Filmvorführung
Off to take Care: Programm 4 - Variationen einer Hypokrisie der Sorge

Eine Frau und zwei Männer, mit dunkler Haut und in amtlichen Roben sitzen hinter einem Tisch mit Akten und gucken Richtung Kamera
Abderrahmane Sissako: Bamako © Les Films du Lozange

Abderrahmane Sissako: Bamako | Djibril Diop Mambéty: Hyènes

Was wäre, wenn die Weltbank vor Gericht gestellt würde? Wäre das ein erster Schritt aus der Krise des Vorstellungsvermögens, was Mark Fisher den “kapitalistischen Realismus” nannte, um zu lernen, sich eine Realität vorzustellen, die nicht entlang der kapitalistischen Logik von Ausbeutung und Gewinnmaximierung strukturiert wird. Sowohl in Djibril Diop Mambétys Hyènes (1992), im Senegal angesiedelt, als auch in Abderrahmane Sissakos Bamako (2006), gedreht in einem Wohnviertel in der Hauptstadt Malis, wird die Weltbank als verlogenes Instrument des Neokolonialismus dargestellt. Sissako inszeniert Zeugenaussagen als Sprechakte und Argumente, um die negativen Auswirkungen internationaler Hilfe explizit zu machen, während Mambéty die Variationen von opportunistischer Heuchelei vielmehr als dystopisch, universell menschliches Drama durchspielt. Die Filme werden in chronologisch umgekehrter Reihenfolge als Double-Feature gezeigt, als eine Art Test, um noch die Stimmen aus Bamako im Ohr zu haben, während wir Linguère Ramatou, die alte Dame in Hyènes, bei ihrem perfiden Kampf für Gerechtigkeit zusehen.
Wir freuen uns, dass Anjalika Sagar und Kodwo Eshun von The Otolith Collective den Film Hyènes einführen werden. 

14.00 Uhr: Begrüßung + Einführung in den Tag und Bamako
14.15 Uhr: Bamako, Abderrahmane Sissako, Mali/Frankreich, 2006, 115 min
16.15 Uhr: Einführung in Hyènes durch Anjalika Sagar und Kodwo Eshun
16.30 Uhr: Hyènes, Djibril Diop Mambéty, Senegal, 1992, 111 min 
18.30 Uhr: Diskussion
19.00 Uhr: Drinks, Knabbereien und Gespräche

Bitte scrollen Sie nach unten, um weitere Informationen zu den Filmen zu erhalten.

Wir freuen uns, dass die Teilnehmer des Waiting Times Project während des gesamten Festivals ihre Antworten mitteilen und an unseren Diskussionen über die Filme teilnehmen werden.

Das vom Wellcome Trust geförderte Waiting Times Project beleuchtet die Beziehung zwischen Zeit und Pflege und erforscht, wie gelebte Erfahrungen, Darstellungen und Geschichten von verzögerter und behinderter Zeit die Erfahrungen von Pflege, einschließlich Gesundheitsversorgung, formen und schaffen.

Bitte beachten Sie, dass wir keine Werbung zeigen und das Programm pünktlich beginnen wird. Die Anfangszeiten können sich im Laufe des Programms leicht verschieben. Alle Filme, die nicht auf Englisch sind, werden mit englischen Untertiteln gezeigt. Sie benötigen nur eine Eintrittskarte für das gesamte Programm.
 

 
The Otolith Collective ist eine seit langem bestehende, von Künstler*innen geleitete Organisation, die generationenübergreifende Kunstpraxis, forschungsgeleitete Projekte und prozessbasierte Formen der Entwicklung unterstützt. Sie schaffen Umgebungen, die den Diskurs und die Diskussion fördern, geben gemeinsam Kunstprojekte in Auftrag und kuratieren Ausstellungen und Programme mit einer Vielzahl von Mitarbeiter*innen, Organisationen und Institutionen hier und anderswo.

The Otolith Collective, die das Kuratieren als künstlerische Praxis zur Schaffung generations- und kulturübergreifender Plattformen versteht, hat war maßgeblich daran beteiligt, spezifische Werke von Künstler*innen wie Chris Marker, Harun Farocki, Anand Patwardhan, Etel Adnan, Black Audio Film Collective, Sue Clayton, Mani Kaul, Peter Watkins und Chimurenga Großbritannien, den USA, Europa und im Libanon einzuführen.

Bamako, Abderrahmane Sissako, Mali/Frankreich, 2006, 115 min

Vierzehn Jahre nach Djibril Diop Mambétys Hyènes entsteht Abderrahmane Sissakos Bamako. Mit komplett unterschiedlichen ästhetischen und narrativen Strategien adressieren beide Filme eine ähnliche Fragestellung: “Können Sie sich eine Welt ohne Weltbank vorstellen?” Nach einer kurzen Pause antwortet der befragte Zeuge: “Absolut!”
Im Hinterhof eines Wohnviertels in der Hauptstadt von Mali findet ein Gerichtsprozess statt. Angeklagt sind der Internationale Währungsfond und die Weltbank, für ihre careless Finanzpolitik der systematischen Verschuldung. Die Skalierung vom Hinterhof in Bamako zu den abstrakten Mechanismen des kapitalistischen Systems artikuliert sich allein durch die Anstrengung, dieses Beziehungsgeflecht sprachlich zu erfassen, unterschiedlichen Sprechweisen, Darstellungen, Einsichten Raum zu geben. Zugleich stellt der Hinterhof eine Schnittstelle dar, im engen Nebeneinander von alltäglicher Care-Arbeit, Kinderbetreuung, Krankenpflege, Essenvorbereitung usw., neben, als, inmitten von Weltpolitik.


Hyènes, Djibril Diop Mambéty, Senegal, 1992, 111 min   

Hyènes entsteht durch Umwege, Abwege. Sie führen vom Senegal über die Schweiz, ausgerechnet. Djibril Diop Mambéty hatte im Kino durch Ingrid Bergmann im Film Der Besuch (1963) von Bernhard Wicki die Erinnerung an eine geheimnisvolle Lady aus Dakar wieder gefunden, die, als regelmäßiger Gast in einer Bar, immer wieder die Runde schmiss, bis sie eines Tages verschwand und nicht mehr zurückkehrte. Mambéty erfuhr, Der Besuch der Alten Dame sei das Stück eines Schweizer Schriftstellers. Er besuchte Friedrich Dürrenmatt in St Gallen und erhielt dessen Einverständnis, seine eigene Version der Alten Dame zu drehen. 
Im Kern geht es dabei um die Hypokrisie der Sorge. Auf lokaler und globaler Ebene, durchgespielt innerhalb der Mikrostrukturen einer Dorfgemeinschaft, die Weltwirtschaft jedoch immer im Ohr. Das legen die dystopisch klingenden Synthesizer Melodien nahe, komponiert von Wasis Diop, die eine auf Allegorien abzielende, abstrakt-konkrete Ästhetik unterstreichen und weiter skalierend transportieren. Hyènes sollte der zweite Teil einer Trilogie zu Macht, Geld und Wahnsinn werden.
Das sich-Kümmern, sich-Sorgen, dargestellt als Konglomerat scheinheiliger Gesten, geleitet vom Interesse, den eigenen Nutzen immer an erste Stelle zu setzen. Die Alte Dame kommt bei Mambéty als Inkarnation der Weltbank zurück. Als vergoldete Prothese steigt sie aus dem Zug, am Bahnhof von Colobane. Sie ist zurückgekommen, um genau diese Scheinheiligkeit des kapitalistischen Systems freizulegen, an dem alle ihren Anteil haben.
 

Details



Preis: Preis: £5, Ermäßigt: £3 / Frei für SprachkursteilnehmerInnen und Bibliotheksmitglieder des Goethe-Instituts. Reservierung erforderlich.

+44 20 75964000 info-london@goethe.de
Diese Veranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe Off To Take Care.