Ein Symposium, das jenen ungarischen Theaterschaffenden ein Forum bietet, die seit Jahren regelmäßig, gar hauptberuflich an deutschen Theatern arbeiten.
Ein gemeinsames Projekt des Goethe-Instituts und der Gilde der Theaterdramaturg*innen (Színházi Dramaturgok Céhe).
Das gemeinsame Symposium des Goethe-Instituts und der Gilde der Theaterdramaturg*innen (Színházi Dramaturgok Céhe) wird mit dem Ziel veranstaltet, jenen ungarischen Theaterschaffenden ein Forum zu bieten, die seit Jahren regelmäßig, gar hauptberuflich an deutschen Theatern arbeiten. Einige ihrer Aufführungen konnten wir auch hier in Ungarn live oder als Stream erleben, wir hörten von ihren Auszeichnungen und konnten auch Rezensionen lesen – wodurch das Bedürfnis nur verstärkt wurde, die Erfahrungen und Gedanken dieser Kreativen von ihnen selbst erzählt zu bekommen.
Das Erscheinen der ungarischen Theaterschaffenden in Deutschland war nicht ohne Vorgeschichte: Neben den Tournee-Aufführungen einzelner Theater-Ensembles waren dabei auch die zunehmende Präsenz und das steigende Ansehen der zeitgenössischen ungarischen Literatur und bildenden Kunst auf dem deutschen Markt sehr wichtige Faktoren. Die Beziehung zwischen den Kulturen begann sich durch die Geschichten von Esterházy, Kertész, Nádas, Konrád und Darvasi auszubauen, und all dies bereitete auch den Boden für das ständig wachsende Interesse an der ungarischen Kunst und an den Theaterschaffenden. Natürlich spielte auch die der deutschen Theaterkultur von vornherein innewohnende Offenheit eine grundlegende Rolle bei der Entstehung dieser Kooperationen, da es ja ein generelles Merkmal der deutschen Kultursphäre ist, sich anderen Kulturen gegenüber aktiv zu öffnen.
Heute können wir sagen, dass viele ungarische Theaterschaffende vielfältige Erfahrungen in Deutschland gesammelt haben, und dass sich in ihren Händen ein wichtiger Wissensschatz gebildet hat, der an jüngere Generationen von Kreativen weitergereicht werden sollte. Auch ist es uns wichtig zu zeigen, dass sich unter den regelmäßig nach Deutschland zurückkehrenden Theaterleuten nicht nur Regisseure*innen, sondern auch Dramaturg*innen und Bühnen-/Kostümbildner*innen befinden, und auch deren Stimmen möchten wir bei unserem Treffen hören.
In den anderthalb Tagen des Symposiums Anfang November möchten wir herausfinden, wodurch sich trotz der Unterschiede zwischen den beiden Theaterkulturen eine Kommunikationsebene eröffnet, was die eine Kultur der anderen gibt, beziehungsweise auf welche Weise die Verbindungen praktisch entstehen: Welche Erfahrungen können diese Kreativen mit ihren jüngeren Kolleg*innen teilen?
Welche für die eigenen Zeitgenoss*innen und jüngeren Kolleg*innen nützlichen und wichtigen Antworten können sie auf die Fragen geben, die sich bei uns allen stellen, wenn es um die unterschiedlichen Arbeitsweisen und Arten des Ensemble-Daseins, um Rückmeldungen seitens des Publikums und der Kritik geht? Bilden ihre persönlichen Geschichten ein Muster? Sind die Grenzen zwischen den Kulturen in letzter Zeit durchlässiger geworden? Lohnt es sich, die ungarische und die deutsche Kultur getrennt zu betrachten – da sich die Trends in der jeweiligen Theaterlandschaft spürbar voneinander unterscheiden – oder sollten wir uns eher im Rahmen der gemeinsamen europäischen Kultur sehen? Welche Vor- und Nachteile sehen sie hier und dort im Vergleich der beiden Theaterkulturen? Fühlen sie sich als Kreative veranlasst, sich von ihren ungarischen Wurzeln zu verabschieden, verspüren sie dem jeweiligen Theater oder dem Publikum gegenüber einen Zwang zur Anpassung?
Welche schöpferischen Besonderheiten gibt es, die durch ihre Einbettung in eine andere Kultur womöglich befruchtend auf das deutsche Theater wirken können? Wie nehmen die Arbeitskolleg*innen und das Publikum die Ironie des der osteuropäischen Tradition entspringenden Absurden oder eben die leidenschaftlichere Lebensauffassung wahr, wenn sie diesen begegnen? Inwiefern und auf welche Weise halten ungarische Kreative mit der zeitgenössischen deutschen Literatur und Dramatik Schritt? Sind sie eventuell bemüht, ungarische Autor*innen aktiv bekannter zu machen oder gar in die Theaterarbeit einzubeziehen? Ist es für die Regisseur*innen wichtig, den Schauspieler*innen ihres ehemaligen Ensembles Chancen zu bieten?
Schauen wir, wen wir persönlich oder via Online-Zuschaltung zur Konferenz erwarten:
László Bagossy kann sowohl in Ungarn als auch in Deutschland auf eine sehr bedeutende Laufbahn blicken. Einer der wichtigsten Schauplätze im Leben ungarischer Theaterschaffender ist das Theater tri-bühne in Stuttgart, wo Gábor Zsámbéki von 1987 bis 2002 wirkte. „Abgelöst“ wurde er hier 2006 durch László Bagossy, der dem deutschen Publikum neben Klassikern und deutschen zeitgenössischen Stücken bereits zwei zeitgenössische ungarische Werke vorgestellt hat und ein so großes Vertrauen genießt, dass er bald auch die Theaterleitung übernehmen wird. Auf institutioneller Ebene ist seine Laufbahn vielleicht die größte Erfolgsgeschichte.
Viktor Bodó begann seine internationale Karriere noch als Schauspieler bei Árpád Schilling und dem Ensemble Krétakör. Später leitete er das Ensemble der Sputnik Schiffskompanie (Szputnyik Hajózási Társaság) und auch in dieser Position blieb das internationale Interesse an ihm weiter bestehen. Er erhielt auch immer mehr Anfragen für Arbeiten im deutschsprachigen Raum, wobei ein wichtiges Merkmal der Zusammenarbeit war, dass Mitglieder seines Ensembles und seine unmittelbaren künstlerischen Mitarbeiter*innen an den Produktionen beteiligt waren. Nach der bedauerlichen und unfreiwilligen Auflösung von Szputnyik ließ das Interesse am Regisseur nicht nach, ebensowenig wie sein Engagement für seine ständigen Arbeitskolleg*innen, sodass er in den deutschen Produktionen neben den deutschen Kreativen regelmäßig mit ungarischen Schauspieler*innen, Dramaturg*innen, Komponist*innen, Bühnen-/Kostümbildner*innen und Dramatiker*innen zusammenarbeitet. Als eine seiner unmittelbaren Mitarbeiter*innen werden wir die Dramaturgin Anna Veress sicher als Gast begrüßen können.
Über die internationalen Erfolge von Kornél Mundruczó braucht man gewiss nicht ausführlich zu schreiben, vielleicht ist sogar vielen bekannt, dass neben seinen Filmen die überaus erfolgreichen Aufführungen des Proton Theaters jene Referenz hinsichtlich der Theaterarbeit geschaffen hatten, die der internationalen Karriere des Regisseurs einen weiteren Schub gab. Er arbeitet regelmäßig am Thalia Theater in Hamburg sowie an den Staatsopern in Berlin und München und wurde auch von der Ruhrtriennale eingeladen. Seit diesem Jahr steht er als Kreativer zusammen mit Kata Wéber bei der Berliner Volksbühne unter Vertrag.
András Dömötör´s Karriere in Deutschland hat in Berlin begonnen, aber schon bald konnte man ihn als wiederkehrenden Kooperationspartner im gesamten deutschsprachigen Raum verzeichnen: seit 2014 ist er neben dem Deutschen Theater und dem Gorki Theater auch immer wieder Gast in Basel, München und Hannover und er hielt über mehrere Jahre Schauspiel-Workshops in Berlin an der Hochschule Ernst Busch und an der Universität der Künste. Er legt Wert darauf, sowohl in der ungarischen als auch in der deutschen Theaterszene präsent zu sein, und auch er ist bemüht, seine unmittelbaren Mitarbeiter*innen nicht nach Landesgrenzen auszuwählen. Ildikó Gáspár und Csaba Polgár arbeiteten zunächst als künstlerisches Zweierteam im Ausland, am Volkstheater München und am Badischen Staatstheater Karlsruhe – Regie der Produktionen führte Csaba Polgár, Dramaturgin war Ildikó Gáspár. Später trennten sich ihre Wege, Ildikó war als Regisseurin europaweit zunehmend gefragt und erhielt 2021 den Auftrag der Nibelungen-Festspiele Worms, das Stück „Lukas“ von Lukas Bärfuss zu inszenieren. Die Geschichte der beiden verspricht spannende Erkenntnisse über gemeinsame und getrennte Wege, sowie hinsichtlich des Vergleichs zwischen Karrieren als Schauspieler*in-Regisseur*in und Dramaturg*in-Regisseur*in.
Auch die Bühnen-/Kostümbildner*innen dürfen nicht fehlen, so warten wir besonders gespannt darauf, die Stationen der internationalen Berufslaufbahn von Lili Izsák, Fruzsina Nagy, Márton Ágh und Tamás Bányai näher kennenlernen zu können: auf welche Weise gelingt es, aus dem Wirkungskreis als künstlerische*r Mitarbeiter*in ungarischer Kreativer hinauszutreten in eine auf europäischer Ebene als unabhängige*r Künstler*in wahrgenommene eigenständige Position? Und inwiefern unterscheidet sich die Lage der Bühnen-/Kostümbildner*innen von der der Regisseur*innen?
Mit der EU-Integration ist die Arbeit im Ausland aus bürokratischer Sicht merklich einfacher geworden, und bei der mittleren und jungen Generation besteht nach wie vor ein großes, sogar wachsendes Interesse an internationaler Öffnung. Neben den oben aufgezählten Kreativen gibt es glücklicherweise zahlreiche ungarische Regisseur*innen, Schauspieler*innen und Dramaturg*innen, die Erfolge in Deutschland verbuchen können. Das Beispiel der Regisseurinnen Panni Néder, Zsófia Geréb, Helga Lázár, der Schauspielerinnen Dorka Gryllus, Iringó Réti sowie der Dramaturgen Gábor Thury und Balázs Dohy zeigt, dass es sich lohnt, in allen Sparten für internationale Arbeit offen zu sein. Hilfreich dabei für die Künstler*innen kann auch der Umstand sein, dass die Theater im deutschsprachigen Raum die Arbeit der jeweils anderen untereinander mit Interesse verfolgen – man denke nur an die Jahresauswahl des Berliner Theatertreffens – und auf diese Weise spannende Künstler*innen leicht in einem größeren Umkreis bekannt werden können.
Unser Ziel ist es, dass die von den Regisseur*innen, Dramaturg*innen und Bühnen-/Kostümbildner*innen erzählten Geschichten als Inspiration auf die junge Generation wirken. Deshalb wollen wir ein Forum schaffen, auf dem den geladenen Gästen des Symposiums nicht nur der*die Moderator*in, sondern auch die Teilnehmenden Fragen stellen können, und Letztere über die Fragen hinaus auch über ihre Ansichten sprechen können. Wir freuen uns auf alle Interessierten, damit möglichst viele von uns Antworten auf unsere selten gestellten Fragen erhalten!
Alle Gespräche, die im Rahmen unseres Symposiums geführt wurden, können hier noch einmal angeschaut werden. (nur auf Ungarisch)
Goethe-Institut Ungarn
Goethe-Institut Ungarn
Eröffnung des Symposiums des Goethe-Instituts Budapest mit dem Titel Selten gestellte Fragen – Ungarische Theaterschaffende in Deutschland.
„Ein*e ungarische*r Schauspieler*in wird nicht krank”
Goethe-Institut Ungarn
Goethe-Institut Ungarn
László Bagossy, Theaterregisseur und zukünftiger Intendant der Stuttgarter tri-bühne, erzählt von seinen Erfahrungen als Theaterregisseur an ungarischen und internationalen Bühnen, sowie von den allgemeinen Unterschieden zwischen der deutschen und ungarischen Theaterkultur.
„Sie funktionieren so wie eine Fabrik”
Goethe-Institut Ungarn
Goethe-Institut Ungarn
Ein Gespräch mit dem Bühnenbildner Márton Ágh und dem Lichtgestalter Tamás Bányai über ihre Karrieren in Ungarn und im Auslad: über ihre Arbeiten, ihre persönlichen Erfahrungen, sowie über die kulturellen Unterschiede zwischen der osteurpäischen und der westeuropäischen Arbeitweise.
„Wie laufen die Dinge in einem internationalen Umfeld”
Goethe-Institut Ungarn
Goethe-Institut Ungarn
Anna Veress berichtet über ihre Arbiet als Darmaturgin in Ungarn, sowie über ihre internationale Karriere, die sie als Übersetzerin für ungarische Regisseure begonnen hatte, später aber auch als Dramaturgin arbeitete.
„Das Theater ist eine grundlegend nationalistische Kunstart”
Goethe-Institut Ungarn
Goethe-Institut Ungarn
Ein Gespräch mit dem Theaterregisseur Kornél Mundruczó und der Autorin Kata Wéber über ihre ungarischen und internationalen Karrieren, sowie über die kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Ungarn.
„Es muss wohl so bleiben, dass ich immer pendeln kann”
Goethe-Institut Ungarn
Goethe-Institut Ungarn
Viktor Bodó berichtet über seine Karriere als Theaterregisseur in Ungarn und auf den Bühnen Europas, und gibt Einblicke in seine perönlichen Erfahrungen, seine aktuellen Projekte und Pläne.
„Es ist wichtig, das Künstlerdasein als Beruf zu sehen und nicht dran zugrunde zu gehen”
Goethe-Institut Ungarn
Goethe-Institut Ungarn
Ein Gespräch mit András Dömötör über seine Karriere als Theaterregisseur in Ungarn und Deutschland: über seine beruflichen Erfahrungen und die kulturellen Unterschiede zwischen den beiden Ländern.
„Sie nehmen diesen Beruf sehr viel ernster”
Goethe-Institut Ungarn
Goethe-Institut Ungarn
Ein Gespräch mit Lili Izsák, Bühnenbildnerin, und Fruzsina Nagy, Kostümdesignerin und visuelle Gestalterin, über ihre ungarischen und internatioanlen Laufbahnen: über die kulturellen Unterschieden in den verschiedenen Theaterkulturen und die Vor- und Nachteile der deutschen Brechenbarkeit.
„Zuhause sind sie schon flexibler”
Goethe-Institut Ungarn
Goethe-Institut Ungarn
Die beiden Theaterregisseur*innen Ildikó Gáspár und Csaba Polgár berichten über ihre Erfahrungen als international agierende Regisseur*innen: über die Herausvorderungen mit denen sie in den verschiedenen Theaterkulturen kofrontiert wurden, und wie sie diese überwunden haben.