Uhr: The Student Nurses, Stephanie Rothman, USA, 1970, 81 min
22.40 Uhr:  Diskussion

Bitte scrollen Sie nach unten, um weitere Informationen zu den Sprecher*innen und den Filmen zu erhalten.

Wir freuen uns, dass die Teilnehmer des Waiting Times Project während des gesamten Festivals ihre Antworten mitteilen und an unseren Diskussionen über die Filme teilnehmen werden.

Das vom Wellcome Trust geförderte Waiting Times Project beleuchtet die Beziehung zwischen Zeit und Pflege und erforscht, wie gelebte Erfahrungen, Darstellungen und Geschichten von verzögerter und behinderter Zeit die Erfahrungen von Pflege, einschließlich Gesundheitsversorgung, formen und schaffen.

Bitte beachten Sie, dass wir keine Werbung zeigen und das Programm pünktlich beginnen wird. Die Anfangszeiten können sich im Laufe des Programms leicht verschieben. Alle Filme, die nicht auf Englisch sind, werden mit englischen Untertiteln gezeigt. Sie benötigen nur eine Eintrittskarte für das gesamte Programm.
 

Selina Robertson ist Filmwissenschaftlerin und Programmgestalterin und Gründungsmitglied des queer-feministischen Kuratorinnenkollektivs Club des Femmes. Sie hat vor kurzem eine Doktorarbeit an der Birkbeck University of London über die Geschichte feministischer Filmvorstellungen im London der 1980er Jahre abgeschlossen.

Bev Zalcock ist Filmemacherin und lehrt Filmwissenschaften mit dem Schwerpunkt Frauenkino und Underground.  Sie hat zwei Bücher veröffentlicht: Girls' Own Stories: Australian & New Zealand Women's Film (mit Jocelyn Robson, 1997) und Renegade Sisters: Girl Gangs on Film (1998, 2001) veröffentlicht und Artikel für zahlreiche Publikationen geschrieben, darunter: 'Looking at Pumping Iron 2: The Women' in Immortal, Invisible: Lesbian & the Moving Image (1995). Bevs wechselvolle Karriere umfasste politischen Aktivismus, Motorradfahren und Guerilla-Filme; mit ihrer Partnerin Sara Chambers dreht sie weiterhin No-Budget-Filme unter dem Label Barrelstout Productions. 
Assisted Living, Elliot Greenebaum, USA, 2003, 78 min

Todd kümmert sich indem er flunkert. Wer will schon daran erinnert werden hilfsbedürftig, abhängig, gebrechlich, vergesslich, tatterig zu sein, allein gelassen, mit der Angst vor dem Tod. Realismus hilft selten, um über die Realität hinweg zu kommen. Todd arbeitet als Reinigungskraft in einem Altersheim. Morgens vor der Arbeit raucht er Pott. Er wirkt unzuverlässig, entwickelt jedoch erfolgreiche, kreative, fiktionale Strategien, um den Anforderungen der ihm zugeschriebenen Care-Verantwortung auf seine Art zu antworten.
Elliot Greenebaum, kam von der Philosophie zum Film, jetzt arbeitet er als Psychoanalytiker in Brooklyn. Assisted Living war sein Abschlussfilm an der NYU. Zwischen dokumentarischer und fiktionaler Arbeitsweise wollte er Konfusion herstellen. Bewohner_innen eines Alten-Pflegeheims machte er zu Schauspieler_innen einer Geschichte, die von ihrer Realität handelt. Das Altersheim in Louisville, Kentucky, wird zum Set.


Mouvement de libération des femmes iraniennes, Année Zéro, Sylvina Boissonnas, Michelle Muller, Sylviane Rey, Claudine Mulard, Iran/Frankreich, 1979, 13 min

Der Film zeigt einen dieser Momente, die dazu verführen, die Zeit auf Null zu setzen. Alles nochmal von vorn, als gäbe es keine Geschichte und noch keine Zukunft. Ein Übergang, der Kräfte freisetzt, etwas öffnet und sichtbar macht. Nur wenige Wochen Anfang 1979, nachdem der Shah ins Exil geflohen und Ayatollah Khomeini sein Regime noch nicht implementiert hatte, und es kulminiert am 08. März, am internationalen Frauentag: die Frauen im Iran nehmen die Straßen ein und fordern Gleichberechtigung und Selbstbestimmung. Denn im Moment der Machtübernahme hatte Khomeini schon begonnen seine Versprechen den Frauen gegenüber rückgängig zu machen. “Alle möglichen Frauen waren da, ob Linke, Kommunistinnen, Fedai Guerrilleras, Intellektuelle, Bäuerinnen, Fabrikarbeiterinnen, Studentinnen, Schülerinnen—alle haben sie mitgemacht.” (Negar Mottahedeh, “Soundscapes of the Iranian Revolution”, Journal of Middle East Women’s Studies, July 2020)

Ein Team aus Frankreich macht eine Woche lang Film- und Tonaufnahmen von diesem feministischen Straßenfest und schmuggelt das Material erfolgreich nach Paris. Lange gilt der fertig geschnittene Kurzfilm als verschollen und tauchte erst 2009 als digitalisierte Kopie im Netz auf, im Zuge der “Grünen Bewegung” im Iran. Seitdem zirkuliert er als Dokument eines Moments von Freiheit, Überschwang, Potential. Zuletzt hat Claudine Moulart, eine der Filmemacherinnen, eine neue Initiative gestartet, auch als solidarische Geste gegenüber den seit mehr als einem Jahr andauernden Protesten der Frauen im Iran. Das Protokoll zu den Dreharbeiten ins Englische übersetzt: … “Mittwoch, 14. März, 1979, Krankenhausdach, 10 Uhr. Wir filmen Krankenschwestern, die wir auf der Demonstration getroffen haben, auf dem Dach ihres Krankenhauses, mit den majestätischen Schneegipfeln im Hintergrund. Elizabet, mit ihren schönen schwarzen Haaren, hat sich während der ‘Revolution’ um die Verwundeten gekümmert und ist sehr redegewandt: ‘Seit letztem Donnerstag haben wir ein Problem mit den religiösen Führern, und wir sind auf die Straße gegangen, um deutlich zu machen, dass wir es sind die entscheiden, für oder gegen den Schleier. Wenn sie das die ganze Zeit geplant haben, hätten sie uns vor der Revolution sagen müssen, dass Männer und Frauen nicht gleich sind! Wir, als Frauen wollen, weiterkämpfen.’ Was ist aus Elizabet und ihren Freundinnen geworden? (Sie finden mehr Informationen über den Film und die die Möglichkeit für die Rettung des Films zu spenden unter einem Link am Rand dieser Seite.)


Running Out of Patience, Serena Everill und Chris Brown, Australia, 1987, 40 min

Chris Brown und Serena Everill kennen den Betrieb von innen. Als zwei filmende Krankenschwestern begleiten sie den Streik der Krankenschwestern in Victoria, Australien, aktiv und verschaffen den Protagonistinnen Gehör. Sie greifen deren Forderungen auf, während sie gleichzeitig Klischees dekonstruieren. Das Bild der sanftmütig fürsorglichen Krankenschwester, der frivolen Novizin oder der rigorosen Stationsschwester bilden seit den Anfängen des Filmemachens ein ganzes Genre. Unabhängig von der Vielfalt der realistischen, phantastischen oder heroischen Charaktere, die diese Filme hervorgebracht haben, entgleitet die Pflegearbeit selbst meist der Darstellbarkeit. Das hat mit der Zeit, der Dauer, der Routine der Arbeit und einem wenig dramatischen Narrativ zu tun. Erst wenn die Dinge auseinanderfallen, wird deutlich, worin die Arbeit der Aufrechterhaltung, der Pflege besteht.
         
  
The Student Nurses, Stephanie Rothman, USA, 1970, 81 min

Stephanie Rothman schmuggelt care, im Sinne einer subversiven Sensitivität und Differenziertheit, in eine Branche, die nicht dafür gemacht ist. Als einige der wenigen Regisseurinnen in Roger Corman’s New World Production brauchte sie besondere Schlauheit und Fähigkeiten, um mit und gegen die Erwartungen zu arbeiten. Das zeigte sich auch bei The Student Nurses. Hier in den Worten der Filmkritikerin Pam Cook, die diese Anstrengung und den schmalen Grat der doppelten Subversion schon früh beschrieb und wertschätzte, 1976 in Screen (Vol. 17/2): "Die Betonung des Films als Ware, die Notwendigkeit, Filme so schnell und billig wie möglich zu produzieren, hat dazu geführt, dass in Exploitation-Filmen jene Produktionswerte ausgeklammert wurden, die dem Mainstream-Hollywood-Kino seine Kontinuität verleihen: Hauptdarsteller, psychologischer Realismus und erzählerische Komplexität. Die Markenzeichen des 'Trash-Films' sind schlechte Schauspieler, plumpe Stereotypen und eine schematische Erzählweise: Genau diese Elemente verleihen dem Exploitation-Film zugleich sein subversives Potenzial. [...] Jede Diskussion über die Unterschiede zwischen Rothmans Filmen und anderen Filmen im Exploitation-Bereich muss letztlich durch eine genaue Analyse der Filme selbst geklärt werden. Nichtsdestotrotz haben ihre Filme einen polemischen Wert in Bezug auf die feministische Filmkritik: Obwohl sie in keiner Weise als feministische Filme bezeichnet werden können, arbeiten sie mit den Formen des Exploitation-Genres, um Widersprüche und Bedeutungsverschiebungen zu erzeugen, die die patriarchalen Frauenmythen aufbrechen, auf denen der Exploitation-Film selbst beruht. Es ist diese Strategie der Verschiebung, einer Auseinandersetzung innerhalb der Film-Formen, die für uns von entscheidendem Nutzen ist, in unserer Anstrengung, unsere eigene Sprache zu finden, und nicht im Versuch, unsere Unterdrückung in einer kohärenten feministischen Metasprache auszudrücken."
Care, als Hinwendung und Abwendung, System stabilisierend und destabilisierend; womöglich ist das ein guter Ausgangspunkt, um über den Zustand der Gesundheitssysteme und die notorische Geringschätzung von Pflegearbeit noch einmall anders nachzudenken.

 

Details



Preis: Preis: £5, Ermäßigt: £3 / Frei für SprachkursteilnehmerInnen und Bibliotheksmitglieder des Goethe-Instituts. Reservierung erforderlich.

+44 20 75964000 info-london@goethe.de
Diese Veranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe Off To Take Care.